Unwirksame strafbefreiende Erklärung, Änderung von Steuererklärungen: 1. Will die Finanzbehörde nach Eingang einer wegen des Vorliegens eines Sperrgrunds nicht wirksamen strafbefreienden Erklärung zunächst ergangene Steuerbescheide ändern, dann muss sie nicht zuvor die nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG bewirkte Steuerfestsetzung aufheben. - 2. I.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG ist eine Tat entdeckt, wenn nach den für den Betroffenen erkennbaren Verdachtsmomenten von der Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung auszugehen ist. - Urt.; BFH 26.11.2008, X R 20/07; SIS 09 05 63
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) betrieb in den Streitjahren 2000 und 2001 ein
Einzelunternehmen als Ausbeiner. In seinen für die Streitjahre
abgegebenen Umsatzsteuererklärungen erklärte er mit 16
v.H. steuerpflichtige Nettoumsätze von 292.538 DM (2000) und
279.646 DM (2001). Diese Einnahmen legte er auch seinen für
die Streitjahre abgegebenen Einkommensteuer- und
Gewerbesteuererklärungen zugrunde. Hierdurch ergaben sich nach
Abzug der erklärten Betriebsausgaben Gewinne aus
Gewerbebetrieb von 132.956 DM (2000) und 156.258 DM (2001). Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) setzte in
den für die Streitjahre ergangenen ursprünglichen
Bescheiden die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer und die
Gewerbesteuermessbeträge erklärungsgemäß
fest.
Am 13.10.2003 erhielt das FA die
Kontrollmitteilung des Finanzamts X (FA X) vom 7.10.2003. Nach den
vom Finanzgericht (FG) hierzu getroffenen Feststellungen hat der
Kläger von der F-GmbH für Aushilfs- und für Ausbein-
und Zerlegearbeiten Zahlungen erhalten. Ferner sind in einer Anlage
zu der Kontrollmitteilung die in den Streitjahren gegenüber
der F-GmbH insgesamt ausgestellten Rechnungen des Klägers im
Einzelnen unter Angabe des jeweiligen Rechnungsdatums, des
Bruttorechnungsbetrags und der darin enthaltenen, offen
ausgewiesenen Umsatzsteuer von 16 v.H. dargestellt. Diesen
Bruttorechnungsbeträgen stellte der Sachbearbeiter des FA nach
den vom FG hierzu getroffenen Feststellungen mittels auf dieser
Anlage angebrachter Vermerke die vom Kläger für die
Streitjahre jeweils erklärten Bruttoumsätze
gegenüber.
Mit Schreiben vom 22.10.2003 wies das FA
den damaligen Steuerberater des Klägers unter Auflistung der
in der Kontrollmitteilung für die Streitjahre jeweils
ausgewiesenen Gesamtumsätze auf erhebliche Differenzen zu den
erklärten Umsätzen hin. Es bat um Überprüfung
und Stellungnahme.
Auf der vom Kläger mit der
Antragsschrift im Aussetzungsverfahren 1 V 1903/04 beim FG
eingereichten Kopie des Schreibens vom 22.10.2003 sind neben
handschriftlich ergänzten Zahlen folgende handschriftliche
Vermerke angebracht: „Original am 30.10.2003 9.45 Uhr Hr. H
(Kläger) zwecks Klärung + Stellungnahme vorgelegt; hat
Schreiben mit nach Hause genommen. Soll sich möglichst bald
bei uns diesbezügl. melden“ und
„Anruf v. Hr. H 30.10.2003 10.15 Uhr: Angaben FA X bzw.
F-GmbH stimmen“. Beide Vermerke sind jeweils
mit einem Unterschriftskürzel versehen.
Mit am 12.2.2004 beim FA eingegangenem
Schreiben übersandte der Kläger einen unterschriebenen
Vordruck „Strafbefreiende
Erklärung“ nach dem
Strafbefreiungserklärungsgesetz - StraBEG - (vom 23.12.2003,
BGBl I 2003, 2928). In dieser Erklärung wurden aufgrund
unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener Angaben nicht
besteuerte Einnahmen der Jahre 1993 bis 2002 angegeben. In einer
Anlage wurden u.a. hinsichtlich der Streitjahre nicht versteuerte
Bruttobetriebseinnahmen von 80.947,51 DM (2000) und 137.657,80 DM
(2001) erklärt.
Das FA erließ für die
Streitjahre 2000 und 2001 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der
Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide, nach
§ 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide, sowie
nach § 35b Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG)
geänderte Gewerbesteuermessbescheide. In den geänderten
Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheiden erhöhte es
die gewerblichen Einkünfte des Klägers um den für
das jeweilige Jahr in der strafbefreienden Erklärung
angegebenen Betrag der nicht besteuerten Einnahmen, gekürzt um
die darin enthaltene Umsatzsteuer. Diese Nettoeinnahmen wurden auch
in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden angesetzt. In einer
Anlage, die jeweils den geänderten Einkommensteuerbescheiden
beigefügt war, wies das FA darauf hin, die strafbefreiende
Erklärung könne (für das jeweilige Streitjahr) nicht
anerkannt werden. Dem FA sei bereits vor dem 1.1.2004 bekannt
gewesen, dass die Einnahmen nicht in der tatsächlichen
Höhe erklärt worden seien.
Mit seiner Klage machte der Kläger
geltend, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, weil von
ihm eine wirksame strafbefreiende Erklärung abgegeben worden
sei. Eine Tatentdeckung i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b
StraBEG habe nicht vorgelegen. Das FA habe im Streitfall noch keine
solch umfassende Kenntnis vom objektiven und subjektiven Tatbestand
sowie von der Rechtswidrigkeit und der Schuld einer Steuerstraftat
besessen, dass (vor Abgabe der strafbefreienden Erklärung)
eine Anklage hätte erhoben werden können. Die erst zwei
Monate nach Abgabe der strafbefreienden Erklärung erfolgte
Einleitung eines Strafverfahrens belege, dass das FA entgegen der
Intention des Gesetzgebers gerade seine strafbefreiende
Erklärung zur Grundlage eines Strafverfahrens gemacht, es ohne
diese Erklärung aber nicht den zur Anklageerhebung
erforderlichen Kenntnisstand besessen habe.
