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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Milcherzeuger und hat im Milchwirtschaftsjahr
2004/2005 (Zwölfmonatszeitraum) die von ihm erzeugte Milch an
eine Molkerei verkauft. Da der Kläger in diesem
Milchwirtschaftsjahr die ihm zugeteilte Milchquote (Referenzmenge)
überschritten hat, hat die Molkerei bei dem Beklagten und
Revisionskläger (Hauptzollamt - HZA - ) eine Milchabgabe
angemeldet. Sie hat dabei eine Saldierung der Überlieferung
des Klägers mit Unterlieferungen anderer ihrer
Milchlieferanten vorgenommen. Dem Umstand, dass der Kläger zum
1.11.2004 zusätzlich zu seinem bisherigen Betrieb einen
anderen Milchwirtschaftsbetrieb samt der für diesen
festgesetzten Milchquote übernommen hatte, wurde in der Weise
Rechnung getragen, dass die in die Saldierung eingestellte
Milchquote des Klägers um den Teil der für den
übernommenen Betrieb festgesetzten Quote erhöht wurde,
der nicht bereits vor der Übernahme von diesem Betrieb
beliefert worden war.
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Hiergegen hat der Kläger mit dem Ziel,
dass die gesamte Milchquote des von ihm übernommenen Betriebs
zu seinen Gunsten mit angesetzt werde, nach erfolglosem
Einspruchsverfahren Klage erhoben, die zur Aufhebung der
Abgabenfestsetzung führte. Das HZA hat gegen das Urteil des
Finanzgerichts (FG) Revision eingelegt. Der erkennende Senat hat
daraufhin dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zwei
Fragen betreffend die Auslegung der hier noch anzuwendenden
Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 (VO Nr. 1788/2003) vom 29.9.2003
über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor (Amtsblatt der
Europäischen Union Nr. L 270/123) vorgelegt, die der
Gerichtshof - soweit es hier interessiert - wie folgt beantwortet
hat (Urteil vom 5.5.2011 in den verbundenen Rechtssachen C-230/09
und C-231/09, ZfZ 2011, 185 = SIS 11 20 26):
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„1. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung
(EG) Nr. 1788/2003 ... über die Erhebung einer Abgabe im
Milchsektor ... ist dahin auszulegen, dass die Neuzuweisung des
ungenutzten Anteils der für Lieferungen zugewiesenen
einzelstaatlichen Referenzmenge proportional zur
einzelbetrieblichen Referenzmenge der einzelnen Erzeuger, die
Überlieferungen vorgenommen haben, also zu der zum 1. April
des maßgebenden Zwölfmonatszeitraums bestimmten Menge,
oder nach objektiven, von den Mitgliedstaaten festzulegenden
Kriterien erfolgen muss. Der in dieser Bestimmung verwendete
Begriff der einzelbetrieblichen Referenzmenge erlaubt nicht die
Berücksichtigung von während dieses Zeitraums erfolgten
Übertragungen.
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2. Eine nationale Regelung, mit der die in
Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1788/2003 ... vorgesehene
Befugnis wahrgenommen wird, objektive Kriterien festzulegen, nach
denen die Neuzuweisung des ungenutzten Anteils der für
Lieferungen zugewiesenen einzelstaatlichen Referenzmenge erfolgt,
muss insbesondere die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts
sowie die mit der gemeinsamen Agrarpolitik, speziell der
gemeinsamen Marktorganisation im Milchsektor, verfolgten Ziele
beachten.
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3. Diese Ziele stehen einer im Rahmen der
Wahrnehmung dieser Befugnis erlassenen nationalen Regelung nicht
entgegen, die den Erzeugern, die Überlieferungen vorgenommen
haben, sofern ihnen nach den Bestimmungen der Verordnung Nr.
