1
|
I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) hat die dem Kläger und Revisionskläger
(Kläger) im September 2002 erteilte Anerkennung als
Lohnsteuerhilfeverein zurückgenommen, weil die
Anerkennungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten.
|
|
|
2
|
Das FA hält dem Kläger insoweit
vor, Anfang 2002 mit dem in X ansässigen Steuerberater M eine
Vereinbarung getroffen zu haben, nach der M dem Kläger die
Mitglieder des eingetragenen Vereins Y, den M nicht mehr weiter
betreuen wollte, gegen eine Abfindung überlassen sollte; M
habe die bis dahin unterhaltene Beratungsstelle des Vereins Y
auflösen wollen, um sich von seinem Sitz in X aus nicht mehr
in Z betätigen zu müssen. Es sei vereinbart worden, einen
neuen Verein zu gründen, die Mitglieder des Vereins Y nach
dessen Anerkennung anzuschreiben und ihnen ihre zukünftige
Beratung durch den neuen Verein - den Kläger -
anzubieten.
|
|
|
3
|
Nachdem auf diese Weise 300 ehemalige
Mitglieder als Mitglieder des Klägers gewonnen werden konnten,
ist im Jahre 2004 die Abfindung von M in Höhe von 300 x 1 1/2
Jahresbeiträgen auf ... EUR festgesetzt und später in
Raten ausbezahlt bzw. durch „Bar- und Arbeitsleistung“
des Herrn ... abgegolten worden, der dafür vom Kläger
eine Erstattung erhalten bzw. diesem ein entsprechendes Darlehen
gewähren sollte.
|
|
|
4
|
Als dem FA dieser Sachverhalt bekannt
geworden war, hat es die Anerkennung des Klägers
zurückgenommen. Die hiergegen erhobene Klage hat das
Finanzgericht (FG), das die Rechtsgrundlage für den
angefochtenen Bescheid in § 20 Abs. 1 des
Steuerberatungsgesetzes (StBerG) sieht, durch das in Entscheidungen
der Finanzgericht 2010, 173 veröffentlichte Urteil
abgewiesen.
|
|
|
5
|
Gegen dieses Urteil richtet sich die
Revision des Klägers. Er trägt im Wesentlichen
vor:
|
|
|
6
|
§ 20 Abs. 1 StBerG sei nicht
einschlägig, weil eine Vereinbarung über eine Abfindung
in Höhe von 36.000 EUR erst 2004, also nach der Anerkennung
des Klägers getroffen worden sei. Es gebe aber auch keinen
Grund für einen Widerruf der Anerkennung nach § 20 Abs. 2
StBerG. Denn die Vereinbarung einer Abfindung für den
übernommenen Mitgliederstamm laufe den Bestimmungen des StBerG
nicht zuwider. § 9 StBerG richte sich nicht an
Lohnsteuerhilfevereine. Zudem lasse diese Vorschrift nach
allgemeiner Rechtsauffassung den Verkauf einer Praxis bzw. eines
Mandantenstammes im Ganzen zu. Anders als das FG meine, liege auch
ein Verstoß gegen § 14 StBerG nicht vor. Jeder
Lohnsteuerhilfeverein müsse zu Beginn seiner Tätigkeit
Verbindlichkeiten begründen, um die notwendigen
organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen für eine
ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung seiner
Tätigkeit schaffen zu können. Um die dafür
aufgewendeten Verbindlichkeiten tilgen zu können, müsse
er das Ziel haben, die Zahl der betreuten Mitglieder zu steigern,
um kostendeckend arbeiten zu können.
|
|
|
7
|
Die Zahlung einer Abfindung an M laufe dem
Sinn und Zweck einer Selbsthilfeeinrichtung nicht zuwider; denn
auch für Werbemaßnahmen, die zur Gewinnung einer
entsprechenden Anzahl von Mitgliedern hätten beitragen
können, hätte der Kläger ebenfalls erhebliche
Aufwendungen machen müssen. Das Kostendeckungsprinzip verbiete
nicht, Eigenkapital für Erweiterungsinvestitionen oder zur
Tilgung von Schulden zu erwirtschaften. Dass ein
Lohnsteuerhilfeverein keine Schulden habe, gehöre nicht zu den
Anerkennungsvoraussetzungen.
