Zu hohe Ausfuhrerstattung, Rückforderung bei Abtretung: 1. Das Gemeinschaftsrecht verlangt von einem Ausführer keine Nachprüfung des ihm ausgezahlten Erstattungsbetrags. Dem Ausführer kann daher keine Unregelmäßigkeit angelastet werden, wenn er einen von der Behörde versehentlich zu hoch festgesetzten Erstattungsbetrag nicht beanstandet. - 2. Der Zessionar haftet für zu Unrecht ausgezahlte Ausfuhrerstattungsbeträge nur dann, wenn sie ihm, nicht aber, wenn sie dem Zedenten ausgezahlt worden sind. Dabei kommt es jedoch nicht auf den Zahlungsweg, sondern darauf an, wer Leistungsempfänger ist. - Urt.; BFH 21.7.2009, VII R 50/06; SIS 09 29 02
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) wird vom Beklagten und Revisionskläger
(Hauptzollamt - HZA - ) als infolge Zession Haftende für die
Ausfuhrerstattung in Anspruch genommen, die der L-GmbH (im
Folgenden: L) für die Ausfuhr eines Schlachtrindes in die
Türkei gewährt worden ist, welches auf dem Transport
verendet ist.
L hatte 1995 31 Rinder zur Ausfuhr
angemeldet und hierfür (differenzierte) Ausfuhrerstattung
beantragt und erhalten. L hat dem HZA später angezeigt, dass
eines der Tiere auf dem Transport verendet sei; sie hat ihren
Zahlungsantrag entsprechend geändert. Dies ist jedoch vom HZA
übersehen und L auch für das verendete Tier
Ausfuhrerstattung gezahlt worden. Als das HZA 1999 seinen Irrtum
bemerkte, hat es den betreffenden Erstattungsbetrag von L
zurückgefordert. Der Rückzahlungsanspruch war dort jedoch
nicht durchsetzbar. Das HZA hat deshalb im August 2000 einen
Haftungsbescheid erlassen, den es an die X-Bank adressierte,
welcher L ihren Erstattungsanspruch im Rahmen einer Globalzession
abgetreten hatte. Diese Gesellschaft war jedoch inzwischen mit der
Klägerin verschmolzen; als das HZA dies erkannte, hob es den
Haftungsbescheid wieder auf und erließ im Dezember 2001 einen
Haftungsbescheid gegen die Klägerin, dessen Bekanntgabe sich
jedoch erst für den Mai 2004 nachweisen lässt.
Die Klägerin hat gegen diesen
Haftungsbescheid Klage erhoben, auf welche das Finanzgericht (FG)
den Bescheid aufhob (vgl. SIS 05 47 00); es war der Meinung, der
Haftungsanspruch des HZA sei aufgrund des Art. 3 der Verordnung
(EG, Euratom) Nr. 2988/95 - (VO Nr. 2988/95) über den Schutz
der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L
312/1) durch Verjährung erloschen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die
Revision des HZA.
Der Senat hat eine Vorabentscheidung des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) eingeholt,
welcher mit Urteil vom 15.1.2009 C-281/07 (veröffentlicht in
HFR 2009, 533 = SIS 09 05 19; ZfZ 2009, 107) entschieden hat, die
vierjährige Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 Unterabs.
1 VO Nr. 2988/95 sei nicht auf ein Verfahren zur Rückforderung
einer Ausfuhrerstattung anzuwenden, die einem Ausführer durch
Verschulden der nationalen Behörden zu Unrecht gewährt
wurde, wenn der Ausführer keine Unregelmäßigkeit
i.S. von Art. 1 Abs. 2 dieser Verordnung begangen hat.
Das HZA hat nach Ergehen dieser
Vorabentscheidung zur Begründung seiner Revision vorgetragen,
es gehe - ebenso wie die Klägerin - im Hinblick auf die
Schlussanträge der Generalanwältin in der Rechtssache
C-281/07 davon aus, dass im Streitfall eine
Unregelmäßigkeit i.S. der VO Nr. 2988/95 vorliege. Es
handele sich jedoch um eine andauernde Unregelmäßigkeit
i.S. von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 2988/95, sodass die
Verjährungsfrist frühestens mit Zustellung des
Rückforderungsbescheids an die L im Jahre 1999 begonnen habe.
