Ausfuhrerstattung, Rückforderung, Verzinsung: 1. Auf eine zurückgeforderte Ausfuhrerstattung sind keine Zinsen zu berechnen, wenn die Erstattung durch einen Irrtum der zuständigen Behörde zu Unrecht gewährt wurde, ohne dass es darauf ankommt, ob der Begünstigte selbst die Erstattungsvorschriften eingehalten hat oder den Irrtum hätte erkennen können. - 2. Ein Irrtum der zuständigen Behörde liegt vor, wenn Ausfuhrerstattung gezahlt wird, obwohl eine vorgeschriebene Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist. - Urt.; BFH 8.11.2006, VII R 52/05; SIS 07 03 24
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) führte im Zeitraum
September bis Dezember 1995 unter Inanspruchnahme von
Ausfuhrerstattungen (Sondererstattung für Rindfleisch von
männlichen ausgewachsenen Rindern) Rindfleisch aus. Im Rahmen
einer Marktordnungsprüfung wurde festgestellt, dass für
die Ausfuhren nicht die erforderlichen Bescheinigungen über
den Nachweis für Rindfleisch von männlichen
ausgewachsenen Rindern ausgestellt worden waren. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA - ) forderte daraufhin
die gewährten Erstattungen mit Berichtigungsbescheiden vom
März 1999, die bestandskräftig wurden,
zurück.
Mit Zins- und Zinsanforderungsbescheiden
vom August 2002 setzte das HZA Zinsen auf die
Rückforderungsbeträge fest. Die hiergegen erhobenen
Einsprüche und die Klage blieben erfolglos (vgl. SIS 06 19 14). Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Zinsfestsetzungen
nach Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr.
3665/87) der Kommission vom 27.11.1987 über gemeinsame
Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei
landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 351/1) rechtmäßig seien.
Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87, wonach keine Zinsen
anfielen, wenn die zu Unrecht getätigte Zahlung durch einen
Irrtum der zuständigen Behörde erfolgt sei, stehe im
Streitfall nicht entgegen. Diese Vorschrift solle das Vertrauen des
Ausführers in die Entscheidung der zuständigen
Behörde über die Gewährung von Ausfuhrerstattung
schützen. Das Vertrauen sei allerdings nur schutzwürdig,
wenn sich der Ausführer selbst rechtstreu verhalten habe.
Bestehe der Irrtum der Behörde über das Vorliegen der
Erstattungsvoraussetzungen darin, dass der Ausführer bestimmte
Erstattungsvoraussetzungen, für deren Erfüllung er allein
verantwortlich sei, nicht erfüllt habe, könne er sich
nicht auf Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 berufen. Diese
Auslegung der Vorschrift sei Ausdruck eines allgemeinen
Rechtsgedankens, der auch in anderen gemeinschaftsrechtlichen
Vorschriften zum Ausdruck komme, wie z.B. in Art. 220 Abs. 2
Buchst. b des Zollkodex (ZK), wonach Vertrauensschutz nur
gewährt werde, wenn der Irrtum der Behörde vom
Abgabenschuldner nicht habe erkannt werden können. Bei
Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Klägerin
aber unschwer erkennen können, dass die Gewährung einer
Sondererstattung für Rindfleisch nach Art. 2 Abs. 1 der
Verordnung (EWG) Nr. 32/82 (VO Nr. 32/82) der Kommission vom
7.1.1982 zur Festlegung der Bedingungen für die Gewährung
von Sondererstattungen bei der Ausfuhr von Rindfleisch (ABlEG Nr. L
4/11) von der Vorlage des Nachweises, dass die Erzeugnisse von
männlichen ausgewachsenen Rindern stammten, abhängig
gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die Revision der
Klägerin. Die Klägerin rügt die Verletzung von
Bundesrecht und macht geltend, dass das FG seiner Entscheidung eine
falsche Fassung des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87
zugrunde gelegt habe. Das Tatbestandsmerkmal „Irrtum der
zuständigen Behörde“ sei erst mit einer im
Streitfall noch nicht anwendbaren Verordnung in die Vorschrift
aufgenommen worden, während es zuvor „Verschulden der
zuständigen Behörde“ geheißen habe. Im
Streitfall beruhten die zu Unrecht gewährten Erstattungen auf
einem Verschulden des HZA, da es seine Prüfungspflicht
verletzt habe. Die Sondererstattung sei von der Vorlage des
Nachweises in Form einer Bescheinigung abhängig gewesen, dass
die Ausfuhrerzeugnisse von männlichen ausgewachsenen Rindern
stammten. Das HZA hätte somit prüfen müssen, ob die
Bescheinigung vorgelegt worden sei. Auf ein etwaiges Mitverschulden
des Ausführers komme es nicht an.