1788/2003 ... während des maßgebenden
Zwölfmonatszeitraums eine einzelbetriebliche Referenzmenge
übertragen worden ist, für die von dem Erzeuger, der
zuvor über sie verfügte, für denselben Zeitraum
bereits Milch erzeugt und geliefert worden war, ermöglicht,
unter Einschluss eines Teils oder der Gesamtheit dieser
Referenzmenge an dieser Neuzuweisung teilzuhaben. Die
Mitgliedstaaten hatten jedoch dafür Sorge zu tragen, dass eine
solche Regelung nicht zu Übertragungen führt, die trotz
formaler Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen
Bedingungen nur den Zweck gehabt hätten, bestimmten Erzeugern,
die Überlieferungen vorgenommen haben, zu ermöglichen,
bei dieser Neuzuweisung besser dazustehen.
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4.
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(...)“
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Das HZA sieht sich durch diese Entscheidung
in seiner Rechtsauffassung bestärkt. Der Kläger
könne nicht beanspruchen, dass bei der Saldierung die volle,
mit dem übernommenen Betrieb auf ihn übergegangene
Milchquote berücksichtigt werde. Deutschland habe auch nicht
in Wahrnehmung des ihm aufgrund des Art. 10 Abs. 3 VO Nr. 1788/2003
vom Gerichtshof zugestandenen Wahlrechts die Berücksichtigung
einer solchen bereits belieferten Milchquote bei der Saldierung
festgelegt. In § 8 Abs. 4 der hier noch nicht anzuwendenden
Neufassung der Milchabgabenverordnung (MilchAbgV 2007, BGBl I 2007,
295) sei dies deutlich herausgestellt worden. Es handele sich, wie
die amtliche Begründung zu dieser Verordnung (BRDrucks 935/06)
betone, um eine reine Klarstellung. Sie habe nur der schon zuvor
bestehenden ständigen Praxis der Landes- und Zollverwaltungen
Rechnung getragen. Bei dem in § 14 Abs. 1 der hier noch
anzuwendenden Milchabgabenverordnung (MilchAbgV 2004, BGBl I 2004,
2143) als Bezugsgröße der Saldierung verwendeten Begriff
der „Anlieferungs-Referenzmenge“ handele es sich um die
„verfügbare Referenzmenge“ i.S. des Art. 5 Buchst.
k VO Nr. 1788/2003. Die Berücksichtigung auch des von dem
früheren Betriebsinhaber belieferten Teils der Milchquote
zugunsten des Klägers führte im Übrigen zu einer
unerlaubten Besserstellung des Klägers, welche der EuGH
vermieden wissen wolle.
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Der Kläger sieht sich durch das Urteil
des EuGH in seiner bisherigen Rechtsauffassung bestätigt. Er
entnimmt dem Urteil, dass bei der Saldierung aufgrund der VO Nr.
1788/2003 die gesamte einzelbetriebliche Referenzmenge des
übernommenen Betriebs zu seinen Gunsten zu
berücksichtigen sei. Von der nach Auffassung des Gerichtshofs
bestehenden Wahlmöglichkeit der Mitgliedstaaten habe
Deutschland keinen Gebrauch gemacht.
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II. Die Revision des HZA ist unbegründet
(§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Urteil
des FG entspricht im Ergebnis dem Bundesrecht, zu dem das Recht der
Europäischen Union gehört, das der erkennende Senat
aufgrund der Vorabentscheidung des EuGH bei der von ihm zu
treffenden Entscheidung so auszulegen und anzuwenden hat, wie sich
das aus der Vorabentscheidung ergibt.
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1. Danach ist eine „Neuzuweisung des
ungenutzten Anteils der für Lieferungen zugewiesenen
einzelstaatlichen Referenzmengen ... proportional zu den
Referenzmengen der einzelnen Erzeuger“
durchzuführen. Die maßgebliche „Referenzmenge
des einzelnen Erzeugers“ sei dabei nicht die in Art. 10
Abs. 3 Buchst. a VO Nr. 1788/2003 erwähnte verfügbare
Referenzmenge, die Art. 5 Buchst. k VO Nr. 1788/2003 definiere,
sondern die in Art. 5 Buchst. j VO Nr. 1788/2003 definierte
einzelbetriebliche Referenzmenge des Erzeugers am 1. April des
betreffenden Zwölfmonatszeitraums.
