Rechtsanwaltskammer, Auskunft über Kammermitglied: 1. Die Finanzbehörden sind grundsätzlich berechtigt, von einer Rechtsanwaltskammer Auskünfte über für die Besteuerung erhebliche Sachverhalte eines Kammermitglieds einzuholen; die Vorschriften der Berufsordnung über die Verschwiegenheitspflicht des Kammervorstandes stehen dem nicht entgegen. - 2. Ein solches Auskunftsersuchen ist auch im Vollstreckungsverfahren zulässig. - 3. Es ist nicht unverhältnismäßig oder unzumutbar, wenn das FA für Zwecke der Zwangsvollstreckung eine Rechtsanwaltskammer zur Auskunft über die Bankverbindung eines Kammermitglieds auffordert, sofern diesbezügliche Aufklärungsbemühungen beim Vollstreckungsschuldner erfolglos waren. - Urt.; BFH 19.12.2006, VII R 46/05; SIS 07 07 68
I. Die Beteiligten streiten über die
Rechtmäßigkeit eines vom Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) an die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine Rechtsanwaltskammer,
gerichteten Auskunftsersuchens zur Nennung der Bankverbindung eines
ihrer Mitglieder.
Das FA hat Steuerforderungen gegen den
Steuerpflichtigen, einen Rechtsanwalt, in Höhe von ca. 3.400
EUR. Dieser war Mitglied der Klägerin. Nachdem das FA
vergeblich versucht hatte, seine Forderungen durch
Vollstreckungsmaßnahmen beizutreiben, forderte es die
Klägerin im Juli 2004 auf, die Bankverbindung des
Steuerpflichtigen mitzuteilen, über die dieser seine
Kammerbeiträge entrichte. Diesbezügliche Anfragen beim
Steuerpflichtigen seien erfolglos geblieben.
Die nach erfolglosem Einspruch hiergegen
erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.
Das Urteil ist in EFG 2006, 778 = SIS 06 21 98
veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie sei durch die Vorschriften der für
sie einschlägigen Berufsordnung (§ 76 Abs. 1 der
Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO - ) gehindert, die vom FA
begehrte Auskunft zu erteilen. Die Vorschrift verpflichte nach
ihrem Wortlaut den Kammervorstand und Angestellte der Kammer ohne
Ausnahme zur Verschwiegenheit. Diese Verpflichtung werde nur
für das gerichtliche Verfahren dahingehend eingeschränkt,
dass die zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen vor Gericht
aussagen dürften, wenn ihnen der Kammervorstand eine
Aussagegenehmigung erteile.
Die berufsrechtlich angeordnete
Verschwiegenheitspflicht werde auch durch § 105 Abs. 1 der
Abgabenordnung (AO 1977) nicht verdrängt. Der Vorschrift lasse
sich kein absoluter Vorrang des Auskunfts- und Vorlagerechts der
Finanzbehörde entnehmen. Der Gesetzgeber sei befugt, für
bestimmte Konstellationen eine andere Wertung vorzunehmen. Das habe
er getan, indem er in der einschlägigen Berufsordnung
spezialgesetzlich eine unbeschränkte Verschwiegenheitspflicht
des Kammervorstandes angeordnet habe.
Anders als beispielsweise in § 16 Abs.
1 Satz 3 des Bundesstatistikgesetzes, § 15 Abs. 4 des
Bundesleistungsgesetzes, § 7 Abs. 1 Satz 2 des
Landwirtschaftsgesetzes, § 18 Abs. 4 Satz 2 des
Wassersicherstellungsgesetzes, § 52 Abs. 7 Satz 1 des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes, welche ausdrücklich einen
Vorrang der in diesen Gesetzen normierten Verschwiegenheitspflicht
vor der Auskunftspflicht gegenüber den Finanzbehörden
(§§ 93, 105 AO 1977) anordnen, bedürfe es einer
ausdrücklichen Regelung bei der in Rede stehenden
Schweigepflicht des Kammervorstandes nicht. Während sich die
zuerst genannten Normen an „normale“ Behörden
richteten, betreffe die Schweigepflicht im vorliegenden Fall eine
mitgliedschaftlich verfasste Berufskammer, die als
Selbstverwaltungskörperschaft der freien Berufe nur Teil der
mittelbaren Staatsverwaltung sei. Das hebe Ausnahmen von der
Schweigepflicht auf eine qualitativ andere Ebene.