Somit sei der der X-Bank erteilte Rückforderungsbescheid
innerhalb der Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1
VO Nr. 2988/95 ergangen. Dieser Bescheid habe ungeachtet seiner
späteren Aufhebung eine Unterbrechung der
Verfolgungsverjährung bewirkt. Jene Gesellschaft sei
seinerzeit von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten
worden, die auch die Klägerin vertreten hätten. Die
verjährungsunterbrechende Information über die zu Unrecht
gewährte Ausfuhrerstattung sei mithin in den Machtbereich der
Klägerin gelangt. Zudem sei der Klägerin mit dem
Aufhebungsbescheid mitgeteilt worden, dass die Aufhebung lediglich
aus formellen Gründen erfolge und das HZA die Angelegenheit
weiterverfolgen werde. Die Verjährungsfrist sei folglich bei
Bekanntgabe des angefochtenen Bescheids im Jahr 2004 noch nicht
abgelaufen gewesen.
Die Klägerin trägt vor, es liege
eine Unregelmäßigkeit im Sinne der - nach der bindenden,
wenn auch nicht nachvollziehbaren Vorabentscheidung anwendbaren -
VO Nr. 2988/95 vor, weil es L unterlassen habe, die zuviel
erhaltene Ausfuhrerstattung dem HZA mitzuteilen. „Aus dem
laufenden Verwaltungsverfahren“ habe sich für L die
Pflicht zu einer solchen Mitteilung ergeben. Es liege deshalb eine
Unterlassung i.S. des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 vor, welche
einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften
bewirkt habe.
Im Übrigen hebt sie hervor, dass
Zedent und Zessionar nach Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung
(EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) über gemeinsame
Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei
landwirtschaftlichen Erzeugnissen nur dann als Gesamtschuldner
für die Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beträge
hafteten, wenn die Erstattung an den Zessionar geleistet worden
sei. Im Streitfall sei jedoch keine Leistung an die X-Bank erfolgt,
sondern an L. Jener habe zwar aufgrund der Abtretung ein
Forderungsrecht zugestanden; sie habe aber keinen Forderungseinzug
betrieben. Zudem habe es sich um eine Sicherungsabtretung
gehandelt, ohne dass vor der Zahlung der Sicherungsfall eingetreten
gewesen wäre.
II. Die Revision des HZA ist begründet
und führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht
(§ 118 Abs. 1 FGO). Der mit dem angefochtenen Haftungsbescheid
geltend gemachte Anspruch war bei Bekanntgabe dieses Bescheids
nicht gemäß den Regelungen der VO Nr. 2988/95
verjährt.
Durch die Vorabentscheidung des EuGH ist
geklärt, dass entgegen der Ansicht des FG und der
Klägerin die vorgenannte Verordnung auf die Wiedereinziehung
zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattungen nur dann anwendbar
ist, wenn der Ausführer eine Unregelmäßigkeit i.S.
von Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 begangen hat.
L hat indes keine solche
Unregelmäßigkeit begangen. Der erkennende Senat vermag
insoweit nicht der abweichenden Rechtsauffassung der Beteiligten
und der Generalanwältin beim EuGH zu folgen, die unbeschadet
ihrer Erkenntnis, dass es eine Frage der Anwendung des
Gemeinschaftsrechts auf den Streitfall ist und jedenfalls von dem
erkennenden Gericht keine Vorlagefrage dazu gestellt worden ist, ob
die von L unterlassene Zurückweisung der ihr zuviel
gewährten Ausfuhrerstattung eine Unregelmäßigkeit
im vorgenannten Sinne darstellt, in ihren Schlussanträgen
ausgeführt hat, es lasse sich „plausibel
argumentieren“, dass L die an sie geleistete Zahlung des
HZA hätte überprüfen und „das Thema
gegenüber dem Hauptzollamt ansprechen müssen“.