Die angesetzten gewerblichen Einkünfte
seien überdies überhöht. Die zusätzlich
angesetzten Einnahmen seien zumindest im Schätzwege um die
konkreten, jedenfalls aber um die durchschnittlichen
Erwerbsaufwendungen zu mindern.
Das FA ist der Klage entgegengetreten. Die
Erklärung des Klägers habe keine Straf- oder
Bußgeldfreiheit bewirkt. Seine Tat sei bereits vor Eingang
seiner Erklärung i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b
StraBEG entdeckt gewesen, als der Sachbearbeiter des FA nach
Eingang der Kontrollmitteilung die darin für die einzelnen
Streitjahre jeweils genannten Endsummen mit den Zahlen der
jeweiligen Steuererklärungen verglichen und dies auch
handschriftlich festgehalten habe.
Das FG hat die Klage mit seinem in EFG
2007, 1312 = SIS 07 25 85 veröffentlichten Urteil abgewiesen.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt der
Kläger die Verletzung von formellem und materiellem
Recht.
Das FG habe entgegen § 76 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht darauf hingewirkt, dass der
Kläger statt der Abänderung der angefochtenen Bescheide
deren Aufhebung beantragt habe.
Zudem habe das FG seine
Aufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt. Zu
Unrecht gehe das FG davon aus, dass in der Kontrollmitteilung vom
7.10.2003 Zahlungen an den Kläger genannt seien.
Klärungsbedürftig sei gewesen, ob die in der
Kontrollmitteilung genannten Beträge richtig ermittelt worden
seien, ob die Rechnungen tatsächlich vom Kläger stammten
und ob in Höhe der Rechnungsbeträge in den jeweiligen
Jahren auch tatsächlich Zahlungen erfolgt seien. Zudem sei das
FG gehalten gewesen, den Sachbearbeiter des FA als Zeugen dazu zu
hören, ob er bereits vor dem Eingang der strafbefreienden
Erklärung die Tat als entdeckt angesehen habe.
Auch habe das FG unberücksichtigt
gelassen, dass der Kläger in den Streitjahren seinen Gewinn
nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt
habe. Zudem habe das FG auch keine Feststellungen dazu getroffen,
ob der Kläger in diesen Jahren seine Umsätze nach
vereinbarten (§ 16 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - )
oder nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 Abs. 1 UStG) zu
versteuern hatte. Hieraus könnten sich aber erhebliche
Unterschiede ergeben.
In materiell-rechtlicher Hinsicht habe das
FG nicht berücksichtigt, dass das FA die aufgrund der
strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung (§
10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG) nicht aufgehoben habe.
Auch seien die für § 371 Abs. 2
Nr. 2 AO geltenden Grundsätze nicht in vollem Umfang auf
§ 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG übertragbar. Im
Gegensatz zur Selbstanzeige erfordere ein Ausschluss der
Strafbefreiung nach Nr. 1 Buchst. b, dass die Tat insgesamt und
nicht lediglich zum Teil entdeckt sei. Eine solche Tatentdeckung
setze voraus, dass der Tatverdacht bereits so weit konkretisiert
sein müsse, dass bei vorläufiger Tatbewertung die
Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben
sei.
Im Streitfall habe vor Eingang der
strafbefreienden Erklärung bereits der objektive Tatbestand
einer Steuerhinterziehung nicht festgestanden. Wegen des für
den Kläger geltenden Zuflussprinzips sei nicht
auszuschließen gewesen, dass die Zahlungszuflüsse in
erheblichem Umfang von den in der Kontrollmitteilung genannten
Rechnungsbeträgen abgewichen seien. Von einer Tatentdeckung
aufgrund der Kontrollmitteilung könne auch deshalb nicht
ausgegangen werden, weil dort Rechnungsbeträge, nicht aber
Zahlungszuflüsse genannt seien. In den Dezembermonaten 2000
und 2001 seien vom Kläger auch Rechnungen in erheblichem
Umfang an die F-GmbH erteilt worden. Hinsichtlich der
Rechnungsbeträge habe es der Aufklärung bedurft, ob diese
im jeweiligen Rechnungsjahr zugeflossen seien.
Auch der subjektive Tatbestand der
Steuerhinterziehung habe nicht festgestanden. Es sei im Zeitpunkt
des Eingangs der Kontrollmitteilung nicht auszuschließen
gewesen, dass die nicht erklärten Umsätze auf einen
Fehler im Steuerberaterbüro des Klägers
zurückzuführen seien oder dass ein Fehler der F-GmbH
vorgelegen habe. Aus diesem Grund sei es auch folgerichtig gewesen,
dass der Sachbearbeiter des FA den Steuerberater um Aufklärung
gebeten habe. Dies belege, dass der Sachbearbeiter sich noch kein
abschließendes Bild gemacht habe. Vielmehr sei dieser
lediglich von Vorfeldermittlungen nach Nr. 146 Abs. 1 und 2 der
Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer)
- AStBV - (BStBl I 1996, 959) ausgegangen. Bei Vorliegen eines
Anfangsverdachts wäre das FA hingegen verpflichtet gewesen,
umgehend ein Steuerstrafverfahren einzuleiten (Nr. 121 AStBV). Die
Nichtbeachtung dieser Verpflichtung begründe einen
Verstoß gegen § 160 Abs. 1 i.V.m. § 136 der
Strafprozessordnung (StPO) und damit ein Verwertungsverbot.
