Unentgeltliche Bestellung eines Erbbaurechts durch Kommune zugunsten Träger der Wohlfahrtspflege, Grunderwerbsteuer: Bestellt eine Kommune einem freien Träger der Wohlfahrtspflege zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben unentgeltlich ein Erbbaurecht an einem Grundstück mit aufstehendem Senioren- und Pflegeheim, ist dies keine freigebige Zuwendung und daher nicht gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerfrei. - Urt.; BFH 29.3.2006, II R 68/04; SIS 06 27 11
I. Der Rat der Stadt A beschloss im
Dezember 1991, die „zur kommunalen Zentralverwaltung der
Senioren- und Pflegeheime A gehörenden Gebäude und
Grundstücke“ an freie Träger zu übertragen. In
Vollzug dieses Beschlusses übergab er im Januar 1992
„das Senioren- und Pflegeheim in die
Rechtsträgerschaft“ des Klägers und
Revisionsklägers (Kläger), eines Kreisverbandes eines
Trägers der freien Wohlfahrtspflege, zur Weiterführung
des Heimbetriebes. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30.4.1997
bestellte die Stadt dem Kläger ein Erbbaurecht an dem
Heimgrundstück für die Dauer von 66 Jahren und einen
symbolischen jährlichen Erbbauzins von 1 DM. Dazu hieß
es, die Erbbaurechtsbestellung erfolge im Hinblick auf die
Gemeinnützigkeit des Klägers unentgeltlich. Der
Kläger verpflichtete sich, das Erbbaugrundstück
(ausschließlich) für Zwecke eines Senioren- und
Pflegeheims zu nutzen und die bestehenden Arbeitsverhältnisse
fortzusetzen. Bei Verletzung dieser Verpflichtung ist die Stadt
berechtigt, das Erbbaurecht gegen eine Entschädigung nach den
Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung
einzuziehen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) sieht in der Erbbaurechtsbestellung einen
Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG), für den jedoch angesichts
des lediglich symbolischen Erbbauzinses eine Gegenleistung fehle.
Er veranlasste die gesonderte Feststellung des
Grundstückswerts des Erbbaurechts auf den 30.4.1997
gemäß § 148 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 147 des
Bewertungsgesetzes (BewG) und setzte die Grunderwerbsteuer auf der
Grundlage des dabei festgestellten Werts von 3.766.000 DM durch
Bescheid vom 21.7.1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
1.10.2001 auf 131.810 DM fest.
Die Klage, mit der der Kläger die
Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides verlangt hatte, weil es
sich bei dem Erwerbsvorgang um eine Grundstücksschenkung unter
Lebenden gehandelt habe, die nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der
Grunderwerbsteuer befreit sei, blieb erfolglos. Das Finanzgericht
(FG) verneinte mit dem in EFG 2005, 890 = SIS 05 14 34
veröffentlichten Urteil eine Schenkung, weil der Grunderwerb
kausal mit dem vom Kläger zugesagten Verhalten, das Heim zu
betreiben, verknüpft sei und darin keine Zweckzuwendung
gemäß § 8 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) liege. Eine Zweckzuwendung scheide
aus, weil die Zuwendung an eine gemeinnützige Einrichtung zur
Erfüllung deren eigener Zwecke erfolgt sei.
Mit der Revision rügt der Kläger
eine Verletzung des § 3 Nr. 2 GrEStG und des § 7 Abs. 1
Nr. 1 ErbStG sowie mangelnde Sachaufklärung. Einer Schenkung
stehe nicht entgegen, dass sie auch im Interesse des Schenkers
liege. Er, der Kläger, habe den Willen zur Freigebigkeit
gehabt und messe wie das FA dem Erbbauzins von 1 DM lediglich
symbolischen Charakter zu. Die vom FG angenommene Verknüpfung
der Erbbaurechtsbestellung mit einem bestimmten Verhalten auf
seiner, des Klägers, Seite bestehe nicht. Bei der
Verpflichtung zu diesem Verhalten gehe es lediglich um eine
eigennützige „Erwerbsausübungsverpflichtung“
und damit letztlich um eine „Erhaltungsverpflichtung“,
weil die Verpflichtung zum Betreiben des Heims bereits bei der
Grundstücksübergabe im Januar 1992 übernommen worden
sei. Dies habe das FG allerdings nicht festgestellt; insoweit liege
eine mangelnde Sachaufklärung vor. Mit der
„Übergabe in die Rechtsträgerschaft“ seien
die Befugnisse nach § 18 Abs. 1 Satz 1 des Zivilgesetzbuchs
der DDR gemeint gewesen, was jedoch zum damaligen Zeitpunkt nicht
mehr möglich gewesen sei.
Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom 21.7.1999
in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1.10.2001
aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat im Ergebnis zutreffend
entschieden, dass auf die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §
2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegende
Bestellung des Erbbaurechts für die Klägerin die
Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG nicht anzuwenden
ist.
1. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als
Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede
freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie
auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Der Bundesfinanzhof
(BFH) hat bereits durch Urteil vom 1.12.2004 II R 46/02 (BFHE 208,
426, BStBl II 2005, 311 = SIS 05 16 96) entschieden, dass
unentgeltliche Vermögensübertragungen zwischen
Trägern öffentlicher Verwaltung nicht unter diese
Vorschrift fallen, da sie regelmäßig nicht freigebig
erfolgen. Aufgrund der Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz
und Recht (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG - ), darunter auch
an die jeweils maßgebenden haushaltsrechtlichen Vorschriften,
ist im Regelfall anzunehmen, dass Träger öffentlicher
Verwaltung in Wahrnehmung der ihnen obliegenden Aufgaben und somit
nicht freigebig handeln. Vermögensübertragungen steht
regelmäßig die Erfüllung der den Trägern
öffentlicher Verwaltung obliegenden Aufgaben gegenüber.
Nur wenn die übertragende juristische Person des
öffentlichen Rechts den Rahmen ihrer Aufgaben eindeutig
überschreitet, kommt eine freigebige Zuwendung i.S. von §
7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Betracht. Ein Anspruch des
begünstigten Verwaltungsträgers auf eine unentgeltliche
Vermögensübertragung ist nicht erforderlich, um die
Freigebigkeit der Zuwendung auszuschließen. Entscheidend ist
nur die Verknüpfung der Vermögensübertragung mit der
Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, die auch im Ermessen der
zuwendenden Stelle liegen kann.
2. Mit Urteil vom 29.3.2006 II R 15/04 = SIS 06 22 76 (zur Veröffentlichung bestimmt) hat der BFH diese
Grundsätze auch auf solche unentgeltlichen
Vermögensübertragungen erstreckt, bei denen ein
Träger öffentlicher Verwaltung - damals ein Landkreis -
Vermögen unentgeltlich auf eine GmbH überträgt,
deren alleiniger Gesellschafter er ist. Gegenstand der
Übertragung war dabei ein Krankenhaus. Der BFH hat dazu die
Ansicht vertreten, erfolge die Vermögensübertragung durch
einen Träger der öffentlichen Verwaltung zur
Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben, fehle es an der
Freigebigkeit der Zuwendung.
3. Die unter 1. wiedergegebenen und unter 2.
fortentwickelten Grundsätze für eine unentgeltliche
Vermögensübertragung durch einen Träger der
öffentlichen Verwaltung gelten ferner auch für
unentgeltliche Vermögensübertragungen durch eine
kreisfreie Stadt auf einen freien Träger der Wohlfahrtspflege,
sofern die Vermögensübertragung durch die kreisfreie
Stadt zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben erfolgt.
Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben.
a) Anders als etwa bei Krankenhäusern
(vgl. dazu BFH-Urteil vom 22.2.2006 II R 15/04 = SIS 06 22 76, zur
Veröffentlichung bestimmt) oder Kindertagesstätten (vgl.
dazu BFH-Beschluss vom 26.8.2004 II B 104/03, BFH/NV 2005, 57 = SIS 05 04 20) gibt es keine ausdrückliche (landes-)gesetzliche
Aufgabenzuweisung für die Versorgung der Bevölkerung mit
Alten- und Pflegeheimen. Die Gemeinden sind aber gemäß
Art. 28 Abs. 2 GG im Rahmen ihrer freiwilligen
Selbstverwaltungsaufgaben berechtigt, zur Daseinsvorsorge Alten-
und Pflegeheime zu betreiben und zu errichten. Ob und inwieweit sie
dabei aus Gründen der Subsidiarität gehalten sind,
derartige Heime nur dann zu errichten oder zu betreiben, wenn der
Bedarf der Bevölkerung an derartigen Heimen nicht durch andere
(Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Privatpersonen) gedeckt wird,
kann auf sich beruhen. § 71 Abs. 1 Nr. 4 der Thüringer
Kommunalordnung (ThürKO) schreibt die Beachtung der
Subsidiarität allerdings nur für die unternehmerische
Betätigung der Gemeinden außerhalb der kommunalen
Daseinsvorsorge vor. Jedenfalls handelt die Gemeinde auch dann noch
in Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben, wenn sie in
einer Phase des Übergangs von einer Zeit, in der es noch nicht
ausreichend andere Heimbetreiber gab, zu einer solchen, in der sich
ausreichend andere Heimbetreiber finden, diesen den Betrieb
derartiger Heime erleichtert oder gar erst ermöglicht, indem
sie ihnen die bereits vorhandenen Einrichtungen
überlässt. Auch dabei handelt sie noch in Erfüllung
ihrer öffentlichen Aufgaben, solange sie dafür sorgt,
dass die Zweckbindung des übertragenen Vermögens
gesichert ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.
