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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Vater der im Jahr 1984 geborenen Beigeladenen.
Sie wohnte bis zum Abitur bei ihrer Mutter, die das Kindergeld
bezog. Nach dem Abitur - zu Beginn des Jahres 2003 - war sie
nichtselbständig beschäftigt, danach begann sie ein
Studium. Der Kläger leistete der Beigeladenen nur in den
Monaten Mai bis August 2003 monatlich Unterhalt von 300
EUR.
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Durch Urteil vom 17.12.2004 verurteilte ihn
das Amtsgericht (AG), der Beigeladenen für den Zeitraum
März bis September 2003 rückständigen Unterhalt von
2.208 EUR und ab Oktober 2003 monatlich Unterhalt von 204 EUR zu
zahlen. In den Monaten Januar und Februar 2003 hatte die
Beigeladene nach Ansicht des AG keinen Unterhaltsanspruch gegen den
Kläger, da sie ihren Unterhaltsbedarf nahezu vollständig
durch ihre Erwerbstätigkeit habe abdecken können.
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Im Januar 2005 beantragte der Kläger
rückwirkend die Gewährung von Kindergeld und fügte
zum Nachweis seiner Unterhaltspflicht das Urteil des AG bei. Im
selben Monat stellte die Beigeladene den Antrag, das Kindergeld
nach § 74 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an
sie selbst auszuzahlen, weil weder der Kläger noch die Mutter
Unterhalt an sie leiste.
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Mit Bescheid vom 26.4.2005 setzte die
Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) Kindergeld ab
Januar 2003 fest. Für Mai bis August sei dem Kläger das
Kindergeld nachzuzahlen. Für Januar bis April 2003 sowie ab
September 2003 sei das Kindergeld an die Beigeladene abzuzweigen,
da der Kläger für diese Monate keinen Unterhalt geleistet
habe. Die Abzweigung sei angemessen, weil das Kindergeld insoweit
für den Kindesunterhalt bestimmt sei. Wegen des Einspruchs des
Klägers zahlte die Familienkasse ab Juni 2005 kein Kindergeld
an die Beigeladene mehr aus.
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Mit seinem Einspruch gegen den
Abzweigungsbescheid wies der Kläger darauf hin, dass das
Urteil des AG im April 2005 rechtskräftig geworden sei. Er
legte Belege vor, nach denen er der Beigeladenen im Mai und Juni
2005 Unterhalt für Oktober 2003 bis Juni 2005 überwiesen
hatte. Die Familienkasse wies den Einspruch durch
Einspruchsentscheidung vom 8.6.2005 mit der Begründung
zurück, die nachträgliche Leistung von Unterhalt
rechtfertige nicht die Nachzahlung von Kindergeld. Der Kläger
hätte vielmehr fortlaufende Unterhaltsleistungen ohne
Zahlungsunterbrechung erbringen müssen.
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Das Finanzgericht (FG) gab der
anschließend erhobenen Klage statt, nachdem es die
Beigeladene am Verfahren beteiligt hatte. Es hob den
Abzweigungsbescheid sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung
auf (Urteil vom 24.4.2007 12 K 2543/05, EFG 2008, 1640 = SIS 08 26 45). Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe
nachträglich Unterhalt geleistet. Der Familienkasse stehe bei
der Entscheidung über eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1
Satz 1 EStG ein Ermessensspielraum zu, den sie im Streitfall weder
dem Grunde noch der Höhe nach ausgeübt habe, da sie ihre
Entscheidung lediglich darauf gestützt habe, dass der
Kläger seine Unterhaltsverpflichtung erst nachträglich
erfüllt habe.
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Zur Begründung der Revision trägt
die Familienkasse vor, das angefochtene Urteil widerspreche dem
Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17.2.2004 VIII R 58/03 (BFHE
206, 1, BStBl II 2006, 130 = SIS 04 33 39). Der BFH habe in dieser
Entscheidung klargestellt, dass in Fällen, in denen ein
Unterhaltsverpflichteter überhaupt keinen Unterhalt leiste,
das Ermessen der Familienkasse auf Null reduziert sei und nur die
volle Abzweigung des Kindergeldes ermessensgerecht sei. Ein
vergleichbarer Sachverhalt liege hier vor. Der Kläger habe
zunächst keinen Unterhalt geleistet, so dass nur die
Abzweigung des Kindergeldes an die Beigeladene zutreffend gewesen
sei. Die Familienkasse habe dementsprechend keine
Ermessensabwägungen angestellt. Die nachträgliche
Leistung von Unterhalt habe die vorherige Verletzung der
Unterhaltspflicht nicht entfallen lassen.
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Die Familienkasse beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger und die Beigeladene haben
keinen Antrag gestellt.
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II. Die Revision ist unbegründet und wird
zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das FG hat zutreffend die Abzweigungsentscheidung und die
Einspruchsentscheidung aufgehoben, weil die Familienkasse den
nachträglich gezahlten Unterhalt bei der Ermessensentscheidung
über die Abzweigung des Kindergeldes an die Beigeladene zu
Unrecht nicht berücksichtigt hat.