Das FG habe bei der Frage der Tatentdeckung
auch nicht nach den jeweiligen Steuerarten und Veranlagungszeiten
differenziert.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz, die
Einspruchsentscheidung des FA vom 8.9.2005 und den
Einkommensteuer-, den Umsatzsteuer- und den
Gewerbesteuermessbescheid jeweils für 2000 vom 29.3.2004 sowie
den Einkommensteuer- und den Gewerbesteuermessbescheid für
2001 vom 31.3.2004 und den Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 29.3.2004
aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Das angefochtene Urteil sei nicht zu
beanstanden. Die Tat sei bereits vor Eingang der strafbefreienden
Erklärung entdeckt gewesen. Das FA sei bereits aufgrund der
Kontrollmitteilung in der Lage gewesen, Folgerungen für das
Besteuerungsverfahren zu ziehen. Aufgrund der Differenzen zu den
Steuererklärungen habe schon ohne weitere Ermittlungen
festgestanden, dass Beträge nicht erklärt und somit
hinterzogen seien. Das Schreiben vom 22.10.2003 an den damaligen
Steuerberater des Klägers habe lediglich der Gewährung
rechtlichen Gehörs gedient. Dem Kläger habe eine sog.
„goldene Brücke“ gebaut werden
sollen, sich selbst näher zu seiner Steuerhinterziehung zu
äußern. Auch der subjektive Tatbestand der
Steuerhinterziehung habe festgestanden. Dies werde durch den
handschriftlichen Vermerk des Steuerbüros auf dem Anschreiben
des FA vom 22.10.2003 belegt. In der Rechtsprechung zu § 371
Abs. 2 Nr. 2 AO sei anerkannt, dass eine Tatentdeckung nicht
voraussetze, dass das volle Ausmaß der Steuerverkürzung
bekannt sei.
Der erkennende Senat hat durch Beschluss
vom 23.4.2008 von dem vorliegenden Verfahren den Rechtsstreit wegen
der für das Jahr 1999 ergangenen Änderungsbescheide
gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO abgetrennt.
II. Die zulässige Revision ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
FGO).
1. Der erkennende Senat hat den
Revisionsantrag des Klägers in dem Sinne ausgelegt, dass
dieser die vollständige Aufhebung der für die Streitjahre
ergangenen Änderungsbescheide begehrt. Sein hilfsweise
gestellter Antrag, die in diesen Bescheiden festgesetzten
Steuerbeträge auf die von ihm benannten Beträge
herabzusetzen, ist als bloßes Minus von dem Aufhebungsantrag
mit umfasst. Keine besondere Bedeutung hat auch der hilfsweise
gestellte Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache
an das FG zurückzuverweisen. Denn dies bewirkt lediglich die
Überführung des Rechtsstreits in den zweiten Rechtsgang
und damit noch keine den Rechtsstreit abschließende
Entscheidung.
2. Die Revision ist zulässig.
a) Der Zulässigkeit der Revision steht
nicht entgegen, dass der angerufene Senat (angeblich) zu Unrecht
die Revision gegen das angefochtene Urteil zugelassen hat. Das
Revisionsgericht ist an die von ihm ausgesprochene Zulassung
gebunden (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl.,
§ 116 Rz 71).
b) Der Zulässigkeit steht auch nicht
entgegen, dass der Kläger mit seinem Revisionsantrag
abweichend von seinem beim FG gestellten Antrag, die angefochtenen
Bescheide abzuändern, nunmehr deren Aufhebung beantragt. Zwar
darf ein Revisionsantrag nicht über das Klagebegehren
hinausgehen. Eine Erweiterung des Klageantrags im
Revisionsverfahren ist gemäß § 123 Abs. 1 FGO
unzulässig (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22.5.2006
VI R 61/05, BFH/NV 2007, 45 = SIS 06 48 17). Auch fehlt es insoweit
an der erforderlichen formellen Beschwer (Gräber/Ruban,
a.a.O., § 123 Rz 2). Es ist indessen anerkannt, dass keine
Bindung an den Klageantrag gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2
FGO besteht, wenn der BFH zu dem Ergebnis gelangt, der angefochtene
Bescheid sei (z.B. wegen eingetretener Festsetzungsverjährung)
insgesamt rechtswidrig (Senatsurteil vom 25.4.2006 X R 42/05, BFHE
212, 421, BStBl II 2007, 220 = SIS 06 29 97). Es kann deshalb einem
Revisionskläger nicht verwehrt sein, mit seinem
Revisionsantrag geltend zu machen, ein solcher Ausnahmefall liege
vor. So ist es im Streitfall. Der Kläger macht geltend, die
von ihm abgegebene strafbefreiende Erklärung sei wirksam. Die
Ansprüche auf von ihm hinterzogene Steuern seien erloschen und
hätten daher gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG
nicht festgesetzt werden dürfen (vgl. hierzu Kamps/Wulf, FR
2004, 121, 131). Nach Auffassung des Klägers hätten die
allein wegen der hinterzogenen Steuern ergangenen streitigen
Änderungsbescheide deshalb nicht ergehen dürfen.
3. Die gerügten Verfahrensfehler liegen
entweder nicht vor oder sie sind für das angefochtene Urteil
nicht rechtserheblich.
a) § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO
verpflichtet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis
des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Diese
Vorschrift ist daher dann verletzt, wenn das FG den Inhalt der ihm
vorliegenden Akten nicht vollständig und einwandfrei
berücksichtigt (ständige BFH-Rechtsprechung; vgl. z.B.
Senatsbeschluss vom 24.7.2007 X B 6/07, BFH/NV 2007, 1921 = SIS 07 32 70, m.w.N.).
Der Kläger rügt, das FG habe deshalb
§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO verletzt, weil es davon
ausgegangen sei, in der Kontrollmitteilung vom 7.10.2003 seien
(durchgehend) an den Kläger geleistete Zahlungen genannt
worden, obwohl in der Anlage zu dieser Kontrollmitteilung
Rechnungsbeträge aufgeführt seien. Auch habe das FG
unberücksichtigt gelassen, dass in dieser Kontrollmitteilung
zwar das Kästchen
„Zahlungen“ angekreuzt sei, nicht
aber die Kästchen „erhalten
von“ bzw. „getätigt
an“.
