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Die Klägerin setzte die im Streitjahr
geleisteten Zinszahlungen als laufende Betriebsausgaben an. Der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) war der
Auffassung, die Klägerin müsse in ihrer Bilanz zum
31.12.1999 einen RAP im Betrag von 156.186,34 DM aktivieren, weil
es sich bei der Überlassung der Darlehensvaluta um eine
über die Laufzeit des Darlehens gleichbleibende Leistung
handele und deshalb die von der Klägerin zu zahlenden Zinsen
gleichmäßig auf die Laufzeit zu verteilen seien. Auf
dieser Grundlage hat das FA die Körperschaftsteuer für
das Streitjahr festgesetzt. Die deswegen erhobene Klage hatte
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat den
Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr dahin
abgeändert, dass kein aktiver RAP zu berücksichtigen ist.
Sein Urteil vom 21.12.2009 6 K 1918/07 ist in EFG 2011, 61 = SIS 10 35 07 abgedruckt.
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Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf
Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des
FA.
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Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet und
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des FG-Urteils und zur
Abweisung der Klage. Das FA hat in dem angefochtenen Bescheid zu
Recht für die im Streitjahr gezahlten Darlehenszinsen einen
aktiven RAP angesetzt.
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1. Gemäß § 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes i.V.m. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1
des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind in den Bilanzen der
Klägerin für Ausgaben vor dem Abschlussstichtag auf der
Aktivseite RAP anzusetzen, soweit sie Ausgaben für eine
bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen.
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2. Zwischen den Beteiligten unstreitig und
nicht weiter erläuterungsbedürftig ist, dass die von der
Klägerin im Streitjahr gezahlten Darlehenszinsen
„Ausgaben“ i.S. von § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1
EStG sind.
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3. Auf der Grundlage der den Senat
gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz gelten die im Streitjahr gezahlten
Zinsen bei wirtschaftlicher Betrachtung teilweise die
Überlassung der Darlehensvaluta in den Folgejahren ab und sind
deshalb insoweit Aufwand der Klägerin „für eine
bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag“.
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a) Aufwand für eine bestimmte Zeit nach
dem Abschlussstichtag liegt vor, wenn einer Vorleistung eine noch
nicht erbrachte zeitraumbezogene Gegenleistung gegenübersteht
(vgl. Senatsurteile vom 4.5.1977 I R 27/74, BFHE 123, 20, BStBl II
1977, 802 = SIS 77 04 47; vom 19.5.2010 I R 65/09, BFHE 230, 25,
BStBl II 2010, 967 = SIS 10 22 25; Urteile des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 6.4.1993 VIII R 86/91, BFHE 171, 221, BStBl II 1993, 709
= SIS 93 18 14; vom 19.6.1997 IV R 16/95, BFHE 183, 484, BStBl II
1997, 808 = SIS 97 22 26, jeweils m.w.N.). § 5 Abs. 5 Satz 1
Nr. 1 EStG betrifft zwar typischerweise Vorleistungen im Rahmen
eines gegenseitigen Vertrags i.S. der §§ 320 ff. des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB); die Vorschrift ist aber nicht
auf synallagmatische schuldrechtliche Leistungen beschränkt
(vgl. Senatsurteile in BFHE 230, 25, BStBl II 2010, 967 = SIS 10 22 25; vom 24.7.1996 I R 94/95, BFHE 181, 64, BStBl II 1997, 122 = SIS 96 22 31; vom 29.11.2006 I R 46/05, BFHE 216, 159, BStBl II 2009,
955 = SIS 07 10 39; Senatsbeschluss vom 7.4.2010 I R 77/08, BFHE
228, 533, BStBl II 2010, 739 = SIS 10 14 76; Senatsurteil vom
22.6.2011 I R 7/10 = SIS 11 28 13, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt; Buciek in Blümich, EStG, KStG,
GewStG, § 5 EStG Rz 678 = SIS 11 28 13; Federmann in
Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 5 EStG Rz 1927; zur
passiven Rechnungsabgrenzung: BFH-Urteil vom 24.6.2009 IV R 26/06,
BFHE 225, 144, BStBl II 2009, 781 = SIS 09 25 66). Vielmehr reicht
es für eine Rechnungsabgrenzung aus, wenn mit der Vorleistung
ein zeitraumbezogenes Verhalten erwartet wird, das wirtschaftlich
als Gegenleistung für die Vorleistung aufgefasst werden kann
(vgl. Senatsbeschluss in BFHE 228, 533, BStBl II 2010, 739 = SIS 10 14 76; Senatsurteile in BFHE 230, 25, BStBl II 2010, 967 = SIS 10 22 25; vom 22.6.2011 I R 7/10 = SIS 11 28 13).