Aber auch das vom FG zugrunde gelegte
Tatbestandsmerkmal des „Irrtums der zuständigen
Behörde“ sei gegeben. Das FG habe dieses
Tatbestandsmerkmal in unzulässiger Weise erweitert, indem es
zur Auslegung Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK und die zu dieser
Vorschrift ergangene Rechtsprechung herangezogen habe. Der Wortlaut
dieser Vorschriften stehe einer solchen Erweiterung durch Auslegung
entgegen. Nach Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 sei allein
der Irrtum der zuständigen Behörde maßgebend und
nicht die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes. Das HZA habe im
Streitfall einen Irrtum begangen. Es habe im Erstattungsverfahren
mitgeteilt, dass für bestimmte Anträge u.a. die
Frachtbriefe noch nicht vorgelegt worden seien, habe also die
Anträge auf Sondererstattungen geprüft, dabei jedoch das
Fehlen der erforderlichen Nachweisbescheinigungen
unberücksichtigt gelassen. Im Übrigen sei der angebliche
Zinsanspruch des HZA jedenfalls bezüglich der bis zum
31.12.1997 aufgelaufenen Zinsen verjährt.
Das HZA schließt sich der
Rechtsauffassung des FG an und macht geltend, dass -
unabhängig, ob vom Tatbestandsmerkmal des
„Verschuldens“ oder des „Irrtums“
auszugehen sei - der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht gegen
eine klare gemeinschaftsrechtliche Bestimmung angeführt werden
könne und dass daher kein berechtigtes Vertrauen auf eine
gemeinschaftsrechtswidrige Behandlung begründet werden
könne. Der Zinsanspruch sei nicht verjährt, weil für
den Verjährungsbeginn auf die Entstehung des Zinsanspruchs,
d.h. die Bekanntgabe der Berichtigungsbescheide abzustellen
sei.
II. Die Revision der Klägerin ist
begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
sowie der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen (§ 126 Abs.
3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Zins- und
Zinsanforderungsbescheide vom August 2002 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom November 2002 sind rechtswidrig und
verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1
Satz 1 FGO).
1. Sind Ausfuhrerstattungen - wie im
Streitfall - zu Unrecht gewährt worden, hat der
Begünstigte nach Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 der im Streitfall
anzuwendenden VO Nr. 3665/87 i.d.F. der Änderungs-Verordnung
(EG) Nr. 2945/94 (VO Nr. 2945/94) der Kommission vom 2.12.1994
(ABlEG Nr. L 310/57), diese i.d.F. der Berichtigung
gemäß ABlEG 1995 Nr. L 132/22, den zu Unrecht erhaltenen
Betrag zuzüglich Zinsen für die Zeit zwischen der
Gewährung der Erstattung und ihrer Rückzahlung
zurückzuzahlen. Nach Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87
fallen allerdings keine Zinsen an, wenn die
unrechtmäßige Zahlung durch Verschulden der
zuständigen Behörde erfolgt ist; die Mitgliedstaaten
können allenfalls einen nach Maßgabe des
unrechtmäßig erzielten Vorteils festzulegenden Betrag
erheben. Durch die Änderungs-Verordnung (EG) Nr. 495/97 (VO
Nr. 495/97) der Kommission vom 18.3.1997 (ABlEG Nr. L 77/12) ist
(u.a.) Art. 11 VO Nr. 3665/87 ein weiteres Mal neu gefasst worden.
In Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 heißt es
nunmehr, dass keine Zinsen anfallen, wenn die zu Unrecht
getätigte Zahlung durch einen Irrtum der zuständigen
Behörde erfolgt ist. Art. 11 VO Nr. 3665/87 in dieser Fassung
gilt allerdings nach Art. 3 VO Nr. 495/97 nur für ab dem
26.3.1997 getätigte Ausfuhren und findet somit im Streitfall
keine Anwendung.
Anders als die Revision meint, kann gleichwohl
nicht angenommen werden, dass das FG seiner Entscheidung eine
falsche Gesetzesfassung des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr.
3665/87 zugrunde gelegt hat, indem es das Tatbestandsmerkmal
„Irrtum der zuständigen Behörde“
prüfte. In den englischen und französischen
Sprachfassungen sowohl der VO Nr. 2945/94 als auch der VO Nr.
495/97 wird nämlich in Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr.
3665/87 durchgehend nur der Begriff „error“ bzw.
