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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, war zu 45,5 % an
der A-AG beteiligt, die ihrerseits eine Beteiligung von 50 % an der
R-AG hielt.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte gegen die Klägerin
Vermögensteuer auf den 1.1.1990 fest und berücksichtigte
dabei gemäß der im Jahr 1991 eingereichten
Erklärung auch den Wert der Anteile der Klägerin an der
A-AG. Der zuletzt ergangene Vermögensteuerbescheid vom
15.12.1998 wurde bestandskräftig.
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Aufgrund einer Klage der R-AG stellte das
Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 7.12.1999 6 K 8485/93 BA den
gemeinen Wert ihrer Anteile auf den 31.12.1989 auf 509 DM je 100 DM
des Grundkapitals fest. Im Hinblick darauf erließ das FA am
15.5.2000 einen geänderten Bescheid über die gesonderte
und einheitliche Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der
A-AG auf den 31.12.1989 und minderte den Wert dieser Anteile
entsprechend. Der Feststellungsbescheid wurde an die A-AG als
Empfangsbevollmächtigte u.a. für die Klägerin
bekannt gegeben. Die Folgeanpassung des
Vermögensteuerbescheids auf den 1.1.1990 für die
Klägerin unterblieb jedoch.
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Mit Bescheid vom 27.3.2006 änderte das
FA den Einheitswert des Betriebsvermögens für die R-AG
auf den 1.1.1990. Den Antrag der R-AG, auch die Anteilsbewertung
zum 31.12.1989 zu ändern, lehnte das FA ab. Die gegen die
Ablehnung zunächst erhobene Klage nahm die R-AG zurück.
Das FG stellte das Verfahren mit Beschluss vom 24.9.2010
ein.
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Die Klägerin beantragte mit Schreiben
vom 11.1.2008 beim FA, im Vermögensteuerbescheid auf den
1.1.1990 die Änderungen aus dem gegenüber der R-AG
ergangenen Urteil des FG vom 7.12.1999 6 K 8485/93 BA umzusetzen.
Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 9.7.2008 ab, weil
Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Einspruch und Klage
blieben ohne Erfolg.
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Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung von § 171 Abs. 3 i.V.m. Abs. 10
Satz 1 der Abgabenordnung (AO) sowie Verstöße gegen den
Grundsatz von Treu und Glauben und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20
Abs. 3 des Grundgesetzes - GG - ).
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Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und das FA unter Aufhebung des
Ablehnungsbescheids vom 9.7.2008 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 4.8.2008 zu verpflichten, den
Vermögensteuerbescheid auf den 1.1.1990 vom 15.12.1998
dahingehend zu ändern, dass die Vermögensteuer unter
Auswertung des geänderten Feststellungsbescheids über den
gemeinen Wert der Anteile an der A-AG auf den 31.12.1989 vom
15.5.2000 neu festgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass die von der Klägerin begehrte Änderung des
Vermögensteuerbescheids auf den 1.1.1990 wegen der
eingetretenen Festsetzungsverjährung nicht mehr zulässig
ist.
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1. Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung
oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die
Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die
reguläre Frist von vier Jahren zur Festsetzung der
Vermögensteuer auf den 1.1.1990, die im Streitfall mit der
Abgabe der Vermögensteuererklärung in 1991 begonnen
hatte, war im Mai 2000, als der geänderte
Feststellungsbescheid über die Anteilsbewertung der A-AG
erging, bereits abgelaufen (§§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2,
170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).
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2. Aufgrund des geänderten
Feststellungsbescheids vom 15.5.2000 über die Anteilsbewertung
der A-AG auf den 31.12.1989 war der Ablauf der Festsetzungsfrist
für die Vermögensteuer der Klägerin bis Mai 2002
gehemmt.
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a) Ist für die Festsetzung einer Steuer
ein Feststellungsbescheid bindend (Grundlagenbescheid), endet die
Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe
des Grundlagenbescheids (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO). Die
Vorschrift bewirkt eine Ablaufhemmung für die Folgesteuer,
soweit und solange in offener Feststellungsfrist ein
Grundlagenbescheid, der für die Festsetzung der Folgesteuer
bindend ist, noch zulässig ergehen kann (vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19.1.2005 X R 14/04, BFHE 208, 410,
BStBl II 2005, 242 = SIS 05 13 13).
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Ist ein Grundlagenbescheid ergangen,
gewährt § 171 Abs. 10 Satz 1 AO immer nur eine maximale
Auswertungsfrist von zwei Jahren, die mit der Bekanntgabe des
Grundlagenbescheids (§ 122 AO) an den Adressaten beginnt (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 208, 410, BStBl II 2005, 242 = SIS 05 13 13).