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b) In Bezug auf die von der Klägerin im
Streitjahr entrichteten Darlehenszinsen mit dem Zinssatz von 7,5 %
ist somit die Frage zu beantworten, ob die Zinsen zu einem Teil -
nämlich soweit sie den auf die gesamte Vertragslaufzeit
entfallenden rechnerischen Durchschnittszinssatz übersteigen -
als Vorleistung für die Überlassung der Darlehensvaluta
in der restlichen Darlehenslaufzeit anzusehen sind. Die Frage ist
entgegen der Auffassung des FG zu bejahen.
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c) Im Ansatz zu Recht hat sich die Vorinstanz
an dem BFH-Urteil vom 12.8.1982 IV R 184/79 (BFHE 136, 280, BStBl
II 1982, 696 = SIS 82 20 05) orientiert, welches sich mit der
bilanzsteuerrechtlichen Beurteilung eines
Immobilien-Leasingvertrags mit degressiven Leasingraten befasst
hat. Danach ist zunächst maßgeblich, ob der
Empfänger die Leistung im Falle einer Beendigung des
Vertragsverhältnisses vor Ablauf der Vertragslaufzeit behalten
dürfte oder ob er sie zurückerstatten müsste. Der
Vorleistungscharakter ist zu bejahen, wenn der Empfänger die
Leistung bei vorzeitiger Vertragsbeendigung zeitanteilig
zurückzuzahlen hat (vgl. auch Senatsbeschluss in BFHE 228,
533, BStBl II 2010, 739 = SIS 10 14 76; Senatsurteil in BFHE 230,
25, BStBl II 2010, 967 = SIS 10 22 25; Buciek in Blümich,
a.a.O., § 5 EStG Rz 678). Darf der Empfänger die Leistung
hingegen im Falle der vorzeitigen Vertragsbeendigung behalten, ist
das jedenfalls ein gewichtiges Indiz gegen die Zeitraumbezogenheit
der Gegenleistung (vgl. Senatsurteil vom 22.6.2011 I R 7/10 = SIS 11 28 13; BFH-Urteil in BFHE 171, 221, BStBl II 1993, 709 = SIS 93 18 14; Buciek in Blümich, a.a.O., § 5 EStG Rz 678a).
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Soweit das FA das Abgrenzungskriterium der
Rückforderbarkeit bei vorzeitiger Vertragsbeendigung in
Zweifel zieht und durch die Prüfung ersetzen möchte, ob
das zeitliche Auseinanderfallen von Aufwand und Ertrag
„willkürlich“ oder aber
„wirtschaftlich gerechtfertigt“ ist, kommt es zu
diesem Ergebnis nur, weil es offenbar - ebenso wie das FG - nicht
bedenkt, dass die fehlende Rückforderbarkeit nicht ausnahmslos
zur Verneinung der Rechnungsabgrenzung führt (dazu unten,
II.3.e und f). Das Kriterium der Rückforderbarkeit der
Leistung orientiert sich an den Grundsätzen der
Ertragsrealisation (vgl. Herzig/Joisten, DB 2011, 1014, 1016) und
ist ein grundsätzlich sachgerechter Indikator für die
Prüfung eines Bezugs einer Zahlung zu einer Gegenleistung, die
erst in künftigen Zeiträumen zu erbringen ist.