|
|
|
8
|
Im Übrigen meint die Revision, dass
das FA unbeschadet des Wortlauts des § 20 StBerG, welcher der
Aufsichtsbehörde keinen Ermessensspielraum einräume,
nicht von einer freien Rücknehmbarkeit der Anerkennung habe
ausgehen dürfen, nachdem der Kläger im Vertrauen auf den
Fortbestand seiner Anerkennung entsprechende Dispositionen
getroffen habe. Die Schwere des ihm vorgeworfenen
Rechtsverstoßes, die seit der Anerkennung verstrichene Zeit
und insbesondere auch die Art und Weise, wie es zu der angeblich
fehlerhaften Anerkennung gekommen ist, müssten
berücksichtigt werden. Dem Kläger sei die
Rechtswidrigkeit seines Handelns nicht bewusst gewesen. Die
Vorwürfe des FA richteten sich im Übrigen eigentlich
nicht gegen das Verhalten des Klägers, sondern beanstandeten
das Verhalten des M. Der Kläger habe zugesichert, das
beanstandete Verhalten nicht zu wiederholen. Unter diesen
Umständen sei es nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und
der Verhältnismäßigkeit geboten gewesen, ein
milderes Mittel wie z.B. die Androhung eines Widerrufs der
Anerkennung für den Wiederholungsfall anzuwenden.
|
|
|
9
|
Das FA macht sich im Wesentlichen die
Argumentation des Urteils des FG zu eigen.
|
|
|
10
|
II. Die zulässige Revision des
Klägers führt zur Aufhebung des Urteils des FG und der
angegriffenen Behördenbescheide (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr.
1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Urteil des FG verletzt
Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Entgegen der Ansicht
des FG ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt den
Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
|
|
|
11
|
1. Die Behörde, die die Aufsicht
über Lohnsteuerhilfevereine führt - hier das beklagte FA
-, hat nach § 20 Abs. 1 StBerG die Anerkennung eines
Lohnsteuerhilfevereins zurückzunehmen, wenn sich nach der
Anerkennung ergibt, dass sie hätte versagt werden müssen.
Die damit vom Gesetz in Bezug genommenen
Anerkennungsvoraussetzungen ergeben sich in erster Linie aus §
14 Abs. 1 und 2 StBerG; an diesen Voraussetzungen hat es bei der
Anerkennung des Klägers im September 2002 nicht gefehlt. Nach
dem eigenen Vorbringen des Klägers im erstinstanzlichen
Verfahren ist allerdings, was das FA zur Rücknahme veranlasst
hat, vor der Anerkennung des Klägers im Januar 2002 mit M eine
Abrede getroffen worden, nach der Anerkennung mit Hilfe des M die
Mitglieder des bisher in Z tätigen Vereins Y für eine
Mitgliedschaft bei dem Kläger zu gewinnen und dies M zu
entgelten, worin das FA einen Tatbestand sieht, der die Anerkennung
des Klägers als Lohnsteuerhilfeverein ausschließt. Dabei
ist in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, dass der
Abschluss einer solchen Vereinbarung im Januar 2002, also vor der
Anerkennung des Klägers, vom FG in den erkennenden Senat
bindender Weise festgestellt worden ist (§ 118 Abs. 2
FGO).
|
|
|
12
|
Das Urteil des FG verhält sich dazu zwar
nicht ausdrücklich, geht aber aufgrund des eigenen Vortrags
des Klägers, eine solche Absprache sei im Januar 2002
getroffen worden, erkennbar davon aus, dass dies tatsächlich
so war, wie sich nicht zuletzt daran zeigt, dass das FG § 20
Abs. 1 StBerG ohne weiteres für einschlägig gehalten hat.