Der Umstand, dass § 105 AO 1977 im
Verhältnis zu der berufsrechtlichen Regelung die jüngere
Norm sei, erlaube ebenfalls keinen Schluss auf einen generellen
Vorrang der Auskunftspflicht. Das zeige ein Vergleich mit dem
ähnlichen § 69a der Bundesnotarordnung (BNotO), welcher
erst durch Gesetz vom 29.1.1991 (BGBl I, 150) in die BNotO
aufgenommen worden und damit im Verhältnis zu § 105 AO
1977 die jüngere Norm sei. Dass der Gesetzgeber bei
ähnlichen Regelungen zwischen einem nur eingeschränkt
gewährten Schweigerecht im vorliegenden Fall und einem
umfassenden (weil zeitlich jüngeren) Schweigerecht der
Notarkammer habe differenzieren wollen, sei nicht anzunehmen. Auch
§ 93a Abs. 2 AO 1977 lasse sich ein genereller Vorrang des
Auskunftsrechts der Finanzverwaltung nicht entnehmen.
Nur ein ausnahmslos verstandenes
Schweigerecht des Kammervorstandes werde dem Sinn und Zweck der
Verschwiegenheitsregelung und den verfassungsrechtlichen Wertungen
gerecht. Als Trägern der Selbstverwaltung im Bereich der
freien Berufe komme den Berufskammern im Vergleich zu anderen
staatlichen Stellen eine herausgehobene Position zu. Sie
bedürften zur Sicherung einer gedeihlichen und effektiven
Kammerarbeit in ganz besonderer Weise des Schutzes des
Vertrauensverhältnisses zwischen Kammer und ihren
(Pflicht-)Mitgliedern durch eine umfassende und weitreichende
Verschwiegenheitsregelung. Das Vertrauensverhältnis zwischen
Kammervorstand und -mitgliedern werde empfindlich gestört,
wenn Kammermitglieder damit rechnen müssten, dass der Vorstand
mitgeteilte Daten auf Anforderung auch den Finanzbehörden
zugänglich mache. Dann sei zu befürchten, dass die
Kammermitglieder zukünftig ihre Offenbarungs- und
Mitteilungspflichten nicht mehr vollständig erfüllten und
der Kammer so notwendige Informationen vorenthielten. Dadurch
würde die Kammerarbeit unzumutbar beeinträchtigt.
Die im Rahmen der Kammerarbeit
übermittelten Informationen genössen außerdem den
Schutz der Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2
Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - ) und der
Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der
Kammermitglieder. Die Schweigepflicht des Kammervorstandes nehme
ferner an dem Schutz teil, den das Vertrauensverhältnis
zwischen Kammermitglied und dessen Auftraggeber
genieße.
Zumindest sei es jedenfalls
ermessensfehlerhaft gewesen, die Klägerin als
Auskunftsverpflichtete in Anspruch zu nehmen. Der Schaden, den die
Auskunftserteilung für das System der Selbstverwaltung und der
gesetzlich geschützten Kammerarbeit bewirken würde, stehe
außer Verhältnis zum Nutzen, der für die
Finanzbehörde erzielbar sei. Der Informationswert der
Bankverbindung und damit auch das Interesse der Finanzverwaltung an
ihrer Offenbarung sei gering. Sobald bekannt würde, dass die
Kammer die Angaben zur Bankverbindung den Finanzbehörden
offenbaren müsse, würden auf den entsprechenden Konten
kaum noch pfändbare Beträge vorgehalten werden. Damit
stehe dem Eingriff in die Vertrauensbeziehung zwischen Kammer und
Mitglied längerfristig kein adäquater Vorteil der die
Auskunft verlangenden Finanzbehörde gegenüber. Der
Hinweis des FG, dass die Kammermitglieder von dem
Auskunftsverfahren regelmäßig nichts erführen, gehe
fehl. Die heimliche Weitergabe von Informationen sei für die
Zusammenarbeit von Kammer und Mitglied noch schädlicher als
die offengelegte Auskunftserteilung. Die Klägerin sei nach
datenschutzrechtlichen Grundsätzen (§§ 19, 19a des
Bundesdatenschutzgesetzes - BDSG -, sowie Art. 10 des Bayerischen
Datenschutzgesetzes - BayDSG - ) zumindest berechtigt, ihr Mitglied
über die Auskunftserteilung zu informieren. Damit werde das
Auskunftsersuchen der Finanzbehörde sinnlos, weil das
Kammermitglied Gelegenheit erhalte, Maßnahmen zu treffen, die
eine Kontenpfändung vereitelten.
