Steuerberaterprüfung, Zulassung, berufspraktische Tätigkeit: Die Feststellung des Studienerfolges durch die Prüfungsentscheidung ist auf den Zeitpunkt zurückzubeziehen, in dem der Bewerber sämtliche Prüfungsleistungen erbracht hat; eine nach diesem Zeitpunkt ausgeübte praktische Tätigkeit ist bei der Zulassung zur Steuerberaterprüfung zu berücksichtigen, auch wenn die Prüfungsentscheidung noch nicht ergangen war. - Urt.; BFH 21.11.2006, VII R 39/06; SIS 07 00 42
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) möchte an der Steuerberaterprüfung 2007
teilnehmen. Sie hat Betriebswirtschaftslehre an der
Ludwig-Maximilians-Universität in München studiert. Sie
macht geltend, dieses Studium am 31.8.2005 abgeschlossen zu haben.
Die letzte Prüfungsleistung hatte sie am 1.8.2005 erbracht,
indem sie ihre Diplomarbeit ablieferte. Nach der
Prüfungsordnung der Fakultät ist das Studium mit dem Ende
des Monats abgeschlossen, in dem die letzte Prüfungsleistung
erbracht wurde, so dass in dem Diplomzeugnis der Klägerin
vorgenanntes Datum als Tag des Bestehens der Diplomprüfung
angegeben ist. Dieses Zeugnis ist der Klägerin allerdings erst
am 28.2.2006 ausgehändigt worden, weil die Korrektur der
Diplomarbeit erst im Februar 2006 abgeschlossen war. Zu dem
vorgenannten Datum, dem 31.8.2005, lag lediglich eine
Bestätigung des Korrektors vor, wonach die Diplomarbeit nach
erster Durchsicht als bestanden gewertet werde.
Die Klägerin, die seit dem 1.10.2005
als Steuerberatungsassistentin berufstätig ist, begehrt von
dem Beklagten und Revisionskläger (Landesamt) die Erteilung
einer verbindlichen Auskunft, dass bis zum 1.3.2006 eine praktische
Tätigkeit von fünf Monaten angerechnet werde. Das
Landesamt hat die Erteilung dieser Auskunft abgelehnt. Es ist der
Ansicht, das Studium der Klägerin sei erst mit Bekanntgabe der
Bewertung der Prüfungsergebnisse bei Aushändigung des
Diplomzeugnisses im Februar 2006 abgeschlossen worden; die Zeiten
einer Berufstätigkeit bis zu diesem Zeitpunkt könnten
für die Steuerberaterprüfung nicht angerechnet
werden.
Auf die daraufhin erhobene Klage hat das
Finanzgericht (FG) das Landesamt verpflichtet, der Klägerin
die Auskunft zu erteilen, dass die in den strittigen fünf
Monaten ausgeübte Tätigkeit als praktische Tätigkeit
i.S. von § 36 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 des
Steuerberatungsgesetzes (StBerG) anerkannt wird. Es sah keinen
Anlass, von dem in der Diplomurkunde ausgewiesenen Datum des
Bestehens der Prüfung abzuweichen, zumal zu diesem Zeitpunkt
bestätigt worden sei, dass die Diplomarbeit als bestanden
gewertet werde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die
Revision des Landesamts, zu deren Begründung im Wesentlichen
vorgetragen wird:
Nach dem Beschluss des Senats vom 21.1.1999
VII B 214/98 (BFHE 187, 170, BStBl II 1999, 141 = SIS 99 06 64) sei
ein Universitätsstudium erst in dem Zeitpunkt abgeschlossen,
in dem die Prüfungsentscheidung ergangen ist; das sei hier
nicht der 31.8.2005, sondern erst der 28.2.2006 gewesen. Entgegen
der Ansicht des FG widerspreche dessen Urteil dieser Entscheidung.
