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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) hat im März 1995
Bananen aus Ecuador eingeführt und dafür Einfuhrabgaben
entrichtet. Dem damals zuständigen Hauptzollamt Hamburg-Jonas
war dabei durch einstweilige Anordnung des Finanzgerichts (FG)
aufgegeben worden, die Bananen zu einem Zollsatz von 75 ECU/t
abzufertigen, obwohl die Klägerin die dafür nach
Maßgabe der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 (VO Nr. 404/93) des
Rates vom 13.2.1993 über die gemeinsame Marktorganisation
für Bananen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -
ABlEG - Nr. L 47/1, damals anzuwenden in der Fassung der
Änderungsverordnungen (EG) Nr. 3518/93, ABlEG Nr. L 320/15,
und Nr. 3290/94, ABlEG Nr. L 349/105) erforderliche, im Rahmen von
der Gemeinschaft festgesetzter Einfuhrkontingente zu erteilende
Einfuhrlizenz nicht besaß. Nachdem der erkennende Senat
diesen Beschluss des FG aufgehoben hatte (Beschluss vom 22.8.1995
VII B 153/95 u.a., BFHE 178, 15 = SIS 95 26 01), hat das
Hauptzollamt Hamburg-Jonas mit dem angefochtenen Bescheid vom
29.8.1995 die Differenz zu dem nach Maßgabe des
Regelzollsatzes von 822 ECU/t errechneten Zoll nebst
Einfuhrumsatzsteuer nacherhoben.
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Hiergegen richtet sich die Klage, die das
FG abgewiesen hat. Es urteilte, die Nacherhebung sei nicht
verfristet und auch weder durch Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des
Zollkodex (ZK) noch mit Rücksicht auf die vom FG erlassene
einstweilige Anordnung durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes
ausgeschlossen. Ihre Rechtsgrundlage sei Art. 18 VO Nr. 404/93.
Dieser sei zwar mit dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen
(GATT) nicht vereinbar; darauf könne sich die Klägerin
jedoch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Union - früher Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften - (EuGH) nicht berufen. Um einen
ausbrechenden Rechtsakt, bei dem Art. 18 VO Nr. 404/93 nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus
verfassungsrechtlichen Gründen nicht angewandt werden
dürfe, handele es sich nicht; denn die Gemeinschaft habe in
vorgenannter Vorschrift ihre sachliche Kompetenz nicht
überschritten. Ein allgemeiner Prüfungsvorbehalt des
BVerfG hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von
Gemeinschaftsrecht und seiner Vereinbarkeit mit den Grundrechten
bestehe nicht.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die
Revision der Klägerin, zu deren Begründung im
Wesentlichen Folgendes vorgetragen wird:
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Nach Art. 300 Abs. 7 des Vertrags zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) seien von der
Gemeinschaft geschlossene Abkommen wie das GATT 1994 für die
Organe der Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten verbindlich.
Unabhängig von der Frage, ob das GATT 1994 subjektive
Berechtigungen auslöse, sei es also integraler Bestandteil des
Gemeinschaftsrechts, so dass die Gemeinschaftsgerichte es
unmittelbar zur Prüfung der Rechtmäßigkeit von
Gemeinschaftshandlungen auch dann heranziehen müssten, wenn
das gemeinschaftliche Sekundärrecht mit dem Primärrecht
der Gemeinschaft vereinbar ist.
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Das bei Streitigkeiten über die
Anwendung des GATT 1994 berufene Streitschlichtungsgremium
(Dispute Settlement Body - DSB - )
der Welthandelsorganision (WTO) habe in Sachen Ecuador ./.
Europäische Gemeinschaft am 25.9.1997 eine Entscheidung
getroffen (vgl. Europäische Zeitschrift für
Wirtschaftsrecht - EuZW - 1997, 722), aus der sich aber auch die
Unvereinbarkeit des Sekundärrechts mit dem Primärrecht
ergebe, weil alle Akte des Sekundärrechts an den
völkerrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben sowie an den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden seien,
welche die Gemeinschaft mit der Bananenmarktordnung verletzt
habe.
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Überdies habe die
gemeinschaftsrechtliche Einfuhrregelung für Bananen eine
Verpflichtung der Gemeinschaft umsetzen sollen, die diese im Rahmen
der WTO übernommen habe. Die in der Entscheidung des DSB vom
25.9.1997 festgestellte Unvereinbarkeit der damaligen
Bananenmarktordnung mit den WTO-Regeln sei jedoch durch die
Nachfolgeregelungen nicht behoben worden.
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Ferner sei auch der Gesichtspunkt der
Gemeinschaftstreue nach Art. 10 EG zu berücksichtigen, der
nicht nur im Verhältnis der Mitgliedstaaten zur Gemeinschaft,
sondern auch umgekehrt gelte; wenn die Gemeinschaft im
WTO-Streitbeilegungsverfahren endgültig unterliege und die
Umsetzungsfrist für die dort getroffene Entscheidung
abgelaufen sei, müsse der EuGH Welthandelsrecht als
Maßstab des Sekundärrechts anerkennen.
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Der EuGH könne nach den neuen
Entscheidungen des DSB nicht an seiner Rechtsprechung festhalten,
dass das WTO-Recht innerhalb der Gemeinschaft keine unmittelbare
Wirkung in dem Sinne habe, dass der einzelne Marktbürger sich
auf dieses berufen könne, wenn er die Rechtswidrigkeit von
Gemeinschaftshandlungen geltend machen wolle. Denn es stehe fest,
dass die Gemeinschaft fortwährend und nachhaltig gegen das
WTO-Recht und damit gegen den völkerrechtlichen Grundsatz von
Treu und Glauben verstoßen habe.
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Der EuGH könne auch nicht an der
Auffassung festhalten, dass das Gemeinschaftsrecht dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit entspreche.
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Die früheren Vorbehalte des EuGH
gegenüber dem GATT 1947 seien infolge dessen Verrechtlichung
nicht mehr durchgreifend; aus ihnen lasse sich eine Ablehnung der
unmittelbaren Anwendbarkeit des GATT 1994 nicht rechtfertigen. Auch
die vom EuGH angeführten prozessualen Spielräume, die
auch nach der Verrechtlichung weiterhin bestünden, seien kein
Argument, welches gegen die unmittelbare Anwendbarkeit des GATT
1994 spreche. Vor allem aber sei dies keine Rechtfertigung für
die Nichteinhaltung des Grundsatzes, dass eine
völkerrechtliche Verpflichtung zur Rücknahme
vertragswidriger Maßnahmen im WTO-Recht existiere, an welchen
die Gemeinschaft und die vollziehenden Mitgliedstaaten gebunden
seien. Daher sei die bisherige Rechtsprechung des EuGH dahin zu
korrigieren, dass eine unmittelbare Wirkung von WTO-Recht für
den einzelnen Marktteilnehmer auch dann anzunehmen sei, wenn die
Gemeinschaft ihre Sekundärrechtsakte nicht ausdrücklich
auf das WTO-Recht stütze, aber die WTO-Widrigkeit durch eine
gerichtsförmige DSB-Entscheidung völkerrechtlich
verbindlich festgestellt sei.
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Die Revision beruft sich ferner auf die
Urteile des Gerichts erster Instanz der Europäischen Union
(EuG) vom 21.9.2005 T-306/01 - Yusuf - (Slg. 2005, II-3533) und
T-315/01 - Kadi - (Slg. 2005, II-3649, Europäische Grundrechte
Zeitschrift 2005, 592), in denen das Gericht den Vorrang des
UN-Rechts vor EU-Recht anerkannt habe. Gleiches müsse für
Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gegenüber der WTO gelten.
