Ausfuhrerstattung, Rückzahlung, Verjährung: 1. Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 verkürzt die im nationalen Recht bestehenden Verjährungsfristen nicht, sondern soll lediglich die Anwendung aus Sicht des gemeinschaftlichen Verordnungsgebers unangemessen kurzer Verjährungsfristen des nationalen Rechts ausschließen. - 2. Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 lässt nicht nur die Anwendung im nationalen Recht enthaltener ausdrücklicher Verjährungsvorschriften zu, sondern verlangt die Ermittlung dessen, was sich aus dem nationalen Recht hinsichtlich der Verjährung ergibt. Dabei sind die anerkannten Methoden der Rechtsanwendung einschließlich derjenigen der analogen Anwendung von Vorschriften sowie die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze des nationalen Rechts zu berücksichtigen. - 3. Es verstößt nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit oder das Verhältnismäßigkeitsprinzip, eine aufgrund einer dem Ausführer zuzurechnenden Unregelmäßigkeit zu Unrecht gewährte Ausfuhrerstattung noch nach einer Frist von sechs Jahren zurückzufordern. - Urt.; BFH 7.7.2009, VII R 24/06; SIS 09 29 01
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) hat im April 1993 rd. 8.000 kg Rindfleisch zur
Ausfuhr nach Jordanien abfertigen lassen und dafür im Wege der
Vorfinanzierung Ausfuhrerstattung erhalten. Nach Vorlage
entsprechender Zolldokumente hat der Beklagte und
Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA - ) die von der
Klägerin gestellte Sicherheit im Juli 1993
freigegeben.
Im Rahmen von der Europäischen
Kommission aufgenommener Untersuchungen sind Zweifel daran
aufgetaucht, ob das Fleisch tatsächlich in den freien Verkehr
Jordaniens gelangt und nicht vielmehr im Transit- oder
Reexportverfahren in den Irak befördert worden ist, wohin
Fleisch mit Ursprung in der Gemeinschaft aufgrund eines
entsprechenden Handelsembargos damals nur nach Erteilung einer
entsprechenden Ausfuhrgenehmigung ausgeführt werden durfte,
welche die Klägerin nicht eingeholt hat.
Das HZA hat deshalb mit Bescheid vom
13.10.1999 die Ausfuhrerstattung von der Klägerin
zurückgefordert. Auf die hiergegen erhobene Klage hat jedoch
das Finanzgericht (FG) den Rückforderungsbescheid aufgehoben =
SIS 05 35 31. Es urteilte, bei Erlass des angefochtenen Bescheids
sei der Rückforderungsanspruch gemäß Art. 3 Abs. 1
der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 (VO Nr. 2988/95) über
den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen
Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr.
L 312/1), der eine vierjährige, auch für vor
Inkrafttreten der Verordnung verwirklichte Sachverhalte
gültige Verjährungsfrist festlege, verjährt
gewesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die
Revision des HZA, das beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
des HZA zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 27.3.2007
eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) eingeholt, welcher mit Urteil vom 29.1.2009
C-278/07 bis C-280/07 = SIS 09 08 62 Folgendes entschieden
hat:
„1.
|
Die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18.12.1995
über den Schutz der finanziellen Interessen der
Europäischen Gemeinschaften geregelte Verjährungsfrist
ist auf verwaltungsrechtliche Maßnahmen wie die
Rückforderung einer Ausfuhrerstattung anwendbar, die der
Ausführer infolge von Unregelmäßigkeiten zu Unrecht
erlangt hat.
|
|
|
2.
|
In Fällen wie denen der
Ausgangsverfahren ist die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der
Verordnung Nr. 2988/95 geregelte Verjährungsfrist
|
|
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|
|
-
|
auf Unregelmäßigkeiten
anwendbar, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung begangen worden
sind, und
|
|
|
|
|
-
|
beginnt ab dem Zeitpunkt der Begehung der
fraglichen Unregelmäßigkeit zu laufen.
|
3.
|
Die längeren Verjährungsfristen,
die die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr.
2988/95 weiterhin anwenden dürfen, können sich aus
Auffangregelungen ergeben, die dem Erlass dieser Verordnung
vorausgehen.“
|
Das HZA hält auch nach Ergehen dieser
Vorabentscheidung an seinem Revisionsantrag fest.
Die Klägerin trägt zu der
Vorabentscheidung vor, es stellten sich noch drei Fragen,
nämlich:
„a)
|
Haben die deutschen Gerichte nach
Inkrafttreten der VO Nr. 2988/95 auf die Geltendmachung von
Ausfuhrerstattungs-Rückforderungsansprüchen, die die
Klägerin zu Unrecht erhalten hat, weiterhin die
Verjährungsfrist von 30 Jahren analog § 195 BGB
angewandt?
|
|
|
b)
|
Im Falle einer Bejahung dieser Frage:
Durften die deutschen Gerichte nach nationalem Recht die Vorschrift
des § 195 BGB auf
Ausfuhrerstattungs-Rückforderungsansprüche überhaupt
entsprechend anwenden?
