1
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, kaufte im
Streitjahr 2004 Honorarforderungen von Ärzten gegen ihre
Patienten.
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2
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Nach den formularmäßigen
Abrechnungsvereinbarungen der Klägerin mit den Ärzten war
Vertragsgegenstand der „Verkauf von Forderungen der
Praxis“. Die Ärzte übermittelten die entsprechenden
Abrechnungsunterlagen für den einzelnen Patienten an die
Klägerin und boten dieser hierdurch die jeweilige Forderung
zum Kauf an. Das Kaufangebot galt als angenommen, wenn die
Klägerin die Annahme nicht innerhalb von zehn Tagen ablehnte.
Nach Eingang der Daten schrieb die Klägerin den Kaufpreis
für die Forderung dem bei ihr für den jeweiligen Arzt
geführten Konto gut. Das Guthaben war für den Arzt
jederzeit abrufbar. Lehnte die Klägerin das Kaufangebot ab,
wurde das Konto des betroffenen Arztes entsprechend belastet. Mit
der Annahme des Kauf- und Abtretungsangebots ging das Risiko der
Uneinbringlichkeit begründeter Forderungen grundsätzlich
auf die Klägerin über.
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3
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Die zwischen der Klägerin und dem
jeweiligen Arzt geschlossene Abrechnungsvereinbarung enthielt u.a.
folgende Regelung:
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4
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„3. Kaufpreis und Zahlung
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Der Kaufpreis entspricht dem
Rechnungsendbetrag abzüglich
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a)
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1,50 % [bzw. 1,70 % - je nach Stand der
Vereinbarung] vom Rechnungsendbetrag zzgl. der gesetzlichen
Mehrwertsteuer,
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b)
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1,00 % vom Rechnungsendbetrag (pauschaler
Vorfinanzierungszins bei einer durchschnittlichen
Rückzahlungsdauer der Patientenforderungen von 45 Tagen und
einem Jahreszinssatz von 8,00 %) und
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c)
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1,45 EUR Bearbeitungsgebühr pro
Rechnung sowie 0,72 EUR Portogebühr pro Rechnung jeweils zzgl.
der gesetzlichen Mehrwertsteuer.“
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5
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Die Klägerin wies in ihren
Abrechnungen gegenüber den Ärzten die Gebühren (3.a
und c der Abrechnungsvereinbarungen) und die Vorfinanzierungszinsen
(3.b der Abrechnungsvereinbarungen) getrennt aus.
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6
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Sie behandelte in ihren
Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die
Voranmeldungszeiträume Juli bis Dezember 2004 und in ihrer
Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2004 die
Umsätze aus den Forderungskäufen erstmals als (insgesamt)
steuerpflichtig. Dies geschah aufgrund des Urteils des Gerichtshofs
der Europäischen Union (EuGH) vom 26.6.2003 C-305/01 -
MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring - (Slg. 2003, I-6729 = SIS 03 29 36,
BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36) und des Folgeurteils des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4.9.2003 V R 34/99 (BFHE 203, 209, BStBl
II 2004, 667 = SIS 03 46 57) sowie aufgrund des zur Umsetzung
dieser Urteile ergangenen Schreibens des Bundesministeriums der
Finanzen (BMF) vom 3.6.2004 IV B 7 –S 7104- 18/04 (BStBl I
2004, 737 = SIS 04 21 91).
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7
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Mit Schreiben vom 18.9.2006 beantragte die
Klägerin bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -
FA - ), die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2004
nach § 164 der Abgabenordnung (AO) zu ändern und hierbei
die Entgelte für die Vorfinanzierung steuerfrei zu belassen.
Sie vertrat die Ansicht, die Vorfinanzierungsgebühren seien
die Gegenleistung für eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. a des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie Kreditgewährung. Das
FA lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 20.9.2006 ab. Der
hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg
(Einspruchsentscheidung vom 16.5.2007).
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8
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Das Finanzgericht (FG) wies die sich
anschließende Verpflichtungsklage durch Gerichtsbescheid
(§ 90a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) als
unbegründet ab.
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9
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Die Klägerin habe steuerbare
Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegen Entgelt in
Form eines echten Factorings an die Ärzte erbracht. Sie habe
die Ärzte von der Verwaltung und Einziehung der Forderungen
entlastet sowie das Ausfallrisiko übernommen und ihnen einen
Liquiditätsvorteil gewährt.