Wenn ein Beschluss des Sicherheitsrats Anwendungsvorrang vor
Sekundärrecht habe und eine diesbezügliche
Prüfungskompetenz des Gemeinschaftsgerichts verworfen werde,
müsse dies auch für ein bindendes völkerrechtliches
Urteil im DSB-Verfahren gelten.
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Der EuGH habe in seiner bisherigen
Rechtsprechung zum WTO-Recht übersehen, dass dieses zwar auf
Zwangsmittel gegenüber den Vertragsstaaten verzichte, die
Verpflichtungen der in einem Streitbeilegungsverfahren unterlegenen
Partei aber quasi vollstreckungsreif seien. Das WTO-Recht sei dann
unmittelbar anzuwenden, wenn der Gemeinschaft im WTO-Prozess keine
Handlungsalternativen mehr verblieben. Dieser Fall sei bei der
Bananenmarktordnung eingetreten. Durch die Aufhebung der
Bananenmarktordnung zum 31.12.2005 habe die Gemeinschaft allerdings
eine einvernehmliche Lösung auf zwischenstaatlicher Ebene
unmöglich gemacht; sie dürfe jedoch aus als
völkerrechtswidrig festgestellten Regelungen keine Rechte wie
Zollforderungen herleiten.
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Schließlich macht die Revision in
diesem Zusammenhang geltend, die zu der Frage der
Berufungsfähigkeit des WTO-Rechts vorliegende Rechtsprechung
des EuGH habe noch nicht die hier zu entscheidende Frage behandelt,
ob WTO-Recht bzw. DSB-Entscheidungen dann unmittelbar anwendbar
seien, wenn die ihnen entgegenstehenden Gemeinschaftsrechtsakte
außer Kraft getreten seien. Deshalb müsse dem EuGH
folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt werden:
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„Ist Art. 300 Abs. 7 EGV so
auszulegen, dass Natur und Struktur der WTO Abkommen sowie der
Grundsatz der Gegenseitigkeit auch dann einer Überprüfung
von EG Sekundärrecht entgegenstehen, wenn dieses außer
Kraft getreten ist und gegen völkerrechtliche Verpflichtungen
verstoßen hat, nationale Verwaltungsakte aber noch darauf
gestützt und durchgesetzt werden
sollen?“
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Die Revision ist des Weiteren der
Auffassung, dass ein ausbrechender Rechtsakt im Sinne der
Rechtsprechung des BVerfG vorliege, wenn der EuGH eine unmittelbare
Anwendung des WTO-Rechts verneine bzw. an seiner
diesbezüglichen Haltung festhalten sollte. Da der EuGH eine
unmittelbare Anwendung des WTO-Rechts bejahe, wenn die Gemeinschaft
dieses Recht ausdrücklich umsetzen wolle, müsse ein
ausbrechender Rechtsakt dann angenommen werden, wenn sich die
Gemeinschaft einer völkerrechtlichen Verpflichtung entziehe,
weil sie eine solche Umsetzung gerade nicht beabsichtige. Der
Begriff „ausbrechender Rechtsakt“ sei
nicht auf die Überschreitung der sachlichen Kompetenz eines
Hoheitsträgers zu beschränken, sondern dahin gehend zu
erweitern, dass die bewusste und nachhaltige Nichtanerkennung
zwingender Beschlüsse des DSB durch den EuGH einen solchen
Rechtsakt darstelle.
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Außerdem werde das Grundrecht auf
effektiven Rechtsschutz vom EuGH durch Missachtung des
Völkerrechts versagt, weil die Rechtsprechung des EuGH weder
den Mitgliedstaaten noch den Marktbürgern eine Berufung auf
einen GATT-Verstoß erlaube und das Recht auf effektiven
Rechtsschutz generell vereitele, indem verbindliches und
höherrangiges Völkerrecht nachhaltig missachtet werde.
Wenn das BVerfG in seinem Beschluss vom 7.6.2000 2 BvL 1/97
(BVerfGE 102, 147) einen ausbrechenden Rechtsakt durch die
Bananenmarktordnung verneint habe, so betreffe dies nur das
Verhältnis der Grundrechte der Art. 3, 12 und 14 des
Grundgesetzes (GG) zum Gemeinschaftsrecht, dem durch die vom BVerfG
für erforderlich gehaltene Härtefallregelung zumindest
annähernd entsprochen werden solle. Dies umfasse aber nicht
den Rechtsschutz bezüglich der Weigerung des EuGH, dafür
Sorge zu tragen, dass völkerrechtswidriges Gemeinschaftsrecht
nicht umgesetzt werde. Da das WTO-Recht nur den Mitgliedstaaten die
Möglichkeit biete, gegen Vertragsverletzungen zu klagen,
könne der Individualrechtschutz natürlicher und
juristischer Personen nur von den mitgliedstaatlichen Gerichten und
dem EuGH gewährt werden. Komme aber der EuGH seiner in diesem
Rahmen bestehenden Pflicht nicht nach, liege ein ausbrechender
Rechtsakt vor. Die Missachtung der Verbindlichkeit von
Völkerrecht durch den EuGH beinhalte eine unzulässige
Erweiterung der durch den EG-Vertrag begründeten Kompetenzen
der Gemeinschaft. Daher sei insoweit die Prüfungskompetenz
beim BVerfG verblieben.
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Im Übrigen sei die Verpflichtung
deutscher Gerichte, Völkerrecht anzuwenden, nach der
Rechtsprechung des BVerfG anerkannt; es spreche nichts dagegen,
diese Verpflichtung auch auf das WTO-Recht zu übertragen. Die
Gemeinschaft dürfe die Mitgliedstaaten nicht an der
Erfüllung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen
hindern, wie es die EuGH-Rechtsprechung bewirke.
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Ferner liege ein ausbrechender Rechtsakt
auch deshalb vor, weil der EuGH sonst die Anwendbarkeit
völkerrechtlicher Entscheidungen bejahe und dies nur im
Bereich der WTO ablehne.
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Das vom EuGH verwandte Argument der
Reziprozität, dass nämlich auch andere Vertragsstaaten
eine unmittelbare innerstaatliche Geltung des WTO-Rechts ablehnten,
rechtfertige nicht den Ausschluss von
Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Bundesrepublik Deutschland
(Deutschland) müsse als Vertragspartner der WTO die
Möglichkeit der Anwendung von WTO-Recht haben und dürfe
nicht durch die Rechtsprechung des EuGH zu einem Verstoß
gegen ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen gezwungen
werden.
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Die Klägerin sieht schließlich
den Grundsatz des Vertrauensschutzes deshalb verletzt, weil sie
nicht nur nach dem Beschluss des erkennenden Senats vom 9.1.1996
VII B 225/95 (BFHE 179, 501 = SIS 96 04 54) von der Unanwendbarkeit
der VO Nr. 404/93, sondern vor allem nach dem Beitritt der
Gemeinschaft zum GATT 1994 davon habe ausgehen können, dass
die Gemeinschaft völkerrechtswidriges Gemeinschaftsrecht
baldmöglich außer Kraft setzen werde.
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Die Nacherhebung der Differenz zwischen dem
Kontingentszoll und dem Regelzoll sei aber auch nach Art. 220 ZK
unzulässig. Die Zwei-Tages-Frist des Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK
sei nicht eingehalten worden, was der erkennende Senat in dem
Urteil vom 23.3.1999 VII R 16/98 (BFHE 188, 164, ZfZ 1999, 271 =
SIS 99 11 47) zu Unrecht als für den Zollbeteiligten nicht
rechtsbegründend angesehen habe.
