Bedarfsbewertung, Begriff der Wohnung: Die Frage, ob mehr als zwei Wohnungen vorliegen, bestimmt sich im Rahmen des § 146 Abs. 5 BewG nach dem Wohnungsbegriff, wie er für Zwecke der Einheitsbewertung des Grundvermögens im Urteil des BFH vom 5.10.1984 III R 192/83 (BFHE 142 S. 505, BStBl 1985 II S. 151 = SIS 85 05 08) entwickelt worden ist. Dies gilt unabhängig davon, wann das Gebäude bezugsfertig errichtet, aus- oder umgebaut worden ist. - Urt.; BFH 26.9.2007, II R 74/05; SIS 07 37 83
I. Mit Vertrag vom 13.8.2001 erwarb die
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) durch
Schenkung ein Grundstück mit aufstehendem Gebäude. Das
Gebäude war wie folgt gestaltet: Hinter der Haustür lag
eine kleine Diele, an deren Ende sich eine verschließbare
Tür befand, die zu einer Wohnung führte. Auf der rechten
Seite der Diele führte eine Treppe in das obere Stockwerk. Sie
mündete auf einen Flur, von dem drei Türen abgingen.
Hinter der ersten Tür befand sich ein ca. 17,5 qm großer
Wohn-/Schlafraum mit einer benutzungsfähigen Küche. Eine
zweite, verschließbare Tür führte in ein gut 3 qm
großes Duschbad/WC. Hinter der dritten Tür lag eine
weitere Wohnung, bestehend aus Schlafzimmer, Wohnzimmer,
eingerichteter Küche und Bad. Dieser bauliche Zustand ist 1960
geschaffen worden. Der Wohn-/Schlafraum und das Duschbad/WC sind
gemeinsam vermietet und hatten eigene Zähler und an der
Haustür eine eigene Klingel.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) stellte mit Bescheid vom 21.2.2002 den
Grundstückswert auf den 13.8.2001 in Höhe von 308.000 DM
(157.477 EUR) fest. In diesem Betrag ist ein Zuschlag von 20 v.H.
gemäß § 146 Abs. 5 des Bewertungsgesetzes (BewG)
enthalten, da nach der Rechtsauffassung des FA das Grundstück
nicht mehr als zwei Wohnungen aufweist. Einspruch und Klage, mit
denen die Klägerin geltend gemacht hatte, das Grundstück
enthalte drei Wohnungen, blieben erfolglos (vgl. SIS 06 40 03).
Mit der Revision rügt die
Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 146 Abs. 5
BewG.
Sie beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und den Bescheid vom 21.2.2002 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 29.10.2002 dahingehend zu ändern,
dass der Grundstückswert auf 257.000 DM (131.402 EUR)
herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das Finanzgericht (FG) hat zutreffend
angenommen, dass der Zuschlag in Höhe von 20 v.H.
gemäß § 146 Abs. 5 BewG auch dann anzusetzen ist,
wenn ein Gebäude neben zwei abgeschlossenen Wohnungen eine
weitere Raumeinheit enthält, die aber nicht alle
tatbestandlichen Voraussetzungen einer Wohnung erfüllt. Die
Frage, ob eine Wohnung vorliegt, bestimmt sich nach dem
Wohnungsbegriff, wie er für Zwecke der Einheitsbewertung des
Grundvermögens im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom
5.10.1984 III R 192/83 (BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151 = SIS 85 05 08) entwickelt worden ist. Dies gilt unabhängig davon, wann
das Gebäude bezugsfertig errichtet, aus- oder umgebaut worden
ist.