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d) Den Revisionsangriffen stand hält des
Weiteren die Annahme des FG, die Klägerin habe im Falle einer
vorzeitigen Beendigung des Darlehensverhältnisses keinen
vertraglichen Anspruch auf anteilige Rückerstattung der bis
zum Beendigungszeitpunkt bereits gezahlten Zinsen gehabt. Entgegen
der Sichtweise des FA kann ein solcher Rückforderungsanspruch
nicht in Zusammenhang mit dem sich im Falle der vorzeitigen
Vertragsbeendigung ergebenden Anspruch der X-Bank auf
Vorfälligkeitsentschädigung gesehen werden. Der Anspruch
des Darlehensgebers auf Vorfälligkeitsentschädigung
orientiert sich - wie das FG zu Recht angenommen hat - mangels
abweichender vertraglicher Regelung ausschließlich am
Maßstab der künftigen, wegen der Vertragsbeendigung nun
nicht mehr anfallenden Zinszahlungen. Der Darlehensgeber wird
dadurch wirtschaftlich so gestellt, als wäre der Vertrag
vereinbarungsgemäß fortgeführt worden. Welche
Höhe die bis zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung bereits
entrichteten Zinsen gehabt haben, ist für die Bemessung des
Anspruchs irrelevant; der Anspruch kann deshalb nicht zu einer
teilweisen Rückzahlung dieser Zinsen führen. Der Umstand,
dass der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung wegen
des vereinbarten kontinuierlich fallenden Vertragszinssatzes
niedriger ausfällt, als er bei Vereinbarung gleichbleibender
Zinssätze ausgefallen wäre, kann in Zusammenhang mit der
Prüfung des Vorleistungscharakters der Anfangszinssätze
nicht mit einem Rückzahlungsanspruch gleichgesetzt werden.
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e) Die Vorinstanz hat jedoch nicht beachtet,
dass nach dem von ihr in Bezug genommenen BFH-Urteil in BFHE 136,
280, BStBl II 1982, 696 = SIS 82 20 05 (ebenso Senatsbeschluss in
BFHE 228, 533, BStBl II 2010, 739 = SIS 10 14 76; Senatsurteil vom
22.6.2011 I R 7/10 = SIS 11 28 13) die fehlende
Rückforderbarkeit der Leistung im Falle einer (gedachten)
Beendigung des Vertragsverhältnisses vor Ablauf der
Vertragslaufzeit dann kein Kriterium für die Verneinung eines
Bezugs zu einer erst in künftigen Zeiträumen zu
erbringenden Gegenleistung sein kann, wenn das
Vertragsverhältnis auf mehrere Jahre zu festen Bedingungen
abgeschlossen ist und während dieser Zeit nur aus wichtigem
Grund gekündigt werden kann und wenn konkrete Anhaltspunkte
dafür fehlen, dass die Vertragsparteien der Möglichkeit
einer vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch
Kündigung aus wichtigem Grund und dem Fehlen eines Anspruchs
auf teilweise Rückforderung bisher gezahlter Zinsen in diesem
Falle eine mehr als rein theoretische Bedeutung beigemessen haben.
Denn unter diesen Umständen kann der Vereinbarung über
das für das einzelne Jahr zu entrichtende Entgelt keine
„Richtigkeitsgewähr“ in dem Sinne zuerkannt
werden, dass das jeweilige Jahresentgelt Ausdruck einer
sachgerechten, im Ausgleich widerstreitender Interessen gefundenen
Bewertung des Jahreswerts der empfangenen Gegenleistung ist.
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f) Vom Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls
muss hier auf der Basis der tatsächlichen Feststellungen des
FG ausgegangen werden: Der Darlehensvertrag zwischen der
Klägerin und der X-Bank wurde danach für zehn Jahre fest
vereinbart und ist auf eine in jedem Jahr seiner Laufzeit
gleichbleibende Leistung der Darlehensgeberin gerichtet. Die
Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung wurde für
beide Vertragsseiten ausgeschlossen. Eine Möglichkeit der
Kündigung aus wichtigem Grund wurde vertraglich nicht
festgelegt. Zwar mag eine Möglichkeit zur Kündigung des
Darlehensvertrags aus wichtigem Grund gemäß § 242
BGB auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung
bestanden haben (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom
19.9.1985 III ZR 213/83, BGHZ 95, 362). Ein Anhaltspunkt
dafür, dass diese Möglichkeit bei Vertragsschluss in den
Augen der Vertragsparteien eine mehr als theoretische Rolle
gespielt haben könnte, ist den tatrichterlichen Feststellungen
jedoch nicht zu entnehmen.