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10
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Die Leistungen seien nicht insoweit nach
§ 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfrei, als die Klägerin den
Ärzten einen Liquiditätsvorteil zugewandt habe. Für
die Beurteilung einer steuerfreien Kreditgewährung komme es
maßgeblich darauf an, was die an dem Factoring Beteiligten
wirtschaftlich gewollt und vertraglich vereinbart sowie letztlich
durchgeführt hätten. Die Ärzte hätten sich der
Verwaltung und Einziehung der Forderungen entledigen wollen und
seien bereit gewesen, hierfür eine bestimmte Gegenleistung zu
entrichten. Der Liquiditätsvorteil, der den Ärzten
dadurch entstanden sei, dass sie den geminderten Kaufpreis der
Forderung bereits vor deren Einziehung erhalten hätten, sei
einem Forderungsgeschäft der vorliegenden Art stets
immanent.
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11
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In der bloßen Entgeltberechnung nach
Ziffer 3 Satz 1 Buchst. b der Abrechnungsvereinbarung sei keine
gesonderte Vereinbarung einer Kreditgewährung zu
sehen.
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12
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Mit der vom FG zugelassenen Revision
rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Die
mit der Vorfinanzierung verbundene Gewährung von
Liquiditätsvorteilen sei als Kreditgewährung nach §
4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfrei.
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13
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Die umsatzsteuerrechtliche
Bemessungsgrundlage für die Factoring-Leistung sei
gemäß Abschn. 18 Abs. 12 der Umsatzsteuer-Richtlinien
(UStR) 2008 - nunmehr Abschn. 2.4. Abs. 6 des
Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) vom 1.10.2010 (BStBl I
2010, 846 = SIS 10 33 27) - die Differenz zwischen dem Nennwert der
abgetretenen Forderung und dem Betrag, den der Factor dem
Abtretenden als Preis für diese Forderung zahle,
abzüglich der in dem Differenzbetrag enthaltenen Umsatzsteuer.
Sie mindere sich jedoch, soweit das Entgelt auf eine
Kreditgewährung entfalle und diese als eigenständige
Hauptleistung anzusehen sei.
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14
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Die Kreditgewährung im Rahmen eines
Factorings könne dann als eigenständige Hauptleistung
beurteilt werden, wenn sie eigene wirtschaftliche Bedeutung habe
(Abschn. 18 Abs. 11 Satz 5 UStR 2008 - nunmehr Abschn. 2.4. Abs. 4
Satz 5 UStAE - ). Hiervon sei insbesondere dann auszugehen, wenn
die Voraussetzungen des Abschn. 29a Abs. 2 UStR 2008 - nunmehr
Abschn. 3.11. Abs. 2 UStAE - erfüllt seien (Abschn. 18 Abs. 11
Satz 6 UStR 2008 - nunmehr Abschn. 2.4. Abs. 4 Satz 6 UStAE - ).
Eine Kreditgewährung sei hiernach als gesonderte Leistung
anzusehen, wenn eine eindeutige Trennung zwischen dem
Kreditgeschäft und der sonstigen Leistung vorliege. Eine
solche eindeutige Trennung nehme die Finanzverwaltung insbesondere
an, wenn (a) sonstige Leistung und Kreditgewährung mit den
dafür aufzuwendenden Entgelten bei Abschluss des
Umsatzgeschäfts gesondert vereinbart würden, (b) in der
Vereinbarung über die Kreditgewährung der Jahreszins
angegeben werde und (c) eine gesonderte Abrechnung der
Kreditgewährung erfolge (Abschn. 29a Abs. 2 Satz 2 UStR 2008 -
nunmehr Abschn. 3.11. Abs. 2 Satz 2 UStAE - ). Diese Kriterien
seien im Streitfall erfüllt. Ziffer 3 Satz 1 Buchst. b der
Abrechnungsvereinbarung nenne die notwendigen Bestandteile einer
Darlehensvereinbarung, die durch die Bezifferung der Forderung
vervollständigt werde. Entgegen der Auffassung des FG liege
hierin nicht nur eine Berechnung des Entgelts.
