Pensionsverpflichtung, Deckung durch kombinierte Kapitallebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung, Anschaffungskosten: Ein Anspruch eines Arbeitgebers auf Rückdeckung einer Pensionsverpflichtung, der aus einer Kapitallebensversicherung resultiert, die in Kombination mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung auch den Leistungsfall der Berufsunfähigkeit abdeckt, ist - auch nach Eintritt dieses Leistungsfalls - als ein (einheitliches) Wirtschaftsgut zu aktivieren. Für die Bemessung der Anschaffungskosten ist der Rechnungszinssatz maßgeblich, den der Versicherer für die Berechnung der Deckungsrückstellung für die Lebensversicherung verwendet hat. - Urt.; BFH 10.6.2009, I R 67/08; SIS 09 29 84
I. Streitpunkt ist die Bemessung des
Abzinsungssatzes bei der Aktivierung eines
Rückdeckungsanspruchs aus einer Kapitallebensversicherung, die
in Kombination mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung
(BUZ) abgeschlossen worden ist, nach Eintritt des
Versicherungsfalls aus der BUZ.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die zur
Rückdeckung einer Versorgungszusage zugunsten ihres vormaligen
Geschäftsführers bei einem Lebensversicherungsunternehmen
(V-AG) eine Kapitallebensversicherung mit zusätzlicher
Risikoabsicherung auf Rentenbasis bei Berufsunfähigkeit
abgeschlossen hatte. Nach Eintritt des Versicherungsfalls aus der
BUZ aktivierte die Klägerin sowohl den auf die
„Hauptversicherung“ als auch den auf die BUZ
entfallenden Teil des Rückdeckungsanspruchs. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) schätzte - da ihm im
Rahmen einer Außenprüfung keine
versicherungsmathematischen Berechnungen der V-AG zur
Verfügung standen - den Aktivwert des
Rückdeckungsanspruchs auf einen höheren Betrag und
erließ auf dieser Grundlage geänderte körperschaft-
und gewerbesteuerliche Bescheide für die Streitjahre (1996 bis
1998).
Im Verlauf des erstinstanzlichen
Klageverfahrens hat die Klägerin (erstmals)
versicherungsmathematische Berechnungsunterlagen der V-AG
vorgelegt. Danach ist die V-AG zur Ermittlung des Deckungskapitals
für die „Hauptversicherung“ von einem
Rechnungszinssatz von 3 % ausgegangen, während sie das
Deckungskapital für die Ansprüche aus der BUZ unter
Verwendung eines Rechnungszinssatzes von 6 % ermittelt hat. Die auf
dieser Basis ermittelten Werte entsprechen den Positionen in der
Bilanz der Klägerin. Daraufhin hat das FA den Klageanspruch in
Bezug auf den Ansatz des auf die „Hauptversicherung“
entfallenden Teils des Rückdeckungsanspruchs anerkannt. Das
Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) hat der Klage insoweit
stattgegeben; die darüber hinausgehende Klage hat es
abgewiesen. Sein Urteil vom 25.6.2008 1 K 186/04 ist in EFG 2008,
1442 = SIS 08 30 49 abgedruckt.
Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf
die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der
Klägerin.
Nachdem das FA während des
Revisionsverfahrens im Hinblick auf die Teilstattgabe der Klage
geänderte Bescheide erlassen hat, beantragt die Klägerin
(sinngemäß), das FG-Urteil und die angefochtenen
Bescheide aufzuheben und der Besteuerung ihre Bilanzansätze
aus den Rückdeckungsversicherungen ohne Veränderungen
zugrunde zu legen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Das angefochtene Urteil ist aus
verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle der
ursprünglich angefochtenen Bescheide vom 11.12.2001 sind
während des Revisionsverfahrens die geänderten Bescheide
des FA getreten. Da dem FG-Urteil insoweit nicht mehr existierende
Bescheide zugrunde liegen, kann es keinen Bestand haben (vgl.
Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3.8.2005 I R 94/03, BFHE
210, 398, BStBl II 2006, 20 = SIS 05 45 92; vom 28.8.2003 IV R
20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10 = SIS 03 42 92).