Das ist, anders als die Revision offenbar geltend machen will, frei
von Rechtsirrtum, weil es nicht darauf ankommt, wann aufgrund einer
solchen Vereinbarung die sog. Abfindung an M gezahlt worden ist und
dass ihre Höhe - wie überdies offenbar von Anfang an
vorgesehen - erst zu einem späteren Zeitpunkt genau festgelegt
worden ist, als sich nämlich gezeigt hatte, in welchem Umfang
der Kläger Mitglieder für sich hat gewinnen können,
die bisher von der Beratungsstelle in Z des Vereins Y beraten
worden waren.
|
|
|
13
|
Die fragliche Absprache, von deren Bewertung
mithin die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 StBerG abhängt,
steht, wie keiner näheren Ausführung bedarf, zu dem
Wortlaut keiner der in § 14 Abs. 1 und 2 StBerG
aufgeführten Anerkennungsvoraussetzungen in Widerspruch.
Freilich bedarf ebenso wenig der Ausführung, dass das Gesetz
stillschweigend die Anerkennung eines Vereins als
Lohnsteuerhilfeverein davon abhängig machen will, dass dieser
nicht bereits bei seiner Gründung ein Geschäftsgebaren an
den Tag legt, das zu Sinn und Zweck eines Lohnsteuerhilfevereins in
fundamentalem Widerspruch steht, wie bereits an § 14 Abs. 1
Nr. 1 StBerG deutlich wird. Insbesondere kann ein Verein ungeachtet
diesbezüglicher ausdrücklicher Regelungen des Gesetzes
nicht anerkannt werden, dem es von vornherein an den Grundlagen
für eine dem Sinn des § 13 StBerG entsprechende
Betätigung fehlt, wie es das FA sinngemäß im
Hinblick auf den Kläger annimmt, weil sich dieser einen Teil
seines Mitgliederstammes (oder sogar den gesamten
ursprünglichen Mitgliederstamm) in mit § 13 StBerG nicht
vereinbarer Weise verschafft und sich zudem dafür
unzulässig verschuldet habe.
|
|
|
14
|
2. Entgegen der Auffassung des FA und des
angefochtenen Urteils stellt es jedoch kein zu beanstandendes
Geschäftsgebaren dar, wenn ein Lohnsteuerhilfeverein den
Mitgliederstamm eines anderen Vereins bzw. einer bestimmten
Beratungsstelle, welche ihre künftige Beratungstätigkeit
nicht fortführen will, in dem Sinne erwirbt, dass er mit deren
Träger vereinbart, die betreffenden Mitglieder auf die
Einstellung der Tätigkeit der Beratungsstelle und zugleich auf
die Möglichkeit künftiger Beratung durch den neuen
werbenden Verein hinzuweisen, ihm einen Beitritt zu diesem Verein
nahezulegen und dem betreffenden Träger dafür eine an der
Zahl der übernommenen Mitglieder und deren Beitragsaufkommen
orientierte Abfindung zu versprechen.