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Veränderungen der Referenzmenge
während des Zwölfmonatszeitraums durch
Übertragungen, Überlassungen, Umwandlungen und
zeitweilige Neuzuweisungen bestimmen nach vorgenannten Regelungen
nur die verfügbare Referenzmenge, nicht aber die - für
die unionsrechtliche Saldierungsregel entscheidende -
einzelbetriebliche Referenzmenge. Sie sind nach Maßgabe der
unmittelbar im Unionsrecht aufgestellten Regelung folglich bei
einer Saldierung, d.h. der zeitweiligen Neuzuweisung anderweit
nicht genutzter Referenzmengen, nicht zu berücksichtigen.
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Dementsprechend kann der Kläger sein
Begehren auf die VO Nr. 1788/2003 nicht stützen, weil seine
einzelbetriebliche Referenzmenge am 1. April des hier
maßgeblichen Zwölfmonatszeitraums 2004/2005 die Quote
des von ihm erst am 1.11.2004 zusätzlich zu seinem bisherigen
Betrieb übernommenen Milchwirtschaftsbetriebs, deren
vollständige Berücksichtigung bei der Saldierung er in
diesem Verfahren begehrt, noch nicht umfasste.
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2. Der EuGH hat jedoch Art. 10 Abs. 3 VO Nr.
1788/2003 entnommen, die Mitgliedstaaten hätten die
Möglichkeit, nach durch ihr eigenes Recht festgelegten
objektiven Kriterien die Saldierung von Überlieferungen und
Unterlieferungen vorzunehmen. Mithin ist zu untersuchen, ob sich
aus dem deutschen Recht, insbesondere dessen Regelungen betreffend
die Milchabgabe (heute: Verordnung zur Durchführung der
EU-Milchquotenregelung - Milchquotenverordnung -, BGBl I 2011, 775)
eine solche Festlegung vom unmittelbar anwendbaren Unionsrecht
abweichender Saldierungsregeln ergibt.
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Das ist der Fall. Danach schmälern -
anders als das HZA meint - die während des betreffenden
Zwölfmonatszeitraums auf eine Quote vor ihrem Übergang
auf einen anderen Erzeuger gelieferten Milchmengen den
Saldierungsvorteil des Betriebsübernehmers nicht.
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Das ergibt sich aus folgenden
Überlegungen:
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a) Nach § 14 Abs. 1 MilchAbgV 2004 war
bei der Saldierung von der „Anlieferungs-Referenzmenge des
Überlieferers“ auszugehen. In § 4 Abs. 1
MilchAbgV 2004 wird der Begriff der (Anlieferungs-)Referenzmenge
den Milchmengen gegenübergestellt, die von dem Milcherzeuger
(Inhaber der Anlieferungs-Referenzmenge) an Käufer geliefert
worden sind; soweit diese Mengen die Referenzmenge
überschreiten, soll die Abgabe erhoben werden.
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Diese Vorschriften geben, auch in der
Zusammenschau, keine Antwort auf die hier entscheidende Frage, ob
bei der Anwendung der in § 14 Abs. 1 MilchAbgV 2004 normierten
Saldierungsformel (Summe der Unterlieferungen [der Lieferanten
einer Molkerei], multipliziert mit der Anlieferungs-Referenzmenge
des Überlieferers, geteilt durch die Summe der
Anlieferungs-Referenzmengen der Überlieferer [i.e. der
Lieferanten der Molkerei]) eine während des
Milchwirtschaftsjahrs hinzuerworbene Referenzmenge zu
berücksichtigen ist und ob sie auch dann zu
berücksichtigen ist, wenn der frühere Betriebsinhaber auf
sie bereits Milch geliefert hat. Der Begriff der
„Anlieferungs-Referenzmenge“ besagt dazu schon
deshalb nichts, weil, wie bereits ausgeführt, das Unionsrecht
zweierlei Referenzmengen kennt: die sog.