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Zudem sei die Nacherhebung nach Art. 220
Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK unzulässig. Das Hauptzollamt
Hamburg-Jonas sei bei der zunächst erfolgten Anwendung des
Kontingentszollsatzes einem Irrtum nicht nur unterlegen, sondern
habe ihn aktiv begangen; es habe von dem Fehlen der Einfuhrlizenzen
und der daraus gesetzlich folgenden Anwendung des
Drittlandszollsatzes gewusst. Die vom FG erlassenen einstweiligen
Anordnungen hätten das Hauptzollamt Hamburg-Jonas nicht
gehindert, die Einfuhrabgaben nach Maßgabe des
Drittlandszollsatzes von Anfang an buchmäßig zu
erfassen; denn sie hätten ihm nur untersagt,
Drittlandszölle zu erheben. Die Klägerin habe den Irrtum
des Hauptzollamts Hamburg-Jonas auch nicht erkennen können;
die Rechtslage sei schwierig gewesen und die Klägerin habe zur
Vermeidung eines Irrtums nicht mehr Anstrengungen unternehmen
müssen als das FG, das immerhin erhebliche Zweifel an der
Anwendbarkeit des Drittlandszollsatzes gehabt habe. Das Gleiche
gelte im Hinblick darauf, dass die Klägerin den rechtlichen
Unterschied zwischen der buchmäßigen Erfassung des
Drittlandszollsatzes und der dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas
verbotenen Mitteilung desselben nicht erkannt habe.
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Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung des Urteils des FG den Steueränderungsbescheid vom
29.8.1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.6.2001
aufzuheben.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Hauptzollamt - HZA - ) nimmt zur Begründung auf das Urteil des
FG Bezug.
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II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Urteil des FG entspricht
dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Der angefochtene Bescheid
ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die
Differenz zwischen dem gegen die Klägerin zunächst
festgesetzten Kontingentszoll und dem regulären Drittlandszoll
ist zu Recht nacherhoben worden.
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A. Die Klägerin kann sich auf die
gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, die ihr eine
zollbegünstigte Einfuhr der streitigen Waren aufgrund einer
entsprechenden Einfuhrlizenz ermöglicht hätten, nicht
berufen. Das ist zwischen den Beteiligten nicht strittig und bedarf
keiner weiteren Ausführung. Auf ihre Einfuhren ist daher der
für Bananen geltende Drittlandszollsatz anzuwenden; denn
anders als die Revision meint, sind die diesbezüglichen
Regelungen der VO Nr. 404/93 weder nichtig noch wegen eines
Anwendungsvorrangs des GATT unanwendbar, selbst wenn sie mit diesem
unvereinbar sein mögen, noch steht ihrer Anwendung deutsches
Verfassungsrecht entgegen.
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1. Nach der ständigen, zuletzt in dem
Urteil vom 9.9.2008 C-120/06 P und C-121/06 P - FIAMM und Fedon -
(Amtsblatt der Europäischen Union - ABlEU - Nr. C-285/3, ZfZ
2009, 75 = SIS 08 38 53) bekräftigten Rechtsprechung des EuGH
ist den Gemeinschaftsorganen, die für das Aushandeln und den
Abschluss eines Abkommens wie des GATT 1994 zuständig waren,
nach den Grundsätzen des Völkerrechts unbenommen gewesen,
mit den betroffenen Drittstaaten zu vereinbaren, welche Wirkungen
die Bestimmungen dieses Abkommens in der internen Rechtsordnung der
Vertragsparteien haben sollen. Ist diese Frage in dem Abkommen
nicht ausdrücklich geregelt, habe der EuGH über diese
Frage ebenso wie über jede andere Auslegungsfrage im
Zusammenhang mit der Anwendung des Abkommens in der Gemeinschaft zu
entscheiden (vgl. u.a. auch EuGH-Urteile vom 26.10.1982 104/81 -
Kupferberg -, Slg. 1982, 3641, und vom 23.11.1999 C-149/96 -
Portugal/Rat -, Slg. 1999, I-8395,) und festzustellen, ob dem
Gemeinschaftsrecht unterliegende Personen berechtigt sind, vor
Gericht unter Berufung auf ein solches Abkommen die Gültigkeit
einer Gemeinschaftshandlung in Frage zu stellen (vgl. schon
EuGH-Urteil vom 12.12.1972 21/72 bis 24/72 - International Fruit
Company -, Slg. 1972, 1219), wie es die Klägerin für sich
in Anspruch nimmt.
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28
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Die Gültigkeit einer
Gemeinschaftsregelung sei nur dann an einem völkerrechtlichen
Vertrag zu messen, wenn dessen Art und Struktur dem nicht
entgegenstehen und seine Bestimmungen außerdem inhaltlich
unbedingt und hinreichend genau erscheinen (vgl. u.a. Urteil vom
3.6.2008 C-308/06 - Intertanko -, Slg. 2008, I-4057, EuZW 2008,
439). WTO-Übereinkünfte wie das GATT 1994 gehörten
wegen ihrer Natur und ihrer Systematik grundsätzlich nicht zu
den Normen, an denen die Rechtmäßigkeit der Handlungen
der Gemeinschaftsorgane zu messen ist (vgl. u.a. Urteil
Portugal/Rat, Rz 47, und Urteile vom 30.9.2003 C-93/02 P - Biret -,
Slg. 2003, I-10497, und vom 1.3.2005 C-377/02 - Van Parys -, Slg.
2005, I-1465 = SIS 05 17 75). Nur wenn die Gemeinschaft eine
bestimmte im Rahmen der WTO übernommene Verpflichtung
hätte erfüllen wollen (vgl. EuGH-Urteil vom 7.5.1991
C-69/89 - Nakajima -, Slg. 1991, I-2069) oder wenn die
Gemeinschaftshandlung ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen
der WTO-Übereinkünfte verweise, sei die
Rechtmäßigkeit der fraglichen Gemeinschaftshandlung an
den WTO-Regeln zu messen (vgl. Urteil Biret, Rz 53).
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29
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Dass die durch die VO Nr. 404/93 geschaffene,
später geänderte gemeinsame Marktorganisation für
Bananen nicht sicherstellen soll, dass eine bestimmte, von der
Gemeinschaft im Rahmen des GATT übernommene Verpflichtung in
der Rechtsordnung der Gemeinschaft umgesetzt wird, und dass sie
auch nicht ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen des GATT
verweist, hat der EuGH bereits ausdrücklich festgestellt
(Beschluss vom 2.5.2001 C-307/99 - OGT Fruchthandelsgesellschaft -,
Slg. 2001, I-3159 = SIS 01 08 19, Rz 28). Insbesondere zur - hier
ohnehin noch nicht unmittelbar anwendbaren - Verordnung (EG) Nr.
1637/98 (VO Nr. 1637/98) des Rates vom 20.7.1998 zur Änderung
der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 über die Gemeinsame
Marktorganisation für Bananen (ABlEG Nr. L 210/28) und den zu
ihrer Durchführung erlassenen Verordnungen hat er in dem
Urteil Van Parys ausgeführt, dass diese nicht
ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen der
WTO-Übereinkünfte verwiesen. Die Gemeinschaft habe,
selbst indem sie sich nach Erlass der Entscheidung des DSB vom
25.9.1997 verpflichtete, den WTO-Regeln, insbesondere den Art. I
Abs. 1 und XIII des GATT 1994 nachzukommen, keine besondere
Verpflichtung im Rahmen der WTO übernehmen wollen, die eine
Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine Berufung auf die WTO-Regeln
vor dem Gemeinschaftsrichter nicht möglich ist, rechtfertigte
und es diesem ermöglichen könnte, die
Rechtmäßigkeit der VO Nr. 1637/98 und der zu ihrer
Durchführung erlassenen Verordnungen anhand dieser Regeln
nachzuprüfen. Das muss für die VO Nr. 404/93 in der hier
anzuwendenden Fassung erst recht gelten.