Die Änderungsbescheide wurden jeweils
gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens. Einer
Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung gemäß § 127 FGO bedarf es nicht,
weil die Sache spruchreif ist. Die vom FG getroffenen
tatsächlichen Feststellungen werden von den
Änderungsbescheiden nicht berührt und bilden
unverändert die Grundlage für die Entscheidung des
erkennenden Senats. Diese kann in der Sache selbst ergehen (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
III. Die Klage ist im Hinblick auf die
geänderten Bescheide unbegründet und deshalb abzuweisen.
FA und FG haben den zu aktivierenden Rückdeckungsanspruch der
Klägerin gegen die V-AG zu Recht einheitlich anhand des
geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals der V-AG
für den mit der Klägerin bestehenden Versicherungsvertrag
bemessen.
1. Nach § 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) - für die Gewerbesteuer
i.V.m. § 7 des Gewerbesteuergesetzes 1991 - i.V.m. § 5
Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat die
Klägerin das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den
handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger
Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die
„handelsrechtlichen“ GoB ergeben sich
vornehmlich aus den für alle Kaufleute geltenden Vorschriften
der §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB).
2. Die Rückdeckung einer
Pensionsverpflichtung des Arbeitgebers dient dazu, die
Erfüllbarkeit der gegebenen Pensionszusage bei Erreichen des
Pensionsalters sowie bei vorzeitigen Versorgungsfällen wie
Invalidität oder Tod des Aktiven sicherzustellen. Ein dahin
gehender Anspruch auf Rückdeckung (Erstattung) zu leistender
Renten ist als Forderung (§ 194 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs - BGB - ) gegen den Versicherer zu bilanzieren (§
246 Abs. 1 HGB) und unter den sonstigen
Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens i.S. des
§ 266 Abs. 2 B.II.4. HGB auszuweisen. Zur Vermeidung von
Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf seine Entscheidungen
vom 25.2.2004 I R 54/02 (BFHE 205, 434, BStBl II 2004, 654 = SIS 04 22 18), vom 25.2.2004 I R 8/03 (BFH/NV 2004, 1234 = SIS 04 32 54)
und vom 9.8.2006 I R 11/06 (BFHE 214, 513, BStBl II 2006, 762 = SIS 06 37 75).
3. Forderungen sind gemäß §
253 Abs. 1 Satz 1 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG
grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen.
Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 HGB die
Aufwendungen, die geleistet werden, um ein Wirtschaftsgut zu
erwerben, soweit sie diesem einzeln zugeordnet werden
können.
a) Bei den auf Kapitallebensversicherungen
basierenden Rückdeckungsansprüchen trifft dies
zunächst für die bis zum jeweiligen Bilanzstichtag vom
Versicherungsnehmer aufgewendeten Sparanteile der
Versicherungsprämien (Sparbeiträge) zu. Zu
Anschaffungskosten führt auch die rechnungsmäßige
Verzinsung dieser Sparbeiträge, die vertraglich garantiert
wurde und daher entsprechende Zinsansprüche des
Versicherungsnehmers begründete. Der (als Anschaffungskosten
des jeweiligen Rückdeckungsanspruchs des Versicherungsnehmers
zu aktivierenden) verzinslichen Ansammlung der geleisteten
Sparbeiträge entspricht auf der Seite des Versicherers unter
Zugrundelegung einer retrospektiven Betrachtung zum jeweiligen
Bilanzstichtag begrifflich und betragsmäßig dessen
geschäftsplanmäßiges Deckungskapital (vgl.
Senatsurteile in BFHE 205, 434, BStBl II 2004, 654 = SIS 04 22 18;
in BFH/NV 2004, 1234 = SIS 04 32 54, jeweils m.w.N.; in BFHE 214,
513, BStBl II 2006, 762 = SIS 06 37 75). Am jeweiligen
Bilanzstichtag prospektiv betrachtet ist dies der (nämliche)
Betrag, den der Versicherer in Höhe des Barwerts der
künftigen Verpflichtungen aus dem jeweiligen Vertrag
abzüglich des Barwerts der künftig eingehenden
Nettobeiträge passivieren muss - Deckungsrückstellung des
Versicherers (§ 341f HGB) - . Das vom Versicherer jeweils
nachgewiesene und im Rahmen des aufsichtsrechtlich zulässigen
Rechnungszinsfusses berechnete Deckungskapital
(Deckungsrückstellung) ist somit auch Bewertungsgrundlage und
-maßstab für den korrespondierenden
Rückdeckungsanspruch des Versicherungsnehmers zu dessen
Anschaffungskosten (Senatsurteile in BFHE 205, 434, BStBl II 2004,
654 = SIS 04 22 18, und in BFH/NV 2004, 1234 = SIS 04 32 54).