|
|
|
15
|
Lohnsteuerhilfevereine sind
Selbsthilfeeinrichtungen von Arbeitnehmern zur Hilfeleistung in
Steuersachen für ihre Mitglieder. Aus dieser grundlegenden
Bestimmung des § 13 StBerG folgt, dass Lohnsteuerhilfevereine
körperschaftlich organisierte Gebilde sind, deren Zweck es
sein muss, (ausschließlich) ihren Mitgliedern aufgrund ihrer
Mitgliedschaft - gegenständlich beschränkt auf die in
§ 4 Nr. 11 StBerG bezeichneten steuerlichen Angelegenheiten -
steuerliche Hilfe zu leisten, welche durch den Mitgliedsbeitrag
abgegolten wird; sie dürfen dafür, wie sich aus § 14
Abs. 1 Nr. 5 StBerG ergibt, kein weiteres Entgelt erheben und nach
§ 26 Abs. 2 StBerG auch keiner anderen wirtschaftlichen
Tätigkeit als der Hilfeleistung in Lohnsteuersachen nachgehen,
selbst wenn diese - wie z.B. die Vermittlung von Krediten zur
Vorfinanzierung von Steuererstattungen (Urteil des Senats vom
2.2.1982 VII R 62/81, BFHE 135, 136, BStBl II 1982, 360 = SIS 82 15 42) - mit ihren steuerlichen Aufgaben zusammenhinge.
|
|
|
16
|
Diese sich aus dem Gesetz ergebenden
weitreichenden Vorgaben für Organisation und Tätigkeit
von Lohnsteuerhilfevereinen unterscheiden diese maßgeblich
von Steuerberatungsgesellschaften und Steuerberatern. Indes ergibt
sich aus den gesetzlichen Vorgaben für Lohnsteuerhilfevereine
nicht, dass diese anders als Steuerberaterpraxen gleichsam von der
Spontanität ihrer Mitglieder bzw. derjenigen
Lohnsteuerpflichtigen leben müssten, die sich um eine
Mitgliedschaft in dem Lohnsteuerhilfeverein bewerben oder sich zur
Gründung eines Lohnsteuerhilfevereins zusammenzutun gedenken.
Bei vernünftiger lebensnaher Betrachtung bedarf es vielmehr
keiner Ausführung, dass Lohnsteuerhilfevereine in der Regel
dauerhaft verfasste Organisationen darstellen, die notwendigerweise
ein von ihren jeweiligen Mitgliedern weitgehend unabhängiges
Eigenleben führen und nicht allein von den seitens wechselnder
Mitglieder gerade artikulierten Beratungsbedürfnissen getragen
werden, sondern vielmehr auch von dem Bestreben der Organe und
Mitarbeiter des Lohnsteuerhilfevereins, ihre Tätigkeit
für die Vereinsmitglieder zu einer dauerhaften und angemessen
ertragreichen Grundlage ihrer Lebensführung zu machen.
|
|
|
17
|
Sofern bei diesem Bestreben nicht das
Interesse der Mitglieder des Vereins, aus welchem sich dessen
Existenzberechtigung im Kern herleitet, hintangestellt wird,
sachgemäß und gewissenhaft gegen einen für die
Erfüllung dieser Aufgabe bei deren wirtschaftlichen
Wahrnehmung angemessenen Beitrag steuerlich beraten und vertreten
zu werden, liegt darin nichts vom Gesetzgeber Missbilligtes und der
Verein wird dadurch auch nicht als wirtschaftliche Pfründe von
den Organen des Vereins und seinen Mitarbeitern für deren
Erwerbsinteressen (vgl. dazu allerdings die Begründung des
Entwurfs des Dritten Gesetzes zur Änderung des
Steuerberatungsgesetzes, BTDrucks 7/2852, S. 29 f.) missbraucht.
Folglich ist es auch einem Lohnsteuerhilfeverein gestattet,
für sich zu werben und das Bestreben zu verfolgen, seine
Tätigkeit nach Art eines wirtschaftlichen
Geschäftsbetriebs zu organisieren, seinen
Tätigkeitsbereich zu vergrößern und dadurch als
Organisation zu wachsen. § 26 Abs. 1 StBerG setzt insbesondere
die Befugnis, für sich zu werben, erkennbar voraus. Er
beschränkt sie auch nicht etwa auf das Maß dessen, was
zur Selbsterhaltung des betreffenden Vereins unbedingt erforderlich
ist, welcher freilich, was ebenfalls keiner näheren Darlegung
bedarf, auf eine bestimmte Mindestzahl von Mitgliedern angewiesen
ist, um deren Beratungsbedürfnisse gewissenhaft und zu
wirtschaftlich vertretbaren Mitgliedsbeiträgen befriedigen zu
können, und zwar eine mit zunehmender Komplexität des
Steuerrechts nicht geringe Zahl, deren Steigerung zudem mitunter
Rentabilitätseffekte mit entsprechenden Auswirkungen auf die
Beitragslast versprechen wird. Bei der Neugründung eines
Vereins, um die es im Streitfall geht, haben diese Gesichtspunkte
besonderes Gewicht und werden den Verein mitunter dazu zwingen oder
es für ihn doch als naheliegend erscheinen lassen,
Vorkehrungen dafür zu treffen - wie den
„Erwerb“ des Mitgliederstammes eines Vereins,
der seine Tätigkeit oder eine Beratungsstelle aufgeben will -,
dass er von Anfang an über eine ausreichende (Mindest-)Zahl
von Mitgliedern verfügt, um überhaupt Hilfe in den
Steuersachen i.S. des § 4 Nr. 11 StBerG sachgemäß
leisten zu können.
