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I. Streitig ist der Ansatz eines geldwerten
Vorteiles wegen der privaten Nutzung eines Firmenwagens.
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Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte
Eheleute. Sie hatten in den Streitjahren 2003 und 2004 ihren
Wohnsitz in W. Der Kläger ist seit dem 1.4.2001 bei der E GmbH
in F als alleiniger Geschäftsführer beschäftigt. Aus
dieser Tätigkeit erzielt er Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger verfügte
über einen Dienstwagen (Listenpreis 35.000 EUR), der im
Wohnsitzkreis des Klägers zugelassen war. Die Nutzung des
Fahrzeugs war in einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag
(„Car Policy“) wie folgt geregelt:
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“Der Geschäftsleitung der ... [E
GmbH] wird bei überwiegender Außendienst-Tätigkeit
ein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt.
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Die Nutzung erstreckt sich nicht auf den
privaten Bereich.
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Der Gesetzgeber verlangt eine Versteuerung
des geldwerten Vorteils. Dieser beträgt z. Zt. 1 % des
Brutto-Listenpreises des genutzten Fahrzeugs, soweit Dienstsitz des
Mitarbeiters gleich Wohnsitz ist, entfällt eine Versteuerung
ebenfalls für die Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte. Sollten betriebliche Notwendigkeiten eine
Änderung erforderlich machen, werden diese gemäß
den gesetzlichen Regelungen vorgenommen ...
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Das Fahrzeug darf ausschließlich
durch den Mitarbeiter genutzt werden. Im Bedarfsfall wird der
Ehegatte (Lebenspartner) zugelassen ...“
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Im Jahr 2005 fand bei der E GmbH eine
Lohnsteuer-Außenprüfung durch das Finanzamt F statt.
Dabei wurde festgestellt, dass der Kläger kein Fahrtenbuch
geführt hat und ein privater Nutzungsvorteil bislang nicht
besteuert worden ist. Der steuerliche Berater der E GmbH teilte dem
Finanzamt F hierzu mit, der Kläger habe ein Fahrtenbuch
führen sollen. Da er dies nicht getan habe, solle eine
Mitteilung an sein Wohnsitzfinanzamt ergehen. Der
Außenprüfer nahm daraufhin einen geldwerten Vorteil aus
der Fahrzeugüberlassung an und errechnete für die
Privatnutzung jährlich 4.200 EUR (35.000 EUR x 1 % x 12) und
für die Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte jährlich
17.136 EUR (35.000 EUR x 0,03 % x 136 km x 12).
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) machte sich die Prüfungsfeststellungen zu
eigen, änderte die Einkommensteuer-Festsetzungen für die
Streitjahre gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der
Abgabenordnung und erhöhte die Lohneinkünfte des
Klägers jeweils um 21.336 EUR.
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Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen
Klage gab das Finanzgericht (FG) teilweise statt (EFG 2012, 1733 =
SIS 12 25 91). Das FA habe zwar dem Grunde nach zu Recht die
Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit
um den Wert der Privatnutzung des Dienstfahrzeugs und für
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erhöht (§
8 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ). Der Ansatz
für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sei
jedoch zu hoch. Insoweit müsse eine Einzelbewertung der
Fahrten in analoger Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 5 EStG
erfolgen.
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Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
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Sie beantragen sinngemäß, das
Urteil des FG Münster vom 17.1.2012 5 K 1240/09 E sowie die
Einspruchsentscheidungen vom 18.3.2009 aufzuheben und die
Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2003 und 2004 - jeweils
- vom 13.8.2007 insoweit abzuändern, als dass die
Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit
- jeweils - um 21.336 EUR herabgesetzt werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision der Kläger ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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1. Überlässt der Arbeitgeber einem
Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch
zur privaten Nutzung, führt das nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats zu einem als Lohnzufluss nach § 19
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil
des Arbeitnehmers (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
6.11.2001 VI R 62/96, BFHE 197, 142, BStBl II 2002, 370 = SIS 02 06 51; vom 7.11.2006 VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116 =
SIS 06 47 41; VI R 95/04, BFHE 215, 252, BStBl II 2007, 269 = SIS 07 03 22; vom 4.4.2008 VI R 68/05, BFHE 221, 17, BStBl II 2008, 890
= SIS 08 24 18; vom 28.8.2008 VI R 52/07, BFHE 223, 12, BStBl II
2009, 280 = SIS 08 43 36; vom 21.4.2010 VI R 46/08, BFHE 229, 228,
BStBl II 2010, 848 = SIS 10 22 06; vom 6.10.2011 VI R 56/10, BFHE
235, 383, BStBl II 2012, 362 = SIS 11 40 03), und zwar
unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer
den betrieblichen PKW tatsächlich privat nutzt (BFH-Urteil vom
21.3.2013 VI R 31/10, zur amtlichen Veröffentlichung
bestimmt). Der Vorteil ist nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5
i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entweder mit der
Fahrtenbuchmethode oder, wenn - wie im Streitfall mittlerweile
unstreitig - kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch
geführt wird, mit der 1 %-Regelung zu bewerten.