Diese Frist wurde im Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12.1996 (BGBl I
1996, 2049, BStBl I 1996, 1523) neu geregelt; die ursprünglich
geltende Frist von einem Jahr wurde auf zwei Jahre verlängert
(vgl. Cöster in Pahlke/Koenig/Cöster, Abgabenordnung, 2.
Aufl., § 171 Rz 154). Innerhalb der Zwei-Jahres-Frist hat das
FA von Amts wegen den Steuerbescheid an den Grundlagenbescheid
anzupassen (vgl. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO).
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b) Ein Grundlagenbescheid in diesem Sinne ist
auch der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Werts
der nicht notierten Anteile an einer Kapitalgesellschaft im
Verhältnis zur Vermögensteuerfestsetzung des
Anteilseigners (vgl. BFH-Urteil vom 17.2.1993 II R 15/91, BFH/NV
1994, 1). Der Feststellungsbescheid war allen am Verfahren
Beteiligten bekanntzugeben (§ 5 Abs. 2 Satz 1 der
Anteilsbewertungsverordnung - AntBewV - vom 19.1.1977, BGBl I 1977,
171, BStBl I 1977, 37, aufgehoben mit Wirkung zum 31.12.1997 durch
das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom
29.10.1997, BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928). Beteiligte waren
die Kapitalgesellschaft, deren Anteile zu bewerten waren, die
Anteilseigner, die Antrag auf Feststellung des gemeinen Werts
gestellt hatten und die Anteilseigner, die dem Betriebsfinanzamt
von der Kapitalgesellschaft namhaft gemacht wurden (§ 5 Abs. 1
AntBewV). War der Feststellungsbescheid mehreren Beteiligten
bekanntzugeben, die keinen Empfangsbevollmächtigten i.S. des
§ 183 Abs. 1 AO bestellt hatten, so galt die
Kapitalgesellschaft als Empfangsbevollmächtigte (§ 5 Abs.
3 AntBewV); in diesem Fall begann die Zwei-Jahres-Frist mit der
Bekanntgabe des Feststellungsbescheids an die Kapitalgesellschaft
zu laufen.
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c) Im Streitfall änderte das FA die
gesonderte und einheitliche Feststellung des gemeinen Werts der
Anteile an der A-AG auf den 31.12.1989 mit Bescheid vom 15.5.2000
und gab diesen an die A-AG als Empfangsbevollmächtigte u.a.
mit Wirkung für und gegen die Klägerin bekannt, mit der
Folge, dass wegen der Bindungswirkung der Feststellung die
Vermögensteuerfestsetzung gegenüber der Klägerin auf
den 1.1.1990 innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntgabe des
Bescheids an die A-AG anzupassen gewesen wäre. Die mit der
Änderung der Anteilsbewertung verbundene Ablaufhemmung
für die Vermögensteuerfestsetzung der Klägerin
endete im Mai 2002, ohne dass eine Änderung der
Vermögensteuerfestsetzung erfolgt ist.
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3. Der Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des §
171 Abs. 10 Satz 1 AO im Mai 2002 wurde nicht durch einen
rechtzeitig gestellten Antrag der Klägerin auf Änderung
der Vermögensteuerfestsetzung gehemmt.
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a) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist
außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag
auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer
Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 AO
gestellt, so läuft gemäß § 171 Abs. 3 AO die
Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag
unanfechtbar entschieden worden ist. Die Regelung dient dem Schutz
des Steuerpflichtigen. Sie stellt sicher, dass der Erfolg eines
einmal gestellten Antrags nicht von der Arbeitsweise und
-geschwindigkeit der Behörde abhängt; eine
antragsgemäße Entscheidung soll nach dem Willen des
Gesetzgebers nicht allein daran scheitern, dass die Behörde
die Prüfung des Antrags nicht innerhalb der nach anderen
Vorschriften zu bestimmenden Festsetzungsfrist abschließt
(vgl. BFH-Urteile vom 24.5.2006 I R 9/05, BFH/NV 2006, 2019 = SIS 06 41 20, und I R 93/05, BFHE 214, 7, BStBl II 2007, 76 = SIS 06 40 88).
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b) Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO
setzt einen Antrag des von der Steuerfestsetzung betroffenen
Steuerpflichtigen voraus. Auch wenn § 171 Abs. 3 AO nicht
ausdrücklich bestimmt, welche Person den Antrag stellen kann,
ist aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift deutlich zu entnehmen,
dass Antragsteller nur der Steuerpflichtige sein kann. Dieser kann,
wenn ein Steuerbescheid noch nicht erlassen wurde, eine gegen ihn
gerichtete Steuerfestsetzung beantragen oder bei einem bereits
ergangenen Steuerbescheid als Inhaltsadressat beantragen, dass die
Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder berichtigt werden
soll. Stellt der Steuerpflichtige einen Antrag, tritt eine
Ablaufhemmung zu seinen Gunsten ein (Kruse in Tipke/ Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 171 AO Rz 18; Banniza
in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO Rz 41; Cöster,
a.a.O., § 171 AO Rz 40; Rüsken in Klein/Rüsken, AO,
11. Aufl., § 171 Rz 19). Eine Ablaufhemmung i.S. des §
171 Abs. 3 AO wird auch dadurch ausgelöst, dass ein Dritter
als Bevollmächtigter (§ 80 AO) oder als gesetzlicher
Vertreter einen wirksamen Antrag für den Steuerpflichtigen
stellt.