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Im Übrigen ist zwischen einer
unmittelbaren Wirkung der WTO-Regeln, die den Vertragspartnern
materielle Verpflichtungen auferlegen, und der Wirkung einer
Entscheidung des DSB in diesem Zusammenhang nach der Rechtsprechung
des EuGH nicht zu unterscheiden. Nach dem Urteil des EuGH FIAMM und
Fedon kann eine Entscheidung des DSB, mit der darüber befunden
wird, ob das Verhalten eines WTO-Mitglieds im Einklang mit den
Verpflichtungen steht, die dieses Mitglied in diesem Rahmen
eingegangen ist, grundsätzlich nicht von den materiellen
Regeln unterschieden werden, in denen diese Verpflichtungen
normiert sind und anhand derer eine solche Prüfung erfolgt;
dies gelte zumindest dann, wenn es um die Feststellung geht, ob
eine Nichtbeachtung dieser Regeln oder dieser Entscheidung vor dem
Gemeinschaftsrichter geltend gemacht werden kann, um die
Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Gemeinschaftsorgane zu
prüfen. Eine Prüfung eines Rechtsakts der Gemeinschaft
anhand einer Entscheidung des DSB hat mithin nicht zu erfolgen.
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Diese Rechtsprechung ist klar und eindeutig
und, wenn nicht überzeugend, so doch allemal nachvollziehbar
begründet. Neue Gesichtspunkte, von denen eine Änderung
dieser Rechtsprechung erwartet werden könnte, hat die Revision
weder vorgetragen noch sind sie sonst erkennbar. Der erkennende
Senat hat daher keinen Anlass, die eben erörterten Fragen dem
EuGH gemäß Art. 267 des Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - (erneut) zur
Entscheidung vorzulegen.
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Die Auffassung der Klägerin, die eben
dargestellte Rechtsprechung des EuGH sei nicht auf den hier zu
entscheidenden Fall der Berufung auf die ursprüngliche
Nichtigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts wegen Verstoßes
gegen WTO-Recht nach Außerkrafttreten des betreffenden
Rechtsakts zu übertragen, ist unzutreffend. In der
Rechtsprechung des EuGH fehlt es an jedem wortwörtlichen oder
gedanklichen Ansatzpunkt für eine solche Differenzierung der
Prüfungsmaßstäbe einerseits bei noch geltenden und
andererseits bei außer Kraft getretenen
Gemeinschaftsrechtsakten. Dass eine solche Differenzierung nicht
geboten und auch nicht zulässig ist, ergibt sich zudem aus dem
EuGH-Urteil FIAMM und Fedon, das eine Klage betrifft, mit der nach
(ungenutztem) Ablauf der der Gemeinschaft vom DSB gesetzten
Umsetzungsfrist von einem Marktbürger Ersatz des durch den
Gemeinschaftsrechtsakt erlittenen Schadens begehrt wurde. Der EuGH
hat dazu im Wesentlichen Folgendes erkannt:
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Es sei nicht danach zu unterscheiden, ob die
Prüfung der Rechtmäßigkeit einer
Gemeinschaftshandlung aufgrund einer Nichtigkeitsklage oder zur
Entscheidung über eine Schadensersatzklage erfolge. Die
gesetzgebende Gewalt sei nämlich durch die Möglichkeit
von Schadensersatzklagen in der Ausübung ihrer Tätigkeit
behindert, sobald sie Anlass hat, im Allgemeininteresse
Rechtsnormen zu erlassen, die die Interessen der Einzelnen
berühren können. Zum anderen sei jede Feststellung der
Rechtswidrigkeit einer Gemeinschaftshandlung durch ein
Gemeinschaftsgericht, selbst wenn sie nicht aufgrund der Befugnis
dieses Gerichts zur Nichtigerklärung nach Art. 230 EG (jetzt
Art. 263 AEUV) erfolgt, ihrem Wesen nach geeignet, sich auf die
Haltung auszuwirken, die das Organ, von dem die fragliche
Maßnahme stammt, einzunehmen hat. Stelle nämlich der
EuGH im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 234 EG (jetzt Art. 267
AEUV) die Ungültigkeit einer von einer
Gemeinschaftsbehörde erlassenen Maßnahme fest, habe
seine Entscheidung insbesondere die Rechtsfolge, dass die
zuständigen Organe der Gemeinschaft verpflichtet sind, die
erforderlichen Maßnahmen zu erlassen, um der festgestellten
Rechtswidrigkeit abzuhelfen; die in Art. 233 EG (jetzt Art. 266
AEUV) für den Fall eines Nichtigkeitsurteils festgelegte
Pflicht gelte entsprechend.
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Ein Anlass, dem EuGH erneut die Frage der
Berufungsfähigkeit des WTO-Rechts vorzulegen, ergibt sich
entgegen der Ansicht der Revision auch nicht aus den Urteilen des
EuG Yusuf und Kadi. Denn abgesehen davon, dass diese Urteile
inzwischen durch Urteil des EuGH vom 3.9.2008 C-402/05 P und
C-415/05 P (ABlEU Nr. C 285/2, Europarecht - EuR - 2009, 80)
aufgehoben worden sind, ging es in diesen Verfahren nicht - wie
hier - um einen Konflikt zwischen den völkerrechtlichen
Verpflichtungen der Gemeinschaft und ihrer innergemeinschaftlich
wirkenden Gesetzgebung, sondern um die getreue Umsetzung
völkerrechtlich verpflichtender Beschlüsse der Vereinten
Nationen in der innergemeinschaftlichen Gesetzgebung. Wie die
Revision aus dem Begründungszusammenhang dieser Urteile des
EuG herleiten will, in dem umgekehrten Fall der unterbleibenden
innergemeinschaftlichen Umsetzung einer völkerrechtlichen
Verpflichtung wie einer aus dem GATT folgenden, seien die
Rechtsakte der Gemeinschaft stets (also unabhängig von den
insofern getroffenen völkerrechtlichen Vereinbarungen, auf die
der EuGH in diesem Zusammenhang überzeugend abstellt) nichtig
oder unanwendbar, erschließt sich nicht. Im Übrigen hat
der EuGH in seiner eben bezeichneten Rechtsmittelentscheidung
gerade die Autonomie des Rechtssystems der Gemeinschaft
gegenüber völkerrechtlichen Abkommen und auf diesen
beruhenden Maßnahmen wie den Resolutionen des Sicherheitsrats
der Vereinten Nationen bekräftigt. Die Verfahren Yusuf und
Kadi geben daher keinen Anlass zu einem Vorabentscheidungsersuchen
nach Art. 267 AEUV, sondern lassen im Gegenteil deutlich erkennen,
dass der EuGH an der bereits in dem Urteil International Fruit
Company vorgenommenen Bestimmung des Verhältnisses von
Gemeinschaftsrecht und WTO-Verpflichtungen festhält (vgl. dazu
auch Kämmerer, Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs
im Fall „Kadi“; Ein Triumph der
Rechtsstaatlichkeit? EuR 2009, 114).
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2. Was den angeblichen Anwendungsvorrang des
GATT gemäß Art. 307 EG (jetzt Art. 351 AEUV) angeht,
wonach Pflichten der Mitgliedstaaten aus Übereinkünften,
die vor dem 1.1.1958 von ihnen mit dritten Ländern geschlossen
wurden, durch den EG-Vertrag nicht berührt werden, genügt
der Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 10.3.1998 C-364/95 - T.
Port - (Slg. 1998, I-1023), in dem der EuGH mit Recht darauf
hingewiesen hat, dass eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts
gegenüber einer völkerrechtlichen Übereinkunft nur
dann nach vorgenannter Vorschrift zurückzutreten hat, wenn das
fragliche Drittland daraus Rechte herleiten und deren Beachtung von
dem betreffenden Mitgliedstaat verlangen kann, dass jedoch Ecuador,
woher die hier streitigen Waren eingeführt worden sind, im
Jahre 1947 keine Vertragspartei des GATT war, sondern dies erst
1996 geworden ist und folglich das GATT 1947 und 1994 nicht
gemäß Art. 307 EG der Anwendung der hier strittigen
Marktordnungsregelung entgegenstehen kann.
