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I. Streitig ist, ob Unterhaltsleistungen,
die bei einer in elektronischer Form abgegebenen
Einkommensteuererklärung (ELSTER) versehentlich nicht
erklärt wurden, im bestandskräftigen
Einkommensteuerbescheid noch zu berücksichtigen sind.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) und seine Lebensgefährtin A sind die Eltern
ihres am 6.3.2007 geborenen Sohnes. Nach der Geburt des gemeinsamen
Kindes unterbrach A zu dessen Betreuung ihre Berufstätigkeit.
Der Kläger leistete an A von März bis November 2008
monatliche Unterhaltszahlungen in Höhe von jeweils 1.100 EUR.
Der Kläger hatte in seiner Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr (2008), die er nicht mit dem
Papierformular, sondern mit dem elektronischen ElsterFormular
2008/2009 eingereicht hatte, keine Unterhaltsleistungen
erklärt. Das dazu vom Kläger verwendete ElsterFormular
enthielt in Zeile 102 die Angabe „Unterhalt für
bedürftige Personen“ und verwies ohne weitere
Erläuterungen auf die Anlage Unterhalt. Der Hilfstext zur
Anlage Unterhalt führte die gesetzlich unterhaltsberechtigten
Personen beispielhaft auf („z.B. Eltern, Großeltern und
Kinder“), nannte dort aber nicht die Mutter eines gemeinsamen
Kindes als mögliche Unterhaltsberechtigte. Im ElsterFormular
fand sich das erst am Ende der Anlage Unterhalt.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) veranlagte den Kläger für das
Streitjahr mit Einkommensteuerbescheid vom 28.9.2009
erklärungsgemäß.
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Mit Schreiben vom 17.10.2010 beantragte der
Kläger unter Beifügung einer Anlage Unterhalt die
Berücksichtigung seiner Unterhaltsleistungen an seine
Lebensgefährtin. Das FA wies den Antrag mit der
Begründung zurück, den Kläger treffe i.S. des §
173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) ein grobes Verschulden am
nachträglichen Bekanntwerden der geleisteten
Unterhaltszahlungen. Der Kläger habe trotz ausdrücklicher
Frage nach Unterhalt für bedürftige Personen keine
Angaben zu den von ihm geleisteten Unterhaltszahlungen gemacht und
keine Anlage Unterhalt eingereicht.
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Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobene Klage war aus den in EFG 2012, 488 = SIS 11 38 26
veröffentlichten Gründen erfolgreich. Den Kläger
treffe kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden
i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Das ElsterFormular 2008/2009
zur Einkommensteuer für 2008 sei bezüglich
Unterhaltsleistungen an die Kindesmutter als gesetzlich
Unterhaltsberechtigte nicht so gestaltet, dass den Kläger der
Vorwurf groben Verschuldens im Hinblick darauf treffe, die
Unterhaltsleistungen nicht bereits in der elektronisch
übermittelten Einkommensteuererklärung angegeben zu
haben. Hinweise auf die Mutter eines gemeinsamen Kindes fänden
sich dort nicht. Dem Kläger, dem seine Unterhaltsverpflichtung
und die Möglichkeit der Berücksichtigung von
Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung nicht
bekannt gewesen seien, habe sich angesichts dieser Erläuterung
und der etwa gegenüber 2003 für den Steuerpflichtigen
unübersichtlicheren Vordruckgestaltung nicht aufdrängen
müssen, auch Unterhaltsleistungen an seine mit ihm nicht
verwandte und nicht verheiratete Lebensgefährtin eintragen zu
können und zu müssen.
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Im Streitfall seien deshalb die
Unterhaltsleistungen des Klägers nach § 33a Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt, das Urteil des FG Hamburg vom
27.9.2011 1 K 43/11 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision als
unzulässig zu verwerfen, jedenfalls aber als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Finanzgericht (FG) hat
zutreffend und frei von Verfahrensfehlern entschieden, dass der
hier streitige Einkommensteuerbescheid auf Grundlage des § 173
Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern ist.
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Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind
Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen
oder Beweismittel bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer
führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden
daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst
nachträglich bekannt werden. Als grobes Verschulden hat der
Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu
vertreten. Grobe Fahrlässigkeit ist nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anzunehmen, wenn der
Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen
Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in
ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise
verletzt hat (BFH-Urteile vom 9.11.2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545
= SIS 12 06 57; vom 19.12.2006 VI R 59/02, BFH/NV 2007, 866 = SIS 07 61 42; vom 9.8.1991 III R 24/87, BFHE 165, 454, BStBl II 1992,
65 = SIS 92 05 44; jeweils m.w.N.).
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a) Ob der Beteiligte im jeweiligen Einzelfall
grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen Tatfrage.
Die dazu getroffenen Feststellungen und darauf gründenden
Würdigungen des FG können - abgesehen von zulässigen
und begründeten Verfahrensrügen - von der
Revisionsinstanz nur darauf überprüft werden, ob der
Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit und die aus ihm
abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob
die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen
Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht
(BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 545 = SIS 12 06 57, m.w.N.).
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b) Die Würdigung des FG, den Kläger
treffe angesichts der unübersichtlichen Ausgestaltung des
ElsterFormulars des Veranlagungszeitraums 2008 kein grobes
Verschulden daran, dass die Unterhaltsleistungen erst
nachträglich bekannt wurden, ist danach revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden.
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aa) Das FG hat den Rechtsbegriff der groben
Fahrlässigkeit zutreffend ausgelegt und die daraus
abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt. Es hat grobes
Verschulden angenommen, wenn der Steuerpflichtige seiner
Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er etwa
eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte,
auf einen bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beachtet.