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15
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Bei wirtschaftlicher Betrachtung aus Sicht
des Leistungsempfängers könne vorliegend nicht von einer
untergeordneten Bedeutung der Kreditgewährung ausgegangen
werden. Erst der kurzfristig erreichbare Liquiditätsvorteil
mache es für Ärzte attraktiv, die Forderungen zum Einzug
zu übertragen. Vor dem Hintergrund der generell anzunehmenden
Kostentragung durch einen Versicherer sei die steuerpflichtige
Einziehung und Übernahme des Ausfallrisikos für das
erbrachte Leistungsbündel nicht prägend. Der
Vorfinanzierung sei als gleichwertige Leistung eine
eigenständige Bedeutung beizumessen.
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16
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Auch § 8 Nr. 1 Buchst. a des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG) sei zu entnehmen, dass der Verkauf
einer Forderung stets eine Kreditgewährung beinhalte.
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17
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Das FG hätte nach der Rechtsprechung
des EuGH, wonach jeder Umsatz in der Regel als eine eigene Leistung
zu betrachten sei, keine einheitliche Leistung annehmen
dürfen. Einziehung und Kreditgewährung seien keine
einheitliche Leistung, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd
wäre.
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18
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Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung sowie den Ablehnungsbescheid vom 20.9.2006 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.5.2007 aufzuheben und das
FA zu verpflichten, die Umsatzsteuer für das Streitjahr 2004
ausgehend von steuerpflichtigen Umsätzen in Höhe von ...
EUR und abziehbaren Vorsteuerbeträgen von ... EUR
festzusetzen.
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19
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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20
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Die mit dem Factoring einhergehende
Kreditgewährung sei vorliegend von untergeordneter Bedeutung.
Sie teile als Nebenleistung das umsatzsteuerrechtliche Schicksal
der Hauptleistung.
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21
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Eine Kreditgewährung könne nur
dann als eigenständige Hauptleistung beurteilt werden, wenn
sie eine eigene wirtschaftliche Bedeutung habe. Hiervon sei
insbesondere auszugehen, wenn - anders als hier - die
Voraussetzungen nach Abschn. 29a Abs. 2 Satz 2 UStR 2008 - nunmehr
Abschn. 3.11. Abs. 2 Satz 2 UStAE - erfüllt seien. Der
Vorfinanzierungszins sei vorliegend stets pauschal mit einem
Prozent des Rechnungsendbetrags angesetzt worden und lasse die
tatsächlichen Zahlungszeiten oder einen Zahlungsausfall
unberücksichtigt. Der Zinsanteil stelle sich damit als feste
kalkulatorische Größe im Rahmen des gesamten Entgelts und
nicht als gesonderte Vereinbarung von Kreditzinsen dar.
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22
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Nach den Grundsätzen zur Abgrenzung
von Haupt- und Nebenleistungen könne vorliegend der
Kreditgewährung keine eigenständige Bedeutung beigemessen
werden. Dies gelte auch hinsichtlich der von der Klägerin
angeführten wirtschaftlichen Betrachtungsweise.
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23
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II. Die gemäß § 90a Abs. 2 Satz
2 FGO zulässige Revision der Klägerin ist
unbegründet. Sie war daher nach § 126 Abs. 2 FGO
zurückzuweisen.
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24
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Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden,
dass der Antrag der Klägerin auf Erlass eines
Umsatzsteueränderungsbescheids für das Streitjahr 2004
nach § 164 Abs. 2 AO dahingehend, dass neben den
umsatzsteuerpflichtigen echten Factoring-Leistungen
eigenständige nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG
umsatzsteuerfreie Kreditgewährungen berücksichtigt
werden, zu Recht abgelehnt wurde. Denn die Klägerin hat
vorliegend den Ärzten keine Kredite gewährt.
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25
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1. Die Klägerin erbrachte mit dem Erwerb
und der Einziehung von Forderungen unter Übernahme des
Ausfallrisikos umsatzsteuerbare Leistungen an die Ärzte.
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26
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a) Die Voraussetzungen für eine
steuerbare Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG und Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates
vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG)
sind beim echten Factoring - wie hier - erfüllt, wenn im
Zusammenhang mit der Abtretung von Forderungen der Factor den sog.
Anschlusskunden (hier: den jeweiligen Arzt) von der Einziehung der
Forderungen sowie von dem Risiko ihrer Nichterfüllung
entlastet und hierfür eine Vergütung erhält (vgl.