Dieser Verstoß liegt nicht vor. Im
Tatbestand des angefochtenen Urteils (dort S. 3) hat das FG
festgestellt, dass in der genannten Anlage (zu dieser
Kontrollmitteilung) Rechnungsbeträge genannt sind. Auch hat
das FG ausdrücklich ausgeführt, dass als Art der Zahlung
für einen Teil der Beträge (gemeint diejenigen, die in
der Kontrollmitteilung selbst aufgeführt sind), Zahlung
„durch Bank“ ausgewiesen ist.
Diese Feststellung ist ausweislich des Inhalts dieser
Kontrollmitteilung zutreffend. Ohne Belang ist, dass die vom
Kläger bezeichneten Kästchen dort nicht ausgefüllt
sind. Dass es um an den Kläger geleistete Zahlungen und nicht
um Zahlungen geht, die dieser an die F-GmbH erbracht hat, ergibt
sich zweifelsfrei bereits aus der in dieser Kontrollmitteilung
enthaltenen ausdrücklichen Anfrage des FA X, ob diese
Erträge in der Gewinnermittlung des Klägers enthalten
sind.
b) Zutreffend ist hingegen die Rüge des
Klägers, das FG habe unberücksichtigt gelassen, dass der
Kläger seinen Gewinn in den Streitjahren gemäß
§ 4 Abs. 3 EStG ermittelt habe. Sofern das FG übersehen
hat, dass der Kläger ausweislich der dem Senat vorliegenden
Ersatzakte Gewinnermittlung seinen Gewinn in den Streitjahren
gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt hat, beruht das
angefochtene Urteil nicht hierauf. Das Urteil wäre unter
Berücksichtigung der Rechtsauffassung des FG bei
Nichtvorliegen dieses Verfahrensfehlers nicht abweichend
ausgefallen.
Das FG hat den Standpunkt eingenommen, eine
Tatentdeckung i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG
erfordere einen hinreichenden Tatverdacht, der bei vorläufiger
Tatbewertung eine (strafgerichtliche) Verurteilung des Betroffenen
wahrscheinlich mache. Eine Tatentdeckung setze nicht voraus, dass
die Finanzbehörde bereits Kenntnis von den jeweiligen
konkreten Besteuerungsgrundlagen haben müsse (Rüping in
Hübschmann/Hepp/ Spitaler - HHSp -, § 371 AO Rz 183 Fn
93; Beschluss des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 5.4.2000 5 StR
226/99, BFH/NV 2001, Beilage 1, 70 = SIS 01 07 13, unter IV.1.b bb
der Gründe). Hiervon ausgehend hält es das FG für
das Vorliegen einer Tatentdeckung für ausreichend, dass ein
Vergleich der in einer Kontrollmitteilung ausgewiesenen
Umsätze mit den steuerlich erklärten Umsätzen die
unvollständige Erklärung von Umsätzen belegt.
Dies ist auch dann der Fall, wenn man die
Tatsache der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG
berücksichtigt. Das FG hat auf den Inhalt der
Kontrollmitteilung vom 7.10.2003 Bezug genommen und diesen daher
festgestellt (Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 37, m.w.N.
aus der Rechtsprechung). Danach ergeben sich im Dezember
ausgestellte Rechnungsbeträge für 2000 von netto
30.619,77 DM und für 2001 von netto 47.842,24 DM. Geht man
zugunsten des Klägers davon aus, dass alle diese Rechnungen
jeweils erst im Folgejahr beglichen worden sind und lässt man
auch jeweils Zuflüsse aufgrund von in diesen Jahren
beglichenen Rechnungen der Vorjahre außer Acht, dann ergeben
sich zugeflossene Nettoerlöse von 339.722,07 DM (2000) und von
345.998,50 DM (2001). Auch diese Beträge übersteigen die
steuerlich erklärten Umsätze von 292.538 DM (2000) und
von 279.646 DM (2001) nicht unerheblich.
c) Soweit der Kläger geltend macht, das
FG habe § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO deshalb verletzt, weil es in
Bezug auf die streitigen Umsatzsteuerbescheide nicht
aufgeklärt habe, ob der Kläger in diesen Jahren seine
Umsätze nach vereinbarten oder nach vereinnahmten
Beträgen habe versteuern müssen, ist ein solcher
Verstoß nicht rechtserheblich. Selbst wenn man unterstellt,
dass die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten zu erfolgen
hatte, ergibt sich wie vorstehend unter b) dargelegt, ein
hinreichender Verdacht, dass in den Umsatzsteuererklärungen zu
geringe Umsätze angegeben waren.
d) Es kann offenbleiben, ob der Kläger
rechtzeitig und schlüssig gerügt hat, das FG habe dadurch
gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, dass es den
Sachbearbeiter des FA nicht als Zeugen vernommen hat. Ein solcher
Verfahrensfehler liegt jedenfalls nicht vor.
Das FG ist, wenn kein entsprechender
Beweisantrag gestellt wird, nur dann zu einer weiteren
Sachaufklärung verpflichtet, wenn sie sich dem FG
aufdrängen muss. Dies ist regelmäßig nur dann der
Fall, wenn in Bezug auf einen relevanten Geschehensverlauf andere
Erkenntnismöglichkeiten nicht vorhanden oder solche zwar
vorhanden, aber widersprüchlich sind (Senatsbeschluss vom
22.5.2006 X B 190/05, BFH/NV 2006, 1681 = SIS 06 34 36). Daran
fehlt es. Zu der zu klärenden Tatsache, ob der Sachbearbeiter
des FA die Tat als entdeckt angesehen hat, lagen dem FA zwei
Urkunden vor. Sowohl in dem Schreiben an den Steuerberater des
Klägers vom 22.10.2003 als auch im Schreiben an das FA X vom
20.10.2003 hat der Sachbearbeiter zum Ausdruck gebracht, die in der
Kontrollmitteilung ausgewiesenen Umsätze wichen erheblich von
den erklärten Umsätzen ab.
