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Anhängiges Verfahren

Aktenzeichen: Rs C-543/14 (EuGH)
§§: Richtlinie 2006/112/EG Art. 98, Richtlinie 2006/112/EG Art. Art. 132, Richtlinie 2006/112/EG Art. 371, Grundrechtecharta Art. 47, Grundrechtecharta Art. 20, Grundrechtecharta Art. 21, MRK Art. 6
Schlagwörter EG, EU, Umsatzsteuer, Steuerbefreiung, Mehrwertsteuer, Dienstleistung, Rechtsanwalt, Grundrecht, Menschenrecht, Gleichheit, faires Verfahren, Prozesskostenhilfe
Rechtsfrage: 1. a) Ist dadurch, dass die Dienstleistungen von Rechtsanwälten der Mehrwertsteuer unterworfen werden, ohne dass hinsichtlich des Rechts auf Beistand durch einen Rechtsanwalt und des Grundsatzes der Waffengleichheit der Umstand berücksichtigt wird, ob der Rechtsuchende, der keinen juristischen Beistand erhält, mehrwertsteuerpflichtig ist oder nicht, die RL 2006/112/EG vereinbar mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der EU i.V.m. Art. 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und mit Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK), insofern dieser Artikel jeder Person das Recht gewährt, dass ihre Sache in einem fairen Verfahren verhandelt wird, sowie die Möglichkeit, sich beraten, verteidigen und vertreten zu lassen, und das Recht auf Prozesskostenhilfe für diejenigen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten? - b) Ist aus den gleichen Gründen die RL 2006/112/EG mit Art. 9 Abs. 4 und 5 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, unterzeichnet in Aarhus am 25.6.1998, vereinbar, insofern diese Bestimmungen ein Recht auf Zugang zum Gericht vorsehen, ohne dass diese Verfahren übermäßig teuer sein dürfen, und unter der Bedingung der "Schaffung angemessener Unterstützungsmechanismen, um Hindernisse finanzieller und anderer Art für den Zugang zu Gerichten zu beseitigen oder zu verringern"? - c) Können die Dienstleistungen, die Rechtsanwälte im Rahmen eines nationalen Systems der Gerichtskostenhilfe erbringen, in die Dienstleistungen i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g RL 2006/112/EG, die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind, eingeschlossen werden, oder können sie aufgrund einer anderen Bestimmung der RL befreit werden? Ist, falls diese Frage verneinend beantwortet wird, die RL 2006/112/EG, ausgelegt in dem Sinne, dass sie es nicht erlaubt, die Dienstleistungen, die durch Rechtsanwälte zugunsten von Rechtsuchenden erbracht werden, die juristischen Beistand im Rahmen eines nationalen Systems der Gerichtskostenhilfe erhalten, von der Mehrwertsteuer zu befreien, mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der EU i.V.m. Art. 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und mit Art. 6 MRK vereinbar? - 2. Ist, falls die unter Punkt 1 angeführten Fragen verneinend beantwortet werden, Art. 98 RL 2006/112/EG dadurch, dass darin nicht die Möglichkeit vorgesehen ist, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf die Dienstleistungen von Rechtsanwälten anzuwenden, gegebenenfalls je nachdem, ob der Rechtsuchende, der nicht den Vorteil des juristischen Beistands genießt, mehrwertsteuerpflichtig ist oder nicht, vereinbar mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der EU i.V.m. Art. 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und mit Art. 6 MRK, insofern dieser Artikel jeder Person das Recht gewährt, dass ihre Sache in einem fairen Verfahren verhandelt wird, sowie die Möglichkeit, sich beraten, verteidigen und vertreten zu lassen, und das Recht auf Prozesskostenhilfe für diejenigen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten? - 3. Ist, falls die unter Punkt 1 angeführten Fragen verneinend beantwortet werden, Art. 132 RL 2006/112/EG vereinbar mit dem Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung, der in den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der EU und in Art. 9 des Vertrags über die EU i.V.m. Art. 47 dieser Charta, festgelegt ist, insofern darin unter den dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten keine Befreiung von der Mehrwertsteuer zugunsten der Dienstleistungen von Rechtsanwälten vorgesehen ist, während andere Dienstleistungen als dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten befreit sind, beispielsweise die von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachten Dienstleistungen, verschiedene medizinische Dienstleistungen oder auch Dienstleistungen im Zusammenhang mit Unterricht, Sport oder Kultur, und während dieser Behandlungsunterschied zwischen den Dienstleistungen von Rechtsanwälten und den durch Art. 132 RL 2006/112/EG befreiten Dienstleistungen ausreichende Zweifel aufwirft, da die Dienstleistungen von Rechtsanwälten zur Achtung gewisser Grundrechte beitragen? - 4. a) Kann, falls die unter den Punkten 1 und 3 angeführten Fragen verneinend beantwortet werden, Art. 371 RL 2006/112/EG gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte der EU so ausgelegt werden, dass er es einem Mitgliedstaat der Union erlaubt, die Befreiung der Dienstleistungen von Rechtsanwälten teilweise aufrechtzuerhalten, wenn diese Dienstleistungen zugunsten von Rechtsuchenden erbracht werden, die nicht mehrwertsteuerpflichtig sind? - b) Kann Art. 371 RL 2006/112/EG gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte der EU auch so ausgelegt werden, dass er es einem Mitgliedstaat der Union erlaubt, die Befreiung der Dienstleistungen von Rechtsanwälten teilweise aufrechtzuerhalten, wenn diese Dienstleistungen zugunsten von Rechtsuchenden erbracht werden, die juristischen Beistand im Rahmen eines nationalen Systems der Gerichtskostenhilfe erhalten?
Vorinstanz: Verfassungsgerichtshof (Belgien)
Vorinstanz/Fundstelle: ABl EU 2015 Nr. C 46 S. 24
Erledigendes Gericht: EuGH
Erledigungs-Datum: 28.07.2016
Erledigungs-Az: Rs C-543/14
Erledigung/SIS-Nr.: SIS 16 17 44