1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) wendet sich dagegen, dass
gegen sie vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt - HZA
- ) eine Verwaltungssanktion im Zusammenhang mit zwischen 1997 und
1998 durchgeführten Ausfuhren in sog. Isolierschlachtbetrieben
erschlachteten Rindfleisches verhängt worden ist. Da solches
Fleisch nicht „von gesunder und handelsüblicher
Qualität“ und daher nicht erstattungsfähig ist, wie
der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom
26.5.2005 C-409/03 - SEPA - (Slg. 2005, I-4321 = SIS 05 30 10)
entschieden hat, hat das HZA die der Klägerin gewährten
Vorschüsse auf die Ausfuhrerstattung durch inzwischen
bestandskräftige Rückforderungsbescheide
zurückgefordert.
|
|
|
2
|
Mit dem verfahrensgegenständlichen
Bescheid hat das HZA darüber hinaus gegen die Klägerin
eine Sanktion mit der Begründung verhängt, die
Klägerin habe eine höhere als die ihr zustehende
Erstattung beantragt und dadurch den Tatbestand des Art. 11 Abs. 1
der (hier noch anzuwendenden, insoweit durch die Verordnung (EG)
Nr. 495/97 vom 18.3.1997, Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 77/12 geänderten) Verordnung
(EWG) Nr. 3665/87 über gemeinsame
Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei
landwirtschaftlichen Erzeugnissen verwirklicht (im Folgenden: VO
Nr. 3665/87; heute: Art. 48 der Verordnung (EG) Nr. 612/2009 vom
7.7.2009, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L
186/1).
|
|
|
3
|
Die Klägerin hatte die betreffenden
Sendungen beim Ausfuhrzollamt zur Ausfuhr angemeldet und den
Anmeldungen Genusstauglichkeitsbescheinigungen der
Veterinärbehörde beigefügt, aus denen sich ergab,
dass das Fleisch in Isolierschlachtbetrieben erschlachtet worden
ist. Das Zollamt hatte die Ausfuhranmeldungen gleichwohl angenommen
und an das beklagte HZA als zentrale nationale Zahlstelle
weitergeleitet. Die Genusstauglichkeitsbescheinigungen hat es
jedoch dem HZA nicht mit übersandt.
|
|
|
4
|
Das Finanzgericht (FG) hat den
Sanktionsbescheid für rechtmäßig gehalten und
deshalb die gegen diesen erhobene Klage abgewiesen. Gegen sein
Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, die hervorhebt,
bei der Ausfuhranmeldung nach Art. 3 VO Nr. 3665/87 durch die
Beifügung der Genusstauglichkeitsbescheinigungen offengelegt
zu haben, dass es sich um Fleisch aus einem Isolierschlachtbetrieb
handelt. Das HZA hingegen hält für entscheidend, dass die
Klägerin die Herkunft der Ware aus einem
Isolierschlachtbetrieb in der Ausfuhranmeldung selbst nicht
angegeben hat.
|
|
|
5
|
II. Der beschließende Senat möchte
auf die Revision der Klägerin den angefochtenen
Sanktionsbescheid aus den unter 3. näher erläuterten
Gründen aufheben, weil die Klägerin bei der gebotenen
Auslegung ihrer Ausfuhranmeldung keine höhere als die ihr
zustehende Ausfuhrerstattung beantragt und deshalb den
Sanktionstatbestand nicht verwirklicht hat. Der Senat ist sich
indes seines dieser rechtlichen Würdigung des Streitfalls
zugrundeliegenden Verständnisses der Sanktionsvorschrift nicht
sicher, so dass er den Gerichtshof gemäß Art. 267 des
Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union um
eine diesbezügliche Klärung ersucht.
|
|
|
6
|
1. Die für die Entscheidung über die
Revision einschlägigen Rechtsvorschriften finden sich im
Wesentlichen in den Art. 3, 5 und 11 VO Nr. 3665/87.
|
|
|
7
|
Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a VO Nr.