„erreur“ gebraucht, weshalb hinsichtlich des in
der deutschen Sprachfassung der VO Nr. 2945/94 verwendeten Begriffs
des „Verschuldens“ (durch die VO Nr. 495/97
geändert in „Irrtum“) der zuständigen
Behörde angenommen werden kann, dass es sich lediglich um eine
ungenaue Übersetzung handelt. Es würde im Übrigen
auch keinen Sinn machen, den Ausführer nur dann von
Zinszahlungen auf den zu Unrecht erhaltenen Erstattungsbetrag
freizustellen, wenn die unrechtmäßige
Erstattungsgewährung auf eine schuldhafte, also vorwerfbare,
falsche Rechtsanwendung durch die Behörde
zurückzuführen ist. Vielmehr ist von dem Willen des
Verordungsgebers auszugehen, jegliche für die
unrechtmäßige Erstattungsgewährung kausale falsche
Rechtsanwendung durch die Behörde ausreichen zu lassen (vgl.
zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts bei voneinander abweichenden
Sprachfassungen: Urteile des Gerichtshofes der Europäischen
Gemeinschaften - EuGH - vom 7.12.1995 Rs. C-449/93, EuGHE 1995,
I-4291; vom 24.10.1996 Rs. C-72/95, EuGHE 1996, I-5403).
2. Der Fortfall des Zinsanspruchs
gemäß Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87
hängt somit davon ab, dass die zu Unrecht getätigte und
vom Ausführer nunmehr zurückzugewährende Zahlung
durch einen Irrtum der zuständigen Behörde erfolgt ist.
Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.
a) Der Senat folgt nicht der Ansicht des FG,
dass das durch Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87
geschützte Vertrauen des Ausführers in die Entscheidung
der zuständigen Behörde über die Gewährung der
Ausfuhrerstattung nur schutzwürdig sei, wenn sich der
Ausführer selbst rechtstreu verhalten habe, und er sich somit
nicht auf Vertrauensschutz nach dieser Vorschrift berufen
könne, wenn der Irrtum der Behörde über das
Vorliegen der Erstattungsvoraussetzungen darin bestehe, dass der
Ausführer bestimmte Erstattungsvoraussetzungen, für deren
Erfüllung er allein verantwortlich sei, nicht erfüllt
habe.
Diese Auslegung der Vorschrift sowie die
anschließend vom FG vorgenommene Prüfung, ob die
Klägerin hätte erkennen können, dass die beantragte
Ausfuhrerstattung von der Vorlage einer Nachweisbescheinigung
gemäß der VO Nr. 32/82 abhängig war, stützt
das FG auf einen allgemeinen Rechtsgedanken, der - so das FG - in
verschiedenen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zum Ausdruck
komme, von denen das FG indes nur Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK
benennt. Die für den Vertrauensschutz im Zollschuldrecht neben
dem „Irrtum der Zollbehörden“ bestehenden
Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK auch
bei Anwendung des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87
heranzuziehen, widerspricht allerdings zum einen dem klaren
Wortlaut dieser Vorschrift, so dass ihre ergänzende Auslegung
allenfalls in Betracht käme, wenn man insoweit von einer in
ihr vorhandenen, vom Verordnungsgeber nicht beabsichtigten
Regelungslücke ausgehen wollte. Gegen diese Annahme spricht
indes, dass die Vertrauensschutzvorschrift des Art. 220 Abs. 2
Buchst. b ZK bereits existierte, als Art. 11 VO Nr. 3665/87 durch
die VO Nr. 2945/94 neu gefasst wurde, es daher nicht
erklärlich wäre, weshalb es unterblieb, die
Tatbestandsmerkmale jener Vorschrift in die Regelung des Art. 11
Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 zu übernehmen, wenn die
Schaffung einer Vertrauensschutzvorschrift beabsichtigt gewesen
sein sollte.
Zum anderen ist davon auszugehen, dass Art. 11
Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 in erster Linie eine
Billigkeitsvorschrift ist. Der Verordnungsgeber sieht es offenbar
als unbillig an, dass der Ausführer, dem durch ein
irrtümliches Behördenhandeln Ausfuhrerstattung zu Unrecht
gewährt wurde, nicht nur - wie es Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1
VO Nr. 3665/87 vorschreibt - den zu Unrecht erhaltenen Betrag,
sondern auch noch Zinsen auf den Rückzahlungsbetrag zahlen
muss, die im Einzelfall zu einer beträchtlichen Höhe
auflaufen können, so dass dem Ausführer durch den Irrtum
der Behörde auch noch ein zusätzlicher Schaden
entstünde. Wäre es nämlich dem Verordnungsgeber -
wie es offenbar das FG annimmt - darum gegangen, das berechtigte
Vertrauen eines gutgläubigen Ausführers in die
Rechtmäßigkeit der Erstattungsgewährung durch die
in Wahrheit irrtümlich handelnde Behörde zu
schützen, so würde sich die Frage stellen, weshalb der
gutgläubige Ausführer unter solchen Umständen den zu
Unrecht erhaltenen Betrag überhaupt zurückzahlen muss,
anstatt lediglich - wie es Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr.