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Soweit sich die Revision auf Art. 300 Abs. 7
EG (vgl. jetzt Art. 216 Abs. 2 AEUV) beruft, wonach von der
Gemeinschaft (Union) abgeschlossene völkerrechtliche Abkommen
für die Organe der Gemeinschaft (Union) und die
Mitgliedstaaten verbindlich sind, und sie daraus die
innergemeinschaftliche Wirkung jedenfalls des GATT 1994 und der
Entscheidungen des DSB herleiten will, verkennt sie, dass sich aus
dieser Vorschrift nicht ohne weiteres ableiten lässt, dass die
völkerrechtlichen Verpflichtungen der Gemeinschaft (Union)
ungeachtet des Inhalts der betreffenden einzelnen Abkommen und
Übereinkommen in im Binnenraum der Gemeinschaft (Union)
wirksame gemeinschaftsrechtliche Rechte und Pflichten transformiert
werden sollten (so aber offenbar Sauer, Jurisdiktionskonflikte in
Mehrebenensystemen, 2008, S. 258 passim). Eine dahin gehende
Annahme widerspräche der von der Rechtsprechung des EuGH mit
Recht betonten Eigenart solcher Vereinbarungen, und es ist auch
schwerlich erkennbar, dass sich die Gemeinschaft mit Art. 300 Abs.
7 EG in einem solchen umfassenden Umfang ihrer internen
Rechtsgewalt hat begeben - oder sogar der Jurisdiktionsgewalt des
DSB hat unterwerfen - wollen, was nicht nur im Hinblick auf das
GATT 1994, sondern jegliche völkerrechtliche Vereinbarungen
weitreichende Auswirkungen haben müsste.
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3. Der Anwendung der VO Nr. 404/93 steht auch
nicht deutsches Verfassungsrecht entgegen.
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Nach dem Urteil des BVerfG vom 12.10.1993 2
BvR 2134, 2 BvR 2159/92 - Maastricht - (BVerfGE 89, 155) steht
allerdings die Anwendung des Gemeinschaftsrechts, das Vorrang vor
dem Recht der Mitgliedstaaten beansprucht, in Deutschland unter dem
Vorbehalt, dass wesentliche Änderungen des im EG-Vertrag
angelegten Integrationsprogramms und seiner
Handlungsermächtigungen von dem Zustimmungsgesetz zu diesem
Vertrag gedeckt sein müssen. Es sei daher zu prüfen, ob
die Rechtsakte der europäischen Einrichtungen und Organe sich
in den Grenzen der diesen eingeräumten Hoheitsrechte halten
oder ob sie aus ihnen
„ausbrechen“ (sog. Doktrin des
ausbrechenden Rechtsakts).
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39
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Im Streitfall liegt indes, wie das FG
zutreffend erkannt hat, ein ausbrechender Rechtsakt zweifelsfrei
nicht vor; eine diesbezügliche Vorlage gemäß Art.
100 GG kommt daher ebenso wenig in Betracht wie die Einholung einer
Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV (zu den
verfahrensrechtlichen Folgen bei Annahme eines ausbrechenden
Rechtsakts vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 8.4.1987 2 BvR 687/85 -
Kloppenburg -, BVerfGE 75, 223 = SIS 87 23 29, und vom 30.6.2009 2
BvE 2/08 u.a. - Lissabon -, BVerfGE 123, 267 = SIS 09 40 89; vgl.
auch Sauer, Kompetenz- und Identitätskontrolle von Europarecht
nach dem Lissabon-Urteil, Zeitschrift für Rechtspolitik 2009,
195).
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Es bedarf für die Entscheidung des
Streitfalls keiner grundsätzlichen und umfassenden
Auseinandersetzung des erkennenden Senats mit den durch die
vorgenannte Entscheidung des BVerfG aufgeworfenen Fragen. Der Senat
kann insbesondere unerörtert lassen, ob es mit den durch das
deutsche Zustimmungsgesetz zum EG-Vertrag in das deutsche Recht
inkorporierten Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts über die
Zuständigkeit des EuGH zur Entscheidung über die
Gültigkeit und Auslegung des Gemeinschaftsrechts, welche
Zuständigkeit die Zuständigkeit der nationalen Gerichte -
einschließlich der des BVerfG (vgl. statt aller Classen in v.
Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl., Art. 24 Rz 52, mit zahlreichen
Nachweisen) - verdrängt, vereinbar wäre, die - vom EuGH
in der eingangs angeführten Rechtsprechung inzident bejahte -
Wahrung der vertraglichen Kompetenzschranken der europäischen
Institutionen im Zusammenhang mit der Bananenmarktordnung in diesem
Verfahren zu überprüfen, oder ob die Doktrin des
ausbrechenden Rechtsakts nicht allenfalls die Prüfung
gestattete, ob für einen Rechtsakt der Gemeinschaft eine
entsprechende vertragliche Ermächtigung klar und eindeutig und
in diesem Sinne offensichtlich fehlt; ob die Prüfungsbefugnis
des nationalen Gerichts nicht also mit anderen Worten -
ähnlich wie bei der Prüfung, ob Rechtsakte der
Gemeinschaft Grundrechte verletzen - ruht, sofern und solange die
Rechtsprechung des EuGH eine wirksame kompetenzielle Kontrolle
gewährleistet, wie das BVerfG anzudeuten scheint, wenn es nur
„wesentlichen“ Änderungen
des Integrationsprogramms (Urteil in BVerfGE 89, 155, Maastricht)
bzw. „ersichtlichen
Grenzüberschreitungen“ (Urteil in
BVerfGE 123, 267 = SIS 09 40 89, Lissabon) die innerstaatliche
Wirksamkeit abzusprechen androht (vgl. Ehlers in Schulze/Zuleeg,
Europarecht, § 11 Rz 17, m.w.N.). Denn selbst wenn der
erkennende Senat eine diesbezügliche uneingeschränkte
Prüfung vornehmen müsste, ginge sie nicht zu Gunsten des
Klagebegehrens aus; denn weder die VO Nr. 404/93 noch die
Rechtsprechung des EuGH, dass diese VO ungeachtet entgegenstehender
GATT-Regelungen bzw. dazu ergangener Entscheidungen des
Streitschlichtungsgremiums der WTO in der Gemeinschaft anzuwenden
sei, stellen ausbrechende Rechtsakte dar, mit denen der Rat bzw.
der EuGH die Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte
überschritten hätten.
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41
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An der Kompetenz der Gemeinschaft, die Einfuhr
von Bananen durch zoll- bzw. marktordnungsrechtliche Regelungen zu
reglementieren und dabei ggf. - wie in der VO Nr. 404/93 geschehen
- alle erdenklichen Differenzierungen zwischen unterschiedlichen
Herkunftsländern und unterschiedlichen Gruppen von Importeuren
anzuwenden, kann offenbar auch nach Auffassung der Revision nicht
ernstlich ein Zweifel bestehen. Ob die VO Nr. 404/93 Grundrechte
der Marktbürger oder mit dem GATT 1994 von der Gemeinschaft
eingegangene völkerrechtliche Verpflichtungen verletzt, ist
keine Frage der Kompetenz der Gemeinschaft. Ein Rechtsakt bricht
nicht deshalb aus dem Integrationsprogramm des EG-Vertrags und
seinen gegenständlich definierten Handlungsermächtigungen
aus, weil bei deren Wahrnehmung höherrangiges Recht verletzt
wird bzw. völkerrechtliche Verpflichtungen missachtet werden,
wenn anders nicht die Doktrin des ausbrechenden Rechtsakts zu einer
allemal offenkundig vertragswidrigen Usurpation der dem EuGH
übertragenen Rechtsprechungsgewalt umgefälscht werden
soll.