EuGH-Urteile in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36, Rz 49; vom 27.10.2011 C-93/10 - GFKL -, UR 2011, 933, DStR
2011, 2093 = SIS 11 39 78, Rz 20; unter Aufgabe der bisherigen
Rechtsprechung BFH-Urteil in BFHE 203, 209, BStBl II 2004, 667 =
SIS 03 46 57, unter II.2.b).
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27
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Dagegen erbringt ein Unternehmer, der auf
eigenes Risiko sog. zahlungsgestörte Forderungen (s. dazu
BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737 = SIS 04 21 91, IV Tz 12;
Abschn. 18 Abs. 12 Satz 5 ff. UStR 2008; Abschn. 2.4. Abs. 7 und 8
UStAE) zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis kauft, keine
entgeltliche Leistung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und Art.
2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, wenn die Differenz zwischen dem
Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den
tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden
Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt
(vgl. EuGH-Urteil in UR 2011, 933, DStR 2011, 2093 = SIS 11 39 78,
Rz 26; BFH-Urteil vom 26.1.2012 V R 18/08, BFHE 236, 250, DStR
2012, 513 = SIS 12 06 35).
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28
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b) Hiernach hat die Klägerin - wovon die
Vorentscheidung zutreffend ausging und was zwischen den Beteiligten
unstreitig ist - steuerbare Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr.
1 UStG gegen Entgelt in Form eines echten Factorings an die
Ärzte erbracht.
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29
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Die Klägerin hat von den Ärzten
keine zahlungsgestörten Forderungen erworben. Denn vorliegend
ging es nach den Feststellungen des FG „insbesondere um
Honorarforderungen der Ärzte, die gegenüber in aller
Regel solventen Versicherten bestanden und demzufolge ein
Ausfallrisiko allenfalls als gering anzusehen war“
(Urteil, S. 11). In dem Fall, der den Urteilen des EuGH in UR 2011,
933, DStR 2011, 2093 = SIS 11 39 78 und des BFH in BFHE 236, 250,
DStR 2012, 513 = SIS 12 06 35 zugrunde liegt, gingen die Parteien
des Kaufvertrages dagegen davon aus, dass der voraussichtlich
realisierbare Teil der Forderungen „aufgrund der
erheblichen Zahlungsstörungen“ (nur) bei 57,8 % des
Nennwerts lag (vgl. BFH-Urteil in BFHE 236, 250, DStR 2012, 513 =
SIS 12 06 35, unter I.).
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30
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2. Die ausgeführten Umsätze sind
nicht umsatzsteuerfrei.
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31
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a) Die Umsätze im Geschäft mit
Forderungen sind zwar nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG
umsatzsteuerfrei. Hiervon ausgenommen ist jedoch - wie hier - die
Einziehung von Forderungen (§ 4 Nr. 8 Buchst. c Halbsatz 2
UStG).
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32
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Dies entspricht unionsrechtlichen Vorgaben.
Eine wirtschaftliche Tätigkeit, die darin besteht, dass ein
Wirtschaftsteilnehmer Forderungen unter Übernahme des
Ausfallrisikos aufkauft und seinen Kunden dafür Gebühren
berechnet, stellt eine Einziehung von Forderungen i.S. von Art. 13
Teil B Buchst. d Nr. 3 a.E. der Richtlinie 77/388/EWG dar und ist
damit von der mit dieser Bestimmung eingeführten
Steuerbefreiung ausgenommen (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-6729,
BStBl II 2004, 688 = SIS 03 29 36, Rz 80).
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33
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b) Die Klägerin hat den Ärzten keine
Kredite i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG gewährt. Eine
eigenständige Vorfinanzierung der erworbenen Forderungen bis
zu deren durchschnittlicher Rückzahlungsdauer von 45 Tagen
liegt entgegen Ziffer 3 Satz 1 Buchst. b der
Abrechnungsvereinbarung im Streitfall nicht vor.
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34
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aa) Umsatzsteuerfrei ist nach § 4 Nr. 8
Buchst. a UStG die Gewährung von Krediten. Dies beruht auf
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG.
