1
|
I. Streitig ist, ob die Übernahme von
Steuerberatungskosten im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung zu
Arbeitslohn führt.
|
|
|
2
|
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) beschäftigt u.a. von
ihrer Muttergesellschaft aus Japan entsandte Arbeitnehmer. Mit
diesen bestehen Nettolohnvereinbarungen. Danach trägt der
Arbeitgeber Steuern und Sozialabgaben für die Arbeitnehmer;
diese treten dem Arbeitgeber unwiderruflich alle Erstattungen von
Steuern und Sozialabgaben ab. Nach den Feststellungen einer im Jahr
2004 bei der Klägerin durchgeführten
Lohnsteuer-Außenprüfung hatte die Klägerin im Jahr
2003 für fünf japanische Mitarbeiter die Kosten für
die Erstellung der Einkommensteuererklärungen 2001
übernommen. Der Prüfer vertrat die Auffassung, insoweit
liege steuerpflichtiger Arbeitslohn vor. Von der Nachversteuerung
für zwei bereits vor dem Kalenderjahr 2003 ins Ausland
verzogene Mitarbeiter wurde abgesehen. Bei den übrigen drei
Arbeitnehmern berechnete der Prüfer die Mehrsteuern netto zu
Lasten des Arbeitgebers (Nettobetrag 1.067,20 EUR, Lohnsteuer 3.196
EUR). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
nahm die Klägerin insoweit durch Haftungsbescheid vom 4.6.2004
über Lohnsteuer in Höhe von 3.196 EUR zuzüglich
Solidaritätszuschlag in Höhe von 175,78 EUR sowie wegen
weiterer hier nicht streitiger Punkte in Anspruch. Gegen den
Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Mit
Einspruchsentscheidung vom 10.4.2007 wurde die Haftungssumme aus
anderen Gründen teilweise herabgesetzt; hinsichtlich der
Übernahme der Steuerberatungskosten wies das FA den Einspruch
als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG) wies die
hiergegen erhobene Klage mit den in EFG 2008, 545 = SIS 08 19 18
veröffentlichten Gründen ab.
|
|
|
3
|
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
|
|
|
4
|
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG Düsseldorf vom 5.12.2007 7 K 1743/07 H(L) aufzuheben und
den Haftungsbescheid vom 4.6.2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 10.4.2007 insoweit abzuändern, als
die Klägerin wegen der Übernahme der
Steuerberatungskosten für ihre Arbeitnehmer in Haftung
genommen wird.
|
|
|
5
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
6
|
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass die Übernahme der Kosten für die Erstellung der
persönlichen Steuererklärungen ihrer japanischen
Arbeitnehmer durch die Klägerin zu Arbeitslohn führt und
deshalb der angefochtene Haftungsbescheid auch hinsichtlich der auf
diese Beiträge entfallenden Lohnsteuer (zuzüglich
Annexsteuern) rechtmäßig ist.
|
|
|
7
|
1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) haftet der Arbeitgeber für die
Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder
Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers
einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
abzuführen hat. Hiervon ist im Streitfall - auch nach
übereinstimmender Auffassung der Beteiligten - auszugehen.
Insbesondere steht die Ermessensentscheidung des FA, die
Klägerin in Haftung zu nehmen, zu Recht außer
Streit.
|
|
|
8
|
2. Die Übernahme der
Steuerberatungskosten für die Erstellung der
Steuererklärungen ihrer japanischen Arbeitnehmer durch die
Klägerin führt zu Arbeitslohn.
|
|
|
9
|
a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
gehören u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine
Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst
gewährt werden, zu den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal
„für“ ist nach ständiger
Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom
Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das
Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als
Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind solche Vorteile kein
Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller
Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als
notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung
erweisen.