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Anders als die Klägerin offenbar meint,
lässt sich die eingangs angeführte Rechtsprechung des
EuGH ebenso wenig als ausbrechender Rechtsakt verstehen.
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43
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Die Mitgliedstaaten haben sich unbeschadet
ihrer Souveränität den Entscheidungen einer auf der
Grundlage des EG-Vertrags errichteten eigenständigen und
unabhängigen gemeinschaftlichen Rechtsprechungsgewalt (auch)
hinsichtlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit der
Handlungen der Gemeinschaft unterworfen. Darin unterscheidet sich
die Gemeinschaft (Union) von herkömmlichen internationalen
Organisationen und erhält das ihr eigentümliche
Gepräge einer Rechtsgemeinschaft, was nicht nur auf eine
Gemeinschaft im gesetzten Recht, sondern auch in der Auslegung und
Anwendung dieses Rechts verweist. Die Errichtung des EuGH und die
Übertragung unabhängiger Rechtsprechungsgewalt an ihn
sind von dem vom GG gewollten Integrationsauftrag offensichtlich
umfasst. Nicht ein nationales Gericht, sondern der EuGH ist
infolgedessen, wie erwähnt, zur Letztentscheidung über
die Gültigkeit und die Auslegung von Verordnungen der
Gemeinschaft (Union) berufen; dies schließt notwendigerweise
seine Befugnis ein zu entscheiden, ob solchen Verordnungen von der
Gemeinschaft abgeschlossene völkerrechtliche Vereinbarungen
mit der Folge entgegenstehen, dass die Verordnungen nichtig sind,
und ob sich darauf ggf. jeder Zollbeteiligte gegenüber den
Rechtsbefehlen dieser Verordnungen berufen kann.
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44
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Wenn der EuGH dies hinsichtlich der VO Nr.
404/93 verneint hat, hat er damit weder zu Gegenständen Recht
gesprochen, auf die sich seine Zuständigkeit nicht erstreckt,
noch sonst seine Kompetenzen überschritten. Das gilt
unbeschadet dessen, dass die Entscheidungen des EuGH im Ergebnis
dazu führen mögen, dass die deutschen Behörden
verpflichtet sind, in Vollzug des Gemeinschaftsrechts
Maßnahmen zu ergreifen, die den auch von Deutschland als
Vertragsstaat des GATT 1994 getroffenen völkerrechtlichen
Vereinbarungen widersprechen. Denn die Doktrin des ausbrechenden
Rechtsakts hebt den Grundsatz der Wirksamkeit der
Gemeinschaftsrechtsakte in den Mitgliedstaaten - auch solcher, die
nach nationalem Recht zu beanstanden wären - nicht auf,
welchen vielmehr auch die diesbezügliche Rechtsprechung des
BVerfG ausdrücklich anerkannt hat (vgl. BVerfG-Entscheidungen
vom 17.2.2000 2 BvR 1210/98, NJW 2000, 2015, und in BVerfGE 123,
267 = SIS 09 40 89, Lissabon).
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45
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Was die Revision in diesem Zusammenhang
bezweifelt, ist in Wahrheit nicht die Entscheidungskompetenz des
EuGH, sondern dass das deutsche Verfassungsrecht gegen eine
(vermeintlich) klar und eindeutig und gleichsam grob rechtswidrige
Regelung der Gemeinschaft bzw. eine (vermeintlich) ebenso klar und
eindeutig (gegenüber dem GATT) rechtsblinde Rechtsprechung des
EuGH keine Handhabe und keinen Schutz bieten soll. Die Revision
scheint also mit anderen Worten zu verlangen, dass solchen ihrer
Meinung nach qualifiziert fehlerhaften Rechtsakten eines Organs der
Gemeinschaft von Verfassungs wegen die Gefolgschaft versagt
wird.
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46
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Das verlangt die Doktrin des ausbrechenden
Rechtsakts indes nicht und es ist auch anderweit nicht geboten oder
zulässig. Es würde vielmehr die Rechtseinheit der
Gemeinschaft auflösen, die jedoch ein wesentliches Ziel des
EG-Vertrags und insbesondere auch der Errichtung eines
europäischen Gerichtshofs mit unbedingter (d.h. von dem
Beifall des betroffenen Mitgliedstaats unabhängiger)
Jurisdiktionsgewalt ist und eine unabdingbare Voraussetzung
für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes.
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47
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Etwas anderes könnte nur gelten und eine
Entscheidung des EuGH als ausbrechenden Rechtsakt erscheinen
lassen, wenn mit einer solchen Entscheidung nur vorgeblich
„Recht gesprochen“, in Wahrheit
jedoch im Mantel der Gerichtsentscheidung ein - von dem
Integrationsprogramm des EG-Vertrags nicht umfasster -
konstitutiver Rechtsakt erlassen würde, die betreffende
Entscheidung also mit anderen Worten mit den Mitteln juristischer
Argumentation, insbesondere den anzuerkennenden Methoden der
Gesetzesauslegung, ggf. auch der Lückenfüllung und
richterrechtlichen Rechtsfortbildung, nicht mehr zu rechtfertigen
wäre, welche Methoden allerdings dem EuGH nicht weniger als
nationalen Fach- und Verfassungsgerichten umfassend zu Gebote
stehen, wie auch das BVerfG bereits in seinem
„Kloppenburg“-Beschluss (in
BVerfGE 75, 223 = SIS 87 23 29) zugestanden hat.
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Von einer solchen Überschreitung der
Grenzen einem Gericht zustehender Rechtsfindung kann indes bei der
Rechtsprechung des EuGH zur Bananenmarktordnung, die im Kern auf
einer durchaus nachvollziehbaren Auslegung des GATT 1994 beruht,
keine Rede sein, wie die nachfolgenden Ausführungen noch
verdeutlichen werden.
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49
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4. Die Verbindlichkeit der Entscheidungen des
EuGH kann schon um der Bewahrung vorgenannter Ziele des EG-Vertrags
willen auch nicht etwa deshalb angezweifelt werden, weil der EuGH
einen dem unaufgebbaren und durch die Zustimmungsgesetze zu den
Gemeinschaftsverträgen auch nicht aufgegebenen
Rechtsstaatsgebot genügenden Rechtsschutz nicht
gewährleistete und keinen Schutz von Grundrechten des
Bürgers böte, wie sie auch Bestandteil des
(ungeschriebenen) Gemeinschaftsrechts sind. Es liegen deshalb nicht
die Voraussetzungen vor, unter denen das BVerfG in Betracht gezogen
hat, dass die Jurisdiktionsgewalt deutscher Gerichte nicht
länger hinter die des EuGH zurücktreten dürfe.
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50
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Das ergibt sich schon aus dem - gerade auch
unter Berücksichtigung des gemeinschaftsrechtlichen
Einfuhrregimes für Bananen ergangenen - Beschluss des BVerfG
in BVerfGE 102, 147. Auch die weitere europäische
Rechtsentwicklung, insbesondere etwa die eingangs angeführte
Entscheidung des EuGH FIAMM und Fedon, geben keinen Anlass, dies in
Frage zu stellen und ernstlich anzunehmen, mangels ausreichenden
Rechtsschutzes durch den EuGH seien die deutschen Gerichte
aufgerufen, das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte gegen die
Gesetzgebung der Gemeinschaft (Union) zu verteidigen. Es kann
ersichtlich keine Rede davon sein, dass die Bananenmarktordnung
oder die Rechtsprechung des EuGH zum Fehlen einer
innergemeinschaftlichen
„Berufungsfähigkeit“ des
GATT 1994 die in Art. 79 Abs. 3 GG für unantastbar
erklärten Grundsätze der Art. 1 und Art. 20 GG verletzen
und damit zur Wahrung des unantastbaren Kerngehalts der
Verfassungsidentität des GG eine
„Identitätskontrolle“
eingefordert werden könnte, wie sie das BVerfG sich
vorbehalten hat (vgl. zuletzt Urteil in BVerfGE 123, 267 = SIS 09 40 89, Lissabon).