Das FA hält das Auskunftsersuchen an
die Klägerin für rechtmäßig.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das angefochtene Urteil entspricht
dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das an die
Klägerin gerichtete Auskunftsersuchen ist
rechtmäßig.
1. Das FA war gemäß § 93 Abs.
1 Satz 1, § 105 AO 1977 berechtigt, von der Klägerin die
Mitteilung der Bankverbindung des Steuerpflichtigen zu
verlangen.
a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 haben
Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur
Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen
Sachverhaltes erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Ein
solches Auskunftsersuchen ist auch im Vollstreckungsverfahren
zulässig (Senatsurteile vom 22.2.2000 VII R 73/98, BFHE 191,
211, BStBl II 2000, 366 = SIS 00 09 36; vom 30.3.1989 VII R 89/88,
BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537, 538 = SIS 89 14 55).
Der Vorteil, den sich das FA
möglicherweise durch die Einholung einer Drittauskunft
gegenüber anderen Gläubigern im Vollstreckungsverfahren
verschafft, die eine solche Auskunft nicht erhalten, ist nach
Ansicht des Senats jedenfalls kein ungerechtfertigter Vorteil. Auch
nach dem Wegfall des Konkursvorrechts des Fiskus durch das
Inkrafttreten der Insolvenzordnung enthält die AO 1977
verschiedene Regelungen, die den Finanzbehörden die
Beitreibung ausstehender Steuern im Vergleich mit einem privaten
Gläubiger erleichtern. Hierzu zählt nicht nur das in den
§§ 93, 105 AO 1977 angelegte Auskunftsersuchen an Dritte,
das die Finanzbehörden auch dazu nutzen können, ihnen
zuvor unbekannte Vollstreckungsmöglichkeiten ausfindig zu
machen, sondern beispielsweise auch die Möglichkeit der
Verwaltung, sich durch den Erlass eines Verwaltungsakts selbst
einen Titel als Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung zu
verschaffen oder zur Feststellung von Steuerforderungen im
Insolvenzverfahren einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs.
3 AO 1977 zu erlassen, während ein privater Gläubiger zur
Durchsetzung seiner Ansprüche in aller Regel den Rechtsweg
beschreiten muss, was zeitaufwändig ist und u.U. den Erfolg
einer späteren Zwangsvollstreckung gefährden kann.
Gerechtfertigt ist diese besondere Behandlung des Fiskus u.a.
dadurch, dass sich die Finanzverwaltung anders als die meisten
privaten Gläubiger ihre Schuldner nicht aussuchen kann und ihr
regelmäßig nur eingeschränkte Möglichkeiten
zur Verfügung stehen, sich im Vorfeld der Entstehung von
Steueransprüchen durch die Bestellung von Sicherheiten
umfassend gegen spätere Forderungsausfälle
abzusichern.
b) Die Auskunftspflicht der Klägerin
entfällt nicht durch die in § 76 Abs. 1 BRAO angeordnete
Verschwiegenheitspflicht des Kammervorstandes. Nach dieser
Vorschrift der Berufsordnung haben zwar grundsätzlich die
Mitglieder des Kammervorstandes über die Angelegenheiten, die
ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt werden,
„Verschwiegenheit gegen jedermann“ zu bewahren.
Das Verhältnis zwischen der in anderen Gesetzen enthaltenen
Verpflichtung der Behörden oder sonstiger öffentlicher
Stellen zur Verschwiegenheit und der in § 93 Abs. 1 AO 1977
normierten Auskunftspflicht gegenüber den Finanzbehörden
wird jedoch ausdrücklich in § 105 AO 1977 geregelt.