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Soweit die Klägerin in diesem
Zusammenhang auf den Hinweis des FG zur im Oktober 2005 erfolgten
einvernehmlichen Auflösung eines anderen Darlehensvertrags
zwischen den Vertragsparteien verweist, welcher ursprünglich
von März 2001 bis März 2008 hätte laufen sollen,
beziehen sich diese Ausführungen ausschließlich auf die
Berechnungsweise der Vorfälligkeitsentschädigung. Sie
lassen keinen Rückschluss darauf zu, dass die Möglichkeit
einer vorzeitigen Beendigung des streitgegenständlichen
Darlehensvertrags in den Vorstellungen der Vertragsparteien zum
Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine Rolle gespielt haben
könnte. Im Übrigen kommt es in diesem Zusammenhang nicht
auf die Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit einer
einvernehmlichen Vertragsaufhebung an. Denn die Grundlage für
die Beurteilung der Zeitraumbezogenheit der Gegenleistung ist der
Vertrag, so wie er von den Vertragsparteien für beide Seiten
verbindlich geschlossen wurde. Die theoretisch immer bestehende
Möglichkeit einer nachträglichen einvernehmlichen
Vertragsänderung oder Vertragsaufhebung kann deshalb kein
taugliches Abgrenzungskriterium sein.
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g) Ob etwas anderes gilt, wenn die Parteien
mit der Vereinbarung eines fallenden Zinssatzes versuchen, ein
prognostiziertes Absinken des allgemeinen Marktzinssatzes für
Kapitalüberlassungen während der Darlehenslaufzeit
widerzuspiegeln, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn
nach dem vom FG in Bezug genommenen Vorbringen der Klägerin im
Erörterungstermin lag der wirtschaftliche Beweggrund für
die Aufnahme der Stepdown-Gelder darin, die Auswirkungen des sog.
Zuwachssparens auszugleichen, bei dem den Kunden der Klägerin
ein während der Vertragslaufzeit kontinuierlich steigender
Sparzins zusteht. Dieser wirtschaftliche Hintergrund hat mit dem
Leistungsgefüge des streitbefangenen Darlehensvertrags nichts
zu tun. Er belegt vielmehr, dass die Festlegung der
unterschiedlichen Jahreszinsen nicht auf einer unterschiedlichen
Bewertung der jeweiligen Jahresleistungen der X-Bank durch die
Vertragsparteien beruhte.
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h) Der Senat weicht mit dieser Beurteilung
nicht von dem Senatsurteil vom 20.1.1993 I R 115/91 (BFHE 170, 234,
BStBl II 1993, 373 = SIS 93 10 19) ab, nach dem die Klägerin
beim Zuwachssparen in der Anfangszeit keinen
Erfüllungsrückstand für den künftig von ihr zu
zahlenden höheren Vertragszinssatz passivieren darf. Das folgt
schon daraus, dass im Unterschied zum streitbefangenen Darlehen die
im Urteilsfall zu beurteilenden Zuwachssparverträge vom Kunden
nach Ablauf einer Mindestlaufzeit von neun Monaten jederzeit
ordentlich gekündigt werden konnten. Des Weiteren war die
Steigerung des Zinssatzes im Urteilsfall so berechnet, dass sich
für jede mögliche Laufzeit aus den tatsächlich
gutgeschriebenen Zinsen die der Laufzeit angemessene
durchschnittliche Gesamtverzinsung ergab, die Gesamtverzinsung
jeweils am Jahresende mithin der für die bis dahin erreichte
Laufzeit marktüblichen Verzinsung entsprochen hatte. Bei den
streitgegenständlichen Stepdown-Geldern ist das anders. Denn
es ist gerade nicht marktüblich, dass bei kürzerer
Darlehenslaufzeit ein höherer Zins entsteht als bei
längerer Laufzeit.
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4. Das FG ist von einer anderen rechtlichen
Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben; die
Klage ist abzuweisen.
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