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35
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bb) Der BFH hat zum sog. unechten Factoring -
bei dem der Factor das Risiko des Forderungsausfalls nicht
übernimmt - entschieden, dass der Factor eine Mehrheit von
steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen erbringe, sodass die
insgesamt in Rechnung gestellten Factoring-Gebühren aufgeteilt
werden müssten (vgl. BFH-Urteil vom 10.12.1981 V R 75/76, BFHE
134, 470, BStBl II 1982, 200 = SIS 82 09 17, unter II.3.). Der
Unternehmer könne daher - beim unechten Factoring - für
die in der Bevorschussung liegende Leistung des
Forderungskäufers, für die vom Anschlusskunden gesondert
Zinsen zu entrichten sind, nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG
Steuerbefreiung in Anspruch nehmen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 134,
470, BStBl II 1982, 200 = SIS 82 09 17, unter II.3.).
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36
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cc) Das soll nach einer in der Literatur
vertretenen Auffassung auch für das echte Factoring - wie hier
- gelten (vgl. hierzu Lickteig, UR 2004, 454; ferner
Philipp/Keller, DStR 2003, 1286; Thielo, BB 2007, 2487). Vorliegend
hat die Klägerin aber neben der Übernahme der
Forderungseinziehung und des (geringen) Ausfallrisikos keine
Kredite an die Ärzte gewährt, für die sie die
Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG beanspruchen
könnte.
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37
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aaa) Die Klägerin war nach Ziffer 3 Satz
2 der Abrechnungsvereinbarung zur sofortigen Gutschrift
(Kaufpreiszahlung) verpflichtet. Es ist weder vom FG festgestellt
noch vorgebracht, dass die Klägerin hiervon abweichend
berechtigt gewesen wäre, den Kaufpreis für die
abgetretenen Forderungen erst nach Abschluss ihrer
Einziehungstätigkeit zu entrichten, und den zuvor erfolgten
Zahlungen mithin bloßer Darlehenscharakter zukommen sollte
(vgl. insoweit auch BFH-Beschluss vom 10.12.2009 V R 18/08, BFHE
227, 528, BStBl II 2010, 654 = SIS 10 04 92, unter II.4.c).
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38
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bbb) Selbst wenn insoweit von einer
Kreditgewährung auszugehen wäre, wäre diese nicht
als eigene, getrennt zu besteuernde Leistung zu behandeln. Ihr
käme umsatzsteuerrechtlich kein eigenständiges Gewicht
zu.
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39
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(1) Nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich
der BFH angeschlossen hat, ist bei einem Umsatz, der ein
Leistungsbündel darstellt, für die Frage, ob mehrere
zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu
behandeln sind, eine Gesamtbetrachtung erforderlich. In der Regel
ist zwar jede Leistung als eigene selbständige Leistung
anzusehen. Eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darf aber im
Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems auch nicht
künstlich aufgespalten werden. Deshalb ist das Wesen bzw. sind
die charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu
ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige gegenüber
dem Leistungsempfänger mehrere selbständige Leistungen
oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des
Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile
vom 17.4.2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712 = SIS 08 36 15; vom
10.2.2010 XI R 49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109 = SIS 10 06 47; vom 2.3.2011 XI R 25/09, BFHE 233, 348, BStBl II 2011, 737 =
SIS 11 20 07, jeweils m.w.N.).
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40
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(2) Die letztgenannten Voraussetzungen einer
untrennbaren wirtschaftlichen Leistung wären - läge neben
einer Factoring-Leistung auch eine Kreditgewährung vor - im
Streitfall bei der gebotenen Gesamtbetrachtung erfüllt. Zu
Recht hat das FG entschieden, dass ein Liquiditätsvorteil, der
den Ärzten dadurch entsteht, dass sie den geminderten
Kaufpreis der Forderung bereits vor Einziehung der Forderung
erhalten, einem Forderungsgeschäft der hier vorliegenden Art -
Forderungskauf zur Einziehung mit Übernahme des Ausfallrisikos
- stets immanent ist. Es mag sein, dass - wie die Klägerin
vorbringt - erst der kurzfristig erreichbare
Liquiditätsvorteil es für die Ärzte vor dem
Hintergrund des geringen Ausfallrisikos attraktiv mache, die
Forderungen zum Einzug zu übertragen. Dies ändert jedoch
nichts daran, dass im Streitfall die echte Factoring-Leistung der
wesentliche Bestandteil der erbrachten einheitlichen Leistung
darstellt. Eine daneben in der Verschaffung von
Liquiditätsvorteilen liegende Kreditgewährung würde
- so auch die Vorentscheidung - in der prägenden
Factoring-Leistung aufgehen.
