Ausländischer Erbe, ErbSt-Haftung inländischer Bank: 1. Die Haftung eines inländischen Kreditinstituts für die Erbschaftsteuer eines nicht im Geltungsbereich des ErbStG wohnhaften Erben gemäß § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG erstreckt sich bis zur Höhe des ausgezahlten Betrags auf die Erbschaftsteuer für den gesamten dem Erben angefallenen Erwerb von Todes wegen einschließlich eines Erwerbs aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall. - 2. Soweit die Haftung des Kreditinstituts gemäß § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG auch dann eingreift, wenn der nicht im Geltungsbereich des ErbStG wohnhafte Berechtigte nicht Erbe ist, sondern Vermögen ausschließlich aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall erworben hat, ist das für die Haftung erforderliche Verschulden nur anzunehmen, wenn das Kreditinstitut dem Berechtigten das Vermögen nach Veröffentlichung des Urteils vom 12.3.2009 II R 51/07 zur Verfügung stellt. - Urt.; BFH 12.3.2009, II R 51/07; SIS 09 21 88
I. Der im März 2001 verstorbene
Erblasser unterhielt bei der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), einem inländischen
Kreditinstitut, ein Spar- und ein Girokonto, die beim Eintritt des
Erbfalls Guthaben in Höhe von jeweils rd. 100.000 DM
aufwiesen. Während das Girokonto in den Nachlass fiel, erhielt
die in den USA wohnende Alleinerbin das Sparkonto sowie ein Konto
des Erblassers bei einem anderen inländischen Kreditinstitut
mit einem Guthaben von rd. 18.000 DM aufgrund von Verträgen
zugunsten Dritter auf den Todesfall, die der Erblasser mit dem
jeweiligen Kreditinstitut geschlossen hatte. Ein weiterer Erwerb
von Todes wegen wurde nicht festgestellt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) berücksichtigte bei der Ermittlung des
Nachlasswerts die Guthaben auf den drei Konten als Erwerb von Todes
wegen und setzte die Erbschaftsteuer gegen die Erbin auf 22.319,94
EUR (43.654 DM) fest. Die Erbin bezahlte die Erbschaftsteuer nicht.
Ein Pfändungsversuch des FA bei der Klägerin blieb
erfolglos, weil diese die Guthaben auf den bei ihr geführten
Konten an die Erbin ausgezahlt bzw. überwiesen hatte.
Das FA erließ daraufhin gegen die
Klägerin den Haftungsbescheid vom 29.7.2004 über die
gegen die Erbin festgesetzte Erbschaftsteuer. Der Einspruch blieb
erfolglos. Das FA vertrat in der Einspruchsentscheidung die
Auffassung, die Haftung der Klägerin ergebe sich
gemäß § 20 Abs. 6 Satz 2 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) aus der Auszahlung des Guthabens
auf dem Girokonto. Die Auskehrung des Guthabens auf dem Sparkonto
hätte hingegen die Haftung der Klägerin nicht
begründet, da es sich dabei nicht um Nachlassvermögen
gehandelt habe. Dies wirke sich aber auf den Haftungsbescheid nicht
aus, da das Guthaben auf dem Girokonto für die Begleichung der
Erbschaftsteuerschuld der Erbin ausgereicht habe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch
das in EFG 2008, 475 = SIS 08 09 01 veröffentlichte Urteil mit
der Begründung ab, die Klägerin habe schuldhaft
gehandelt, weil sie das Guthaben auf dem Girokonto der Erbin
ausgezahlt habe, ohne zuvor beim FA eine
Unbedenklichkeitsbescheinigung einzuholen, obwohl sie gewusst habe,
dass die Erbin in den USA wohne. Die Haftung erstrecke sich auf die
Steuer auf den gesamten Erwerb von Todes wegen, weil das Guthaben
auf dem Girokonto zur Begleichung dieser Steuerschuld ausgereicht
habe. Die Klägerin sei die einzige Haftungsschuldnerin
gewesen. Das bei dem anderen Kreditinstitut unterhaltene Konto sei
nicht in den Nachlass gefallen und daher auch nicht als
Haftungsmasse in Betracht gekommen.
Mit der Revision rügt die
Klägerin Verletzung des § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG. Der
Tatbestand dieser Vorschrift sei nicht erfüllt, weil sie nicht
der Erbin in ihrem Gewahrsam befindliches Vermögen des
Erblassers zur Verfügung gestellt, sondern lediglich eine
Forderung erfüllt habe. Jedenfalls müsse sich ihre
Haftung aber auf die Erbschaftsteuer beschränken, die auf das
Guthaben auf dem Girokonto entfalle.
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und
den angefochtenen Haftungsbescheid
dahingehend zu ändern, dass die Haftung auf die
Erbschaftsteuer beschränkt wird, die auf das Guthaben auf dem
Girokonto entfällt.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht angenommen,
dass die Klägerin aufgrund der Auszahlung des Guthabens auf
dem Girokonto für die Erbschaftsteuer auf den gesamten Erwerb
von Todes wegen hafte.