4. Bezogen auf die Streitjahre 2000 und 2001
ist das angefochtene Urteil auch materiell-rechtlich nicht zu
beanstanden. Die durch den Kläger hinsichtlich der
Einkommensteuer, der Gewerbesteuer und der Umsatzsteuer der
Streitjahre jeweils begangenen Steuerhinterziehungen waren bereits
vor Eingang der strafbefreienden Erklärung i.S. des § 7
Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG entdeckt.
a) Das FA war zum Erlass der angefochtenen
Einkommensteuerbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1
AO, der angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide gemäß
§ 35b GewStG und der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide
gemäß § 164 Abs. 2 AO berechtigt, da die in diesen
Bescheiden festgesetzten Steuermehrbeträge nicht
gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG erloschen sind.
Diese Steueransprüche erlöschen dann nicht, wenn nach dem
ersten Abschnitt des StraBEG keine Straf- oder
Bußgeldfreiheit eintritt, weil z.B. - wie im Streitfall - der
Ausschlussgrund des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG
eingreift.
b) In verfahrensrechtlicher Hinsicht setzt der
Erlass von geänderten Bescheiden, die deshalb ergehen, weil
die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG nicht
vorliegen, nicht voraus, dass zuvor die durch die strafbefreiende
Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung (§ 10 Abs. 2
StraBEG) aufgehoben worden ist. Das FG musste daher keine
Feststellungen dazu treffen, ob das FA vor Erlass der streitigen
Änderungsbescheide diese Steuerfestsetzung aufgehoben hat.
Der Kläger hat eine strafbefreiende
Erklärung i.S. des § 1 StraBEG unter Beachtung des §
3 StraBEG abgegeben. Die Erklärung führt nach § 10
Abs. 2 Satz 1 StraBEG zu einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der
Nachprüfung, und zwar selbst dann, wenn der mit der Abgabe
dieser Erklärung beabsichtigte Erfolg des Erlangens von Straf-
und Bußgeldfreiheit und des Erlöschens der in § 8
Abs. 1 Satz 1 StraBEG genannten Steueransprüche nicht
eintritt. § 10 Abs. 2 StraBEG knüpft allein an das
Vorliegen einer strafbefreienden Erklärung an, die in § 1
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StraBEG gesetzlich definiert ist (Rüping
in HHSp, § 1 StraBEG Rz 3 und § 10 StraBEG Rz 4).
Tritt nach dem StraBEG keine Straf- oder
Bußgeldfreiheit ein, ist vorbehaltlich des § 10 Abs. 3
Satz 2 StraBEG die nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG bewirkte
Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern. Nach dem
eindeutigen Wortlaut von § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG greift
diese Bestimmung nicht nur ein bei verspäteter Zahlung dieser
Steuer, sondern auch dann, wenn die Straf- oder
Bußgeldfreiheit wegen § 7 StraBEG ausgeschlossen ist
(Kamps/Wulf, FR 2004, 121; Stahl, Die Steuerberatung 2004, 153;
Kamps in Streck, Berater-Kommentar zur Steueramnestie, § 10 Rz
55; unklar Bundesministerium der Finanzen - BMF -, Merkblatt zur
Anwendung des StraBEG vom 3.2.2004 IV A 4 - S 1928 - 18/04, BStBl I
2004, 225 = SIS 04 05 49, Rz 12.4).
Eine weitergehende Bedeutung hat § 10
Abs. 3 Satz 1 StraBEG nicht. Insbesondere besagt die Regelung
nicht, dass verfahrensrechtlich der ursprüngliche
Steueranspruch so lange in dem durch die strafbefreiende
Erklärung bewirkten Umfang als erloschen gilt, bis ein
Aufhebungsbescheid ergangen ist (so aber Kamps in Streck, a.a.O.,
§ 10 Rz 51; Striegel/Weger, DStR 2004, 534; wie hier Levedag,
FR 2005, 1084; Pfützenreuter, EFG 2007, 332). § 8 Abs. 1
StraBEG macht das Erlöschen der dort genannten
Steueransprüche allein davon abhängig, dass nach dem
ersten Abschnitt des StraBEG Straf- oder Bußgeldfreiheit
eintritt.
Das Erlöschen dieser Ansprüche ist
deshalb bereits kraft Gesetzes davon abhängig, dass der in
§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StraBEG genannte Betrag rechtzeitig
bezahlt wird und auch kein Sperrgrund i.S. von § 7 StraBEG
eingreift. Es bedarf daher, wenn diese Voraussetzungen nicht
erfüllt sind, keines besonderen Verwaltungsakts, um ein
Erlöschen der in § 8 Abs. 1 StraBEG genannten
Steueransprüche zu verhindern.
Von diesem Verständnis geht auch §
10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG aus. Danach ist der Nichteintritt der
Straf- oder Bußgeldfreiheit gesetzliche Voraussetzung
für die Befugnis der Finanzbehörde, die Steuerfestsetzung
i.S. von § 10 Abs. 2 StraBEG aufzuheben oder zu ändern,
nicht aber Regelungsgegenstand.
c) Gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1
Buchst. b StraBEG tritt Straf- oder Bußgeldfreiheit dann
nicht ein, wenn die Tat bereits entdeckt war und der
Erklärende dies wusste oder bei verständiger
Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.
aa) Diese Vorschrift entspricht inhaltlich im
Wesentlichen derjenigen des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO. Die
herrschende Meinung geht deshalb zutreffend davon aus, dass die zu
dieser Vorschrift vorliegenden Erkenntnisse jedenfalls im Grundsatz
auf § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG übertragen werden
können (BMF-Merkblatt in BStBl I 2004, 225 = SIS 04 05 49, Tz.
9.1; Rüping in HHSp, § 7 StraBEG Rz 8 ff.; Stahl,
Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, 2. Aufl., Rz 678;
Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, §
7 StraBEG Rz 1; ebenso BFH-Urteil vom 19.6.2007 VIII R 99/04, BFHE
218, 1, BStBl II 2008, 7 = SIS 08 00 23, unter II.2.a und
Senatsurteil vom 12.12.2007 X R 31/06, BFHE 219, 498, BStBl II
2008, 344 = SIS 08 12 24, unter II.2.a aa zu § 7 Satz 1 Nr. 1
Buchst. a StraBEG).