„einzelbetriebliche Referenzmenge“ und die
„verfügbare Referenzmenge“, Begriffe, die
allerdings bei Formulierung der deutschen Saldierungsregel im
Unionsrecht noch nicht definiert waren, worauf die Revision mit
Recht hinweist.
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b) Die Saldierungsformel bedarf daher für
Fälle der hier streitigen Art, nämlich des Übergangs
einer bereits teilweise von einem vormaligen Betriebsinhaber
belieferten Milchquote, einer Auslegung und ggf. richterrechtlichen
Ergänzung. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen,
dass die Handhabung der Saldierungsformel dem Sinn und Zweck der
Zuteilung zusätzlicher, anderweit nicht ausgenutzter
Milchquoten an Überlieferer hinreichend Rechnung tragen und
Milcherzeuger in gleicher Lage an der Verteilung der
Saldierungsmenge in gleichem Umfang beteiligen muss.
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aa) Die Praxis der deutschen Verwaltung, in
der sich die Regelungsabsicht des Verordnungsgebers spiegeln
dürfte, spricht zunächst für den Rechtsstandpunkt
des HZA, dass im Fall eines Übergangs der Quote in dem
betreffenden Milchwirtschaftsjahr dieselbe nicht ohne Weiteres
Bezugsgröße der Saldierung sein könne. Diese Praxis
bestand nach dem unwidersprochenen Vortrag der Revision, dessen
Richtigkeit durch den Ablauf dieses Verfahrens bestätigt wird
und auch aus der Begründung der MilchAbgV 2007 (BGBl I 2007,
295; BRDrucks 935/06, 49) erkennbar wird, offenbar darin, bei der
Bestimmung der im Rahmen der Saldierung anzusetzenden Milchquote
des Überlieferers eine während des
Zwölfmonatszeitraums (ggf. hinzu-)erworbene Quote nur insoweit
zu berücksichtigen, als der vorherige Betriebsinhaber sie vor
dem Übergang noch nicht beliefert und damit insofern das in
der Quote verkörperte Milchlieferungsrecht für das
betreffende Milchwirtschaftsjahr verbraucht hatte.
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Die in der MilchAbgV 2004 getroffene Regelung
hätte allerdings, legte man diese Verwaltungspraxis als
für die Auslegung der Saldierungsformel maßgeblich
zugrunde, einen Inhalt, der von der unionsrechtlichen
Verteilungsregelung abweicht und einen im Unionsrecht unbekannten
Begriff der Referenzmenge verwendet (Anlieferungs-Referenzmenge des
Überlieferers in diesem Sinne ist weder die einzelbetriebliche
Referenzmenge i.S. des Art. 5 Buchst. j VO Nr. 1788/2003 noch die
verfügbare Referenzmenge i.S. des Art. 5 Buchst. k VO Nr.
1788/2003 und das Unionsrecht kennt keine Referenzmenge, die sich
unter Berücksichtigung tatsächlicher Milchlieferungen in
einem bestimmten Milchwirtschaftsjahr ergibt). Zudem ginge die
Verteilungsregel, so verstanden, von einem im Grundsatz
konträren Verteilungsprinzip aus. Sie berücksichtigte
Veränderungen der Quote im laufenden Milchwirtschaftsjahr
entgegen Satz 2 des ersten Entscheidungssatzes der
Vorabentscheidung grundsätzlich zugunsten des
Abgabeschuldners. Anders als im „Normalfall“, in
dem sich die Quote während des Zwölfmonatszeitraums nicht
verändert, wirkte sich bei diesem Verständnis der Umfang
der Milchlieferung auf die Größe des Saldierungsvorteils
aus.