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1. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG kann das
für ein Kind nach § 66 Abs. 1 EStG festgesetzte
Kindergeld an dieses selbst ausgezahlt werden, wenn der
Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen
Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Eine Verletzung der
Unterhaltspflicht liegt vor, wenn der Kindergeldberechtigte
objektiv und dauerhaft für den wesentlichen Unterhalt des
Kindes nicht aufkommt; die Pflichtverletzung muss nicht schuldhaft
sein (Senatsurteil vom 23.2.2006 III R 65/04, BFHE 212, 481, BStBl
II 2008, 753 = SIS 06 30 01).
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2. Die Entscheidung der Familienkasse
über eine Abzweigung von Kindergeld ist eine
Ermessensentscheidung („kann“). Die
Familienkasse hat bei Ausübung ihres Ermessens sowohl den
Zweck des Kindergeldes als auch den Zweck der Abzweigungsvorschrift
(§ 5 der Abgabenordnung) zu beachten. Da das Kindergeld die
Eltern wegen ihrer Unterhaltsleistungen steuerlich entlasten soll,
sind bei der Prüfung, ob und inwieweit das Kindergeld
abzuzweigen ist, auch geringe Unterhaltsleistungen des
Kindergeldberechtigten mit einzubeziehen (BFH-Urteil vom 11.11.2004
VIII R 30/04, BFH/NV 2005, 692 = SIS 05 18 26). Trägt der
Kindergeldberechtigte dagegen überhaupt keine Aufwendungen
für den Unterhalt des Kindes, ist das Ermessen der
Familienkasse eingeschränkt. Ermessensgerecht ist in einem
solchen Fall allein die Auszahlung des Kindergeldes an das Kind, da
der erkennbare Zweck des § 74 Abs. 1 EStG darin liegt, dem
Kind das Kindergeld zukommen zu lassen, wenn der
Kindergeldberechtigte keinen Unterhalt leistet (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 206, 1, BStBl II 2006, 130 = SIS 04 33 39).
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In der Regel ist das Kindergeld daher an das
Kind abzuzweigen, wenn der Kindergeldberechtigte keine laufenden
Unterhaltszahlungen erbringt. Beantragt der Kindergeldberechtigte
aber rückwirkend Kindergeld, weil er gerichtlich
rückwirkend zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet worden ist,
und wird das Kindergeld dementsprechend rückwirkend
festgesetzt, ist bei der Ermessensentscheidung über den
ebenfalls rückwirkend gestellten Abzweigungsantrag auch der
nachträglich aufgrund der gerichtlichen Verurteilung
geleistete Unterhalt zu berücksichtigen. Erhält das Kind
rückwirkend Unterhalt, ist der Zweck der Abzweigung, dem Kind
einen raschen Zugriff auf das Kindergeld zu ermöglichen, weil
der Unterhaltsverpflichtete keinen Unterhalt zahlt, nicht
erfüllt.
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3. Nach § 102 Satz 1 FGO kann das Gericht
eine Ermessensentscheidung nur daraufhin überprüfen, ob
die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens
überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der
Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht
hat.
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Im Streitfall hat die Familienkasse den mit
dem Kindergeld und der Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG
verfolgten Zweck nicht berücksichtigt.
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Zwar war die Entscheidung der Familienkasse,
das rückwirkend festgesetzte Kindergeld nur für die
Monate Mai bis August 2003 an den Kläger und im Übrigen
an die Beigeladene auszuzahlen, zunächst ermessensgerecht,
weil der Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung die
Unterhaltszahlungen, zu denen er verurteilt worden war, nicht
erbracht hatte. Jedoch hat er während des Einspruchsverfahrens
die geschuldeten Beträge weitgehend überwiesen. Da
Ermessensentscheidungen im Einspruchsverfahren nicht nur auf
Ermessensfehler hin zu überprüfen sind, sondern bei
Änderung der Sach- und Rechtslage im Einspruchsverfahren ggf.
eine neue Ermessensentscheidung zu treffen ist (BFH-Beschluss vom
19.11.2007 VIII B 30/07, BFH/NV 2008, 335 = SIS 08 11 00),
hätte die Familienkasse unter Berücksichtigung des im
Einspruchsverfahren gezahlten Unterhalts erneut eine
Ermessensentscheidung treffen müssen. Sie hat in der
Einspruchsentscheidung ihr Ermessen jedoch nicht ausgeübt,
weil sie zu Unrecht davon ausgegangen ist, eine Auszahlung des
rückwirkend festgesetzten Kindergeldes an den
Kindergeldberechtigten komme nur dann in Betracht, wenn dieser ohne
Unterbrechung fortlaufend Unterhalt zahle, nicht aber, wenn er
seine Unterhaltspflicht erst nachträglich - hier im Juni 2005
- erfülle.
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Hinsichtlich der Monate Januar und Februar
2003 hat die Familienkasse ihre Ermessensentscheidung nicht
begründet. Für diese Monate war der Kläger laut dem
AG-Urteil zivilrechtlich nicht zum Unterhalt verpflichtet. Sofern
der Kläger aber insoweit mit einer Abzweigung einverstanden
war, könnte dies bei der Ermessensentscheidung
berücksichtigt werden.
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