1. Der nach § 146 Abs. 1 bis 4 BewG
ermittelte Wert eines bebauten Grundstücks, das
ausschließlich Wohnzwecken dient, ist gemäß Abs. 5
der Vorschrift um 20 v.H. zu erhöhen, wenn das Grundstück
nicht mehr als zwei Wohnungen enthält.
a) Ob ein Gebäude mehr als zwei Wohnungen
i.S. des § 146 Abs. 5 BewG enthält, bestimmt sich nach
demselben Wohnungsbegriff, wie er zu § 75 Abs. 5 und 6 BewG
entwickelt worden ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 142, 505, BStBl II
1985, 151 = SIS 85 05 08, und vom 11.4.2006 II R 77/04, BFH/NV
2006, 1707 = SIS 06 34 67, m.w.N.; ebenso R 175 Abs. 2 der
Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003). Weder der Wortlaut des §
146 Abs. 5 BewG noch die Gesetzesbegründung lassen erkennen,
dass der Gesetzgeber von diesem Wohnungsbegriff abweichen wollte.
In der Begründung zum ursprünglichen Regierungsentwurf
des Jahressteuergesetzes 1997 (JStG 1997) wird vielmehr
ausdrücklich auf ihn Bezug genommen (Begründung zu §
149 des Entwurfs eines Bewertungsgesetzes, BRDrucks 390/96).
Der Anwendung des § 146 Abs. 5 BewG ist
dabei der sog. neue Wohnungsbegriff zu Grunde zu legen, wonach
für die Beurteilung der Frage, ob die Zusammenfassung einer
Mehrheit von Räumen den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff
erfüllt, wesentlich ist, dass diese Zusammenfassung eine von
anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen,
baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bildet
(BFH-Urteile in BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151 = SIS 85 05 08;
vom 22.5.2002 II R 43/00, BFH/NV 2003, 7 = SIS 03 06 28).
b) Dieser sog. neue Wohnungsbegriff gilt
für Zwecke der Bedarfsbewertung unabhängig davon, wann
das Gebäude bezugsfertig errichtet, aus- oder umgebaut worden
ist. Für eine Anwendung der Übergangsregelung
gemäß dem gleichlautenden Erlass der obersten
Finanzbehörden der Länder vom 15.5.1985 (BStBl I 1985,
201 = SIS 85 11 09) ist kein Raum. Die Notwendigkeit zu einer
derartigen vertrauensschützenden Regelung besteht bei der
gesonderten Feststellung der Grundbesitzwerte (Bedarfsbewertung)
nach den §§ 138 ff. BewG nicht.
Gemäß diesen Grundsätzen hat
das FG im Streitfall zu Recht angenommen, dass das von der
Klägerin erworbene Gebäude nicht mehr als zwei Wohnungen
enthält. Die aus dem Wohn-/Schlafraum mit Küche und dem
Duschbad/WC bestehende Raumeinheit ist nicht abgeschlossen und
bildet daher keine Wohnung. Die zu dieser Raumeinheit
gehörenden Teile sind durch den Zugang zur zweiten
abgeschlossenen Wohnung getrennt.
c) § 146 Abs. 5 BewG ist auch dann
anzuwenden, wenn ein Grundstück neben zwei abgeschlossenen
Wohnungen eine weitere Raumeinheit enthält, die aber nicht
alle tatbestandlichen Voraussetzungen einer Wohnung erfüllt,
insbesondere steht der Sinn und Zweck der Vorschrift dem nicht
entgegen. Nach der Gesetzesbegründung soll der Zuschlag
erfolgen, weil Einfamilienhäuser und Zweifamilienhäuser
in der Regel nicht zu Renditezwecken, sondern zum Eigengebrauch
errichtet werden und der Grundstücksanteil bei
Einfamilienhäusern und Zweifamilienhäusern in der Regel
höher ist, ohne dass sich dies auf die Miete auswirkt. Das sei
bei der Ermittlung des Restwerts (§ 146 Abs. 4 BewG) zu
berücksichtigen (Begründung des Finanzausschusses zum
JStG 1997, BTDrucks 13/5952, 41). Diese typisierenden
Erwägungen treffen auch auf Gebäude mit einer weiteren
Raumeinheit zu.