Schenkungsteuer, Auswahlermessen bei Übernahme der Steuer durch Schenker: Hat der Schenker im Verhältnis zum Beschenkten die geschuldete Steuer selbst übernommen und war dies dem FA bei Erlass des Schenkungsteuerbescheids bekannt, erfordert die Inanspruchnahme des Bedachten eine Begründung der getroffenen Auswahlentscheidung, es sei denn, die Gründe sind dem Bedachten bekannt oder für ihn ohne weiteres erkennbar. - Urt.; BFH 1.7.2008, II R 2/07; SIS 08 37 70
I. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom
21.12.1998 übertrug L Teilgeschäftsanteile an mehreren
Kapitalgesellschaften an seine beiden damals minderjährigen
Kinder, die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und
ihren jüngeren Bruder, unter der Auflage, diese in eine
zugleich errichtete Gesellschaft bürgerlichen Rechts
einzulegen. Gemäß § 5 Nr. 2 des Schenkungsvertrages
übernahm L die aufgrund des Vertrages geschuldete
Schenkungsteuer. In der für die Klägerin abgegebenen
Schenkungsteuererklärung gab er an, dass die Schenkungsteuer
von ihm getragen werde.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) setzte gegen die Klägerin durch wiederholt
geänderte Bescheide Schenkungsteuer fest.
Die Klägerin wandte sich mit Einspruch
und Klage zunächst lediglich gegen die Steuerberechnung des
FA. Zuletzt beantragte sie, die ergangenen Steuerbescheide und die
Einspruchsentscheidung aufzuheben, da ihre Heranziehung zur
Schenkungsteuer ermessensfehlerhaft sei.
Das Finanzgericht (FG) folgte dieser
Ansicht und gab der Klage deshalb statt (vgl. SIS 07 17 62).
Hiergegen richtet sich die Revision des FA.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht angenommen,
dass der angefochtene Schenkungsteuerbescheid sowie die
vorangegangenen Bescheide und die Einspruchsentscheidung
rechtswidrig sind, weil das FA die Festsetzung der Schenkungsteuer
gegen die Klägerin statt gegen L darin nicht begründet
hat.
1. Sowohl Schenker als auch Beschenkter
schulden gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) die
Schenkungsteuer und sind daher Gesamtschuldner nach § 44 Abs.
1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO). Jeder der Gesamtschuldner
schuldet die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO).
a) Die Entscheidung, gegen welchen der
Gesamtschuldner die Schenkungsteuer festgesetzt wird, hat das
Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen
(§ 5 AO). Die Ermessensentscheidung bedarf nach Maßgabe
des § 121 Abs. 1 AO einer Begründung, soweit diese zum
Verständnis des Steuerbescheids erforderlich und die
Begründung nicht nach § 121 Abs. 2 AO entbehrlich ist.
Setzt das Finanzamt die Schenkungsteuer gegen den Bedachten fest,
braucht es dies im Regelfall nicht zu begründen, weil eine
Begründung zum Verständnis des Steuerbescheids nicht
erforderlich ist. Dem Wesen der Schenkungsteuer als
Bereicherungssteuer entsprechend ist das Finanzamt nämlich
grundsätzlich gehalten, sich bei der Anforderung der Steuer an
den Bedachten zu halten (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
29.11.1961 II 282/58 U, BFHE 75, 151, BStBl III 1962, 323 = SIS 62 02 14; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz
48).
b) Anders verhält es sich, wenn der
Schenker im Verhältnis zum Beschenkten die Entrichtung der
geschuldeten Steuer selbst übernommen hat und dies dem
Finanzamt bei Erlass des Steuerbescheides bekannt ist. Dies
ändert zwar nichts daran, dass auch der Bedachte
Steuerschuldner ist (Gebel in Troll/Gebel/ Jülicher, ErbStG,
§ 20 Rz 20); denn die an einer Schenkung Beteiligten
können nicht durch privatrechtliche Vereinbarung über die
gesetzlich geregelte Steuerschuldnerschaft disponieren. Die
Festsetzung der Schenkungsteuer gegen den Beschenkten bedarf in
einem solchen Fall aber regelmäßig einer
Begründung, aus der die für das Finanzamt
maßgeblichen Ermessenserwägungen hervorgehen. Fehlt die
erforderliche Begründung und wird sie auch nicht in
zulässiger Form nachgeholt, ist der gegen den Bedachten
ergangene Steuerbescheid bereits aus diesem Grund rechtswidrig und
aufzuheben (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30.4.1987 VII R 48/84, BFHE
149, 511, BStBl II 1988, 170 = SIS 87 14 47, und vom 23.11.1993 VII
R 32/93, BFHE 173, 274; BFH-Beschluss vom 12.7.1999 VII B 2/99,
BFH/NV 2000, 99 = SIS 00 50 93). Insoweit gelten für die
Schenkungsteuer dieselben Grundsätze wie für die
Grunderwerbsteuer, wenn das Finanzamt denjenigen der
Gesamtschuldner, der nach den Vereinbarungen der Vertragsparteien
nicht verpflichtet ist, die Grunderwerbsteuer zu tragen, in
Anspruch nimmt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 26.6.1996 II R 31/93,
BFH/NV 1997, 2 = SIS 96 24 32).