Hiernach gilt die Verpflichtung der Behörden oder sonstiger
öffentlicher Stellen und ihrer Bediensteten zur
Verschwiegenheit - wie sie etwa aus der für die Klägerin
einschlägigen Berufsordnung folgt - gerade nicht für ihre
Auskunftspflicht gegenüber den Finanzbehörden. Anders
verhält es sich nur, wenn der Gesetzgeber die Anwendung der
§§ 93, 105 AO 1977 im Einzelfall ausgeschlossen hat (vgl.
Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 105 AO Rz 18 ff.;
Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 105 Rz 1, 7; Tipke in Tipke/
Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 105 AO Rz 1
ff.; Dumke in Schwarz, AO, § 105 Rz 2). Dies ist vorliegend
nicht der Fall. § 76 Abs. 1 BRAO ist keine gegenüber den
§§ 93, 105 AO 1977 vorrangige speziellere Vorschrift,
sondern das Gegenteil ist der Fall: Die Vorschrift der
Berufsordnung regelt die Pflicht des Kammervorstandes zur
Verschwiegenheit im Allgemeinen, § 105 AO 1977 den Fall der
Kollision zwischen Verschwiegenheits- und Auskunftspflicht im
Besteuerungsverfahren im Speziellen. Soweit der Gesetzgeber
Berufskammern begünstigen und sie von Mitteilungspflichten
ausnehmen wollte, hat er dies, wie etwa § 93a Abs. 2 AO 1977
zeigt, ausdrücklich getan. Das wäre nicht erforderlich
gewesen, wenn die Kammer ohnehin schon durch die berufsrechtlich
angeordnete Schweigepflicht gehindert wäre, Daten an die
Finanzbehörden zu übermitteln.
In Anbetracht des zwischen beiden Vorschriften
bestehenden Spezialitätsverhältnisses kommt es entgegen
der Ansicht der Klägerin nicht darauf an, ob § 76 BRAO
gegenüber § 105 AO 1977 die ältere oder - wie
beispielsweise § 69a BNotO - die jüngere Norm ist.
Auch aus der von der Klägerin
angeführten Entscheidung des Ehrengerichtshofs für
Rechtsanwälte Berlin (Beschluss vom 14.2.1991 I EGH 6/90, NJW
1992, 846) und der berufsrechtlichen Literatur ergibt sich nichts
anderes. Diese beschäftigen sich nicht mit dem Verhältnis
der berufsrechtlichen Schweigepflicht des Kammervorstandes zur
Auskunftspflicht gegenüber dem FA nach den §§ 93,
105 AO 1977. Die Entscheidung des Ehrengerichtshofs ist zu einem
Auskunftsersuchen der Finanzverwaltung ergangen, das allein auf
Amtshilfegrundsätze gestützt war. Sie ist für die
Entscheidung des Streitfalles unergiebig, weil der Ehrengerichtshof
die Anwendbarkeit der hier angesprochenen Vorschriften nicht
geprüft hat. Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt
sich auch dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der
Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft (BTDrucks 15/5223) nicht
entnehmen, dass der Gesetzgeber die berufsrechtliche
Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Auskunftspflicht nach
den §§ 93, 105 AO 1977 für vorrangig hält. Das
Regelungsanliegen dieses Gesetzentwurfs hatte keinen Bezug zum
Verhältnis zwischen der berufsrechtlich geregelten
Schweigepflicht der Vorstandsmitglieder einer Berufskammer und der
Auskunftspflicht nach den §§ 93, 105 AO 1977.
c) Dem Auskunftsverlangen steht auch das
Auskunftsverweigerungsrecht für Angehörige der freien
Berufe gemäß § 102 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 nicht
entgegen.