|
|
|
10
|
Ein Vorteil wird dann aus ganz
überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im
Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu
schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck
im Vordergrund steht. In diesem Fall des „ganz
überwiegend“ eigenbetrieblichen Interesses kann ein
damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den
betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die
danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass,
Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten,
freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder
Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit
für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu
berücksichtigen. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers
gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine
Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber - neben dem
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers - ein nicht
unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die
Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur
Lohnzuwendung (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.4.2006
VI R 60/02, BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691 = SIS 06 30 05,
m.w.N.; vom 26.7.2007 VI R 64/06, BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892
= SIS 07 29 08; vom 17.1.2008 VI R 26/06, BFHE 220, 266, BStBl II
2008, 378 = SIS 08 12 05; vom 12.2.2009 VI R 32/08, BFHE 224, 314,
BStBl II 2009, 462 = SIS 09 10 14, m.w.N.).
|
|
|
11
|
b) Nach diesen Grundsätzen hat das FG
eine Gesamtwürdigung vorgenommen. Es ist dabei zu dem Ergebnis
gelangt, dass die Übernahme der Steuerberatungskosten für
die Steuererklärungen der japanischen Arbeitnehmer durch die
Klägerin auch im eigenen Interesse der ausländischen
Arbeitnehmer erfolgte und deshalb Arbeitslohn anzunehmen sei. Diese
Gesamtwürdigung, die revisionsrechtlich nur begrenzt
überprüfbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom
10.2.2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488 = SIS 05 17 03; vom 10.11.2005 VI B 75/05, BFH/NV 2006, 530 = SIS 06 11 71;
BFH-Urteil vom 12.4.2007 VI R 77/04, BFH/NV 2007, 1643 = SIS 07 27 47; in BFHE 224, 314, BStBl II 2009, 462 = SIS 09 10 14;
Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz
30; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung,
§ 118 FGO Rz 87, m.w.N.), ist möglich; sie lässt
keinen Rechtsfehler erkennen.
|
|
|
12
|
aa) Nach den von der Klägerin nicht mit
zulässigen und begründeten Verfahrensrügen
angegriffenen Feststellungen des FG gründet die Übernahme
der Steuerberatungskosten auf der zwischen der Klägerin und
ihren ausländischen Arbeitnehmern getroffenen Nettolohnabrede.
Deshalb - die Klägerin übernimmt nach eigenem Vorbringen
die Steuerberatungskosten nur beim Vorliegen solcher Vereinbarungen
- ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG das
ganz überwiegend eigenbetriebliche Interesse an der
Kostenübernahme nach den Motiven für den Abschluss der
Nettolohnvereinbarung insgesamt bestimmt und nicht nach dem
wirtschaftlichen Verbleib der Steuererstattungen im Einzelnen
beurteilt.
|
|
|
13
|
bb) Auch die Würdigung, dass der
Abschluss der Nettolohnvereinbarungen im Streitfall sogar im
überwiegenden Interesse der ausländischen Arbeitnehmer
liegt, ist frei von Rechtsfehlern. Dieser Schluss liegt schon
deshalb nahe, weil die Nettolohnvereinbarung für den
Arbeitgeber unzweckmäßig (Schaub,
Arbeitsrechts-Handbuch, 13. Aufl. 2009, § 71 Rz 108) und
risikobehaftet (Küttner/Griese, Personalbuch 2009, Stichwort
Nettolohnvereinbarung, Rz 1) ist. Dies deshalb, weil der
(ausländische) Arbeitnehmer die Lohnkostenbelastung durch
Änderung von in seiner Sphäre liegenden individuellen
Umständen beeinflussen kann. Außerdem wirken sich
Beitragserhöhungen zu Lasten des Arbeitgebers aus. In diesem
Fall muss er einen höheren Bruttolohn berechnen, um dem
Arbeitnehmer den vereinbarten Nettolohn zu zahlen. Darüber
hinaus ist für den Arbeitgeber kalkulatorisch ohne Belang, ob
er eine Brutto- oder Nettolohnvereinbarung abschließt. Die
Arbeitskosten sind auch bei der Nettolohnabrede ein - wenn auch aus
dem Nettolohn hochgerechnetes - Bruttoentgelt (vgl. Senatsurteil
vom 30.7.2009 VI R 29/06, BFHE 226, 219, BStBl II 2010, 148 = SIS 09 30 36).