|
|
|
18
|
Diese Überlegungen entziehen von
vornherein einer Argumentation den Boden, Lohnsteuerhilfevereine
dürften nur das aktuelle Beratungsbedürfnis ihrer
jeweiligen Mitglieder im Auge haben und nicht darauf aus sein, ihre
Leistungen fremden Dritten anzubieten und dadurch Beitragseinnahmen
zu erzielen (so aber offenbar Wilhelm, BB 1987, 175). In einem
solchen Verhalten liegt insbesondere keine bei einem
Lohnsteuerhilfeverein zu beanstandende
„Gewinnerzielungsabsicht“, so als ob damit
feststünde, dass den Organen und Mitarbeitern des Vereins
Einnahmen verschafft werden sollen, die ihnen als nach der
Marktlage angemessenes Entgelt für die dem Verein erbrachten
Leistungen nicht zustünden. In dieser Hinsicht bzw.
hinsichtlich der Beitragshöhe eine Aufsicht auszuüben,
mögen sich zwar die zuständigen Behörden angelegen
sein lassen; das Bestreben eines Vereins, seinen Mitgliederstamm zu
vergrößern bzw. sich einen hinreichend großen von
Beginn an zu sichern, kann als solches hingegen von ihnen nicht
beanstandet werden.
|
|
|
19
|
Anders als das FA offenbar meint, ist es daher
nicht als ein mit dem Wesen eines Lohnsteuerhilfevereins nicht
vereinbares Verhalten zu beanstanden, wenn ein solcher Verein sich
durch entsprechende Absprachen mit einem anderen darum bemüht,
dessen Mitgliederstamm oder die (abgrenzbare) Klientel einer
Beratungsstelle eines anderen Vereins zu übernehmen bzw. - wie
es anscheinend im Streitfall geschehen ist - eine solche
Übernahme überhaupt erst zur Grundlage seiner eigenen
Vereinstätigkeit zu machen. Steuerberatern bzw.
Steuerberatungsgesellschaften und anderen vergleichbaren Berufen
wie z.B. Rechtsanwälten ist der entgeltliche Erwerb einer
fremden Beratungspraxis trotz § 9 StBerG nach allgemeiner
Meinung ohnehin nicht verboten, welche Meinung sich auf den durch
das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20.1.1965 VIII ZR 53/63
(BGHZ 43, 46) eingeleiteten diesbezüglichen Wandel der
höchstrichterlichen Rechtsprechung berufen kann. Die besondere
Struktur und Aufgabe von Lohnsteuerhilfevereinen rechtfertigt es
nicht, bei diesen im Gegensatz dazu einen
„Erwerb“ des Mitgliederstammes eines anderen
Vereins grundsätzlich als unzulässig anzusehen.
|
|
|
20
|
Dass die Mitglieder, auf die eine solche
Abrede über den „Erwerb“ des
Mitgliederstammes zielt, durch diese nicht verpflichtet werden, dem
neuen Verein beizutreten und sich künftig von ihm beraten und
vertreten zu lassen, begreift sich; ebenso allerdings, dass sie
dies (häufig oder sogar in der Regel) tun werden, insbesondere
wenn ihr alter Verein ihnen dies empfiehlt oder zumindest durch
Überlassung seiner Mitgliederkartei dem neuen ermöglicht,
die betreffenden Mitglieder gezielt anzusprechen. Darin ist in der
Regel nichts Anstößiges zu sehen, weil die Mitglieder
sich frei entscheiden können, ob sie der Empfehlung folgen
oder von dem Angebot Gebrauch machen wollen. Der Erwerb verschafft
also im Grunde nur eine Chance, das von dem alten Verein erworbene
Vertrauen der Mitglieder auf den neuen überzuleiten (vgl.