Zutreffend hat es diese Grundsätze auch auf eine im
elektronischen Wege über das ElsterFormular abgegebene
Steuererklärung angewandt und deshalb auch zu Recht
Besonderheiten der elektronischen Steuererklärung hinsichtlich
ihrer Übersichtlichkeit berücksichtigt, wie sie
gleichermaßen auch für solche in Papierform gelten.
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bb) Das FG hat seine Würdigung, dass den
Kläger kein grobes Verschulden im Hinblick auf das
nachträgliche Bekanntwerden der Unterhaltsleistungen trifft,
darauf gestützt, dass der Hauptvordruck des ElsterFormulars
keine Erläuterungen enthält und die Anlage Unterhalt, auf
die stattdessen hingewiesen wird, zwar im Hilfstext die
Unterhaltsberechtigung zwischen Großeltern, Eltern und
Kindern als Beispiel nennt, aber gerade nicht auf die einer
Kindesmutter hinweist. Wenn das FG angesichts dessen zu der
Würdigung gelangte, dass sich dem Kläger aufgrund der
unübersichtlichen Vordruckgestaltung nicht hätte
aufdrängen müssen, dass auch Unterhaltsleistungen an
seine mit ihm nicht verwandte und nicht verheiratete
Lebensgefährtin hätten eingetragen werden müssen,
ist dies revisionsrechtlich ebenso wenig zu beanstanden wie die
daran anknüpfende Würdigung, dass dem Kläger deshalb
kein grobes Verschulden vorgeworfen werden kann.
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Das FG hat im Rahmen der ihm obliegenden
Gesamtwürdigung auch alle erheblichen Umstände
einbezogen. So hat es entgegen der Auffassung des FA insbesondere
nicht unberücksichtigt gelassen, dass die Anlage Unterhalt
selbst am Ende die Kindesmutter als Unterhaltsberechtigte nennt. Zu
Recht hat es in diesem Zusammenhang aber auch berücksichtigt,
dass der Erläuterungstext der Anlage gerade zu dieser
Unterhaltsberechtigung nichts enthält und es der Kläger
deshalb nicht grob fahrlässig unterlassen hat, ohne
Anhaltspunkte sich der Anlage selbst zuzuwenden. Insoweit hat das
FG schließlich auch zutreffend bedacht, dass am
Computerbildschirm ein Überblick über die
ausfüllbaren Felder im ElsterFormular deutlich schwieriger zu
erlangen ist, als in einer Steuererklärung in Papierform.
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c) Das FA kann sich auch nicht mit Erfolg auf
Verfahrensmängel berufen. Das FG hat weder seine Pflicht zur
Sachverhaltsaufklärung aus § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO
verletzt noch hat es gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO
verstoßen.
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aa) Soweit das FA eine den Anforderungen des
§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht genügende
Sachverhaltsaufklärung rügt, fehlt es schon an dem
Vortrag, dass die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift in der
Vorinstanz gerügt wurde oder dass diese Rüge nicht
möglich war (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7.
Aufl., § 120 Rz 67, m.w.N.). Denn die Verletzung der
Sachaufklärungspflicht nach § 76 FGO zählt zu den
verzichtbaren Mängeln (vgl. Gräber/Stapperfend, a.a.O.,
§ 76 Rz 33; Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 101;
jeweils m.w.N.). Wird ein Verstoß gegen die
Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt,
das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts
wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, ist auch
vorzutragen, dass dieser Mangel in der mündlichen Verhandlung
vor dem FG gerügt worden ist (vgl. auch Gräber/Ruban,
a.a.O., § 120 Rz 70). Der Schriftsatz des FA enthält dazu
jedoch keine Ausführungen; und auch aus dem Sitzungsprotokoll
des FG ergibt sich nicht, dass das FA in der mündlichen
Verhandlung vor dem FG Beweisanträge zu Protokoll erklärt
und die unterlassene Beweisaufnahme gerügt hat. Wenn das FA
weiter einwendet, im Erörterungstermin auf die gleichlautenden
Anleitungen zu den Steuererklärungen in Papierform einerseits
und im ElsterFormular andererseits hingewiesen zu haben, ist nicht
ersichtlich, inwieweit daraus ein Verstoß gegen die Pflicht,
den Sachverhalt umfassend aufzuklären, folgten sollte. Denn
das FG hat diese Feststellungen getroffen und in den
Entscheidungsgründen gewürdigt.
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bb) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz
FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem
Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das FG
muss danach neben dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch
den gesamten Akteninhalt und das Ergebnis von Beweiserhebungen
jeglicher Art berücksichtigen (vgl. Gräber/Stapperfend,
a.a.O., § 96 Rz 11, m.w.N.). Ein Verstoß gegen § 96
Abs. 1 Satz 1 FGO liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn das
FG den festgestellten Sachverhalt unter Einbeziehung des ihm
vorliegenden Akteninhalts nicht entsprechend den Vorstellungen
eines der Beteiligten gewürdigt hat. Daran gemessen hat das FG
nicht gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen. Denn das
FG hat die diversen vom FA angeführten Anleitungstexte
durchaus zur Kenntnis genommen. Es hat auch die offenkundig
unterschiedlichen Darstellungen und Übersichtlichkeiten der
elektronischen Steuererklärung einerseits und des
Papiervordrucks andererseits umfassend gewürdigt. Wenn das FG
daraus nicht die vom FA für zutreffend erachteten Folgerungen
und Würdigungen gezogen hat, begründet dies allerdings
keinen Verfahrensfehler.
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