Zu § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ist anerkannt,
dass eine Tatentdeckung dann gegeben ist, wenn der
Finanzbehörde tatsächliche Erkenntnisse in einem solchen
Ausmaß vorliegen, dass bei vorläufiger Tatbewertung die
objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer
Steuerhinterziehung angenommen werden können und deshalb eine
strafrechtliche Verurteilung des Betroffenen wahrscheinlich ist
(ständige BGH-Rechtsprechung; BGH-Urteil vom 27.4.1988 3 StR
55/88, HFR 1989, 319 = SIS 88 21 57; BGH-Beschlüsse vom
6.6.1990 3 StR 183/90, HFR 1991, 367, und vom 30.3.1993 5 StR
77/93, HFR 1994, 165 = SIS 93 20 87, sowie in BFH/NV 2001, Beilage
1, 70 = SIS 01 07 13). Nach dem zuletzt genannten Beschluss ist es
aber nicht erforderlich, dass der Finanzbehörde bereits die
genauen Besteuerungsgrundlagen bekannt sind.
bb) Allerdings weicht der Wortlaut des §
7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG von demjenigen des § 371 Abs.
2 Nr. 2 AO insoweit ab, als nach der zuletzt genannten Vorschrift
eine Selbstanzeige dann keine Straffreiheit bewirkt, wenn die Tat
zuvor bereits ganz oder zum Teil entdeckt war. Demgegenüber
liegt der Ausschlussgrund des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b
StraBEG (nur) vor, wenn die Tat bereits entdeckt war. Welche
Folgerungen hieraus für den Ausschlussgrund des Nr. 1 Buchst.
b zu ziehen sind, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird
lediglich pauschal auf § 371 Abs. 2 AO verwiesen (Seer in
Tipke/Kruse, a.a.O., § 7 StraBEG Rz 1). Andererseits wird
angenommen, an die Wahrnehmung der Tat seien im Vergleich zu §
371 Abs. 2 Nr. 2 AO höhere Anforderungen zu stellen
(Rüping in HHSp, § 7 StraBEG Rz 10). Schließlich
wird vertreten, im Rahmen von Nr. 1 Buchst. b sei die entdeckte Tat
nicht die abgegebene unrichtige Steuererklärung, sondern der
Lebenssachverhalt (i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 2 StraBEG, so
Stahl, a.a.O., Rz 686; im Ergebnis ebenso Wulf in Streck,
Berater-Kommentar zur Steueramnestie, § 7 Rz 20).
Nach Ansicht des erkennenden Senats ist §
7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG normspezifisch so auszulegen, dass
sich die entdeckte Tat im Sinne dieser Vorschrift nach den
Verdachtsmomenten bestimmt, welche hinreichend sind, um von der
Wahrscheinlichkeit einer (strafgerichtlichen) Verurteilung
auszugehen. Im Unterschied zu § 371 Abs. 2 AO umfasst der
Begriff der Tat i.S. des § 1 StraBEG deshalb nicht alle in
einer unzutreffenden Steuererklärung enthaltenen untrennbaren
Besteuerungsgrundlagen (zu Letzterem vgl. z.B. Rüping in HHSp,
§ 371 AO Rz 169). Diese Auslegung folgt aus dem Sinn der
Regelung des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG. Mit dem
StraBEG verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, „eine
Brücke in die Steuerehrlichkeit
einzuführen“ (BFH-Beschluss vom
2.6.2005 IX B 59/05, BFH/NV 2005, 1498 = SIS 05 36 71). Dieser
Zweck ist insoweit nicht zu erreichen, als für den Betroffenen
bereits vor Abgabe der strafbefreienden Erklärung erkennbar
ist, dass die Finanzbehörde auch ohne sein Zutun in der Lage
sein wird, die steuerliche Verfehlung zu ahnden. In einem solchen
Fall würde die Anerkennung der steuerlichen Abgeltungswirkung
gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG nicht auf einem Akt
tätiger Reue und damit freiwillig, sondern auf einem
bloßen Mitnahmeeffekt beruhen, den der Gesetzgeber durch die
Ausschlussgründe des § 7 StraBEG verhindern will (Sell,
DStR 2003, 1185).
Ausgehend hiervon ist es geboten, den
Tatbegriff i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG an dem
zur Tatentdeckung führenden Verdachtsmoment auszurichten,
wobei die Tatentdeckung gemäß Halbsatz 2 dieser
Vorschrift dem Betroffenen bekannt sein muss oder er bei
verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.
Diese Betrachtungsweise, die sich an den für den Betroffenen
erkennbaren Umständen ausrichtet, lässt ihm die
Möglichkeit, nicht von dem Verdachtsmoment erfasste andere
unzutreffende Besteuerungsgrundlagen (z.B. hinreichender Verdacht
zu gering erklärter Betriebseinnahmen, kein Verdacht der
Nichtangabe von Einnahmen aus Kapitalvermögen) wirksam in
einer strafbefreienden Erklärung aufzudecken. Denn insoweit
handelt der Betroffene typisierend betrachtet weiterhin freiwillig.