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51
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Im Übrigen dürfte es für eine -
hier folglich nicht gebotene - nach Maßgabe der
Rechtsprechung des BVerfG durchgeführte grundrechtliche
Prüfung der Bananenmarktordnung sowohl hinsichtlich des Art.
12 Abs. 1 GG - die Berufsbezogenheit des durch die
Bananenmarktordnung bewirkten Eingriffs in die Rechtsstellung der
Klägerin unterstellt - ebenso wie hinsichtlich deren
Eigentumsrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 GG daran fehlen,
dass die Erwerbschancen der Klägerin, die durch die VO Nr.
404/93 zunichte gemacht worden sein mögen, nicht den Schutz
des GG genießen.
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52
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Die Argumentation der Revision, die durch die
Rechtsprechung des EuGH das Rechtsstaatsprinzip missachtet sieht,
verkennt, dass nicht das Rechtsstaatsprinzip materielle Rechte
gewährt - wie etwa auf Umsetzung völkerrechtlicher
Verpflichtungen in der innerstaatlichen bzw. gemeinschaftlichen
Rechtsordnung - ; vielmehr setzt es solche Rechte voraus und
garantiert lediglich deren Wahrung und Verteidigung, wenn und
insoweit sie bestehen. Wenn also vorgenanntes (Individual-)Recht
auf Umsetzung des GATT in der Gemeinschaftsrechtsordnung nicht
besteht, wie dies der EuGH für das GATT 1994 bzw. das
Gemeinschaftsrecht entschieden hat, können das von der
Revision mit Nachdruck eingeforderte Rechtsstaatsprinzip und dessen
Rechtsschutzgewährleistungsgarantie von vornherein nicht
erfolgversprechend bemüht werden, um eine defizitäre
Rechtsschutzgewährung durch den EuGH darzutun.
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53
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Es kann auch nicht als Rechtsverweigerung
gebrandmarkt werden, dass der EuGH dem Zollbeteiligten die Berufung
auf durch Welthandelsrecht angeblich begründete
(Individual-)Rechte verwehrt. Es ist nicht willkürlich, wenn
der EuGH durch den Beitritt zum GATT 1994 die
innergemeinschaftliche Rechtsordnung nicht dahin gestaltet sieht,
dass dem Einzelnen (oder auch nur den Mitgliedstaaten) eine
rechtsschutzfähige Position eingeräumt werden sollte,
sich ggf. auf die Unvereinbarkeit des Gemeinschaftsrechts mit
GATT-Bestimmungen oder auf die Beurteilung von Gemeinschaftsrecht
durch das DSB als GATT-rechtswidrig berufen zu können. Denn
diese Rechtsprechung hat im Schrifttum zwar viel Widerspruch, aber
auch Zustimmung erfahren (vgl. Cottier, The
Judge in International Economic Relations, in: Festschrift
für Carl Baudenbacher, 2007, Seite 99, 115 f.;
Kuijper/Bronckers, Common Market Law Review 42 (2005), 1313;
Hilpold, WTO-Recht und EU-Recht - neueste Entwicklungen in einem
komplexen Rechtsverhältnis, Recht der internationalen
Wirtschaft 2008, 817, 818). Sie entspricht der Rechtsauffassung
zahlreicher Mitglied- und Drittstaaten. Sie entbehrt vor allem
nicht einer nachvollziehbaren Begründung insbesondere in dem
Gedanken, dass auch das GATT 1994 keine der Gemeinschaft
übergeordnete Rechtsgemeinschaft begründet hat, sondern
nur zwischenstaatlich wirksame (unbeschadet fortgeschrittener
„Verrechtlichung“ zudem in
gewissem Umfang „flexible“)
Vertragspflichten, zu denen es im Übrigen nicht gehört,
dem Einzelnen gegenüber den Rechtsakten der souveränen
nationalen Hoheitsgewalt bzw. der insofern abgeleiteten
souveränen Gewalt der Gemeinschaft die Berufung auf deren
völkerrechtliche Pflichten zu gestatten.
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54
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Von diesem Ausgangspunkt her liegen alle
Argumente der Revision neben der Sache, mit welchen gegen den
angefochtenen Zollbescheid vorgebracht wird, die Gemeinschaft komme
ihren völkerrechtlich begründeten Verpflichtungen nicht
nach, missachte das Völkerrecht absichtlich und nachhaltig,
verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und
verletzte den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
dadurch, dass sie (bis 2006) keine zur Erlangung einer mit dem GATT
vereinbaren Bananenmarktordnung geeigneten Regelungen getroffen
habe. Es ist überdies rechtslogisch nicht nachvollziehbar,
weshalb, wie die Revision vorträgt, aus als
völkerrechtswidrig festgestellten Regelungen, zumal wenn sie
inzwischen außer Kraft getreten sind, keine Rechte wie
Zollforderungen sollen hergeleitet werden dürfen, ebenso
wenig, weshalb die Verpflichtung auch Deutschlands durch das GATT
1994 dem angefochtenen Bescheid entgegengehalten werden
könnte, nachdem das GATT, wie dargelegt, der Klägerin
keine rechtsschutzfähigen Rechte einräumt und die
Rechtmäßigkeit jenes Bescheids überdies anhand des
Gemeinschaftsrechts zu beurteilen ist, das Anwendungsvorrang vor
etwaigen entgegenstehenden Berechtigungen genießt, die sich
aus dem Recht eines Mitgliedstaats ergeben mögen.
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55
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Denn die im Rahmen der WTO vereinbarten
Rechtsregeln lassen sich, anders als die Revision offenbar meint,
nicht als im Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht
„höherrangiges“ Recht
charakterisieren. Dies setzte nämlich voraus, dass die WTO
Hoheitsrechte gegenüber der Gemeinschaft in Anspruch nehmen
kann, während sie in Wahrheit lediglich den institutionellen
Rahmen für vertragliche Vereinbarungen ihrer Mitglieder
bereitstellt. Auch die Revision hat jedenfalls nicht darzulegen
vermocht, durch welchen Rechtsakt oder welche im Rahmen der WTO
getroffene Vereinbarung von den Vertragsstaaten Hoheitsrechte - in
ähnlicher Weise wie von den Mitgliedstaaten auf die
Europäischen Gemeinschaften - auf die WTO übertragen
worden sein sollen. Deshalb kommt es für die
innergemeinschaftliche Verbindlichkeit der dort vereinbarten
Handelsregeln und die Wirkung der Entscheidungen des DSB nicht
entscheidend darauf an, ob diese den betroffenen Staaten noch
Handlungsspielräume offenlassen; selbst wenn das nicht oder
nach Ablauf der Umsetzungsfrist nicht mehr der Fall ist,
ändert es nichts an der uneingeschränkten Rechtsmacht des
betroffenen Staats, die Entscheidung umzusetzen oder dies
(vertragswidrig) zu unterlassen.
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56
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Dass sich die Klägerin auf das GATT auch
nicht deshalb berufen kann, weil ihr in diesem von den
Vertragsparteien nach Art eines Vertrags zu Gunsten Dritter Rechte
eingeräumt worden sind, die sie gegenüber der
Gemeinschaft geltend machen könnte, bedarf nach den
vorgenannten Entscheidungen des EuGH hier keiner Wiederholung.
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B. Das Urteil des FG entspricht auch insofern
dem Bundesrecht, als es die Voraussetzungen für eine
Nacherhebung von Zoll durch den angefochtenen Bescheid bejaht
hat.
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a) Ist der einer Zollschuld entsprechende
Abgabenbetrag mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten
Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat gemäß
Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK eine nachträgliche
buchmäßige Erfassung des Restbetrags zu erfolgen.