Dabei mag auf sich beruhen, ob - wie die Generalanwältin
offenbar annimmt - Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 dahin verstanden
werden kann, dass im Sinne dieser Vorschrift eine
Unregelmäßigkeit einen Schaden für die
Gemeinschaft, wie es dort heißt, „durch eine
ungerechtfertigte Ausgabe“ auch dann
„bewirkt“ hat, wenn sie nicht Ursache dieser
Ausgabe ist, sondern erst begangen wird, nachdem - wie im
Streitfall - die betreffende Ausgabe bereits getätigt worden
ist. Selbst wenn man davon ausgehen könnte, fehlt es doch -
wie die Kommission in ihrer Stellungnahme in dem
Vorabentscheidungsverfahren bereits hervorgehoben hat - an einer -
auch von der Generalanwältin nicht benannten -
Gemeinschaftsvorschrift, die einen Ausführer dazu
verpflichtet, die ihm auf seinen Zahlungsantrag ausgezahlte
Ausfuhrerstattung nachzurechnen und die Zahlung
zurückzuweisen, wenn er dabei zu dem Ergebnis kommt, dass die
Behörde bei der Festsetzung der Erstattung einen Fehler
begangen hat. Der erkennende Senat vermag kein tragfähiges
rechtliches Argument für die Annahme zu erkennen, dass das
Gemeinschaftsrecht von einem Ausführer verlangt, eine solche -
wie die Kommission ebenfalls bereits mit Recht hervorgehoben hat,
typischerweise nicht einfache - Nachprüfung des ausgezahlten
Erstattungsbetrags vorzunehmen. Wenn die Klägerin sich
dafür darauf beruft, diese Verpflichtung ergebe sich
„aus dem laufenden Verwaltungsverfahren“,
lässt sich daraus kein nachvollziehbarer rechtlicher
Gesichtspunkt für eine solche Handlungspflicht gewinnen. Ob im
Übrigen die - ebenfalls im Gemeinschaftsrecht zumindest nicht
ausdrücklich erwähnte - weitere Pflicht bestünde,
eine unrechtmäßige Zahlung zurückzuweisen oder, was
die Generalanwältin offenbar für richtig hält, dem
HZA den Erlass eines Rückforderungsbescheids nahezulegen,
kann, weil es schon an der Nachprüfungspflicht fehlt,
unerörtert bleiben. Ebenso kann dahinstehen, welche Pflichten
sich für den Ausführer ergäben, wenn er die
Unrechtmäßigkeit der Zahlung des HZA positiv erkennt
(vgl. dazu bereits das Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden
Senats). Denn es ist nicht festgestellt, dass L die
Unrechtmäßigkeit der Zahlung erkannt hat, und es ist
angesichts eines Überzahlungsbetrags von nur rd. 1.300 DM auch
nicht einmal ohne weiteres naheliegend, dass dieses so gewesen sein
könnte.
2. Das Urteil des FG ist auch nicht im
Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO).
Bei Ergehen bzw. Bekanntgabe des angefochtenen
Haftungsbescheids bestand - außer der hier, wie
ausgeführt, nicht unmittelbar anwendbaren VO Nr. 2988/95 -
keine ausdrückliche gemeinschaftsrechtliche Regelung über
die Verjährung von Ansprüchen wegen der Wiedereinziehung
zu Unrecht geleisteter Ausfuhrerstattungen. Ob die Regelungen der
VO Nr. 2988/95 - aufgrund eines Erst-recht-Schlusses - auf
Sachverhalte entsprechend angewandt werden könnten, in denen
die von der Verordnung vorausgesetzte Unregelmäßigkeit
nicht begangen worden ist, oder ob dies schon aufgrund des
Sinnzusammenhangs der Gründe der Vorabentscheidung des EuGH,
an welche der erkennende Senat gebunden ist, ausgeschlossen
erscheinen muss, bedarf keiner näheren Erörterung. Denn
wie der Senat in seinem Urteil vom 7.7.2009 VII R 24/06 (zur
amtlichen Veröffentlichung bestimmt) entschieden hat,
wäre auch bei entsprechender Anwendung der VO Nr. 2988/95 der
Rückzahlungsanspruch des HZA bei Erlass des angefochtenen
Bescheids nicht verjährt, weil ein solcher Anspruch nach dem
gemäß Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 anzuwendenden
deutschen Recht nicht innerhalb der hier bis zur Rückforderung
verstrichenen Frist von weniger als zehn Jahren verjährt. Was
in jener Entscheidung vom Senat für einen Fall, dass vom
Ausführer eine Unregelmäßigkeit begangen worden
bzw. ihm eine solche zuzurechnen ist, ausgeführt worden ist,
gilt auch für den hier gegebenen Fall, dass die
Erstattungsforderung nicht auf einer dem Ausführer
zuzurechnenden Unregelmäßigkeit beruht.