b) Diese Bewertungsgrundsätze gelten auch
für Deckungsansprüche aus Kapitallebensversicherungen,
die durch die Kombination mit einer BUZ auch den Leistungsfall der
Berufsunfähigkeit absichern. Der Senat folgt nicht der
Auffassung der Klägerin, dass es sich bei dem Anspruch der
Klägerin aus der BUZ um ein eigenständiges, von der
Forderung aus dem „Hauptteil“ der
Kapitallebensversicherung getrennt zu bilanzierendes Wirtschaftsgut
handele, das wie ein Anspruch aus einer reinen Risikoversicherung
zu bilanzieren wäre. Vielmehr ist die BUZ im Streitfall nach
den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden und
von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanz
unselbständiger Teil des einheitlichen
Versicherungsverhältnisses zwischen der Klägerin und der
V-AG, dem dadurch eine Leistungspflicht für einen
zusätzlichen vorzeitigen Versorgungsfall hinzugefügt
worden ist. Die Annahmen über die Wahrscheinlichkeit des
Leistungsfalls der Berufsunfähigkeit sind in diesem Fall
Bestandteil der Rechnungsgrundlagen für die
Deckungsrückstellung aus der Lebensversicherung (vgl. Wiedmann
in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 2. Aufl.,
§ 341f Rz 12). Die BUZ ist - wie z.B. auch ein
Rückdeckungsanspruch in Bezug auf eine Zusage auf
Witwenversorgung (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 214, 513, BStBl II
2006, 762 = SIS 06 37 75) - Teil des umfassenden
Rückdeckungsanspruchs gegenüber dem Versicherer im
Hinblick auf die eingegangene Pensionsverpflichtung. Darin
unterscheidet sich die BUZ von der von der Klägerin in Bezug
genommenen selbständigen Berufsunfähigkeitsversicherung,
die nicht in Zusammenhang mit einer Lebensversicherung
abgeschlossen wird und deshalb selbständig zu bewerten ist
(anders wohl Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen
Altersversorgung, Band II: Steuerrecht, 5. Aufl., Rz 782).
c) Der Eintritt des Leistungsfalls (im
Streitfall: die Berufsunfähigkeit) ändert nichts an der
Bemessung der Anschaffungskosten oder des Teilwerts des
Rückdeckungsanspruchs. Insbesondere wird dadurch der Aktivwert
des Rückdeckungsanspruchs nicht auf den Wert der von der
Klägerin gemäß § 6a EStG zu bildenden
Pensionsrückstellung begrenzt (vgl. Senatsurteil in BFH/NV
2004, 1234 = SIS 04 32 54; Höfer, a.a.O., Rz 777 ff.; Gosch in
Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 6a Rz 49; a.A.
Ahrend/Förster/ Rößler, Steuerrecht der
betrieblichen Altersversorgung, 4. Aufl., 2. Teil Rz 1248 f.;
Blümich/Förster, Einkommensteuergesetz,
Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 6a EStG
Rz 487).
4. Nach den Feststellungen des FG hat die V-AG
der Ermittlung des Deckungskapitals für die
Kapitallebensversicherung einen Rechnungszinssatz von 3 % zugrunde
gelegt. Dieser ist sonach für die Bemessung der
Anschaffungskosten des Rückdeckungsanspruchs der Klägerin
maßgeblich. Die darauf beruhende Berechnung des FA zur
Höhe der zu aktivierenden Forderung ist von der Klägerin
nicht in Zweifel gezogen worden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1, § 137 Satz 1 FGO. Der Senat teilt die Auffassung
des FG, dass die Klägerin wegen der erst während des
Klageverfahrens erfolgten Vorlage der versicherungsmathematischen
Berechnungsunterlagen der V-AG die erstinstanzlichen Kosten auch im
Hinblick auf den durch die Teilstattgabe erledigten Teil des
Rechtsstreits zu tragen hat.