|
|
|
c)
|
Im Falle der Bejahung dieser Frage: Gibt es
für die entsprechende Anwendung des § 195 BGB auf
Ausfuhrerstattungs-Rückforderungsansprüche
gemeinschaftsrechtliche Grenzen?“
|
Die erste Frage sei zu verneinen. Nach der
Vorabentscheidung sei eine 30-jährige Verjährungsfrist
entsprechend § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
a.F. nur dann anwendbar, wenn eine solche Anwendung nach dem
26.12.1995, dem Inkrafttreten der VO Nr. 2988/95, durch die
deutschen Gerichte tatsächlich vorgenommen worden ist, was
nicht der Fall sei. Insbesondere habe sich der Bundesfinanzhof nur
in dem Urteil vom 7.5.2002 VII R 5/01 (BFH/NV 2002, 1189 = SIS 02 87 36) beiläufig dazu geäußert, dass er die Ansicht
des dort angefochtenen Urteils, § 195 BGB a.F. sei auf die
Rückforderung von Ausfuhrerstattungen entsprechend anzuwenden,
für zutreffend halte, aber schon in seinem
Vorabentscheidungsersuchen Zweifel daran geäußert, ob
eine solche Anwendung mit den allgemeinen Grundsätzen des
Gemeinschaftsrechts, insbesondere dem Gebot vereinbar sei, nach
angemessener Zeit Rechtsfrieden zu gewähren.
Ungeachtet dessen verstieße jedoch
eine Anwendung dieser nationalen Verjährungsregelung auch
gegen das Analogieverbot, den Grundsatz der Rechtssicherheit und
des Vertrauensschutzes, den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit, die
Berufsausübungsfreiheit und den Grundsatz der
Gleichbehandlung.
Regelungslücken in einem Gesetz seien
so auszufüllen, wie der Gesetzgeber die Frage wahrscheinlich
geregelt hätte, wenn sie in seinen Gesichtskreis getreten
wäre. Deshalb scheide eine analoge Anwendung des § 195
BGB a.F. schon deshalb aus, weil z.B. mit Rücksicht auf die
kaufmännische Planbarkeit im Handelsrecht weitaus kürzere
Fristen, solche aber auch im öffentlichen Recht, insbesondere
im Steuerrecht, gälten. Selbst im Zivilrecht stelle § 195
BGB a.F. eine Ausnahmeregelung dar, die im Rechtsdenken seit Jahren
als überholt angesehen worden und dementsprechend vom
Gesetzgeber im Jahr 2002 auf drei Jahre verkürzt worden sei.
Im Übrigen betreffe § 195 BGB a.F. nicht
verwaltungsrechtliche Sachverhalte, wie die Generalanwältin in
dem vorgenannten Vorabentscheidungsverfahren mit Recht
ausgeführt habe.
Grundsätze der Rechtssicherheit und
des Vertrauensschutzes würden durch eine 30-jährige
Verjährungsfrist deshalb verletzt, weil ein Unternehmen wie
die Klägerin hinreichende Planungssicherheit haben müsse
und nicht mit einer Regelung konfrontiert werden dürfe, die
der Unverjährbarkeit einer Rückforderung gleichkomme.
Eine 30-Jahres-Frist sei unverhältnismäßig und
beeinträchtige in unzulässiger Weise die
Berufsausübungsfreiheit, weil sie zu einer permanenten
Existenzgefährdung von Ausfuhrunternehmen führe, gegen
welche eine Risikovorsorge nicht möglich sei. Der Grundsatz
des Vertrauensschutzes verlange überdies, die Risiken des
Erstattungsnehmers, der im Interesse einer Entlastung des
europäischen Rindfleischmarktes tätig geworden sei,
zeitlich zu begrenzen. All dies habe offenbar auch der Senat in
seinem Vorabentscheidungsersuchen grundsätzlich anerkannt,
jedoch unzulässigerweise gemeint, angesichts des zwischen der
der Klägerin vorgeworfenen Unregelmäßigkeit und der
Rückforderung verstrichenen Zeitraums von nur sechs Jahren
komme es auf die Unangemessenheit der in § 195 BGB a.F.
festgelegten 30-jährigen Verjährungsfrist nicht
an.
Das Diskriminierungsverbot sieht die
Klägerin dadurch verletzt, dass Fleischexporteure aus Irland
und Holland, die in dem fraglichen Zeitraum ebenfalls Rindfleisch
nach Jordanien exportiert haben, die ihnen gewährte
Ausfuhrerstattung nicht hätten zurückzahlen müssen.
Deshalb gebiete es auch der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der
Gleichbehandlung, die Ausfuhrerstattung von deutschen Exporteuren
in vergleichbarer Lage nicht zurückzufordern.
II. Die Revision des HZA ist begründet
und führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur
Zurückverweisung der Sache an dieses zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Die dem Urteil des FG tragend zugrunde
liegende Annahme, der in dem angefochtenen Bescheid geltend
gemachte Anspruch auf Rückzahlung der der Klägerin
gewährten Ausfuhrerstattung sei bei Erlass jenes Bescheids
verjährt gewesen, verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1
FGO).
Das FG ist davon ausgegangen, die VO Nr.
2988/95, insbesondere deren Art. 3, welcher eine
Verjährungsfrist für die Verfolgung von
Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht
regelt, sei auch auf Sachverhalte anwendbar, bei denen die
fragliche Unregelmäßigkeit vor Inkrafttreten jener
Verordnung am 26.12.1995 begangen worden ist, und sie sei auch auf
verwaltungsrechtliche Maßnahmen wie die Rückforderung
einer einem Wirtschaftsteilnehmer gewährten Ausfuhrerstattung
anzuwenden.