3665/87 sieht die Verhängung einer Sanktion gegen den
Ausführer vor, wenn festgestellt wird, dass dieser eine
höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat. Die
für die betreffende Ausfuhr zu zahlende Erstattung entspricht
dann der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden
Erstattung, vermindert um einen Betrag in Höhe des halben
Unterschieds zwischen der beantragten Erstattung und der für
die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung. Ergibt sich aus
dieser Berechnung - wie im Streitfall - ein Negativbetrag, hat der
Ausführer diesen zu zahlen (Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 4 VO Nr.
3665/87). Als beantragte Erstattung gilt gemäß Art. 11
Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 3665/87 der Betrag, der anhand der
Angaben gemäß Art. 3 bzw. Art. 25 Abs. 2 VO Nr. 3665/87
berechnet wird.
|
|
|
8
|
Der in diesem Zusammenhang maßgebliche
„Antrag“ wird durch die Abgabe einer
Ausfuhranmeldung nach Art. 3 VO Nr. 3665/87 gestellt (Urteile des
Gerichtshofs vom 14.4.2005 C-385/03 - Käserei Champignon
Hofmeister -, Slg. 2005, I-2997, ZfZ 2005, 234 = SIS 05 30 19, und
vom 27.4.2006 C-27/05 - Elfering Export -, Slg. 2006, I-3681, ZfZ
2006, 235 = SIS 06 24 64).
|
|
|
9
|
Eine solche Ausfuhranmeldung enthält
(zumindest stillschweigend) die Versicherung der gesunden und
handelsüblichen Qualität der angemeldeten Ware, welche
Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattung ist
(Urteil des Gerichtshofs vom 1.12.2005 C-309/04 - Fleisch-Winter -,
Slg. 2005, I-10349 = SIS 06 06 81).
|
|
|
10
|
2. Der beschließende Senat hat erwogen,
ob eine Sanktion stets verwirkt wird, wenn durch die Abgabe einer
Ausfuhranmeldung Ausfuhrerstattung beantragt wird, welche dem
Ausführer tatsächlich nicht zusteht, eine Sanktion also
auch dann verwirkt ist, wenn sich aus den in der Ausfuhranmeldung
im Einzelnen enthaltenen Angaben bei zutreffender rechtlicher
Würdigung ergibt, dass dem Ausführer keine
Ausfuhrerstattung zu zahlen ist.
|
|
|
11
|
Dies könnte aus den Ausführungen des
Gerichtshofs in dem Urteil vom 24.4.2008 C-143/07 - AOB Reuter -
(Slg. 2008, I-3171, ZfZ 2008, 158 = SIS 08 25 45) gefolgert werden.
Dort wird der Ausführer dafür in
„Haftung“ genommen, dass die Ausfuhr der hierzu
von ihm angemeldeten Ware tatsächlich stattfindet (was in dem
diesem Urteil zugrundeliegenden Streitfall nicht geschehen war,
ohne dass der Ausführer dafür verantwortlich gemacht
worden wäre), und vom Gerichtshof hervorgehoben, der
abschließenden Liste der in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr.
3665/87 bezeichneten Ausnahmetatbestände, bei denen die
Erhebung einer Sanktion unterbleibt, dürfe kein neuer,
„namentlich auf mangelndes Fehlverhalten des
Ausführers gestützter Befreiungstatbestand“,
hinzugefügt werden.
|
|
|
12
|
Das in diesem Urteil vom Gerichtshof
vertretene Verständnis des Art. 11 VO Nr. 3665/87 scheint
mithin nicht unzutreffende oder unvollständige Angaben des
Ausführers in seinem Erstattungsantrag sanktionieren zu
wollen, sondern das Stellen eines solchen (unberechtigten) Antrages
als solches. Dies mag damit gerechtfertigt werden können, dass
ungeachtet etwaiger falscher Angaben des Ausführers in seinem
Antrag von jedwedem unberechtigten Antrag die Gefahr ausgeht, es
werde (aufgrund eines Irrtums der Zahlstelle) zu Unrecht Erstattung
gezahlt.