Diese Vorschrift schützt nur
mandatsbezogene Geheimnisse, die einem Berufsträger oder einem
seiner Mitarbeiter bei Ausübung oder Anbahnung eines Mandats
bekannt geworden sind (vgl. Klein/ Brockmeyer, a.a.O., § 102
Rz 3, 6; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.12.1988 X R
34/82, BFH/NV 1989, 541 = SIS 89 07 32; BFH-Beschluss vom 2.2.1989
IV B 114/88, BFH/NV 1989, 761). Darum geht es im vorliegenden Fall
jedoch nicht. Eine Berufskammer ist als Teil der mittelbaren
Staatsverwaltung nicht wie ein Berufsträger zu behandeln, so
dass eine Berufung der Klägerin auf das
Auskunftsverweigerungsrecht nach § 102 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977
schon deshalb ausscheiden dürfte. Jedenfalls betrifft im
Streitfall das Auskunftsersuchen des FA nicht die Offenbarung
mandatsbezogener Erkenntnisse, sondern die Bekanntgabe einer
Bankverbindung des Berufsträgers selbst, welche nicht unter
den Schutz des § 102 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 fällt.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
kann die Finanzbehörde Auskunft von einem Dritten nur
verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und
notwendig, die Pflichterfüllung für den Betreffenden
möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich,
verhältnismäßig und zumutbar ist (vgl.
Senatsurteile in BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366 = SIS 00 09 36;
vom 24.10.1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, 508, BStBl II 1990, 198 =
SIS 90 02 50, sowie vom 29.10.1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108,
BStBl II 1988, 359, 362 f. = SIS 87 04 57; BFH-Urteil vom 18.2.1997
VIII R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499, 505 = SIS 97 13 01,
mit umfangreichen Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung). Das
vom FA an die Klägerin gerichtete Auskunftsersuchen entspricht
den genannten Anforderungen.
a) Die geforderte Auskunft ist geeignet, eine
möglicherweise verschwiegene Bankverbindung bzw. ein Konto,
auf dem sich noch ein pfändbares Guthaben befindet,
aufzudecken, denn der Steuerpflichtige hatte die
Kammerbeiträge nach den Feststellungen des FG trotz seiner
Zahlungsschwierigkeiten stets gezahlt. Dabei genügt es, dass
ein solcher Erfolg möglich ist; die begründete
Wahrscheinlichkeit eines Erfolges oder gar Erfolgsgewissheit ist
nicht erforderlich. Die Möglichkeit eines Erfolges kann auch
nicht durch den Hinweis der Klägerin in Zweifel gezogen
werden, dass der Steuerpflichtige durch eine Mitteilung der
Klägerin von der Anfrage und der darauf folgenden
Übermittlung der Bankverbindung Kenntnis erhalten und ggf.
noch auf dem Konto vorhandene pfändbare Beträge von
diesem abheben könnte. Denn abgesehen davon, dass die
Klägerin nach den von ihr angeführten
datenschutzrechtlichen Bestimmungen nicht generell verpflichtet
wäre, dem Steuerpflichtigen eine entsprechende Mitteilung
zukommen zu lassen, wäre sie - auch bei Vorliegen eines
entsprechenden Antrages des Steuerpflichtigen - hierzu nicht
berechtigt, wenn sie - was sie offensichtlich tut - davon ausgeht,
dass die Benachrichtigung des Steuerpflichtigen die finanziellen
Interessen des Freistaats Bayern und des Bundes gefährden
würde (Art. 10 Abs. 5 Nr. 2 BayDSG).
b) Das Auskunftsersuchen war erforderlich,
weil sich das FA die geforderten Angaben nicht auf amtlichem Wege
oder sonst einfacher beschaffen konnte. Das FA konnte aus den
Vollstreckungsakten sowie den Pfändungsprotokollen keine
weiteren Erkenntnisse über pfändbares Vermögen des
Steuerpflichtigen gewinnen.
Das Gebot, in erster Linie den
Steuerpflichtigen zur Aufklärung des Sachverhalts
heranzuziehen (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977) hat das FA
beachtet. Es hat nach den Feststellungen des FG ohne Erfolg vom
Steuerschuldner Angaben zu seinen Bankverbindungen verlangt und
versucht, durch den Einsatz von Vollziehungsbeamten Erkenntnisse
über weitere Vermögenswerte und Konten des
Steuerpflichtigen zu gewinnen. Zu weiteren
Aufklärungsversuchen gegenüber dem Steuerpflichtigen -
insbesondere zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung vor
Erlass des Auskunftsersuchens - war das FA nicht verpflichtet. Das
FA muss auf die Inanspruchnahme eines Dritten zur
Auskunftserteilung nicht etwa solange verzichten, bis alle nur
denkbaren Möglichkeiten ausgeschöpft sind, den
Beteiligten selbst zu einer vollständigen Auskunft über
seine Vermögensverhältnisse oder Vertragsbeziehungen zu
veranlassen (Senatsurteile in BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366 =
SIS 00 09 36, m.w.N., und in BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537 = SIS 89 14 55).