Von einem solchen Verständnis ist der angerufene Senat auch in
seinem Urteil in BFHE 219, 498, BStBl II 2008, 344 = SIS 08 12 24
ausgegangen. Für eine solche Auslegung spricht der Umstand,
dass auch § 3 Abs. 1 Satz 3 StraBEG nicht die Angabe aller in
der jeweiligen Steuererklärung unrichtig angegebenen
Besteuerungsgrundlagen, sondern neben der Angabe der hinterzogenen
Steuern die Darlegung des Lebenssachverhalts verlangt. Dieser ist
durch Bezeichnung der Einnahmequelle und/oder der Art der
Tätigkeit zu konkretisieren (BMF-Merkblatt in BStBl I 2004,
225 = SIS 04 05 49, Tz. 5.4).
cc) In subjektiver Hinsicht setzt die
Tatentdeckung voraus, dass die der Finanzbehörde bekannten
Erkenntnisse den für die strafgerichtliche Verurteilung
erforderlichen Hinterziehungsvorsatz (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1
Halbsatz 2 StraBEG i.V.m. §§ 370, 370a AO) hinreichend
wahrscheinlich machen. Notwendig ist daher, dass der Betroffene die
zur Erfüllung des Tatbestands der Steuerhinterziehung
erforderlichen Umstände kennt, deren Sinngehalt im Wege einer
Parallelwertung in der Laiensphäre zutreffend erfasst und den
Willen zur Steuerhinterziehung hat (vgl. Hellmann in HHSp, §
370 Rz 216 f., m.w.N.).
dd) In Anwendung der vorgenannten
Grundsätze hat das FG zu Recht angenommen, die jeweilige
Steuerhinterziehung der Einkommensteuer 2000 und 2001, der
Gewerbesteuer 2000 und 2001 sowie der Umsatzsteuer 2000 und 2001
sei in dem Zeitpunkt i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b
StraBEG entdeckt gewesen, als der Sachbearbeiter des FA die in der
Kontrollmitteilung vom 7.10.2003 für das jeweilige Jahr
ausgewiesene Summe der Rechnungsbeträge mit den Angaben in den
Steuererklärungen verglichen und festgestellt hat, dass die in
der Kontrollmitteilung genannten Beträge die erklärten
Betriebseinnahmen in nicht unerheblichem Umfang überstiegen.
Hierdurch ergab sich der hinreichende Tatverdacht, dass die
vorstehend genannten Steuern in objektiver Hinsicht hinterzogen
waren.
Gegenteiliges kann nicht daraus abgeleitet
werden, dass der Kläger seinen Gewinn in diesen Jahren jeweils
gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelte. Auch wenn sich
deshalb Abweichungen zwischen den in der Kontrollmitteilung
ausgewiesenen Rechnungsbeträgen und den (nach dem
Zuflussprinzip) anzusetzenden Betriebseinnahmen ergeben, war unter
Zugrundelegung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs - wie oben
bei II.3.b c dargelegt - davon auszugehen, dass Betriebseinnahmen
bzw. Umsätze in den Steuererklärungen in erheblichem
Umfang in zu geringer Höhe steuerlich erklärt worden
sind. Die vom Kläger für denkbar gehaltene Konstellation,
die Abweichung von den steuerlich erklärten Einnahmen
könne darauf beruhen, dass Rechnungsbeträge in
erheblichem Umfang (z.B. wegen eines Zurückbehaltungsrechts)
nicht beglichen worden seien, ist rein spekulativer Natur. Hinweise
hierauf finden sich in der Kontrollmitteilung nicht. Gegen eine
solche Annahme spricht insbesondere der Umstand, dass der
Kläger ausweislich der in der Kontrollmitteilung genannten
zahlreichen Rechnungen zu der F-GmbH in einer Dauerrechtsbeziehung
stand. Zwar ist es auch in einem solchen Fall nicht ausgeschlossen,
dass es zu größeren Zahlungsrückständen kommt.
Hierbei handelt es sich indessen um Ausnahmefälle. Die
Annahme, dass dem Kläger in erheblichem Umfang
Rechnungsbeträge in den Streitjahren nicht zugeflossen sind,
ist daher nicht wahrscheinlich.
Nichts anderes gilt hinsichtlich der Annahme,
es könnte sich bei den in der Kontrollmitteilung vom 7.10.2003
genannten Rechnungen um vorgetäuschte Betriebsausgaben der
F-GmbH handeln. Denn aus der Kontrollmitteilung ist jedenfalls
hinsichtlich einzelner Rechnungen zu entnehmen, dass diese per Bank
tatsächlich auch beglichen worden sind.
Die Feststellung, wonach Betriebseinnahmen in
den Steuererklärungen der Streitjahre 2000 und 2001 nicht in
vollem Umfang steuerlich erklärt worden sind, bewirkt sowohl
für die Einkommensteuer, die Gewerbesteuer und die
Umsatzsteuer der jeweiligen Streitjahre (zum Vorliegen von
Einzeltaten vgl. BGH-Beschluss vom 20.6.1994 5 StR 595/93, BStBl II
1994, 673 = SIS 94 20 82) eine Tatentdeckung i.S. des § 7 Satz
1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG. Die steuerlich anzusetzenden
Betriebseinnahmen bestimmen maßgeblich die Höhe des im
Rahmen der jeweiligen Einkommensteuererklärung anzugebenden
Gewinns aus Gewerbebetrieb. Dieser Gewinn wiederum bildet die
Grundlage für die Ermittlung des Gewerbeertrags und damit
für die Ermittlung der Gewerbesteuer. Die im Rahmen des §
4 Abs. 3 EStG anzusetzenden Betriebseinnahmen sind zudem identisch
mit denen, die in der Umsatzsteuererklärung anzugeben sind,
wenn die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG)
erfolgt. Erfolgt die Besteuerung hingegen nach vereinbarten
Entgelten (§ 16 Abs. 1 UStG), ist erst recht von einer
Tatentdeckung auszugehen, weil dann die bei der Umsatzsteuer
erklärten Umsätze unmittelbar mit den in der
Kontrollmitteilung vom 7.10.2003 für die Streitjahre 2000 und
2001 genannten Bruttorechnungsbeträgen verglichen werden
können.
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass
im Streitfall in dem vorstehend genannten Zeitpunkt ein
hinreichender Tatverdacht auch hinsichtlich der subjektiven
Voraussetzungen der jeweiligen Steuerhinterziehung gegeben war.
