Ausfuhrerstattung, Rückforderung, Verjährung des Zinsanspruchs, Unterbrechung: Wird wegen einer begangenen Unregelmäßigkeit zu Unrecht gewährte Ausfuhrerstattung zurückgefordert, unterliegt der damit zusammenhängende Zinsanspruch der vierjährigen Verjährungsfrist gemäß Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95. Durch den Erlass des Rückforderungsbescheids wird die Verjährungsfrist unterbrochen. - Urt.; BFH 17.3.2009, VII R 3/08 ; SIS 09 25 89
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) führte 1993 mit
mehreren Ausfuhrsendungen lebende Rinder unter Inanspruchnahme von
Ausfuhrerstattung aus. Mit Rückforderungsbescheid vom Mai 1995
forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA
- ) die gewährten Erstattungen teilweise zurück; der
Bescheid ist bestandskräftig, weil die Klägerin die
hiergegen erhobene Klage zurückgenommen hat.
Mit Bescheid vom 16.9.1998 setzte das HZA
Zinsen auf den zurückgeforderten Betrag gemäß
§ 14 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen
Marktorganisationen (MOG) fest. Die hiergegen nach erfolglosem
Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom Januar 2003)
erhobene Klage, mit der die Klägerin die Verjährung der
Zinsforderung geltend machte, wies das Finanzgericht (FG) ab. Das
FG urteilte, dass Ansprüche auf Erstattung besonderer
Vergünstigungen vom Zeitpunkt des Empfangs an zu verzinsen
seien. Die Verjährung der Zinsforderung richte sich mangels
spezieller Verjährungsvorschriften nach § 197 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 31.12.2001 geltenden
Fassung (BGB a.F.) und betrage somit vier Jahre. Die
Verjährung beginne gemäß § 201 i.V.m. §
198 BGB a.F. mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch
entstanden sei. Im Streitfall sei der Rückzahlungsanspruch des
HZA erst mit dem Erlass des Rückforderungsbescheids
entstanden, weshalb die vierjährige Verjährungsfrist im
Zeitpunkt der Zinsanforderung vom 16.9.1998 noch nicht abgelaufen
gewesen sei.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin
geltend, dass die Zinsen ab dem Zeitpunkt der Auszahlung der
Ausfuhrerstattung berechnet worden seien, weshalb folgerichtig
davon ausgegangen werden müsse, dass auch bereits von diesem
Zeitpunkt ab ein Zinsanspruch entstanden sei, und zwar
unabhängig vom Erlass des Rückforderungsbescheids, mit
dem lediglich ein Titel über den Rückzahlungsanspruch
geschaffen werde.
Das HZA schließt sich im Wesentlichen
der Rechtsauffassung des FG an.
II. Die Revision ist zurückzuweisen. Die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ergeben zwar
eine Verletzung des bestehenden Rechts, jedoch stellt sich die
Entscheidung im Ergebnis als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Die angefochtene Zinsanforderung vom 16.9.1998
ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Nach
§ 14 Abs. 1 Satz 1 MOG (in der im Zeitpunkt der
Zinsanforderung gültigen Fassung) sind Ansprüche auf
Erstattung besonderer Vergünstigungen - zu denen nach § 6
Abs. 1 Nr. 1 MOG Ausfuhrerstattungen gehören - vom Zeitpunkt
des Empfangs an mit 3 % über dem jeweiligen Diskontsatz der
Deutschen Bundesbank zu verzinsen. Im Streitfall sind die
Voraussetzungen für eine Verzinsung nach dieser Vorschrift
erfüllt, weil die Klägerin die ihr 1993/1994
gewährten besonderen Vergünstigungen nach dem
Rückforderungsbescheid vom Mai 1995 teilweise zu erstatten
hat. Dass die mit der Zinsanforderung vom 16.9.1998 auf den
Rückzahlungsbetrag festgesetzten Zinsen falsch berechnet
worden sind, macht die Revision nicht geltend. Sie vertritt
lediglich die Ansicht, dass die Zinsforderung verjährt sei.
Dies ist jedoch nicht der Fall.