c) Das Auskunftsersuchen war auch unter
Berücksichtigung der besonderen Stellung der Klägerin als
Selbstverwaltungskörperschaft eines freien Berufs nicht
unverhältnismäßig oder unzumutbar.
aa) Bei der gebotenen Interessenabwägung
zwischen den Belastungen, denen die Klägerin durch die
Beantwortung des Auskunftsersuchens ausgesetzt ist, und der diese
Belastungen rechtfertigenden Gründe, ist zu
berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die in § 93
Abs. 1 i.V.m. § 105 AO 1977 festgelegte Pflicht zur
Auskunftserteilung das Interesse der Allgemeinheit an der
möglichst lückenlosen Festsetzung und Verwirklichung der
Steueransprüche grundsätzlich höher bewertet als das
Interesse unbeteiligter Dritter, von staatlichen Eingriffen
unbehelligt zu bleiben (Senatsurteil in BFHE 191, 211, BStBl II
2000, 366 = SIS 00 09 36, m.w.N.).
Der Ansicht, dass die Klägerin aufgrund
ihrer Stellung als Selbstverwaltungskörperschaft eines freien
Berufs und zugleich Teil der mittelbaren Staatsverwaltung, die als
solche auch dem Gemeinwohl zu dienen verpflichtet ist, in dieser
Hinsicht grundsätzlich schutzwürdiger wäre als eine
andere Behörde oder ein privatwirtschaftliches Unternehmen,
das - jedenfalls insoweit - keine besondere Gemeinwohlverpflichtung
trifft, folgt der Senat nicht. Auch privatwirtschaftliche
Unternehmen - beispielsweise Banken und andere Kreditinstitute -
können für eine erfolgreiche Tätigkeit in ganz
ähnlicher Weise wie die Klägerin in hohem Maße auf
eine ungestörte Vertrauensbeziehung zu ihren Kunden angewiesen
sein, ohne dass allein deshalb das Auskunftsinteresse der
Finanzbehörden hinter das Geheimhaltungsinteresse des in
Anspruch Genommenen zurücktreten müsste (vgl. § 30a
Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 AO 1977; Senatsbeschluss vom 21.3.2002 VII
B 152/01, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 = SIS 02 09 17 zur
Zulässigkeit von Sammelauskunftsersuchen bei
Kreditinstituten).
Durch den Umstand, dass Klägerin und
Steuerpflichtiger in einer Pflichtbeziehung zueinander stehen, der
sich der Steuerpflichtige nicht entziehen kann, unterscheidet sich
der Streitfall nicht von den zahlreichen anderen Fällen, in
denen ein Bürger einer Behörde, welche nicht
Selbstverwaltungskörperschaft ist, Daten übermitteln
muss, die das FA mittels Auskunftsersuchen gemäß
§§ 93, 105 AO 1977 abfragen kann. Davon abgesehen
erstreckt sich das Auskunftsersuchen im Streitfall nur auf
Informationen, die der Steuerpflichtige der Klägerin
freiwillig übermittelt hat, so dass sich der Zwang zur
Mitgliedschaft hier nicht ausgewirkt hat.
Es ist danach grundsätzlich nicht zu
beanstanden, wenn die Finanzbehörde versucht, eine
Steuerforderung von 3.400 EUR zu vollstrecken und zu diesem Zweck
eine Auskunft über die Bankverbindung eines
Vollstreckungsschuldners einholt, wenn die Auskunft mit zumutbarem
Aufwand erteilt werden kann.
bb) Die Sorge der Klägerin, dass die
vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Kammer und ihren
Mitgliedern, unzumutbar beeinträchtigt würde und
befürchtet werden müsste, dass Kammermitglieder in
größerem Umfang die ihnen durch Gesetz auferlegten
Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gegenüber der Kammer nicht
mehr erfüllten, wenn die Kammer verpflichtet wäre, in
Einzelfällen auf Ersuchen Auskünfte gegenüber den
Finanzbehörden zu erteilen, teilt der Senat nicht.