Dies ist nach der von dem erkennenden Senat
eingeholten Vorabentscheidung des EuGH, an deren rechtliche
Beurteilung der Senat gebunden ist, zutreffend. Der EuGH hat, wie
bereits erwähnt, in dieser Entscheidung an der seinem Urteil
vom 24.6.2004 C-278/02 („Handlbauer“, Slg. 2004,
I-6171 = SIS 04 28 50) zugrunde liegenden Auffassung trotz der
dagegen u.a. in den Vorabentscheidungsersuchen des Senats
vorgetragenen Bedenken festgehalten, Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95
betreffe nicht nur verwaltungsrechtliche Sanktionen. Er hat ferner
erkannt, die Verjährungsfrist sei auch bei vor Inkrafttreten
der Verordnung begangenen Unregelmäßigkeiten
einschlägig, sofern ein ihretwegen entstandener
Rückzahlungsanspruch nach dem bei Inkrafttreten der Verordnung
geltenden Recht noch nicht verjährt gewesen sei.
Im Streitfall war der in dem angefochtenen
Bescheid geltend gemachte Rückzahlungsanspruch des HZA am
26.12.1995 noch nicht verjährt; denn es gibt, wie sogleich
näher auszuführen ist, im deutschen Recht, aus dem sich
eine Verjährung des Rückzahlungsanspruchs des HZA bis zum
Inkrafttreten der VO Nr. 2988/95 allenfalls hätte herleiten
lassen, keine Vorschrift, aus der sich eine Verjährung jenes
Anspruchs bis zu diesem Zeitpunkt ergäbe.
Das Urteil des FG beruht ferner auf der
Annahme, der Rückzahlungsanspruch des HZA sei bei seiner
Geltendmachung in dem angefochtenen Bescheid deshalb verjährt
gewesen, weil die in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 2988/95
bezeichnete Frist von vier Jahren ab Begehung der verfolgten, der
Klägerin angelasteten Unregelmäßigkeit bei Erlass
des angefochtenen Rückforderungsbescheids abgelaufen gewesen
sei und die von Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 zugelassene Anwendung
einer längeren Frist nach Maßgabe des deutschen Rechts
nicht in Betracht komme.
Daran ist offenkundig richtig, dass das HZA
mit dem angefochtenen Bescheid die Vier-Jahres-Frist des Art. 3
Abs. 1 VO Nr. 2988/95 nicht gewahrt hat. Es liegt im Übrigen,
ohne dass dies hier näherer Ausführung bedürfte,
kein Tatbestand vor, der gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3
VO Nr. 2988/95 jene Frist unterbrochen und eine neue
vierjährige Verjährungsfrist in Lauf gesetzt hätte,
innerhalb derer der angefochtene Bescheid ergangen wäre.
Nicht zu folgen vermag der erkennende Senat
indes der Auffassung des FG, Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 sei
deshalb nicht anwendbar, weil das deutsche Recht keine in
spezifischer Weise die Rückforderung von Ausfuhrerstattungen
betreffende Verjährungsfrist festlege und etwaige
sinngemäß anwendbare Vorschriften des deutschen Rechts
jedenfalls nicht in der von Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95
vorausgesetzten Weise nach Ergehen dieser Verordnung erlassen
worden seien, schließlich weil die Anwendung einer
30-jährigen Verjährungsfrist in analoger Anwendung des
§ 195 BGB in seiner bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur
Modernisierung des Schuldrechts (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz
- SMG - ) vom 26.11.2001 (BGBl I, S. 3138) geltenden Fassung (hier:
§ 195 BGB a.F.) den gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen
der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes
widerspräche.
Der erkennende Senat kann diesen - seiner
Ansicht nach nicht überzeugenden - rechtlichen Erwägungen
des FG zum einen Teil schon deshalb nicht folgen, weil ihnen die
Vorabentscheidung des EuGH entgegensteht. Denn dieser hat, wie
erwähnt, erkannt, dass Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 weder eine
spezifische nationale Bestimmung voraussetzt, die auf die
Rückforderung von Ausfuhrerstattungen oder zumindest allgemein
auf verwaltungsrechtliche Maßnahmen anwendbar ist, und dass
Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 auch nicht eine Verlängerung der
in Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 festgelegten
gemeinschaftsrechtlichen Verjährungsfrist nur durch solche
nationalen Bestimmungen zulässt, die nach Ergehen jener
Verordnung erlassen worden sind. Vielmehr hat der EuGH aus dem
Wortlaut jener Vorschrift, wonach die Mitgliedstaaten „die
Möglichkeit behalten“, eine längere Frist als
die in Abs. 1 vorgesehene Frist „anzuwenden“,
gefolgert, dass diese sowohl die Befugnis hätten, eine zum
Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung bestehende längere
Frist „zu behalten“ (vgl. Rz 41 der
Vorabentscheidung), als auch ungeachtet der zum Zeitpunkt des
Erlasses der Verordnung bestehenden Verjährungsfristen
„nach diesem Zeitpunkt neue Verjährungsregelungen mit
längeren Fristen ein(zu)führen“ (Rz 42 der
Vorabentscheidung).
Der Senat vermag sich auch nicht die -
offenbar von der Klägerin für richtig gehaltene -
Auslegung der Vorabentscheidung zu eigen zu machen, wonach es
für die Anwendung des § 195 BGB a.F. im Streitfall oder
überhaupt für die Anwendung von
Verjährungsregelungen des deutschen Rechts darauf ankommen
soll, ob diese Regelungen nach Inkrafttreten der VO Nr. 2988/95 von
deutschen Gerichten tatsächlich angewandt worden sind.