BGH-Urteil in BGHZ 43, 46).
|
|
|
21
|
3. Anders als das FA meint, ist es aber auch
nicht als ein mit dem Wesen eines Lohnsteuerhilfevereins nicht
vereinbares Verhalten zu beanstanden, wenn ein Verein dem anderen
Verein in einer diesbezüglichen Absprache ein (angemessenes)
Entgelt zu zahlen verspricht.
|
|
|
22
|
Dass sich in dem Mitgliederstamm eines
Lohnsteuerhilfevereins ein wirtschaftlicher Wert verkörpert,
lässt sich schwerlich übersehen. Dass niemand einen
solchen Wert unentgeltlich aus der Hand geben wird, liegt in der
Natur der Sache. Der Verein muss mithin, will er sein - wie
dargelegt, nicht zu beanstandendes - Bestreben verwirklichen,
seinen Mitgliederstamm zu vergrößern bzw. sich einen
solchen überhaupt erst zu verschaffen, dafür Aufwendungen
machen und diese unter Umständen zunächst durch
Kreditaufnahme, Ratenzahlungsvereinbarung oder dergleichen
finanzieren. Ein Verstoß gegen das den
Lohnsteuerhilfevereinen vorgegebene Kostendeckungsprinzip (Urteil
des Senats vom 9.9.1997 VII R 108/96, BFHE 183, 333, BStBl II 1997,
778 = SIS 98 02 66) liegt darin nicht, wenn dieses Prinzip nicht
dahin missverstanden wird, die aktuellen Einnahmen des Vereins an
Mitgliedsbeiträgen müssten stets den Ausgaben
entsprechen, die für die konkreten von dem Verein in dem
betreffenden Zeitraum erbrachten Beratungsleistungen aufgewandt
werden mussten. In Wahrheit verbietet das Kostendeckungsprinzip
nur, die Mitgliedsbeiträge über das Maß dessen
hinaus festzusetzen - etwa weil solche Beiträge nach Marktlage
durchsetzbar wären -, was bei einer mittelfristig angelegten
Bilanzierung zur Deckung der von dem Verein in zulässiger
Weise getätigten oder geplanten Aufwendungen erforderlich ist.
Das Kostendeckungsprinzip verbietet es auch nicht etwa, zur
Finanzierung solcher Aufwendungen ggf. maßvoll einen Kredit
aufzunehmen oder sonst Schulden zu machen (ebenso wenig wie es die
Bildung von Rücklagen für künftige Ausgaben
ausschließt), es sei denn, die dadurch entstehenden Kosten
nebst den Aufwendungen für Tilgung, Raten oder dergleichen
trieben die Mitgliedsbeiträge in einem Maße in die
Höhe, dass bei der gebotenen mittelfristigen Betrachtung auf
die gegenwärtigen Vereinsmitglieder nicht im Wesentlichen die
ihrer steuerlichen Beratung und Vertretung zugute kommenden oder
solche Aufwendungen umgelegt werden, die sonst erforderlich
wären, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, zu
verbessern oder zu sichern, dass eine qualifizierte steuerliche
Beratung und Vertretung durch den Verein in wirtschaftlicher Weise
geleistet werden kann. In diesem Rahmen sind auch Aufwendungen
für den „Erwerb“ (oder Hinzuerwerb) eines
Mitgliederstammes von einem anderen Verein insbesondere jedenfalls
in dem Maße vertretbar, wie sie anderenfalls notwendige
Aufwendungen, etwa für Werbung, aber auch z.B. die Deckung von
Anfangsverlusten, vermeiden helfen.
|
|
|
23
|
Allerdings ergibt sich aus diesen
Überlegungen zugleich, dass dem Wirtschaften eines
Lohnsteuerhilfevereins in dieser Hinsicht engere Grenzen gesetzt
sind als einem Steuerberater oder einer
Steuerberatungsgesellschaft, die keine Beiträge zu ihren
Kosten, sondern Gebühren für ihre dem Mandanten
erbrachten Leistungen erheben. Sie sind deshalb insbesondere auch
in der Bemessung des Entgelts für den Erwerb eines
Mandantenstammes - vorbehaltlich des Verbots sittenwidriger
Vereinbarungen (dazu BGH-Urteil in BGHZ 43, 46) - weitgehend frei.