Eine wesentliche Beeinträchtigung der
vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen der Kammer und ihren
Mitgliedern wäre nach Ansicht des Senats allenfalls dann zu
befürchten, wenn der Kammervorstand ohne gesetzliche Grundlage
unter Verstoß gegen das in der Berufsordnung enthaltene
Verschwiegenheitsgebot Informationen an Dritte weitergäbe
und/oder die Gefahr bestünde, dass auf diese Weise
schutzbedürftige persönliche Daten an die
Öffentlichkeit gelangten. Hier ist der Kammervorstand jedoch
aufgrund der §§ 93, 105 AO 1977 ausdrücklich
gesetzlich verpflichtet, die Auskunft zu erteilen, so dass eine
Auskunftserteilung in diesem Fall den Kammermitgliedern keinen
Anlass gibt, an der Integrität und Verschwiegenheit des
Kammervorstandes in anderen Angelegenheiten zu zweifeln.
Das Risiko, dass sich wegen der
Möglichkeit der Datenweitergabe an die Finanzbehörden
möglicherweise vereinzelt Kammermitglieder der Kammer nur
zurückhaltend offenbaren könnten, ist im Interesse der
gleichmäßigen Durchsetzung des staatlichen
Steueranspruches hinzunehmen.
Auch die Befürchtung, dass
Kammermitglieder im Einzelfall Einzugsermächtigungen
widerrufen oder gar nicht erst erteilen und sich dadurch der
Beitragseinzug für die Klägerin schwieriger gestalten
könnte, macht die Auskunftserteilung für die
Klägerin nicht unzumutbar. Für den Fall eines an ein
Stromversorgungsunternehmen gerichteten Auskunftsersuchens hat der
Senat bereits entschieden, dass wirtschaftliche Nachteile in Form
von Mehrkosten beim Forderungseinzug, die der Widerruf von
Einzugsermächtigungen mit sich bringt, grundsätzlich
keine Bevorzugung des Auskunftspflichtigen gegenüber dem
Interesse der Allgemeinheit an einer gleichmäßigen
Durchsetzung der Steueransprüche rechtfertigen (Senatsurteil
in BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366 = SIS 00 09 36). Diese
Erwägung trifft auch im vorliegenden Fall zu.
cc) Im Hinblick darauf, dass eine
größere Beeinträchtigung der Interessen der
Klägerin durch die Auskunftserteilung nach Auffassung des
Senats nicht zu besorgen ist und die Auskunft von der Klägerin
mit minimalem Aufwand erteilt werden kann, kann dem
Auskunftsanspruch auch nicht entgegengehalten werden, dass die
Nennung der Bankverbindung des Steuerpflichtigen ggf. nicht zu
einer Aufdeckung pfändbaren Vermögens führt.
Vielmehr genügt es, dass bei einer Auskunftserteilung eine
Aufdeckung pfändbarer Vermögenswerte im Zeitpunkt der
letzten Verwaltungsentscheidung zumindest möglich
erscheint.
3. Das Gebrauchmachen von der
einfachgesetzlich eingeräumten Befugnis der
Finanzbehörden, von der Klägerin im Einzelfall eine
Auskunft zu verlangen, verstößt auch sonst nicht gegen
verfassungsrechtliche Wertungen.
Die Auskunftspflicht anderer Personen als des
Steuerpflichtigen ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine
allgemeine Staatsbürgerpflicht und als solche
verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist Bestandteil der
verfassungsmäßigen Ordnung und eine im
überwiegenden Allgemeininteresse liegende Einschränkung
des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, die auf einer
verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage beruht
(Senatsurteile in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 = SIS 87 04 57;
in BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366 = SIS 00 09 36; Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 15.11.2000 1 BvR 1213/00, BStBl II
2002, 142 = SIS 01 03 61). Eine Prüfung am Maßstab des
Art. 12 GG scheidet schon deswegen aus, weil es sich bei den
§§ 93, 105 AO 1977 nicht um eine
Berufsausübungsregelung handelt.