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41
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(3) Wie das FG insoweit - revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden - ausgeführt hat, spricht auch der
Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung für ein einheitliches
Geschäft. So ergibt sich aus Ziffer 1 der
Abrechnungsvereinbarung ein einheitlicher
„Vertragsgegenstand“ in Gestalt des
„Verkaufs von Forderungen“. Eine separate
Kreditgewährung ist dort nicht vereinbart. Lediglich aus
Ziffer 3 „Kaufpreis und Zahlung“ ergibt sich
unter Buchst. b der Hinweis auf einen pauschalen
Vorfinanzierungszins bei einer durchschnittlichen
Rückzahlungsdauer der Patientenforderungen von 45 Tagen und
einem Jahreszinssatz von 8 %.
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42
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In dieser bloßen Entgeltberechnung sieht
das FG zu Recht keine gesonderte Vereinbarung einer neben dem
Factoring selbständigen Kreditgewährung. Insofern sind
die Voraussetzungen des Abschn. 29a Abs. 2 Satz 2 UStR 2008
(nunmehr Abschn. 3.11. Abs. 2 Satz 2 UStAE), der eine gesonderte
Vereinbarung der Hauptleistung einerseits und der
Kreditgewährung andererseits fordert, nicht gegeben.
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43
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ccc) Hiernach kann im Streitfall offenbleiben,
ob ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH, nach der ein
verzinslicher Zahlungsaufschub bis zur Lieferung eines Gegenstandes
keine steuerfreie Kreditgewährung, sondern Teil des
steuerpflichtigen Entgelts für die Lieferung ist (vgl.
EuGH-Urteil vom 27.10.1993 C-281/91 - Muys’en De
Winter’s Bouw en Aannemingsbedrijf -, Slg. 1993, I-5405 = SIS 93 25 14, Rz 18), auch bei einem echten Factoring für den
Fall, dass der Forderungserwerber den Kaufpreis erst nach Abschluss
der Einziehung schuldet, ein unbeachtlicher Zahlungsaufschub
für den Zeitraum bis zur Leistungserbringung vorliegt (vgl.
hierzu BFH-Beschluss in BFHE 227, 528, BStBl II 2010, 654 = SIS 10 04 92, unter II.4.c; zustimmend Kaufhold, BB 2010, 2207; ferner
Philipowski in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz,
§ 4 Nr. 8 Rz 35; a.A. Raab/Wildner/Krause, DB 2010, 750;
Hahne, BB 2010, 679).
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44
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3. Die Einwendungen der Klägerin greifen
nicht durch.
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a) Ihrem Revisionsvorbringen liegt zugrunde,
sie, die Klägerin, habe neben den erbrachten
Factoring-Leistungen als weitere, eigenständige
Leistungsbestandteile Kredite gewährt. Dies trifft - wie
vorstehend unter II.2.b ausgeführt - nicht zu.
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46
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b) Soweit die Klägerin auf § 8 Nr. 1
Buchst. a GewStG abstellt, betrifft die dort geregelte
gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung schon einen anderen als den
hier vorliegenden Fall. Jedenfalls kann dieser Vorschrift nicht
entnommen werden, dass für Zwecke der Umsatzsteuer bei einem
Forderungsverkauf von einer umsatzsteuerfreien Kreditleistung in
Höhe von 25 % des Forderungsbetrags auszugehen sei.
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47
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c) Selbst wenn die Klägerin die
Voraussetzungen nach Abschn. 18 Abs. 11 Sätze 5 und 6 i.V.m.
Abschn. 29a Abs. 2 Satz 2 UStR 2008 - nunmehr Abschn. 2.4. Abs. 4
Sätze 5 und 6 i.V.m. Abschn. 3.11. Abs. 2 Satz 2 UStAE -
erfüllt hätte, unter denen die Finanzverwaltung eine mit
einer Factoring-Leistung einhergehenden selbständigen
Kreditgewährung des Factors annimmt, wäre das für
die Finanzgerichte im Festsetzungsverfahren nicht bindend (vgl.
z.B. Senatsurteil vom 17.12.2008 XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798 = SIS 09 12 87, unter II.3.e bb).
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