Unbeschadet der insofern möglicherweise
missverständlichen Formulierungen des EuGH insbesondere in Rz
39 der Vorabentscheidung kann es schwerlich darauf ankommen, ob
irgendwelche Gerichte - vereinzelt, mehrfach oder in ständiger
Rechtsprechung? - solche Verjährungsvorschriften in von ihnen
bis zum Inkrafttreten vorgenannter Verordnung erlassenen Urteilen
berücksichtigt haben, sondern nur darauf, ob solche
Vorschriften nach Maßgabe des einschlägigen nationalen
Rechts bei zutreffender Auslegung und Anwendung desselben
anzuwenden sind.
Zu der weiteren, vom FG bejahten Frage, ob
allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts unbeschadet des
Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 die Anwendung einer
Verjährungsregelung, wie sie § 195 BGB in der vorstehend
bezeichneten Fassung enthielt (30 Jahre nach Entstehen des
Anspruchs), ausschließen, äußert sich die
Vorabentscheidung allerdings nicht, obschon die Schlussanträge
der Generalanwältin zu der diesbezüglichen, auch in dem
Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats ausdrücklich
angesprochenen Frage eingehende und klare Ausführungen
enthielten. Der erkennende Senat erachtet unter diesen
Umständen das Schweigen der Vorabentscheidung als beredt:
Hätte der EuGH die Anwendung des § 195 BGB a.F. aufgrund
der gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit
und des Vertrauensschutzes für ausgeschlossen gehalten, so
hätte es der vom EuGH in ständiger Rechtsprechung
betonten Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit den Gerichten der
Mitgliedstaaten und der Aufgabe der Vorabentscheidung, dem
ersuchenden Gericht die für die von ihm zu treffende
Endentscheidung erforderlichen und nützlichen Hinweise zu
geben, entsprochen, das Petitum der Generalanwältin
aufzugreifen und die Unangemessenheit einer 30-jährigen
Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB a.F. in der
Vorabentscheidung festzustellen, zumal sich unter dieser
Prämisse die Beantwortung der dritten von dem erkennenden
Senat in dem Vorabentscheidungsersuchen gestellten Frage
erübrigt hätte.
2. Die dem Urteil des FG zugrunde liegende
Auffassung, der in dem angefochtenen Bescheid geltend gemachte
Rückzahlungsanspruch sei bei Erlass desselben verjährt
gewesen, ist auch nicht im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4
FGO).
a) Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 soll
verhindern, dass etwaige Verjährungsregelungen des nationalen
Rechts, die bis zum Inkrafttreten der VO Nr. 2988/95 allein
für verwaltungsrechtliche Maßnahmen wie die
Wiedereinziehung aufgrund von Unregelmäßigkeiten
geleisteter Ausfuhrerstattungen einschlägig waren, die
Einziehung solcher Zahlungen praktisch unmöglich machen oder
übermäßig erschweren (vgl. Rz 26 der
Vorabentscheidung). Er legt, wie der EuGH überzeugend
ausführt, eine „Mindestfrist“ fest (Rz 27
der Vorabentscheidung), will also, wie nicht zuletzt Art. 3 Abs. 3
VO Nr. 2988/95 zeigt, die sich aus dem nationalen Recht ergebenden
Verjährungsfristen nicht verkürzen, sondern vielmehr
lediglich die Anwendung aus der Sicht des gemeinschaftlichen
Verordnungsgebers unangemessen kurzer Verjährungsfristen des
nationalen Rechts ausschließen. Wenn es in Rz 29 der
Vorabentscheidung zuletzt heißt, der Verordnungsgeber habe
die Verjährungsfrist „bewusst auf vier Jahre
verkürzt“, lässt sich daraus nichts anderes
entnehmen; denn angesichts des Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 kann
die gemeinschaftsrechtliche Regelung in Art. 3 Abs. 1 VO Nr.
2988/95, wie vom EuGH ausgeführt, nicht zu einer
Verkürzung im nationalen Recht bestehender
Verjährungsfristen führen, und zu einer Verkürzung
im Gemeinschaftsrecht geregelter Verjährungsfristen kann sie
ebenso wenig führen, weil, wie der EuGH zuvor ebenfalls
ausgeführt hat, solche Verjährungsfristen vor
Inkrafttreten der Verordnung überhaupt nicht bestanden
haben.
Erst aus diesem Verständnis des Art. 3
Abs. 1 VO Nr. 2988/95 als einer „Mindestfrist“
wird für den Senat auch nachvollziehbar, dass der
gemeinschaftliche Verordnungsgeber davon abgesehen hat, eine
Übergangsregelung für solche Fälle zu treffen, in
denen die Vier-Jahres-Frist des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 bei
Inkrafttreten dieser Verordnung fast abgelaufen war. Denn einer
solchen Regelung hätte es im Interesse der Gemeinschaft bzw.
der für die Wahrung deren finanzieller Interessen
zuständigen nationalen Verwaltungen bedurft, wenn diese durch
das Inkrafttreten der Verordnung mit einer vorher nicht bestehenden
Notwendigkeit hätten konfrontiert werden sollen, in
kürzerer Frist, als sie sie bisher hatten in Anspruch nehmen
können, und auf welche sie sich folglich bisher hatten
einstellen können und eingestellt haben, zu Unrecht
gewährte Ausfuhrerstattungen wieder einziehen zu müssen,
so dass die hierfür zur Verfügung stehende Frist bei
Inkrafttreten der Verordnung also möglicherweise bereits fast
abgelaufen und für eine rechtsstaatliche Verwaltung deshalb
praktisch nicht mehr zu wahren gewesen wäre.