3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Es
bedarf noch der Klärung, ob die Voraussetzungen des Art. 11
Abs. 3 Unterabs. 6 der hier i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 2945/94
- VO Nr. 2945/94 - (ABlEG Nr. L 310/57) sowie der Verordnung (EG)
Nr. 495/97 - VO Nr. 495/97 - (ABlEG Nr. L 77/12) noch anzuwendenden
VO Nr. 3665/87 vorliegen.
Nach dieser Vorschrift haften der
Begünstigte und der Zedent als Gesamtschuldner für die
Rückzahlung unrechtmäßig gezahlter
(Ausfuhrerstattungs-)Beträge, wenn die Erstattung einem
Zessionar gezahlt wird, wobei Satz 2 der vorgenannten Vorschrift
die Verantwortung des Zessionars „auf den ihm gezahlten
Betrag einschließlich Zinsen“
„beschränkt“. Erst recht angesichts der
Neufassung des Satzes 1 der Bestimmung durch die VO Nr. 495/97, die
statt von einer dem Zessionar „gewährten“
von einer ihm „gezahlten“ Ausfuhrerstattung
spricht - was ersichtlich eine (in der Tat gebotene) sprachliche
Richtigstellung darstellt -, kann diese Vorschrift entgegen der
Ansicht des HZA nicht dahin verstanden werden, dass der Zessionar
auch für Ausfuhrerstattungsbeträge haftet, die nicht ihm,
sondern dem Zedenten ausgezahlt worden sind, z.B. weil dem HZA die
Abtretung nicht angezeigt worden war oder von ihm unbeachtet
gelassen worden ist. Zwar trifft es zu, dass, worauf das HZA
hingewiesen hat, die Begründungserwägungen zu der VO Nr.
2945/94 davon sprechen, die Verpflichtung zur Zurückzahlung
eines zu Unrecht gezahlten Ausfuhrerstattungsbetrags solle zum
besseren Schutz der finanziellen Belange der Gemeinschaft
„bei Abtretung des Erstattungsanspruchs auch für den
Zessionar gelten“. Das vermag indes nichts daran zu
ändern, dass der - insofern maßgebliche (vgl. Urteil des
EuGH vom 2.4.2009 C-134/08, HFR 2009, 630 = SIS 09 14 94) - Text
des einschlägigen Verordnungsartikels jene Verpflichtung enger
fasst, nämlich nicht nur auf die Abtretung des
Erstattungsanspruchs abstellt, sondern auch darauf, ob aufgrund der
Abtretung an den Zessionar gezahlt worden ist.
Das vom FG im ersten Rechtsgang erlassene
Urteil enthält - entsprechend dem Rechtsstandpunkt des FG -
keine ausreichenden Feststellungen dazu, ob die Voraussetzungen des
Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 6 VO Nr. 3665/87 vorliegen. Die Sache muss
daher zurück an das FG gehen, damit diese Feststellungen
nachgeholt werden können.
Dabei wird es freilich nicht allein auf den
reinen unmittelbaren Zahlungsweg ankommen (vgl. schon
Entscheidungen des Senats vom 27.10.1992 VII R 46/92, BFHE 169, 570
= SIS 93 06 35, und vom 20.7.2004 VII B 310/03, BFH/NV 2005, 87 =
SIS 05 04 42), also darauf, ob - wie zwischen den Beteiligten
offenbar nicht streitig ist - das HZA die Ausfuhrerstattung auf ein
unter dem Namen der L geführtes Bankkonto überwiesen hat.
Denn Leistungsempfänger einer solchen Zahlung auf eine zur
Sicherheit abgetretene Forderung kann gleichwohl der Zessionar sein
(Urteil des Senats vom 5.6.2007 VII R 17/06, BFHE 217, 241, BStBl
II 2007, 738 = SIS 07 29 09), wenn es sich nämlich um eine
(mittelbar) an diesen geleistete Zahlung handelt. In diesem Falle
wären die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 6 VO
Nr. 3665/87 ebenso erfüllt wie bei einer Direktzahlung auf ein
eigenes Konto des Zessionars.