Anders als das FG meint, sind auf den
Streitfall nicht die Verjährungsvorschriften des BGB a.F.,
sondern es ist Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EG,
Euratom) Nr. 2988/95 (VO Nr. 2988/95) des Rates vom 18.12.1995
über den Schutz der finanziellen Interessen der
Europäischen Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften Nr. L 312/1) anzuwenden.
a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs
der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ist die in dieser
Vorschrift geregelte vierjährige Verjährungsfrist auf die
Rückforderung einer Ausfuhrerstattung anwendbar, die der
Ausführer infolge von Unregelmäßigkeiten zu Unrecht
erlangt hat (EuGH-Urteile vom 24.6.2004 C-278/02 - Handlbauer -,
Slg. 2004, I-6171, ZfZ 2004, 306 = SIS 04 28 50; vom 29.1.2009
C-278/07 bis C-280/07 - Vosding u.a. -, ZfZ 2009, 103 = SIS 09 08 62). Wie sich aus der Einspruchsentscheidung des HZA vom Januar
2003 ergibt, sind die der Klägerin gewährten
Ausfuhrerstattungen zurückgefordert worden, weil bei der
Ausfuhrabfertigung unzutreffend hohe Gewichte der ausgeführten
Rinder angemeldet worden sind. Hierin liegt eine
Unregelmäßigkeit i.S. des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95,
die zur Gewährung der Klägerin nicht zustehender
Ausfuhrerstattung geführt hat. Vorbehaltlich einer
längeren Verjährungsfrist aufgrund nationaler
Vorschriften (Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95) unterlag somit der mit
Rückforderungsbescheid vom Mai 1995 festgesetzte
Rückzahlungsanspruch der Verjährung gemäß Art.
3 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 2988/95. Für den damit
zusammenhängenden Zinsanspruch des HZA gilt nichts anderes,
weil - wie Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 deutlich macht - der
Zinsanspruch Teil des Rückzahlungsanspruchs ist.
Wie der EuGH mit Urteil in ZfZ 2009, 103 = SIS 09 08 62 entschieden hat, ist die durch Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1
VO Nr. 2988/95 vorgeschriebene vierjährige
Verjährungsfrist auch auf Unregelmäßigkeiten
anwendbar, die - wie im Streitfall - vor Inkrafttreten der VO Nr.
2988/95 begangen worden sind.
Nach Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 behalten
zwar die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eine längere
Verjährungsfrist anzuwenden; jedoch trifft diese Voraussetzung
auf die vom FG herangezogene Verjährungsvorschrift des §
197 BGB a.F. nicht zu, weil die dort vorgeschriebene Frist
ebenfalls vier Jahre beträgt.
b) Unterliegt nach alledem die streitige
Zinsforderung des HZA der vierjährigen Verjährung
gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs . 1 VO Nr. 2988/95, so
begann diese Frist frühestens mit der letzten Ausfuhranmeldung
aus dem Jahr 1993 zu laufen, weil davon auszugehen ist, dass es
sich bei den falschen Gewichtsangaben in den Ausfuhranmeldungen um
wiederholte Unregelmäßigkeiten i.S. des Art. 3 Abs. 1
Unterabs. 2 VO Nr. 2988/95 handelte, mit der Folge, dass die
Verjährungsfrist mit dem Tag, an dem die
Unregelmäßigkeit beendet wurde, begann.
Diese vierjährige Frist wurde allerdings
gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 2988/95 durch den
Rückforderungsbescheid vom 17.5.1995 unterbrochen und begann
mit diesem Tag von neuem, weil unabhängig von der Frage, ob
der Klägerin evtl. bereits zuvor Ermittlungshandlungen der
Zollverwaltung betreffend die begangenen
Unregelmäßigkeiten zur Kenntnis gegeben worden waren,
jedenfalls der Rückforderungsbescheid vom Mai 1995 als eine
Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde i.S. des Art.
3 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 2988/95 anzusehen ist.
Mit der Bekanntgabe des
Rückforderungsbescheids vom Mai 1995 begann demnach die
vierjährige Verjährungsfrist für die seinerzeit noch
nicht angeforderten Zinsen als Teil des Rückzahlungsanspruchs
erneut zu laufen; die Zinsanforderung vom 16.9.1998 erging somit
vor Ablauf dieser Frist.