Lässt die VO Nr. 2988/95 in Art. 3 Abs. 3
die Anwendbarkeit des nationalen Rechts, sofern dieses keine
kürzere als eine Vier-Jahres-Frist für die
Verjährung vorsieht, unberührt, so kann die Anwendbarkeit
des deutschen Rechts nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil
hinsichtlich der Verjährung des Rückzahlungsanspruchs
nunmehr keine Regelungslücke mehr bestehe, die durch analoge
Anwendung tatbestandlich an sich nicht einschlägiger
Vorschriften des deutschen Rechts auszufüllen wäre,
vielmehr eine solche ehemals bestehende Regelungslücke durch
Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 geschlossen worden sei. Denn dies
verkehrte das Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und
nationalem Recht in das Gegenteil dessen, was die VO Nr. 2988/95,
so wie sie der EuGH ausgelegt hat, anordnet, und entnähme Art.
3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 eine Regelung, welche die Vorschrift nicht
trifft: Die gemeinschaftsrechtliche Frist beansprucht keinen
Vorrang vor etwaigen längeren Fristen, welche die
Mitgliedstaaten bisher - wie es in Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95
bezeichnend heißt - „angewandt“ haben,
welche sich also aus ihrer Rechtsordnung ergeben, und sie macht
deshalb nicht die Frage überflüssig, ob der
Rückzahlungsanspruch nach deutschem Recht - Art. 3 Abs. 1 VO
Nr. 2988/95 gleichsam hinweggedacht - erst nach einer längeren
Frist als der vorgenannten Vier-Jahres-Frist verjährt. Denn
Art. 3 VO Nr. 2988/95 normiert, wie erwähnt, lediglich eine
gemeinschaftsrechtliche Mindestfrist.
Dabei kann die Vorabentscheidung des EuGH
nicht dahin verstanden werden, längere nationale
Verjährungsfristen könnten sich nur aus Vorschriften des
nationalen Rechts ergeben, die eine solche Frist ausdrücklich
festlegen. Dass dies bei § 195 BGB a.F. nicht der Fall war,
kann dem EuGH schwerlich verborgen geblieben sein, zumal das
Vorabentscheidungsersuchen des Senats diesen Umstand
ausdrücklich hervorgehoben hatte; wenn der EuGH unter diesen
Umständen die Frage des Senats nach der Anwendbarkeit einer
längeren als der in Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 vorgesehenen
Frist bzw. der Anwendbarkeit einer diesbezüglichen
„allgemeinen Regelung“ wie § 195 BGB a.F.,
aus der sich eine solche Frist „ergibt“ - so das
Vorabentscheidungsersuchen -, bejaht hat, ist diese Antwort klar
und eindeutig. Es besteht deshalb entgegen einer in der
mündlichen Verhandlung vorgetragenen Anregung schwerlich ein
Anlass, in dieser Hinsicht eine (weitere) Vorabentscheidung des
EuGH einzuholen. Zudem begreift sich von selbst, dass sich nicht
nur aus ausdrücklichen Gesetzesbefehlen des geschriebenen
Rechts ergibt, welches Recht „anzuwenden“ ist,
sondern dass bei der Ermittlung der Frist, nach deren Ablauf der
Rückzahlungsanspruch des HZA nach deutschem Recht
verjährt, die bei jedweder Rechtsanwendung anzuwendenden
Methoden einschließlich derjenigen der analogen Anwendung von
Vorschriften sowie ungeschriebene allgemeine Rechtsgrundsätze
des einschlägigen nationalen Rechts zu berücksichtigen
sind.
b) Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 geht in Bezug
auf die Befugnis der deutschen Zollverwaltung zur
Rückforderung zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattungen
ins Leere; denn das deutsche Recht enthält keine Bestimmung,
nach der ein Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht
gewährter Ausfuhrerstattung in einer kürzeren Frist als
vier Jahre seit der Unregelmäßigkeit, die zur
Gewährung der Erstattung geführt hat, verjährt.
Hingegen greift Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 ein, weil nach
deutschem Recht der Anspruch auf Rückzahlung erst nach einer
längeren Frist verjährt, wie sich aus folgenden
Überlegungen ergibt.
Das Rechtsinstitut der Verjährung kann
nach der Rechtsprechung der deutschen Gerichte auch im
öffentlichen Recht jedenfalls auf vermögensrechtliche
Ansprüche grundsätzlich angewandt werden (vgl. statt
aller Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 24.1.2007 3 A
2.05, BVerwGE 128, 99). Es dient der Rechtssicherheit und dem
Rechtsfrieden, indem es Ansprüche, die über geraume Zeit
hinweg nicht geltend gemacht wurden, dem Streit entzieht. Dieses
Anliegen besteht im Privatrecht wie im öffentlichen Recht.
Das deutsche Recht enthält allerdings
weder eine Verjährungsregelung, die ausdrücklich die
Rückforderung von Ausfuhrerstattungen oder überhaupt die
Rückforderung von der Zollverwaltung oder anderen Stellen der
Bundesverwaltung gewährter Subventionen oder anderer
Zuwendungen regelt, noch finden sich im deutschen Recht sonst
allgemeine Regelungen über die Verjährung von
Rückzahlungsansprüchen oder überhaupt von
vermögensrechtlichen Ansprüchen
öffentlich-rechtlicher Art.