|
|
|
13
|
Eine so weite Ausdehnung der
Sanktionsvorschrift erschiene dem beschließenden Senat indes
nicht mehr hinreichend durch deren Sinn und Zweck gerechtfertigt,
die Ausführer zu veranlassen, das Unionsrecht einzuhalten, und
Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle stärker zu
bekämpfen (vgl. in diesem Sinne das Urteil in Slg. 2008,
I-3171, ZfZ 2008, 158, Rz 15). Anders als in dem der vorgenannten
Entscheidung des Gerichtshofs zugrundeliegenden Fall des
Ausbleibens künftiger den Erstattungsanspruch
begründender Ereignisse wie der Ausfuhr der Ware würde
bei Anwendung der Sanktionsvorschrift auf den Streitfall ein Antrag
sanktioniert, welcher rechtsirrtümlich, jedoch in gutem
Glauben gestellt sein dürfte.
|
|
|
14
|
Das Risiko einer falschen Anwendung der
einschlägigen Rechtsvorschriften durch die
Erstattungsbehörde tragen die Ausführer allerdings
grundsätzlich ohnehin: sie müssen zu Unrecht gezahlte
Erstattung zurückzahlen (Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3665/87). Ist
es aber angemessen, sie darüber hinaus mit einer Sanktion zu
belegen, obwohl die Behörde die dem Erstattungsantrag
zugrundeliegende unzutreffende rechtliche Beurteilung, mag der
Ausführer diese auch in gutem Glauben vorgenommen haben,
anhand der tatsächlichen Angaben in dem Antrag hätte
erkennen können?
|
|
|
15
|
Überdies wäre es nach Ansicht des
beschließenden Senats ein rechtsstaatlich kaum hinnehmbares,
jedoch bei einer solchen Auslegung eintretendes Ergebnis, dass mit
einer Sanktion auch belegt werden müsste, wer einen
vermeintlichen (tatsächlich jedoch nicht bestehenden)
Erstattungsanspruch im Streit durchsetzen möchte und deshalb,
wie er es tun muss, einen rechtsmittelfähigen Bescheid
aufgrund der Abgabe einer entsprechenden Ausfuhranmeldung beantragt
hat.
|
|
|
16
|
Zudem hat der Gerichtshof sowohl in der eben
angeführten Entscheidung wie zuletzt in dem Urteil vom
19.3.2009 C-77/08 - Daxberger & Söhne - (Slg. 2009,
I-2097, ZfZ 2009, 108 = SIS 09 12 13) und in Übereinstimmung
mit den Erwägungsgründen zu Art. 11 VO Nr. 3665/87 immer
wieder auf die Angaben abgestellt, die der Ausführer in seiner
Ausfuhranmeldung gemacht hat. Er hat also offenbar eine
Verwirklichung des Sanktionstatbestandes in Betracht gezogen, weil
diese Angaben unzutreffend gewesen sind, auch wenn sich dies erst
aufgrund nach Abgabe der Ausfuhranmeldung eingetretener Ereignisse
- wie im Streitfall, der dem Urteil in Slg. 2008, I-3171, ZfZ 2008,
158 zugrunde liegt - herausstellt. Im Übrigen scheint Art. 5
Abs. 1 VO Nr. 3665/87 von dem Antrag als Inbegriff der in der
Ausfuhranmeldung enthaltenen Angaben zu sprechen, aus welchen sich
im Allgemeinen auch allererst entnehmen lässt, ob der
Ausführer „eine höhere“ als die
für die tatsächlich durchgeführte Ausfuhr zu
zahlende Erstattung begehrt hat.