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bb) Die MilchAbgV 2004 verweist also nicht
schlicht auf eine im Unionsrecht enthaltene Saldierungsregel,
sondern legt selbst objektive Kriterien fest, wie
Überlieferungen und Unterlieferungen zu saldieren sind.
Andernfalls wäre § 14 Abs. 1 MilchAbgV 2004 von
vornherein überflüssig gewesen. Zwar ist zweifelhaft, ob
der Verordnungsgeber bewusst eine im Grundsatz vom Unionsrecht
abweichende Regel aufgestellt hat. Denn soweit ersichtlich, ist
erstmals der EuGH in Auslegung des Unionsrechts zu dem Schluss
gelangt, die unionsrechtliche Saldierungsregelung
berücksichtige Quotenübertragungen in dem
Milchwirtschaftsjahr nicht, was sich nach dem Text namentlich der
deutschen Fassung der VO Nr. 1788/2003 nicht ohne Weiteres
erschließt. Selbst wenn deshalb davon auszugehen sein sollte,
§ 14 Abs. 1 MilchAbgV 2004 verstehe sich lediglich als
authentische Interpretation des Unionsrechts, änderte dies
aber nichts daran, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers in
Deutschland offenbar der Übergang einer Quote oder eines Teils
derselben bei der Saldierung berücksichtigt werden sollte.
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Allerdings hat diese Regelungsabsicht des
Verordnungsgebers in der Fassung der Vorschriften der MilchAbgV
2004 ebenso wenig einen hinreichend deutlichen Niederschlag
gefunden wie die von der Verwaltung praktizierte
Berücksichtigung nur der vom vormaligen Betriebsinhaber noch
nicht belieferten Quote. In der MilchAbgV 2004 ist nicht geregelt,
welche Quote dem Betriebsübernehmer im Jahr des Hinzuerwerbs
einer Quote zusteht und mit welcher Quote er in diesem Jahr ggf. an
einem Saldierungsverfahren teilnimmt.
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cc) Die bisherige Verwaltungspraxis beruht
nach Auffassung des Senats auf einem unzutreffenden
Verständnis der Bedeutung der Referenzmenge und der
unzutreffenden Annahme, eine solche könne nicht auf einen
anderen übergehen, wenn sie bereits beliefert worden ist. Sie
führt vor allem zu einem dem Sinn des Saldierungsverfahrens
widersprechenden Ergebnis. Wenn das HZA bei Übergang einer
(ggf. zusätzlichen) Quote während eines
Milchwirtschaftsjahrs als bei der Saldierung
berücksichtigungsfähige
„Anlieferungs-Referenzmenge des
Überlieferers“ nur den Teil der übergegangenen
Quote berücksichtigt wissen will, den der vormalige
Betriebsinhaber noch nicht selbst beliefert hat, wird dies der
Systematik des Milchabgaberechts nicht gerecht. Dazu bemerkt der
erkennende Senat Folgendes:
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Die Referenzmenge ist ein Wert, der nach der
ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. schon Urteil vom
28.10.1986 VII R 41/86, BFHE 148, 84, ZfZ 1987, 52) und der eigenen
Praxis der Verwaltung durch einen Grundlagenbescheid festgesetzt
wird, bzw. es wird die Festsetzung durch eine Anmeldung der
Molkerei bewirkt (vgl. nur § 18 Abs. 1 MilchAbgV 2004). Die
Referenzmenge ist also kein Wert, der erst bei der
Abgabenberechnung und –festsetzung nach Maßgabe der
tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls zu ermitteln
wäre. Auch in den Übertragungsfällen existieren
dementsprechend nicht mehrere solche Grundlagenbescheide,
nämlich über die Referenzmengen des vormaligen und des
späteren Betriebsinhabers sowie desselben nach der
Betriebsübernahme (bei welcher Festsetzung der belieferte Teil
der zuerst genannten Quote nicht mitgerechnet würde). Vielmehr