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2. Über die Frage, ob und welches
betriebliche Fahrzeug dem Arbeitnehmer ausdrücklich oder doch
zumindest konkludent auch zur privaten Nutzung überlassen ist,
entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher
Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem
Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zwar ist
die finanzrichterliche Überzeugungsbildung revisionsrechtlich
nur eingeschränkt auf Verstöße gegen Denkgesetze
und allgemeine Erfahrungssätze überprüfbar. Das FG
hat jedoch im Einzelnen darzulegen, wie und dass es seine
Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier
Weise gewonnen hat (BFH-Beschluss vom 13.3.1997 I B 78/96, BFH/NV
1997, 772). Die subjektive Gewissheit des Tatrichters vom Vorliegen
eines entscheidungserheblichen Sachverhalts ist nur dann
ausreichend und für das Revisionsgericht bindend, wenn sie auf
einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen
Würdigung beruht, deren nachvollziehbare Folgerungen den
Denkgesetzen entsprechen und von den festgestellten Tatsachen
getragen werden. Fehlt es an einer tragfähigen
Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen
Entscheidung oder fehlt die nachvollziehbare Ableitung dieser
Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und Umständen, so
liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor (BFH-Urteil vom
11.11.2010 VI R 16/09, BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966 = SIS 11 01 53, m.w.N.).
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3. Ein solcher Rechtsanwendungsfehler ist
vorliegend zu beklagen. Denn die Würdigung des FG, dass dem
Kläger von der E GmbH der Dienstwagen in den Streitjahren
arbeitsvertraglich auch zur privaten Nutzung überlassen worden
ist, hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
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a) Soweit das FG diese Erkenntnis aus der vom
Kläger vorgelegten „Car Policy“
schöpft, ist dieser Schluss für den Senat nicht
nachvollziehbar. Denn dort ist gerade das Gegenteil bestimmt. Dort
ist ausdrücklich geregelt, dass sich die Nutzung nicht auf den
privaten Bereich erstreckt. Die Erweiterung in der „Car
Policy“, dass „im Bedarfsfall“ statt
des Mitarbeiters „der Ehegatte (Lebenspartner)
zugelassen“ wird, zielt ersichtlich auf die dienstliche
Nutzung des PKW. Hieraus eine private Nutzungsbefugnis des Ehe-
oder Lebenspartners zu lesen, ist eine - jedenfalls ohne weitere
Klärung des tatsächlich gewollten Vertragsinhalts - nicht
tragfähige Überinterpretation des Vertragsinhalts.
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b) Darüber hinaus geht das FG fehl, wenn
es allein aus einer fehlenden Überwachung dieses
Nutzungsverbots auf dessen Steuerunerheblichkeit
schließt.
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Denn einen - auf der allgemeinen
Lebenserfahrung gründenden - Erfahrungssatz, nach dem ein
angestellter Alleingeschäftsführer generell
arbeitsvertraglich vereinbarte Nutzungsverbote nicht achten werde,
vermag der Senat nicht zu erkennen. Zwar mag es sein, dass in
Fällen wie dem vorliegenden der Arbeitnehmer - in Ermangelung
einer „Kontrollinstanz“ - bei einer
Zuwiderhandlung keine arbeitsrechtlichen oder gar strafrechtlichen
Konsequenzen zu gewärtigen hat. Gleichwohl rechtfertigt dies
einen entsprechenden steuerstrafrechtlich erheblichen
Generalverdacht nicht (BFH-Urteil vom 21.3.2013 VI R 46/11, zur
amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Dies gilt selbst dann,
wenn der Arbeitgeber ein arbeitsvertraglich vereinbartes
Privatnutzungsverbot nicht überwacht (BFH-Urteile in BFHE 229,
228, BStBl II 2010, 848 = SIS 10 22 06; in BFHE 235, 383, BStBl II
2012, 362 = SIS 11 40 03, sowie vom 21.3.2013 VI R 46/11, zur
amtlichen Veröffentlichung bestimmt).