|
|
|
14
|
Den ausländischen Arbeitnehmern hingegen
wird mit dem zugesagten Nettolohn eine handhabbare Entscheidungs-
und Vergleichsgröße zur Verfügung gestellt, die
ihnen erlaubt, den wirtschaftlichen Nutzen des Auslandsaufenthalts
zu bewerten. Darüber hinaus muss sich der Arbeitnehmer bei
einer Nettolohnabrede weder mit steuer- und
sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einer
ausländischen Rechtsordnung noch mit den Fragen
grenzüberschreitender Besteuerung befassen. Die Klägerin
hat selbst eingeräumt, dass sich die Attraktivität der
Auslandsvergütung für den Arbeitnehmer nach dem zur
Verfügung stehenden Nettolohn bemesse und deshalb
üblicherweise bei der Entsendung ins Ausland ein Nettolohn
vereinbart werde. Dabei verkennt der Senat nicht, dass vorliegend
die Nettolohnvereinbarungen auch im Interesse der Klägerin
liegen. Derartige Vereinbarungen dienen im Streitfall der
Minimierung von Lohnkosten. Eine Bruttolohnvereinbarung würde
bei jeder Veränderung der für die Berechnung des
Nettolohns maßgeblichen Größen eine
Vertragsanpassung erfordern und wäre daher mit einem
administrativen Mehraufwand für die Klägerin verbunden.
Gleichwohl vermag dieser Umstand ein ganz überwiegend
eigenbetriebliches Interesse der Klägerin am Abschluss von
Nettolohnvereinbarungen nicht zu begründen. Er macht vielmehr
deutlich, dass die Nettolohnvereinbarung einerseits auf dem Wunsch
der Arbeitnehmer nach Vergleichbarkeit von Inlands- und
Auslandsgehalt beruht und andererseits dem Interesse des
Arbeitgebers, diesem Wunsch möglichst kostengünstig,
leicht administrierbar und flexibel Rechnung zu tragen, dient.
|
|
|
15
|
Die vom FG auf dieser Grundlage vorgenommene
Gewichtung, dass der Abschluss der Nettolohnvereinbarung und damit
auch die Übernahme der Steuerberatungskosten durch die
Klägerin nicht in ihrem ganz überwiegend
eigenbetrieblichen Interesse, sondern zumindest auch im
Eigeninteresse der Arbeitnehmer lag, ist jedenfalls möglich
und lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die eigenbetrieblichen
Interessen der Klägerin an der Übernahme der streitigen
Kosten treten gegenüber dem offenkundigen eigenen Interesse
der ausländischen Arbeitnehmer zumindest nicht evident hervor.
Die vom FG angestellte Gesamtwürdigung ist daher aus
revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
|
|
|
16
|
cc) Die BFH-Entscheidung vom 14.8.2001 XI R
22/00 (BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180 = SIS 02 04 51<Outplacement-Beratung>) vermag das Begehren der
Klägerin ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Dort hat der BFH
entschieden, dass eine Entlassungsentschädigung auch dann als
steuerbegünstigter Arbeitslohn zu beurteilen ist, wenn in
einem späteren Veranlagungszeitraum aus sozialer Fürsorge
für eine gewisse Übergangszeit ergänzende
Entschädigungszusatzleistungen (beispielsweise eine
Outplacement-Beratung) erbracht werden. Der Umstand, dass sozial
motivierte Zusatzleistungen einer Zusammenballung von
Einkünften i.S. von §§ 34, 24 Nr. 1 EStG nicht
entgegenstehen, erlaubt keinen Schluss, ob vorliegend die
Übernahme der Steuerberatungskosten zum Arbeitslohn zu
zählen ist.
|
|
|
17
|
3. Dass das FA die streitbefangene Lohnsteuer
nebst Annexsteuern - ungeachtet der Frage des eigenbetrieblichen
Interesses - durch einen Haftungsbescheid festsetzen durfte, ist
zwischen den Beteiligten zu Recht ebenso wenig streitig wie die
Bemessung der Haftungsschuld selbst.
|