1. Gemäß § 20 Abs. 6 Satz 2
ErbStG haften Personen, in deren Gewahrsam sich Vermögen des
Erblassers befindet, für die Erbschaftsteuer, soweit sie das
Vermögen vorsätzlich oder fahrlässig vor Entrichtung
oder Sicherstellung der Steuer außerhalb des Geltungsbereichs
des ErbStG wohnhaften Berechtigten zur Verfügung stellen. Die
Vorschrift soll verhindern, dass ein - da sich
Nachlassvermögen im Inland befindet - zunächst
realisierbarer Steueranspruch vereitelt wird. Zu diesem Zweck mutet
das Gesetz dem (inländischen) Gewahrsamsinhaber eine Art
Garantenstellung zu, die bei vorsätzlicher oder
fahrlässiger Verletzung zur Haftungsfolge führt. Zur
Vermeidung der Haftungsfolge ist der Gewahrsamsinhaber daher
gehalten, vor einer Aushändigung der
Vermögensgegenstände an den Erben zu prüfen, ob die
Voraussetzungen des § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG vorliegen, und
ggf. die Herausgabe an diesen zu verweigern (Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.8.1993 II R 14/90, BFHE 172, 209,
BStBl II 1994, 116 = SIS 94 01 07, und vom 18.7.2007 II R 18/06,
BFHE 217, 265, BStBl II 2007, 788 = SIS 07 31 13).
Die Haftungsvorschrift des § 20 Abs. 6
Satz 2 ErbStG greift auch dann ein, wenn ein Kreditinstitut
Guthaben auf einem bei ihm bestehenden Konto des Erblassers einem
nicht im Geltungsbereich des ErbStG wohnhaften Berechtigten zur
Verfügung stellt (BFH-Urteil in BFHE 217, 265, BStBl II 2007,
788 = SIS 07 31 13). Das Kreditinstitut verwahrt in einem solchen
Fall den Gegenwert des Guthabens (BFH-Urteil vom 12.8.1964 II
125/62 U, BFHE 80, 481, BStBl III 1964, 647 = SIS 64 03 71).
Fahrlässig handelt der Gewahrsamsinhaber,
wenn er dabei die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer
Acht lässt (§ 276 Abs. 2 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs analog; BFH-Urteil in BFHE 217, 265, BStBl II 2007, 788
= SIS 07 31 13).
Sind die Voraussetzungen für die Haftung
eines Kreditinstituts nach § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG
erfüllt, weil es das Guthaben auf einem in den Nachlass
gefallenen Konto des Erblassers zumindest fahrlässig dem nicht
im Geltungsbereich des ErbStG wohnenden Erben zur Verfügung
gestellt hat, beschränkt sich die Haftung nicht auf die
Steuer, die auf das Guthaben oder den Nachlass entfällt.
Vielmehr haftet die Bank bis zur Höhe des ausgezahlten Betrags
für die Steuer auf den gesamten an den Erben gefallenen Erwerb
von Todes wegen einschließlich der Vermögensvorteile,
die der Erbe aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags
bei dessen Tod unmittelbar erworben hat und die gemäß
§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG als Erwerb von Todes wegen gelten
(Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 20 Rz 67). Nach
dem Wortlaut des § 20 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Satz 1 ErbStG
haftet der Gewahrsamsinhaber „für die
Steuer“, ohne dass das Gesetz insoweit eine
Beschränkung auf bestimmte Erwerbsgründe vorsieht. Eine
derartige umfassende Haftung entspricht dem Sinn und Zweck der
Vorschrift, die eine Vereitelung des zunächst durchsetzbaren
Steueranspruchs vermeiden soll. Demgemäß ist in der
Vorschrift auch vom „Vermögen des
Erblassers“ und nicht etwa vom Nachlassvermögen die
Rede. Keine Rolle spielt dabei, dass Verträge zugunsten
Dritter auf den Todesfall zivilrechtlich nicht dem Erbrecht,
sondern dem Schuldrecht zugeordnet werden (Urteile des
Bundesgerichtshofs - BGH - vom 26.11.2003 IV ZR 438/02, BGHZ 157,
79; zur Zuwendung eines Anspruchs auf eine Versicherungsleistung
vom 21.5.2008 IV ZR 238/06, NJW 2008, 2702). Entscheidend ist
vielmehr die erbschaftsteuerrechtliche Beurteilung.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem
von der Klägerin angeführten Urteil des Reichsfinanzhofs
(RFH) vom 5.10.1928 V e A 623/28 (RFHE 24, 135). Denn diese
Entscheidung betraf ausschließlich die Haftung des Nachlasses
für die Steuer der am Erbfall Beteiligten nach § 20 Abs.