Nach welchen Regeln sich die Verjährung
in den Fällen richtet, in denen grundsätzliche Regelungen
oder unmittelbar anwendbare spezielle Verjährungsvorschriften
nicht bestehen, entscheidet die Rechtsprechung insbesondere des
BVerwG im Wege einer Analogie. Sie bewertet nach dem
Gesamtzusammenhang der für den jeweiligen Anspruch
maßgebenden Rechtsvorschriften und der Interessenlage, welche
Verjährungsregelung als die
„sachnächste“ analog heranzuziehen ist.
Verjährungsregelungen, die hier unter
diesem Gesichtspunkt in Betracht zu ziehen sind, bestehen in
einzelnen zum öffentlichen Recht gehörenden Gesetzen
(für das Sozialrecht: Bundessozialgericht, Urteil vom 1.8.1991
6 RKa 9/89, BSGE 69, 158), insbesondere bekanntlich in der
Abgabenordnung (AO) für das Steuerrecht. Schon die
unterschiedliche Länge der dort festgelegten Fristen, vor
allem aber der Umstand, dass diese Regelungen
Rechtsverhältnisse betreffen, die ihrer Struktur nach und im
Hinblick auf die bei ihnen zu berücksichtigenden
öffentlichen und privaten Interessen mit dem
Marktordnungsrecht und insbesondere mit dem Ausfuhrerstattungsrecht
nicht vergleichbar sind, schließen es freilich aus, eine der
dort getroffenen Regelungen analog auf die Rückforderung von
Ausfuhrerstattungen anzuwenden oder gar aus jenen Regelungen einen
allgemeinen, für alle Bereiche geltenden Grundsatz des
deutschen öffentlichen Rechts herzuleiten, dass
vermögensrechtliche Ansprüche eines Trägers
öffentlicher Gewalt gegenüber dem Bürger binnen
bestimmter Frist verjähren. Insbesondere § 169 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 AO ist auf die Rückforderung zu Unrecht
gewährter Ausfuhrerstattung nicht analog anwendbar. Denn der
Anspruch des Staates auf Erhebung einer Steuer wie der in jener
Vorschrift geregelten Verbrauchsteuer ist mit dem Anspruch auf
Rückzahlung einer Subvention, die einem Wirtschaftsbeteiligten
aufgrund einer von ihm begangenen bzw. ihm zugerechneten
Unregelmäßigkeit zu Unrecht gewährt worden ist,
offenkundig nicht vergleichbar, wenn auch die Interessenlage des
Schuldners bei Verbrauchsteuern ebenso wie bei Ausfuhrerstattungen
darauf gerichtet sein mag, möglichst schnell Rechtssicherheit
zu erlangen. Ebenso wenig sind Vorschriften des Handelsrechts in
diesem Zusammenhang entsprechend anwendbar, was angesichts des
grundlegenden rechtssystematischen Unterschieds zwischen
Rechtsbeziehungen zwischen Kaufleuten einerseits und zwischen einem
Subventionsnehmer und der zur Wahrung des Rechts und der
finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft
verpflichteten öffentlichen Verwaltung andererseits keiner
weiteren Darlegung bedarf.
Im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), wo
eine allgemeine Regelung über die Verjährung von
Ansprüchen auf Rückzahlung von dem Beteiligten durch
Unregelmäßigkeiten erlangter öffentlicher
Zuwendungen am ehesten erwartet werden könnte, findet sich
über die Verjährung solcher Ansprüche oder
überhaupt solcher vermögensrechtlicher Art nichts. Das
dürfte nicht unwesentlich damit zusammenhängen, dass
solche Ansprüche jedenfalls in aller Regel durch den Erlass
entsprechender Verwaltungsakte festgesetzt werden müssen und
der Bürger gegen den Erlass solcher Verwaltungsakte, die ihm
gewährte finanzielle Vorteile beseitigen, allerdings durch das
VwVfG, insbesondere dessen § 48, aber auch sonst in den
einschlägigen öffentlich-rechtlichen Gesetzen
geschützt ist. In diesem Zusammenhang besteht auch eine - nach
der Auslegung, die sie in der Rechtsprechung gefunden hat, freilich
für den Rechtsfrieden wenig hilfreiche - Fristenregelung,
nämlich § 48 Abs. 4 VwVfG.
Für vermögensrechtliche
Ansprüche des öffentlichen Rechts enthält, wie aus
diesem Befund gefolgert werden muss, das deutsche öffentliche
Recht - vorbehaltlich eben erwähnter bereichsbezogener
Sonderregelungen und der allgemeinen Vorschriften über die
Änderung von Verwaltungsakten - keine Vorschriften, aus denen
die Verjährbarkeit des hier streitigen
Rückzahlungsanspruchs gefolgert werden könnte.
Gleichwohl nimmt insbesondere die
Rechtsprechung des BVerwG an, solche nach
öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht verjährbaren
Ansprüche seien, obwohl - wie hier - ausdrückliche,
spezielle Vorschriften des einschlägigen Rechts fehlten, nicht
unverjährbar; vielmehr seien die Regelungen des BGB über
die Verjährung vermögensrechtlicher Ansprüche analog
anzuwenden. In der 30-jährigen Regelverjährung des §
195 BGB a.F. komme nämlich ein allgemeiner Rechtsgedanke zum
Ausdruck (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2008 3 C 37.07, DVBl 2009,
445). Der erkennende Senat hat die dem folgende Ansicht des Urteils
des FG Hamburg in seinem Urteil in BFH/NV 2002, 1189 = SIS 02 87 36
bereits beiläufig als zutreffend bezeichnet. Er hält
daran mit den sich aus den folgenden Überlegungen ergebenden
Maßgaben fest.