Erst wenn die Korrektur der Diplomarbeit und damit das
Prüfungsverfahren mit Aushändigung der Diplomurkunde
abgeschlossen ist, sei das Studium erfolgreich abgeschlossen. Auch
die Studienordnung lasse nicht die Interpretation zu, das Studium
sei zu einem früheren Zeitpunkt beendet. Nach dieser komme es
darauf an, wann die vorgeschriebenen Leistungspunkte erbracht sind,
was erst entschieden werden könne, wenn die Diplomarbeit
korrigiert worden ist. Dementsprechend trage die Diplomurkunde auch
das Datum des 28.2.2006; das Einsetzen eines früheren
Bestehensdatums in der Diplomurkunde erscheine
willkürlich.
II. Die zulässige Revision ist nicht
begründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
). Das angefochtene Urteil entspricht im Ergebnis dem Bundesrecht
(§ 118 Abs. 1 FGO). Der Klägerin ist die beantragte
Auskunft nach § 38a StBerG zu erteilen.
§ 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG verlangt
für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung, dass der
Bewerber ein Hochschulstudium erfolgreich abgeschlossen hat und
danach zwei Jahre - mit den Maßgaben des § 36 Abs. 3
StBerG - praktisch tätig gewesen ist. Der erkennende Senat hat
daraus in seinem Beschluss in BFHE 187, 170, BStBl II 1999, 141 =
SIS 99 06 64 gefolgert, dass sich die praktische Tätigkeit an
die Ausbildung, das Hochschulstudium, anschließen müsse
und eine bereits während des Hochschulstudiums aufgenommene
praktische Tätigkeit auf die Zeit der Tätigkeit, die das
Gesetz vor Eintritt in die Steuerberaterprüfung verlangt,
nicht angerechnet werden könne. Der Senat hat weiter
ausgeführt, sofern - wie regelmäßig - das
einschlägige Ausbildungs- und Prüfungsrecht vorsehe, dass
der Studienerfolg durch eine Prüfung festgestellt werde, sei
das Studium erst abgeschlossen, wenn das betreffende
Prüfungsverfahren abgeschlossen ist. Denn nur ein erfolgreich
abgeschlossenes Studium erfüllt die Voraussetzungen des §
36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG und erst in der Prüfung wird
festgestellt, ob der Student sein Studium mit Erfolg betrieben hat.
Es ginge auch schwerlich an, der für den Vollzug des StBerG
zuständigen Behörde die Beurteilung abzuverlangen, ob der
Prüfungsbewerber in seinem Studium erfolgreich war oder nicht
oder ob er - so die Fragestellung in dem vorgenannten Verfahren -
das Studium auch anders als durch die Prüfung hätte
erfolgreich abschließen können, die er tatsächlich
abgelegt hat.
An diesen Rechtsgrundsätzen ist
festzuhalten. Aus ihnen folgt allerdings nicht ohne weiteres, dass
die Klägerin in dem hier strittigen Zeitpunkt die
Voraussetzung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung
„abgeschlossenes Hochschulstudium“ noch nicht
erfüllt hatte und ihre im Oktober 2005 aufgenommene praktische
Tätigkeit sich nicht an dieses Studium anschloss und daher nur
teilweise berücksichtigt werden kann. Denn es ist nicht
zwingend, dass der Zeitpunkt, in dem der Erfolg des Bewerbers in
Studium und Prüfung durch eine Prüfungsentscheidung
festgestellt wird und damit für die Zulassungsbehörde
feststeht, mit dem Zeitpunkt identisch ist, in dem das Studium
abgeschlossen worden ist. Es ist mit anderen Worten keineswegs
ausgeschlossen, die Feststellung des Studienerfolges durch die
Prüfungsentscheidung auf einen früheren Zeitpunkt
gleichsam zurückzubeziehen. Dass dies geboten ist, wenn der
Prüfling eine solche Entscheidung mit Rechtsbehelfen
erstreiten musste, liegt auf der Hand; es ist aber nicht weniger in
Betracht zu ziehen, wenn - anders als dies bei einer
abschließenden mündlichen Prüfung der Fall zu sein
pflegt, wenn aufgrund dieser das Bestehen der Prüfung von den
Prüfern festgestellt wird - die Prüfungsentscheidung aus
anderen Gründen - hier: wegen der längere Zeit
erfordernden Bewertung der Diplomarbeit - nicht in unmittelbarem
zeitlichen Zusammenhang mit dem Erbringen der letzten
Prüfungsleistung ergeht.