wird die vom vormaligen Betriebsinhaber gelieferte Milchmenge im
Rahmen der Abgabenberechnung für den Übernehmer
berücksichtigt und ist für die Höhe der
Referenzmenge ohne Bedeutung. Es ergeht kein dritter Bescheid
über die Referenzmenge des Übernehmers, welche ihm im dem
Jahr der Übernahme nachfolgenden Milchwirtschaftsjahr zusteht
und für welche die Liefermengen des vormaligen
Betriebsinhabers keine Bedeutung haben können. Dass der
Betriebsübernehmer auf seine Quote nur insoweit Milch
abgabefrei liefern kann wie nicht ein anderer (der vormalige
Betriebsinhaber) auf sie in demselben Milchwirtschaftsjahr Milch
geliefert hat, ist nicht die Rechtsfolge eines eingeschränkten
Übergangs der Quote bzw. einer Aufspaltung der zunächst
einheitlichen Quote. Dies ergibt sich vielmehr aus der Rechtsnatur
der Quote als des Rechts zu einer entsprechenden abgabefreien
Milchlieferung in einem Milchwirtschaftsjahr, welches verbraucht
ist, wenn es in Anspruch genommen worden ist. Durch die Belieferung
einer Quote fällt dieselbe also nicht weg (so dass sie nicht
mehr auf den Erwerber übergehen könnte, wenn sie bereits
beliefert worden ist) und es ist auch anlässlich des
Übergangs keine neue, entsprechend kleinere Quote zu bilden,
wenn auch die Quote als das abstrakte Lieferrecht in demselben
Milchwirtschaftsjahr nicht ein zweites Mal
„genutzt“ werden kann, sondern insoweit
verbraucht ist. Diese Zusammenhänge hat der erkennende Senat
im Übrigen bereits in seinem Beschluss vom 31.3.2009
erläutert, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen
wird.
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dd) § 8 Abs. 4 MilchAgV i.d.F. von 2007
(BGBl I 2007, 295), wonach eine Quote nur insoweit übergehen
kann, als sie nicht beliefert ist (diese belieferte Menge
„gelte“ als erst für den folgenden
Zwölfmonatszeitraum übertragen), ist im Streitfall noch
nicht anzuwenden und betrifft im Übrigen nicht das
Saldierungsverfahren, sondern die von diesem zu unterscheidende
Abgabenberechnung anhand des § 7 Nr. 1 MilchAbgV 2007.
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ee) Eine konsequente Umsetzung der
Grundentscheidung, übergegangene Quoten bei der Saldierung zu
berücksichtigen, bietet keinen Anlass, vom vormaligen
Betriebsinhaber gelieferte Milchmengen zu ermitteln und in dem
ihnen entsprechenden Umfang die Quote für Zwecke der
Saldierung zu kürzen. Eine solche Saldierungspraxis würde
die Beteiligung an der Saldierungsmasse (Summe der
Unterlieferungen) nicht von der Betriebsgröße, die sich
in der Größe der Milchquote spiegelt, sondern davon
abhängig machen, ob die Quote in dem Milchwirtschaftsjahr
früher oder später übergegangen ist und ob der
vormalige Betriebsinhaber das in ihr verkörperte
Milchlieferrecht gleichsam über Gebühr ausgeschlachtet
oder nur entsprechend der ihm zur Verfügung stehenden
Nutzungszeit oder sogar unterproportional in Anspruch genommen hat.
Es erschließt sich jedoch nicht, warum etwa ein
Milcherzeuger, der spät im Wirtschaftsjahr einen Betrieb nach
Ausschöpfung der Quote desselben übernommen und in der
ihm verbleibenden Zeit die übergegangene Quote (aufgrund der
weiteren Nutzung der übernommenen Betriebsmittel, insbesondere
des Milchviehs, dessen Milch er notgedrungen verwerten muss)
überliefert hat, vor einer Milchabgabezahlung im Wege der
Teilnahme am Saldierungsverfahren (vorbehaltlich ausreichender
Saldierungsmasse) nicht bewahrt werden soll, während er davor
bewahrt würde, wenn er den Betrieb vom Anfang des
Milchwirtschaftsjahrs an bewirtschaftet hätte.