3665/87 vorsieht - von der Verpflichtung, Zinsen auf den
Rückforderungsbetrag zu zahlen, befreit zu sein. Durch die ab
1.7.1999 geltende Verordnung (EG) Nr. 800/1999 (VO Nr. 800/1999)
der Kommission vom 15.4.1999 über gemeinsame
Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei
landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABlEG Nr. L 102/11) wird dies
verdeutlicht: Dort hat nämlich der Verordnungsgeber in Art. 52
Abs. 4 Buchst. a VO Nr. 800/1999 eine dem Art. 220 Abs. 2 Buchst. b
ZK entsprechende Vertrauensschutzvorschrift aufgenommen, welche
für den Fall, dass Ausfuhrerstattung aufgrund eines für
den Ausführer nicht erkennbaren Irrtums der Behörde
gewährt wurde, die Rückzahlungspflicht des
Ausführers gänzlich entfallen lässt, während
hinsichtlich der auf Rückforderungsbeträge zu zahlenden
Zinsen mit der Vorschrift des Art. 52 Abs. 1 Unterabs. 4 VO Nr.
800/1999 die vorherige Regelung des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO
Nr. 3665/87 nahezu wortgleich übernommen wurde. Im Fall einer
Erstattungsgewährung aufgrund eines Irrtums der Behörde,
den der Ausführer nicht erkennen konnte, hätte daher Art.
52 Abs. 1 Unterabs. 4 VO Nr. 800/1999 bei der Auslegung, wie sie
das FG für den fast wortgleichen Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO
Nr. 3665/87 für richtig hält, keinen Anwendungsbereich,
weil unter solchen Voraussetzungen das Vertrauen schutzwürdig
wäre, der zu Unrecht gewährte Erstattungsbetrag nicht
zurückzuzahlen wäre und sich die Frage nach Zinsen, die
auf den Rückforderungsbetrag zu zahlen sind, somit gar nicht
stellte.
Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 ist
nach alledem seinem Wortlaut gemäß, der nur auf den
„Irrtum der zuständigen Behörde“,
nicht aber auch auf die Erkennbarkeit des Irrtums abstellt,
anzuwenden.
b) Es spricht allerdings nichts dagegen, den
in Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 verwendeten Begriff
des „Irrtums“ der Behörde - wie es auch das
FG getan hat - in der gleichen Weise zu verstehen, wie es der
ständigen Rechtsprechung zum Begriff des
„Irrtums“ der Zollbehörden in Art. 220 Abs.
2 Buchst. b ZK entspricht. Danach muss es sich um einen Irrtum
handeln, der auf ein Handeln der zuständigen Behörde,
nicht aber auf unrichtige Erklärungen des Abgabenschuldners
zurückzuführen ist - sog. „aktiver
Irrtum“ - (vgl. EuGH-Urteil vom 27.6.1991 Rs. C-348/89,
EuGHE 1991, I-3277; Senatsurteil vom 23.3.1999 VII R 16/98, BFHE
188, 164 = SIS 99 11 47). Ein solcher liegt vor, wenn die
Behörde einem Antragsteller eine Vergünstigung
gewährt, obwohl die formellen Voraussetzungen hierfür
(hier: Vorlage der Bescheinigung der Bundesanstalt für
Landwirtschaft und Ernährung - BLE - ), welche die
Behörde zu prüfen hat, nicht vorliegen.
Im Streitfall ist auch diese Voraussetzung
gegeben. Dass der Klägerin für die fraglichen
Ausfuhrsendungen Sondererstattungen gewährt wurden, beruhte
auf einem behördlichen „aktiven Irrtum“.
Denn nach Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 32/82 ist die Gewährung der
Sondererstattung von der Vorlage des Nachweises abhängig, dass
die Erzeugnisse von männlichen ausgewachsenen Rindern stammen.
Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 32/82 wird dieser Nachweis durch
eine Bescheinigung gemäß dem Muster im Anhang der VO Nr.