3. Es verstößt nicht gegen
allgemeine, höherrangige Grundsätze des
Gemeinschaftsrechts oder des deutschen Rechts, den in dem
angefochtenen Bescheid geltend gemachten Rückzahlungsanspruch
als bei Erlass desselben noch nicht verjährt anzusehen.
Der vom FG in diesem Zusammenhang bemühte
Grundsatz des Vertrauensschutzes kann von vornherein nicht
betroffen sein, weil die Klägerin mangels eines geeigneten
Anknüpfungspunktes nicht darauf vertrauen konnte, - nach
Ablauf der im Streitfall zwischen der Begehung der für die
Rückforderung verantwortlichen
„Unregelmäßigkeit“ bzw. der
Gewährung der Erstattung verstrichenen Frist von sechs Jahren
- mit der Rückforderung nicht mehr rechnen zu müssen.
Ob der Grundsatz der Rechtssicherheit bei der
Rückforderung von Ausfuhrerstattung nach einer Frist von fast
30 Jahren seit Gewährung derselben verletzt wäre, wie die
Generalanwältin in den Schlussanträgen des
Vorabentscheidungsverfahrens geltend gemacht hat, mag dahinstehen;
soweit ersichtlich, ist allerdings zu § 195 BGB a.F. in der
jahrzehntelangen Rechtsprechung jedenfalls der deutschen Gerichte
und im Rahmen der entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift
außerhalb ihres ausdrücklich angesprochenen
Regelungsbereichs sowie im Schrifttum die bei Annahme einer
Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit bestehende
Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift nicht geltend gemacht
worden. Selbst wenn indes diese Vorschrift verfassungswidrig
gewesen sein sollte, könnte dies nur dazu Anlass geben, die
dort festgelegte Verjährungsfrist richterrechtlich auf ein
angemessenes und mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und mit dem
Rechtsfrieden vereinbares Maß zu verkürzen.
Entsprechendes gälte bei Unvereinbarkeit einer so langen
Verjährungsfrist mit den Geboten des Gemeinschaftsrechts. Denn
es kann nicht ernstlich angenommen werden, aufgrund der
Verfassungswidrigkeit der Vorschrift seien die von ihr erfassten
Ansprüche unverjährbar.
Es wäre dem erkennenden Senat auch nicht
nachvollziehbar, warum die Verfassungswidrigkeit des § 195 BGB
a.F. dazu führen sollte, dass der dem nationalen Recht von
Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 eingeräumte Vorrang
hinfällig und an die Stelle des nationalen Rechts die
Mindestfrist des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 treten sollte, die,
wie ausgeführt, lediglich eine unangemessen kurze Frist des
nationalen Rechts beiseite räumen will und deshalb nicht dem
Unterfangen entgegensteht, eine unangemessen lange Frist des
nationalen Rechts in der verfassungs- oder gemeinschaftsrechtlich
gebotenen Weise in Ausübung richterlicher Notkompetenz auf das
angemessene Maß zu verkürzen.
Ob in Ausübung einer solchen
richterlichen Notkompetenz die Frist des § 195 BGB a.F. zu
verkürzen oder zumindest bei entsprechender Anwendung jener
Vorschrift eine kürzere Frist für die Verjährung des
Anspruchs auf Rückzahlung aufgrund einer
Unregelmäßigkeit zu Unrecht gewährter
Ausfuhrerstattungen um der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens
willen festgelegt werden müsste, braucht der Senat nicht
abschließend zu prüfen und zu entscheiden. Denn eine
solche Frist könnte jedenfalls nicht so kurz bemessen werden,
dass der vom HZA geltend gemachte Anspruch bei Erlass des
angefochtenen Bescheids verjährt gewesen wäre.
Dafür ist ausschlaggebend, dass eine
solche Frist nicht so kurz sein dürfte, dass ein
Anspruchsverlust wegen Überschreitens dieser Frist mehr als im
Ausnahmefall zu besorgen wäre; eine absolute
Verjährungsfrist müsste vielmehr so lang sein, dass die
Gefahr, dass Ansprüche verjähren, bevor das HZA von ihnen
überhaupt Kenntnis erlangt, auf ein hinnehmbares Maß
beschränkt ist (zu diesem Gesichtspunkt vgl. schon BTDrucks
14/6040, S. 108). Da Unregelmäßigkeiten bei
Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattungen oftmals - wie gerade der
Streitfall erkennen lässt - erst durch umfangreiche und
schwierige Untersuchungen in Drittstaaten oder durch nachgehende
Marktordnungsprüfungen entdeckt werden, die zudem mitunter -
auch im Interesse des Ausführers - erst nach längeren
prüfungsfreien Intervallen durchgeführt werden, wäre
nach Auffassung des erkennenden Senats eine absolute Frist von vier
Jahren unangemessen kurz und am ehesten an eine Frist von zehn
Jahren zu denken, die bei Erlass des angefochtenen Bescheids jedoch
nicht verstrichen gewesen wäre. Dass eine solche Frist auch
mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar
wäre, ist zweifelsfrei.