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4. Das FG wird nach Maßgabe der
vorgenannten Rechtsgrundsätze den hier streitigen Sachverhalt
insbesondere dahingehend weiter aufzuklären haben, ob dem
Kläger der betriebliche PKW auch zur privaten Nutzung
arbeitsvertraglich oder doch mindestens auf Grundlage einer
konkludent getroffenen Nutzungsvereinbarung tatsächlich
überlassen war. Diese Feststellungen kann auch bei einem
Alleingeschäftsführer der Beweis des ersten Anscheins
nicht ersetzen (BFH-Urteil vom 21.3.2013 VI R 46/11, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt).
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a) Hat sich das FG mit der erforderlichen
Gewissheit davon überzeugt, dass dem Kläger der streitige
PKW tatsächlich zur privaten Nutzung überlassen war, sind
weitere Feststellungen insbesondere zu den
Nutzungsverhältnissen nicht erforderlich. Der Vorteil ist
unabhängig von den tatsächlichen
Nutzungsverhältnissen nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5
i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entweder mit der
Fahrtenbuchmethode oder, wenn kein ordnungsgemäßes
Fahrtenbuch geführt wird, mit der 1 %-Regelung zu bewerten
(BFH-Urteil vom 21.3.2013 VI R 31/10, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt).
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b) Weiter weist der erkennende Senat für
den zweiten Rechtsgang darauf hin, dass allein die Nutzung eines
betrieblichen Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte noch keine Überlassung zur privaten Nutzung
i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG begründet (BFH-Urteil in
BFHE 235, 383, BStBl II 2012, 362 = SIS 11 40 03).
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c) Ob der Kläger eine
regelmäßige Arbeitsstätte in den Streitjahren
innehatte und wo eine solche gegebenenfalls zu verorten ist, bedarf
ebenfalls noch weiterer Feststellungen des FG. Denn der Mittelpunkt
der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit und damit die
regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1
Satz 3 Nr. 4 EStG bestimmt sich nach den qualitativen Merkmalen
einer wie auch immer gearteten Arbeitsleistung, die der
Arbeitnehmer an dieser Arbeitsstätte im Einzelnen wahrnimmt
oder wahrzunehmen hat, sowie nach dem konkreten Gewicht dieser dort
verrichteten Tätigkeit. Nach diesen Rechtsgrundsätzen
erfüllt eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, die der
Arbeitnehmer beispielsweise lediglich zu Kontrollzwecken aufsucht,
nicht die Voraussetzungen einer regelmäßigen
Arbeitsstätte. Allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer den
Betriebssitz oder sonstige Einrichtungen des Arbeitgebers mit einer
gewissen Nachhaltigkeit aufsucht, genügt für sich
betrachtet nicht, um dort den Tätigkeitsmittelpunkt eines
Arbeitnehmers zu begründen. Hierfür muss der Arbeitnehmer
an diesem Ort vielmehr schwerpunktmäßig tätig
werden. Daran fehlt es insbesondere, wenn er - wie ein
Außendienstmitarbeiter - seiner eigentlichen Tätigkeit
außerhalb des Betriebssitzes nachgeht (BFH-Urteil vom
9.6.2011 VI R 58/09, BFHE 234, 155, BStBl II 2012, 34 = SIS 11 27 15). Das FG wird deshalb zu prüfen haben, ob die E GmbH in F
eine betriebliche Einrichtung (bei der Konzernmutter, vgl.
BFH-Urteil vom 13.6.2012 VI R 47/11, BFHE 238, 53, BStBl II 2013,
169 = SIS 12 25 68) vorgehalten hat und in welchem qualitativen
Umfang der Kläger dort tätig geworden ist.
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