32/82 erbracht. Zuständig für die Erteilung einer solchen
Bescheinigung ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 der
Rindfleisch-Sondererstattungs-Verordnung vom 21.2.1994 (BGBl I
1994, 318) die BLE. Im Streitfall hatte die Klägerin für
ihre Ausfuhrsendungen solche Bescheinigungen der BLE nicht
vorgelegt. Ausfuhrerstattungen hätten ihr daher nicht
gewährt werden dürfen.
Es handelt sich vorliegend auch um einen
Irrtum der zuständigen Behörde, obwohl nach Art. 2 Abs. 2
Satz 2 VO Nr. 32/82 die Bescheinigung der BLE „den
Zollbehörden zwecks Erfüllung der
Ausfuhrförmlichkeiten“, also nur der
Ausfuhrzollstelle, vorzulegen ist. Der nachfolgende Halbsatz
„und (ist) nach Erfüllung dieser Förmlichkeiten
auf dem Verwaltungswege der für die Zahlung der Erstattung
zuständigen Stelle zuzuleiten“ ist erst mit der im
Streitfall nicht anwendbaren Verordnung (EG) Nr. 2326/97 der
Kommission vom 25.11.1997 (ABlEG Nr. L 323/1), die am 3.12.1997 in
Kraft trat, eingefügt worden. Nicht das HZA, sondern die
Ausfuhrzollstelle musste also nach damaliger Rechtslage das
Vorliegen der Bescheinigung der BLE prüfen. Das HZA ist
offenbar im Rahmen des Erstattungsverfahrens der Klägerin in
Anbetracht der ihm vorgelegten durch die Ausfuhrzollstelle
angenommenen Ausfuhranmeldungen davon ausgegangen, dass
„alles in Ordnung“ sei und dass der
Ausfuhrzollstelle die Bescheinigungen der BLE vorgelegt worden
waren. Ob dem HZA im Erstattungsverfahren aus anderen Gründen
das Fehlen der Bescheinigungen der BLE hätte auffallen
müssen, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Feststellungen
des FG fehlen.
Allerdings bedarf diese Frage auch keiner
Klärung, denn nach der Rechtsprechung des EuGH zur
nachträglichen buchmäßigen Erfassung von
Einfuhrabgaben (EuGH-Urteile vom 14.5.1996 Rs. C-153/94 und
C-204/94, EuGHE 1996, I-2465 Rz. 88; und vom 14.11.2002 Rs.
C-251/00, EuGHE 2002, I-10433 = SIS 03 11 00 Rz. 40), die ebenso
auf den Streitfall übertragbar ist, ist die
„zuständige Behörde“, die den ggf.
vorliegenden Irrtum begangen hat, jede Behörde, die im Rahmen
ihrer Zuständigkeit Gesichtspunkte beiträgt, die bei der
Einfuhrabgabenerhebung - hier also entsprechend bei der
Gewährung der Erstattung - zu berücksichtigen sind.
Im Streitfall ist daher jedenfalls die
Ausfuhrzollstelle als die „zuständige
Behörde“ i.S. des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr.
3665/87 anzusehen, durch deren Irrtum die Ausfuhrerstattungen zu
Unrecht gewährt worden sind. Wie sich aus der Fußnote 1
im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 2223/95 der Kommission vom
20.9.1995 zur Änderung der Ausfuhrerstattungen im
Rindfleischsektor (ABlEG Nr. L 224/20) ergibt, ist Fleisch der
Marktordnungs-Warenlistennummern 0201 2030 1100 und 0201 2050 1100,
wie es im Streitfall zur Ausfuhr angemeldet worden ist, nur
solches, für das eine Bescheinigung der BLE nach der VO Nr.
32/82 vorgelegt wird. Die Ausfuhrzollstelle hätte somit im
Streitfall ohne Vorlage der Bescheinigung der BLE die
Ausfuhranmeldungen für Waren der
Marktordnungs-Warenlistennummern 0201 2030 1100 und 0201 2050 1100
nicht annehmen dürfen. Dass sie gleichwohl in Verkennung der
maßgebenden Rechtsvorschriften die Ausfuhranmeldungen der
Klägerin annahm, stellt einen „Irrtum der
zuständigen Behörde“ gemäß Art. 11
Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 dar, der dazu führt, dass
auf die von der Klägerin zurückzuzahlenden Beträge
keine Zinsen zu berechnen sind.
3. Der Senat hat aus den dargelegten
Gründen keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung des
Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 und sieht deshalb keine
Verpflichtung, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen (vgl. dazu:
EuGH-Urteil vom 6.10.1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).