Zwar fehlt es an der subjektiven Voraussetzung der Tatentdeckung,
wenn objektiv hinreichende Anhaltspunkte für eine Verurteilung
wegen Steuerhinterziehung vorlagen, die Finanzbehörde diese
aber nicht erkannt hat. Hierfür kann im Einzelfall die
Tatsache sprechen, dass diese Behörde den Steuerpflichtigen um
Aufklärung des Sachverhalts bittet, ohne ihn gemäß
§ 393 Abs. 1 AO zu belehren (Hoyer in Beermann/Gosch, AO
§ 371 Rz 46; vgl. auch BGH-Urteil in BFH/NV 2001, Beilage 1,
70, unter II.1.c zur Bedeutung des Verfolgungswillens). Dieses
Indiz ist aber dann widerlegt, wenn sich aus einem solchen
behördlichen Schreiben mit der erforderlichen Klarheit ergibt,
dass die Finanzbehörde erkannt hat, dass objektiv hinreichende
Umstände für eine strafgerichtliche Verurteilung
vorliegen und Umstände nicht erkennbar sind, aus denen die
Behörde auf das Fehlen der subjektiven Voraussetzungen
hätte schließen können.
So ist es im Streitfall. Zwar hat das FA in
seinem Schreiben an den Steuerberater des Klägers vom
22.10.2003 den Kläger nicht über seine Rechte als
Beschuldigter (§ 393 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 136 Abs. 1
und § 163a StPO) belehrt. Es hat aber in dem Scheiben
unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die in einer
Kontrollmitteilung genannten Umsätze der Streitjahre jeweils
erheblich von den erklärten Umsätzen abweichen. Hinzu
kommt, dass auch im Schreiben des FA an das FA X vom 20.10.2003 von
einer erheblichen Abweichung die Rede ist. Das FA hatte mithin
erkannt, dass ein hinreichender Tatverdacht bestand, dass der
Kläger in seinen Steuererklärungen die Betriebseinnahmen
nicht in vollständigem Umfang angegeben hat. Die Annahme, die
unvollständige Erklärung der jeweiligen Betriebseinnahmen
könne auf einem Versehen des Steuerberaters oder einer diesem
Berater zuarbeitenden Bürokraft beruhen, lässt die eigene
Verantwortlichkeit für die von ihm unterschriebenen und von
ihm eingereichten Steuererklärungen nicht entfallen. Zudem
besteht jedenfalls dann ein hinreichender Tatverdacht, wenn
Anhaltspunkte für ein solches Versehen konkret nicht
erkennbar, sondern lediglich theoretisch denkbar sind.
ee) Der Kläger musste bei
verständiger Würdigung der Sachlage auch mit der
Tatentdeckung rechnen.
§ 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG setzt
neben der Tatentdeckung voraus, dass der Erklärende von der
Tatentdeckung positive Kenntnis hat oder bei verständiger
Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Letzteres ist
dann anzunehmen, wenn der Erklärende die Umstände, die
für eine Tatentdeckung sprechen, positiv gekannt hat,
gleichwohl hieraus aber nicht den Schluss gezogen hat, die Tat sei
entdeckt (Rüping in HHSp, zur insoweit wortgleichen Vorschrift
des § 371 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 AO Rz 193).
Im Streitfall kann der erkennende Senat
offenlassen, ob sich die positive Kenntnis des Klägers von der
Tatentdeckung aus dem handschriftlichen Vermerk ergibt, der auf der
Kopie des Schreibens des FA vom 22.10.2003 angebracht ist. Der
Senat muss deshalb auch nicht prüfen, ob dieser Vermerk
verwertbar ist. Denn der Kläger musste bei verständiger
Würdigung der Sachlage jedenfalls damit rechnen, dass die Tat
entdeckt war.
Das FG hat festgestellt, dass das FA den durch
seinen Steuerberater vertretenen Kläger mit Schreiben vom
22.10.2003 unter Auflistung der sich daraus für die einzelnen
Jahre ergebenden Umsätze auf den Inhalt der Kontrollmitteilung
vom 7.10.2003 und auf die erhebliche Abweichung von den
erklärten Umsätzen hingewiesen hat. Damit war dem
Kläger bekannt, dass das FA davon Kenntnis hatte, dass er in
seinen Steuererklärungen Umsätze erklärt hatte, die
erheblich unter denen lagen, die in dem dem FA vorliegenden
Kontrollmaterial ausgewiesen waren. Bei diesem Kenntnisstand des FA
musste er von einer Tatentdeckung ausgehen. Bei einer solchen
Sachlage kommt der vom FA in dem Schreiben geäußerten
Bitte um Aufklärung keine entscheidungserhebliche Bedeutung
zu. Ein etwaiger Irrtum des Klägers, das FA habe die Tat nicht
entdeckt, weil der Sachverhalt noch aufzuklären sei, ist
unbeachtlich.
5. Die angefochtenen Steuerbescheide 2000 und
2001 sind auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Dass die bei der
Berechnung des Gewinns und bei der Umsatzsteuer anzusetzenden
Einnahmen in zutreffender Höhe angesetzt sind, steht nicht im
Streit.
Zutreffend hat das FA auch entschieden, dass
keine zusätzlichen Betriebsausgaben anzuerkennen sind.
Betriebsausgaben sind betrieblich veranlasste Aufwendungen. Sie
sind zu berücksichtigen, wenn feststeht, dass und in welcher
Höhe solche Aufwendungen angefallen sind. Im Wege der
Schätzung sind (zusätzliche) Betriebsausgaben dann
anzuerkennen, wenn feststeht, dass dem Grunde nach solche
Aufwendungen angefallen sind, aber deren Höhe nicht bekannt
ist (BFH-Urteil vom 24.6.1997 VIII R 9/96, BFHE 183, 358, BStBl II
1998, 51 = SIS 98 03 32). Das FG hat festgestellt, dass der
Kläger im Rahmen seiner jeweiligen Gewinnermittlung
Betriebsausgaben in erheblichem Umfang berücksichtigt hat. Es
ist nicht zu beanstanden, dass das FG hieraus den Schluss gezogen
hat, es stehe nicht fest, dass dem Grunde nach weitere
Betriebsausgaben angefallen sind.