Der Kläger hat sich im Streitfall möglicherweise in
Verkennung seiner besonderen, aus dem Kostendeckungsprinzip
herrührenden Verpflichtungen an den insofern unter
Steuerberatern üblichen Entgelten orientiert, indem er das
Eineinhalbfache des Jahresbeitrags (vgl. dazu Kuhls,
Steuerberatungsgesetz, 1. Aufl. 1995, Vor §§ 69-71 Rz 33)
eines jeden für ihn gewonnenen Mitglieds an M gezahlt hat
(wobei in diesem Verfahren dahinstehen muss, ob M oder nicht
vielmehr der Verein Y Anspruch auf das betreffende Entgelt hatte,
dieses also nicht mittelbar den Mitgliedern dieses Vereins zugute
kommen musste und möglicherweise tatsächlich zugute
gekommen ist).
|
|
|
24
|
Das FA und das FG haben sich bisher, von ihrem
Rechtsstandpunkt aus nachvollziehbar, zu der Vertretbarkeit der M
versprochenen Zahlungen nicht verhalten. Es bedarf dazu aber auch
aus der rechtlichen Sicht des erkennenden Senats keiner
Entscheidung. Denn selbst wenn dem Kläger auch unter
Berücksichtigung des ihm zuzugestehenden Bewertungsvorrechts
vorzuhalten sein sollte, dass die M versprochene und geleistete
Zahlung nach den vorstehend dargelegten Kriterien unvertretbar hoch
ist und nicht dem Umstand Rechnung trägt, dass der bei der
Überlassung eines Mitgliederstammes an einen anderen
Lohnsteuerhilfeverein realisierbare Wert eines solchen
Mitgliederstammes nicht ohne weiteres mit dem (Markt-)Wert des
Mandantenstammes eines Steuerberaters gleichgesetzt werden kann,
rechtfertigte dies einen Widerruf der Anerkennung des Klägers
nicht.
|
|
|
25
|
Wäre dem FA schon bei der Erteilung der
Anerkennung des Klägers bekannt gewesen, dass dieser seinen
Mitgliederstamm gegen Zahlung einer Abfindung von dem Verein Y
übernommen hat, hätte dies nicht zur Versagung der
Anerkennung führen dürfen. Denn nicht jedes Verhalten in
der Gründungsphase eines Lohnsteuerhilfevereins, das der
Aufsichtsbehörde an sich Anlass zu einer Beanstandung gibt,
rechtfertigt die Versagung der Anerkennung des Vereins. Vielmehr
hätte es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
geboten, die Anerkennung davon abhängig zu machen, dass die M
versprochene Abfindung gemäß den erläuterten
Grundsätzen (geringer) bemessen oder im Übrigen nicht zu
Lasten des Beitragsaufkommens bestritten wird.
|
|
|
26
|
Dass solche Maßnahmen -
möglicherweise zu Unrecht, allerdings aus der Sicht des FA
unvermeidlich - unterlassen worden sind, rechtfertigt ebenso wenig
wie die Rücknahme der Anerkennung deren Widerruf nach §
20 Abs. 2 Nr. 1 StBerG. Denn diesem steht entgegen, dass durch ihn
die aufgrund der (vermeintlich) zu Unrecht erteilten Anerkennung
entstandenen Folgen - Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip
aufgrund unvertretbarer Beitragshöhe infolge der für die
Abfindung aufzubringenden Mittel - nicht mehr rückgängig
gemacht werden könnten. Im Übrigen waren jene aus dem
Kostendeckungsprinzip (möglicherweise) herzuleitenden
Beanstandungen des (vermeintlich) rechtswidrigen Verhaltens des
Klägers im Zusammenhang mit seiner Gründung im Jahre 2002
bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des FG durch
Rückführung der genannten Kredite weitgehend und sind sie
heute offenbar vollständig obsolet, so dass nicht erkennbar
ist, weshalb dem Verein nicht jedenfalls heute eine Anerkennung
erteilt werden könnte. Besteht aber ein gegenwärtiger
Anspruch auf eine solche Entscheidung, so verstößt die
Aufhebung derselben wegen zurückliegender, erledigter
Hinderungsgründe nach der Rechtsprechung des Senats gegen Treu
und Glauben (vgl. Urteil vom 22.8.1995 VII R 63/94, BFHE 178, 504,
BStBl II 1995, 909 = SIS 96 01 43).
|
|
|