Dass die Verjährungsfrist für die
Rückforderung aufgrund einer dem Begünstigten
zuzurechnenden Unregelmäßigkeit diesem gewährter
gesetzwidriger öffentlicher Zuwendungen von Verfassungs wegen
bei der gebotenen Abwägung der Belange eines solchen
Beteiligten gegen das Gebot der Gesetzmäßigkeit der
Verwaltung nicht weniger als sechs Jahre, die im Streitfall bis zur
Rückforderung verstrichen sind, betragen könnte, ist erst
recht nicht zweifelhaft. Wie der Vorbehalt des Art. 3 Abs. 3 VO Nr.
2988/95 zeigt, ist auch der Gemeinschaftsgesetzgeber davon
ausgegangen, dass eine längere Verjährungsfrist als die
vierjährige des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 mit dem
Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Es fehlt deshalb auch in dieser
Hinsicht an einem Anlass, den EuGH hierzu gemäß Art. 234
des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
zu befragen, ganz abgesehen davon, dass sich die Antwort auf eine
solche Frage umso klarer aus der vom Senat eingeholten
Vorabentscheidung entnehmen lässt, als der EuGH dort, wie
ausgeführt, entgegen den Anträgen der
Generalanwältin nicht einmal Anlass gesehen hat, eine
30-jährige Frist zu beanstanden.
4. Aus den jetzt geltenden
Verjährungsregeln des deutschen Rechts, die aufgrund des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes § 195 BGB a.F.
abgelöst haben, lässt sich für die Entscheidung des
Streitfalls nichts gewinnen.
Dass diese Regeln nicht unmittelbar anwendbar
sind, liegt auf der Hand: Ein Bescheid, durch den ein nach dem zum
Zeitpunkt seines Erlasses geltenden Recht nicht verjährter
Anspruch festgesetzt wird, wird nicht dadurch nachträglich
rechtswidrig, dass sich die Verjährungsvorschriften dahin
ändern, dass der Anspruch nach Maßgabe des neuen Rechts
nicht hätte festgesetzt werden dürfen. Überdies
enthält Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (i.d.F.
des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes) eine
Übergangsvorschrift, nach der die neue Frist des § 195
BGB ebenso wie die neue Zehn-Jahres-Frist des § 199 Abs. 4 BGB
ohnehin erst am 1.1.2002 zu laufen begönne.
Den durch das
Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eingeführten
Verjährungsvorschriften lässt sich auch nicht die
gesetzgeberische Wertung entnehmen, dass eine 30-jährige
Verjährungsfrist für vermögensrechtliche
Ansprüche unangemessen lang und der Rechtssicherheit oder dem
Rechtsfrieden abträglich sei (vgl. BVerwG-Urteil in DVBl 2009,
445). Die eigentliche Reform des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes besteht nämlich nicht in
der Verkürzung der Frist des § 195 BGB a.F., nachdem die
dementsprechende neue Frist für eine Reihe von Ansprüchen
nach wie vor 30 Jahre, für andere 10 Jahre (§ 199 Abs. 4
BGB) beträgt - die Anwendung der diese betreffenden
Vorschriften würde offensichtlich ebenfalls zum Misserfolg der
Klage führen - ; sie besteht vielmehr in der Ergänzung
dieser sog. absoluten Verjährungsfristen durch eine relative,
die mit der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des
Anspruchsberechtigten von den seinen Anspruch begründenden
Umständen und der Person seines Schuldners beginnt (vgl.
§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB), was übrigens in gewissem Umfang
mit der die Geltendmachung öffentlich-rechtlicher
Ansprüche, wie erwähnt, oftmals beschränkenden
Regelung in § 48 Abs. 4 VwVfG korrespondiert.
Letztere Frist, die nach § 195 BGB drei
Jahre beträgt und deren entsprechende Anwendung auf
Rückzahlungsansprüche der hier streitigen Art
erheblichen, jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit nicht weiter
zu vertiefenden Bedenken begegnete, wäre im Streitfall
gewahrt. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das HZA
ungeachtet der ihm noch nicht vorliegenden Informationen über
das Ergebnis der von der Europäischen Kommission
eingeleiteten, eingangs erwähnten Untersuchungen grob
fahrlässig nicht früher erkannt hat, dass das von der
Klägerin exportierte Fleisch möglicherweise in den Irak
gelangt und nicht, wie behauptet, in Jordanien in den freien
Verkehr überführt worden ist.
5. Das Diskriminierungsverbot wird durch den
angefochtenen Rückforderungsbescheid, anders als die
Klägerin meint, nicht verletzt. Es gebietet nicht, dass sich
Behörden und Gerichte eines Mitgliedstaats der
Entscheidungspraxis anderer Mitgliedstaaten anpassen, mag es auch
ein Gebot der Billigkeit sein, ungeachtet ausdrücklicher
Regelungen hierüber dafür Sorge zu tragen, dass bei der
Anwendung des Gemeinschaftsrechts in Deutschland nicht ohne
rechtfertigenden Grund den Marktbeteiligten nachteilige Ergebnisse
erzielt werden, die andere Mitgliedstaaten möglicherweise
abzuwenden verstanden haben.
6. Die Sache muss nach alledem zurück an
das FG gehen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO), damit dieses
prüft, ob unter Berücksichtigung der Verteilung der
Feststellungslast die für eine Rückforderung der
Ausfuhrerstattung erforderlichen Voraussetzungen vorliegen,
insbesondere die Ausfuhrwaren nicht in den freien Verkehr
Jordaniens überführt worden sind.