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59
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Im Streitfall ist, wie sich aus vorstehenden
Ausführungen ergibt, der gesetzlich geschuldete Betrag bei der
Einfuhrabfertigung zunächst nicht richtig erfasst worden. Der
Rest des gesetzlich geschuldeten Zolls war daher nachträglich
zu erfassen und sodann der Klägerin gemäß Art. 221
Abs. 1 ZK mitzuteilen, d.h. durch den angefochtenen Bescheid
nachzuerheben. Dass dies ebenso wie die buchmäßige
Nacherfassung selbst erst nach Ablauf der Frist von zwei Tagen
geschehen ist, die Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK der Zollbehörde
für buchmäßige Nacherfassung setzt, macht die
Mitteilung nicht rechtswidrig; Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK betrifft
nämlich insoweit nicht das Verhältnis zum Zollschuldner
(vgl. Gellert in Dorsch, Zollrecht, ZK Art. 220 Rz 30), den -
hinsichtlich des Zeitablaufs - nur Art. 221 Abs. 3 ZK vor einer
späten Nacherhebung schützt. Das ist in der
Rechtsprechung hinreichend geklärt (vgl. schon Urteil des EuGH
vom 26.11.1998 C-370/96 - Covita -, Slg. 1998, I-7711) und bedarf
deshalb kaum näherer Ausführung. Die systematische
Stellung vorgenannter Fristvorschrift mag zwar auf den ersten Blick
nahelegen, in ihr eine Vorschrift zum Schutz der Belange des
Zollschuldners (und nicht nur derjenigen der Gemeinschaft) zu
sehen. Dieser Deutung steht indes schon entgegen, dass eine rasche
buchmäßige Erfassung als solche (ohne entsprechende
Mitteilung gemäß Art. 221 ZK) offensichtlich ungeeignet
ist, Belange des Zollschuldners zu wahren, insbesondere ein
etwaiges Vertrauen in die Endgültigkeit der Abgabenbelastung
zu schützen. Überdies hat der EuGH in vorgenannter
Entscheidung überzeugend darauf abgestellt, dass das Recht zur
Nacherhebung mittels der Zwei-Tages-Frist zu beschränken die
Nacherhebungsfrist des Art. 221 Abs. 3 ZK sinnlos erscheinen
ließe. Diese Entscheidung ist zwar zur Verordnung (EWG) Nr.
1854/89 des Rates vom 14.6.1989 über die buchmäßige
Erfassung und die Voraussetzungen für die Entrichtung der
Eingangs- oder Ausfuhrabgaben bei Bestehen einer Zollschuld (ABlEG
Nr. L 186/1) ergangen; sie ist aber auf den ZK übertragbar, da
nicht erkennbar ist, dass der Verordnungsgeber mit dem Erlass des
ZK insoweit neues Recht schaffen wollte. Davon geht auch der EuGH
aus (vgl. Urteil vom 23.2.2006 C-201/04 - Molenbergnatie -, Slg.
2006, I-2049 = SIS 06 16 81, Rz 48).
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60
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Aus dem Beschluss des EuGH vom 9.7.2008
C-477/07 (ZfZ 2009, 46) und aus dem Urteil vom 16.7.2009 C-124/08
und C-125/08 (ZfZ 2009, 264 = SIS 09 25 93) ergibt sich nichts
anderes.
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61
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b) Die Voraussetzungen für ein Absehen
von der Nacherhebung gemäß Art. 220 Abs. 2 Satz 1
Buchst. b Unterabs. 1 ZK liegen nicht vor. Danach wird ein
Restbetrag nicht erfasst, wenn der gesetzlich geschuldete
Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht
buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum
vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden
konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden
Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.
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Der Restbetrag ist im Streitfall indes nicht
aufgrund eines Irrtums des Hauptzollamts Hamburg-Jonas, den die
Klägerin nicht erkennen konnte, zunächst nicht erfasst
worden, sondern aufgrund der vom FG erlassenen einstweiligen
Anordnung. Ob diese zuließ, den geschuldeten Betrag nach
Maßgabe des Regelzollsatzes buchmäßig zu erfassen
(und dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas nur die Mitteilung dieses
Betrags an die Klägerin gemäß Art. 221 ZK
untersagte), und ob ggf. so verfahren worden ist - was die
Klägerin in Abrede stellt und das HZA zugestanden hat -,
bedarf keiner näheren Untersuchung. Denn auch wenn das
Hauptzollamt Hamburg-Jonas den geschuldeten Betrag nicht
buchmäßig erfasst hat, obwohl ihm dies nicht verboten
gewesen sein mag, fehlt es jedenfalls daran, dass die
Klägerin, weil ihr die unterbliebene buchmäßige
Erfassung bekannt war, davon ausgehen konnte, dass das Hauptzollamt
Hamburg-Jonas den Regelzoll nicht erheben werde. Anhand der
Gründe der vom FG erlassenen einstweiligen Anordnung, aber
auch des Vortrags des Hauptzollamts Hamburg-Jonas in jenem
Verfahren konnte die Klägerin vielmehr ohne weiteres erkennen,
dass sie sich nicht, wie dies eine stillschweigende Voraussetzung
für die Anwendung eben angeführter Vorschrift wäre,
auf die Anwendbarkeit des Kontingentszollsatzes verlassen konnte,
sondern die Rechtslage ungeklärt war, vor allem aber, dass das
Hauptzollamt Hamburg-Jonas den Kontingentszollsatz gerade nicht
für anwendbar hielt. Ein Irrtum des Hauptzollamts
Hamburg-Jonas nur über das bei dieser Sachlage einzuschlagende
verwaltungsinterne Verfahren - buchmäßige Erfassung des
nach Ansicht des Hauptzollamts Hamburg-Jonas geschuldeten Betrags
ohne entsprechende Mitteilung statt Aussetzung der Sachbearbeitung
bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs über die gegen den
Beschluss des FG eingelegte Beschwerde - rechtfertigt die Anwendung
des Art. 220 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b Unterabs. 1 ZK nicht; denn
diese Vorschrift hat ersichtlich den Sinn, dass der Zollbeteiligte
vor einer Nacherhebung eines Abgabenbetrags geschützt werden
soll, von dem er aufgrund des Verhaltens der Zollbehörde
annehmen durfte, dass er ihn nicht schulde.
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63
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c) Auf den allgemeinen Grundsatz des
Vertrauensschutzes kann sich die Klägerin ebenfalls nicht mit
Erfolg berufen. Wenn sie, wie sie jetzt vorgibt, tatsächlich
darauf vertraut haben sollte, die Gemeinschaft werde aufgrund des
GATT 1994 alsbald ihre Bananenmarktordnung dahin ändern, dass
Importeuren in ihrer Lage eine Einfuhr zum Kontingentszollsatz
möglich wird, hätte sie sich spätestens durch die
bis zu den streitigen Einfuhren ausgebliebene entsprechende
Rechtsetzung der Gemeinschaft eines Besseren belehren lassen
müssen und erkennen können, dass eine solche (nach der
damals schon vorliegenden Rechtsprechung des EuGH wenig fundierte)
Erwartung unberechtigt ist. Der Beschluss des erkennenden Senats in
BFHE 179, 501 = SIS 96 04 54 und der eingangs erwähnte,
ebenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes
ergangene Beschluss des FG haben in der Klägerin ebenfalls
schwerlich Vertrauen darauf erwecken können, in den Genuss des
Kontingentszollsatzes kommen zu müssen, ganz abgesehen davon,
dass sie mit den streitigen Einfuhren Vertrauen in den Beschluss
des Senats nicht in der erforderlichen Weise betätigt
hätte, welche sie nämlich lange vor diesem Beschluss
vorgenommen hatte.
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