Der erkennende Senat hat die Möglichkeit
einer Differenzierung zwischen dem Zeitpunkt des erfolgreichen
Abschlusses des Studiums und dem Zeitpunkt des Ergehens der
diesbezüglichen Prüfungsentscheidung (hierfür auch
Späth in Bonner Handbuch der Steuerberatung, § 36 StBerG
Rdnr. B 362) in dem vorgenannten Beschluss - ebenso wenig wie die
Revision - nicht erörtert, weil dort in dem strittigen
Zeitpunkt nicht nur die Prüfungsentscheidung ausstand, sondern
der Bewerber weder von seinem Recht Gebrauch gemacht hatte, sich
von der Teilnahme an weiteren Prüfungsteilen befreien zu
lassen, noch sämtliche danach zu erbringenden
Prüfungsleistungen bereits erbracht hatte. Wie die
Klägerin mit Recht hervorhebt, liegt der Fall hier nicht so;
die Klägerin hatte vielmehr bei Aufnahme ihrer praktischen
Tätigkeit im Oktober 2005 sämtliche von ihr erwarteten
Prüfungsleistungen erbracht und es stand lediglich die
Prüfungsentscheidung aus, die inzwischen ergangen ist.
In einem solchen Fall entspricht es einer an
Sinn und Zweck des § 36 Abs. 1 StBerG orientierten Auslegung,
das Hochschulstudium als zu dem Zeitpunkt abgeschlossen anzusehen
und eine nach diesem Zeitpunkt ausgeübte praktische
Tätigkeit demnach bei der Zulassung zur
Steuerberaterprüfung zu berücksichtigen, in dem der
Bewerber sämtliche - später als den
Prüfungsanforderungen genügend bewertete -
Prüfungsleistungen erbracht hat. Denn diese Vorschrift will,
wie der Senat bereits in dem vorgenannten Beschluss ausgeführt
hat, sicherstellen, dass der Bewerber in seiner beruflichen
Tätigkeit die Kenntnisse und Fähigkeiten angewendet und
dadurch vertieft und gefestigt hat, die er in dem Hochschulstudium
- zu dem allerdings die Vorbereitung auf die Abschlussprüfung
und die Ablegung der Prüfungsleistungen untrennbar dazu
gehören - erworben hat. Während der Zeit, in der seine
Prüfungsleistungen bewertet werden, erwirbt der Bewerber keine
solchen Kenntnisse und Fähigkeiten, wie sich begreift und von
der Klägerin mit Recht hervorgehoben worden ist.
Von diesem Verständnis geht im
Übrigen offenbar auch die im Falle der Klägerin noch
anzuwendende Prüfungsordnung für den Diplomstudiengang
Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität
München vom 28.3.1996 (Amtsblatt des Bayerischen
Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und
Kunst II Nummer 7/1996) aus, nach deren § 29 Abs. 3 Satz 1 der
Tag der letzten regulären Prüfung des Kandidaten das
Datum des Zeugnisses und des mit ihm erteilten Diploms ist. Nichts
anderes würde aber auch dann gelten, wenn es an einer solchen
Bestimmung fehlte; denn eine in der Prüfungsentscheidung der
Hochschule enthaltene Feststellung zu dem Zeitpunkt des
Studienabschlusses entfaltet, anders als das FG offenbar meint,
für die zum Vollzug des StBerG berufene Behörde nicht
etwa nach Art eines Grundlagenbescheides Bindungswirkung.