3 ErbStG (früher: § 15 Abs. 3). Soweit der RFH die
Haftung des Erben für die Steuerschuld dessen, der aufgrund
eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags unter Lebenden mit dem
Tode des Erblassers unmittelbar von einem Dritten einen
Vermögensvorteil erworben hat, ausschließt, kann daraus
für die Haftung der Gewahrsamsinhaber nach § 20 Abs. 6
Satz 2 ErbStG kein Rückschluss gezogen werden. Denn die
einzelnen Haftungstatbestände unterscheiden sich in ihren
Voraussetzungen. Während die Haftung des Gewahrsamsinhabers
die gesamte durch Erwerbe von Todes wegen i.S. des § 3 ErbStG
ausgelöste Steuer umfasst, haftet der Nachlass (der Erbe) nur
beschränkt für die Steuer der am Erbfall Beteiligten.
2. Die Klägerin haftet
demgemäß für die Erbschaftsteuer auf den der Erbin
insgesamt zugefallenen Erwerb von Todes wegen.
a) Die Klägerin hat der Erbin das
Guthaben auf dem Girokonto zur Verfügung gestellt, ohne zuvor
zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 20 Abs. 6 Satz 2
ErbStG erfüllt sind, insbesondere ohne eine
Unbedenklichkeitsbescheinigung des FA eingeholt zu haben, und
dadurch schuldhaft gehandelt. Das an die Erbin ausgezahlte Guthaben
auf dem Girokonto hätte ausgereicht, um die Erbschaftsteuer zu
begleichen.
b) Ermessensfehler i.S. des § 102 Satz 1
FGO fallen dem FA nicht zur Last.
aa) Die Inanspruchnahme der Klägerin
durch Haftungsbescheid (§ 191 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung
- AO - ) lag im Ermessen des FA (§ 5 AO). Sie war nicht
ermessensfehlerhaft. Da die Erbin die Erbschaftsteuer nicht
entrichtet hatte und im Ausland wohnhaft war, hat das FA die
gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten und von
seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung
entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217,
265, BStBl II 2007, 788 = SIS 07 31 13).
bb) Eine Auswahlentscheidung zwischen mehreren
möglichen Haftungsschuldnern war nicht zu treffen. Das
Kreditinstitut, bei dem der Erblasser ein weiteres Konto
unterhalten hatte, konnte nicht in Haftung genommen werden, auch
wenn es das Guthaben auf dem Konto der Erbin zur Verfügung
gestellt hatte.
aaa) Dies ergibt sich allerdings nicht allein
daraus, dass der Erblasser über dieses Konto durch einen
Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall verfügt hatte. Der
Haftungstatbestand des § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG kann auch
dann erfüllt sein, wenn der Erblasser über das einzige
bei einem Kreditinstitut unterhaltene Konto durch einen solchen
Vertrag verfügt hat und das Kreditinstitut das Kontoguthaben
dem nicht im Geltungsbereich des ErbStG wohnhaften Berechtigten zur
Verfügung stellt, obwohl die gegen diesen festzusetzende
Steuer noch nicht entrichtet oder sichergestellt ist. Dies ergibt
sich vielmehr aus dem Sinn und Zweck der Haftungsnorm, durch die
auch im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in
umfassender Weise erreicht werden soll, dass der Steueranspruch,
dessen zunächst aufgrund des im Inland vorhandenen
Vermögens mögliche Durchsetzung durch die in § 20
Abs. 6 Satz 2 ErbStG genannten Maßnahmen vereitelt oder sehr
erschwert wurde, durch die Inanspruchnahme des Gewahrsamsinhabers
als Haftungsschuldner realisiert werden kann (BFH-Urteil in BFHE
80, 481, BStBl III 1964, 647 = SIS 64 03 71). Dieses Ziel besteht
unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage der der
Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb beruht.
Diesem Verständnis steht der Wortlaut der
Vorschrift nicht entgegen. Danach ist der Anwendungsbereich der
Regelung nicht auf Gewahrsam am Nachlass beschränkt, sondern
bezieht sich auf Gewahrsam am Vermögen des Erblassers. Da ein
Verstorbener kein Vermögen haben kann, ist unter Vermögen
des Erblassers das Vermögen zu verstehen, das ihm bei seinem
Tod gehörte (vgl. die Formulierung in § 33 Abs. 1 Satz 1
ErbStG). Das Tatbestandsmerkmal „Vermögen des
Erblassers“ dient der Abgrenzung zu Schenkungen unter
Lebenden, die der Schenkungsteuer unterliegen (§ 1 Abs. 1 Nr.
2, § 7 ErbStG) und bei denen die Haftungsvorschrift des §
20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG nicht eingreift.
bbb) Eine Haftung des anderen Kreditinstituts
scheidet im Streitfall jedoch aus, weil ihm kein Verschulden zur
Last fällt. Die Frage, ob auch die Auszahlung eines Guthabens
auf einem Konto, das aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter auf
den Todesfall nicht in den Nachlass gefallen ist, die Haftung nach
§ 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG begründen kann, war bisher
nicht geklärt und wurde vom FA verneint. Auch das FG war der
Ansicht, dass das bei dem anderen Kreditinstitut unterhaltene Konto
aufgrund der vom Erblasser vorgenommenen Verfügung durch
Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall nicht als Haftungsmasse
in Betracht komme.