Die Inanspruchnahme des Gesamtschuldners, der
nach den Vereinbarungen der Vertragsparteien nicht verpflichtet
ist, die Steuer zu tragen, braucht nur dann nicht begründet zu
werden, wenn die Steuerfestsetzung gegen den anderen
Gesamtschuldner aus Rechtsgründen, etwa wegen
Festsetzungsverjährung, nicht mehr möglich ist - dann
entfällt bereits mangels einer Auswahlmöglichkeit eine
Ausübung des Ermessens - oder infolge dessen wirtschaftlicher
Situation keinen Erfolg verspricht und dies dem in Anspruch
genommenen Gesamtschuldner bekannt oder ohne weiteres erkennbar ist
(BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 2 = SIS 96 24 32).
2. Das FA hätte danach spätestens in
der Einspruchsentscheidung darlegen müssen, dass es sein
Auswahlermessen tatsächlich ausgeübt hat, und die Auswahl
der Klägerin als Steuerschuldnerin begründen müssen
(§ 121 Abs. 1, § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO). Da dies nicht
geschehen ist, sind sowohl der angefochtene Steuerbescheid als auch
die zunächst ergangenen Steuerbescheide und die
Einspruchsentscheidung rechtswidrig und waren daher aufzuheben.
Gründe, die eine Festsetzung der Schenkungsteuer gegen L als
unzulässig oder untunlich erscheinen lassen, hat das FG nicht
festgestellt und auch das FA nicht vorgetragen. Für die
Beurteilung maßgebend ist dabei der Zeitpunkt, zu dem das FA
erstmals Schenkungsteuer gegen die Klägerin festgesetzt hat.
Die später ergangenen Änderungsbescheide beruhten auf der
Grundentscheidung des FA für die Inanspruchnahme der
Klägerin.
Der Begründungsmangel ist im
finanzgerichtlichen Verfahren nicht geheilt worden. Das FA hat zum
einen trotz eines vom FG zur Vorbereitung der mündlichen
Verhandlung gegebenen Hinweises die Begründung des Ermessens
weder schriftlich noch zu Protokoll des FG nachgeholt. Eine solche
Nachholung wäre zum anderen nach § 102 Satz 2 FGO auch
nicht zulässig gewesen. Nach dieser Vorschrift kann die
Finanzbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des
Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines
finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen. Die
Finanzbehörde kann danach bereits an- oder dargestellte
Ermessenserwägungen vertiefen, verbreitern und verdeutlichen;
sie ist jedoch nicht befugt, Ermessenserwägungen im
finanzgerichtlichen Verfahren erstmals anzustellen, die
Ermessensgründe auszuwechseln oder vollständig
nachzuholen (BFH-Urteile vom 11.3.2004 VII R 52/02, BFHE 205, 14,
BStBl II 2004, 579 = SIS 04 18 37, und vom 26.9.2006 X R 39/05,
BFHE 215, 1, BStBl II 2007, 222 = SIS 07 03 12; BFH-Beschlüsse
vom 2.6.2004 IV B 56/02, BFH/NV 2004, 1536 = SIS 04 38 80, und vom
9.11.2004 VI B 39/02, BFH/NV 2005, 378 = SIS 05 12 67).
Das FG hat zu Recht die fehlende
Begründung der Ermessensentscheidung auch nicht durch eigene
Ermessenserwägungen ersetzt (BFH-Urteil vom 29.9.1987 VII R
54/84, BFHE 151, 111, BStBl II 1988, 176 = SIS 88 02 52).