|
|
|
17
|
3. Der beschließende Senat ist deshalb
der Auffassung - zu welcher er jedoch eine Entscheidung des
Gerichtshofs für erforderlich hält -, dass eine Sanktion
nur dann verwirkt wird, wenn sich aufgrund der Angaben in der
Ausfuhranmeldung - weil diese (gegebenenfalls allerdings auch nur
hinsichtlich künftiger Ereignisse) unzutreffend oder
unvollständig sind - ein Erstattungsbetrag ergibt, der
für die tatsächlich durchgeführte Ausfuhr nicht
beansprucht werden kann.
|
|
|
18
|
Die eingangs beschriebene Berechnung
würde demgemäß im Streitfall nur dann zu einem von
der Klägerin zu zahlenden Negativbetrag führen,
nämlich der vom HZA in dem angefochtenen Bescheid
festgesetzten Sanktion, wenn die abgegebenen Ausfuhranmeldungen
dahin auszulegen sein sollten, dass die Klägerin versichere,
das Fleisch habe gesunde und handelsübliche Qualität.
|
|
|
19
|
Diese Auslegungsfrage wird der
beschließende Senat gegebenenfalls zu entscheiden haben. Er
bemerkt dazu jedoch vorab und vorläufig, dass die Frage zu
verneinen sein dürfte. Denn der Erstattungsantrag ist, wie
bereits erwähnt, bei der Ausfuhrzollstelle abzugeben. Was der
Ausführer im Sinne des Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 beantragt
hat, ist deshalb grundsätzlich von dem unabhängig, was
die Ausfuhrzollstelle der Zahlstelle mitteilt oder mitzuteilen
unterlässt. Im Streitfall hat die Klägerin die
Genusstauglichkeitsbescheinigungen zum Bestandteil ihrer
Ausfuhranmeldung gemacht; sie sind deshalb bei der Bestimmung
dessen, was die Klägerin beantragt bzw. welche Angaben sie in
ihrem Antrag gemacht hat, zu berücksichtigen. Denn werden der
Ausfuhrzollstelle neben dem ausgefüllten amtlichen Formular
für eine Ausfuhranmeldung ergänzende Dokumente - hier die
veterinärärztliche Genusstauglichkeitsbescheinigung -
vorgelegt, so kann von ihr im Allgemeinen erwartet werden, dass sie
bei der ihr obliegenden Prüfung der Warenbeschaffenheit im
Rahmen der Prüfung der Ausfuhranmeldung den Inhalt dieser
Unterlagen zur Kenntnis nimmt (vgl. auch Art. 5 Abs. 1 der im
Streitzeitraum noch geltenden Verordnung (EG) Nr. 2221/95 zur
Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 386/90 des Rates
hinsichtlich der Warenkontrolle bei der Ausfuhr
landwirtschaftlicher Erzeugnisse, für die eine Erstattung
gewährt wird, ABlEG Nr. L 224/13). Die demgemäß von
der Klägerin bei der Ausfuhranmeldung gemachte Angabe, es
handele sich um Fleisch aus einem Isolierschlachtbetrieb, durfte
auch nicht aufgrund der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in
jeder Ausfuhranmeldung grundsätzlich enthaltenen Versicherung
der gesunden und handelsüblichen Qualität der Ware
unbeachtet bleiben, zumal die Klägerin im Zeitpunkt der Abgabe
der Ausfuhranmeldungen weder davon ausgehen musste, dass ihre Ware
aufgrund ihrer Herkunft aus einem Isolierschlachtbetrieb nicht
erstattungsfähig ist, noch erwarten musste, dass jedenfalls
das Zollamt oder das HZA dieser Ansicht sind; die Frage, ob in
Isolierschlachtbetrieben erschlachtetes Fleisch handelsübliche
Qualität hat, war damals jedenfalls nicht klar und eindeutig
zu verneinen, wie das diesbezügliche
Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats vom 15.7.2003 VII
R 10/02 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs, Band
203, Seite 215 = SIS 03 42 96) erkennen lässt.
|