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3. Die Abgabenberechnung im Streitfall hat
diesen Grundsätzen nicht Rechnung getragen und ist daher
rechtswidrig. Es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst
ersichtlich, dass die Berücksichtigung der gesamten
übergegangenen Quote im Streitfall entsprechend dem vom EuGH
im letzten Satz des dritten Entscheidungssatzes formulierten
Vorbehalt ausscheiden müsste, ganz abgesehen davon, dass es an
einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Grundlage
dafür fehlen dürfte, dem Kläger die Beteiligung an
der Saldierung nach Maßgabe der ungeschmälerten,
übergegangenen Quote - etwa in der Besorgnis eines Missbrauchs
des Saldierungsverfahrens - zu versagen. Es bedarf in diesem
Verfahren keiner Erörterung, ob z.B. dann anders zu
entscheiden wäre, wenn eine bereits völlig oder
weitgehend belieferte Quote übergegangen ist und alsbald nach
Beginn des neuen Milchwirtschaftsjahrs an den früheren Inhaber
oder einen Dritten zurückfällt, so dass offensichtlich
ist, dass die Quote nur zu dem Zweck übertragen wurde, einen
größeren Saldierungsvorteil zu erlangen.
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4. An diesem Ergebnis der rechtlichen
Würdigung vermag die dem Kläger von der
Landwirtschaftsbehörde erteilte Bescheinigung über den
Übergang der Referenzmenge nichts zu ändern (die im
Übrigen eher auf dem vom erkennenden Senat für richtig
gehaltenen Verständnis der Quote zu beruhen scheint). Diese
Bescheinigung ist zwar ein für das HZA verbindlicher
Grundlagenbescheid, soweit sie feststellt, welche Milchquote dem
früheren Betriebsinhaber zugestanden hat und folglich in dem
Sinne auf den Kläger übergegangen ist, dass er sie
jeweils in einem (insbesondere einem künftigen)
Zwölfmonatszeitraum beliefern kann. Sie beziffert also die
übergegangene Milchquote. Wie gegebenenfalls eine Saldierung
vorzunehmen ist und welche Bezugsgrößen dabei anzusetzen
sind, will die Bescheinigung indes nicht und hierüber hatte
die Landwirtschaftsbehörde als eine Frage der Abgabenerhebung
auch nicht zu entscheiden.
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Der im Streitfall ergangene
Übertragungsbescheid ist zudem schon seinem Wortlaut nach
auslegungsbedürftig. Der unter Nr. 7 der Bescheinigung
enthaltene Hinweis, die Molkerei werde mitteilen, welche
Referenzmenge dem Betriebsübernehmer im Übertragungsjahr
unter Berücksichtigung der vom abgebenden Betriebsinhaber
schon gelieferten Milchmengen noch verbleibe, kann bei
hinreichender Beachtung allgemeiner Regeln nicht dahin ausgelegt
werden, die Landwirtschaftsbehörde habe entschieden, dass der
Kläger mit einer um die vor der Übertragung gelieferten
Milchmengen gekürzten Referenzmenge an der Saldierung
beteiligt werden solle. Das hat bereits das FG insoweit im Ergebnis
zutreffend erkannt.
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5. Da das Urteil des FG, das von einem anderen
Verständnis der Saldierungsvorschriften und auch der
Regelungswirkung der Bescheinigung der Landwirtschaftsbehörde
ausgegangen ist, zwar Bundesrecht verletzt (§ 118 Abs. 1 FGO),
im Ergebnis aber richtig ist (§ 126 Abs. 4 FGO), muss die
Revision des HZA erfolglos bleiben.
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