Eines Rechtsanspruchs auf die Vermögensübertragung bedarf
es nicht.
b) Die Erbbaurechtsbestellung ist im
Streitfall auch nicht deshalb im Wege einer freigebigen Zuwendung
erfolgt, weil die Übergabe des Heims „in die
Rechtsträgerschaft“ des Klägers im Januar 1992
nicht die gewünschte dingliche Wirkung hatte. Eine weitere
Sachaufklärung ist daher insoweit nicht erforderlich. Die im
Januar 1992 erfolgte Übergabe ist nicht unter dem
Gesichtspunkt des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer freigebigen
Zuwendung von Bedeutung, sondern lediglich für den Zeitpunkt
des Erwerbsvorgangs. Wäre der 1992 erfolgten
„Übergabe in die Rechtsträgerschaft“
des Klägers bereits dingliche Wirkung zugekommen, wäre
bereits damals ein Erwerbsvorgang erfüllt worden und die
darauf entfallende Steuer mittlerweile wohl
festsetzungsverjährt. Die Tatsache, dass der Übergabe im
Jahre 1992 keine dingliche Wirkung zukam und es dazu erst eines
neuerlichen Übertragungsvorgangs - diesmal in Form einer
Erbbaurechtsbestellung - bedurfte, ändert aber nichts daran,
dass die Erbbaurechtsbestellung zur Erfüllung
öffentlicher Aufgaben erfolgt ist. Dieser Zweck lag bereits
der Übertragung im Jahr 1992 zugrunde und setzte sich im
letzten Akt zur Erreichung des angestrebten Ziels einer dinglichen
Rechtsstellung des Klägers, nämlich in der Bestellung des
Erbbaurechts, fort. Unerheblich ist dabei, dass nach dem Vertrag
vom 30.4.1997 die Bestellung des Erbbaurechts unentgeltlich
erfolgen sollte. Das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung i.S. des
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG beurteilt sich nicht nach der von den
Beteiligten gewählten Formulierung (vgl. BFH-Urteil vom
2.3.1994 II R 59/93, BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366 = SIS 94 09 04), sondern nach objektiven schenkungsteuerrechtlichen
Maßstäben.
Das FA hat auch gemäß § 8 Abs.
2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG die Steuer zutreffend nach dem
Grundstückswert des Erbbaurechts bemessen. Es fehlt an einer
Gegenleistung i.S. des Abs. 1 der Vorschrift. Der vereinbarte
Erbbauzins von jährlich 1 DM ist lediglich symbolischer Natur
(vgl. dazu BFH-Urteil vom 7.12.1994 II R 9/92, BFHE 176, 456, BStBl
II 1995, 268 = SIS 95 09 18). Das Urteil des BFH vom 6.12.1995 II R
46/93 (BFH/NV 1996, 578) steht dem nicht entgegen. Dort ging es
darum, ob eine über den symbolischen Erbbauzins von 1 DM
hinaus vom Erbbauberechtigten übernommene
Restaurierungsverpflichtung als Gegenleistung angesehen werden
kann. Diese Verpflichtung unterscheidet sich von derjenigen, die
der Kläger im Streitfall eingegangen ist und die ihn zum
Betrieb eines Alten- und Pflegeheims verpflichtete, dadurch, dass
sie den Erbbauberechtigten zu Aufwendungen für das
Gebäude verpflichtete, die über die normale und
übliche Erhaltungspflicht hinausgingen und das Gebäude in
einen besseren baulichen Zustand als bei Bestellung des
Erbbaurechts versetzen sollten. Nach Erlöschen des
Erbbaurechts war das Grundstück in diesem verbesserten Zustand
dem Grundstückseigentümer zu übergeben.
Infolgedessen handelte es sich bei der Restaurierungsverpflichtung
nicht um eine lediglich eigennützige Erwerbsverpflichtung.