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c) Im Falle der Änderung eines
Grundlagenbescheids wird der Ablauf der Zwei-Jahres-Frist (§
171 Abs. 10 Satz 1 AO) für die Anpassung des Folgebescheids
nach § 171 Abs. 3 AO nur gehemmt, wenn der von dem
Folgebescheid betroffene Steuerpflichtige selbst die Änderung
des Folgebescheids vor Ablauf der Frist beantragt. Aus dem Antrag
muss auch hinreichend konkret hervorgehen, inwieweit der
Steuerpflichtige die Änderung des Folgebescheids begehrt (vgl.
BFH-Urteil vom 14.1.1998 X R 84/95, BFHE 185, 111, BStBl II 1999,
203 = SIS 98 10 48, zu § 171 Abs. 3 AO a.F.; Banniza, a.a.O.,
§ 171 AO Rz 39; Kruse, a.a.O., § 171 AO Rz 8; Paetsch in
Beermann/Gosch, AO § 171 Rz 36). Ein im Verfahren über
einen Grundlagenbescheid gestellter Antrag auf Änderung der
gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen kann daher nicht
dahin ausgelegt werden, dass damit zugleich die Änderung
sämtlicher Folgebescheide zugunsten der jeweiligen
Steuerpflichtigen beantragt wird.
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Demgemäß hemmt die Anfechtung der
Anteilsbewertung durch eine Kapitalgesellschaft nicht nach §
171 Abs. 3 AO den Ablauf der Festsetzungsfrist für die
Vermögensteuer eines Anteilseigners. Dies gilt unabhängig
davon, ob der Anteilseigner unmittelbar oder über weitere
Gesellschaften an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Die
Kapitalgesellschaft handelt bei der Anfechtung des
Feststellungsbescheids über die Anteilsbewertung, wenn sich
nicht aus ihren Erklärungen oder den äußeren
Umständen etwas anderes ergibt, in ihrem eigenen Interesse und
nicht zugleich nach § 80 AO als Bevollmächtigte aller
Anteilseigner, bei deren Vermögensteuerfestsetzungen sich der
Wert der Anteile unmittelbar oder mittelbar auswirken kann. Eine
gesetzliche Prozessstandschaft der Kapitalgesellschaft zur
Anfechtung bzw. zur Beantragung einer Änderung der
gegenüber Anteilseignern ergangenen
Vermögensteuerfestsetzungen sehen die Vorschriften der AO und
der FGO nicht vor. Aus diesem Grund kann offen bleiben, ob die
Anfechtung eines Bescheids mit Einspruch und Klage überhaupt
als ein inzident auf die Änderung anderer Bescheide
gerichteter Antrag außerhalb eines Einspruchs- oder
Klageverfahrens i.S. von § 171 Abs. 3 AO ausgelegt werden
kann.
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d) Die im Mai 2002 endende Zwei-Jahres-Frist
für die Anpassung der Vermögensteuerfestsetzung auf den
1.1.1990 an die geänderte Anteilsbewertung der A-AG wurde vor
ihrem Ablauf nicht durch einen Antrag der Klägerin gehemmt.
Die Klägerin hat erstmals im Januar 2008 und damit erst nach
dem Ablauf der Frist beim FA die Änderung der
Vermögensteuerfestsetzung beantragt. Der verspätete
Antrag hat keine Ablaufhemmung zur Folge.
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Der im Einspruchs- und Klageverfahren von der
R-AG gestellte Antrag auf Änderung der Anteilsbewertung auf
den 31.12.1989 ist kein Antrag der Klägerin und betrifft auch
nicht die Festsetzung der Vermögensteuer auf den 1.1.1990.
Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO)
gibt es zudem keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür,
dass die R-AG stellvertretend für die Klägerin beantragt
hat, den Vermögensteuerbescheid zu ändern.
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4. Eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist
für die Vermögensteuer ist auch nicht dadurch
eingetreten, dass die R-AG nach der Änderung des Bescheids
über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den
1.1.1990 vom 27.3.2006 eine Änderung des Bescheids über
die Anteilsbewertung zum 31.12.1989 beantragt hat.
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Der Bescheid über den Einheitswert des
Betriebsvermögens war bis zur Neufassung des § 11 Abs. 2
des Bewertungsgesetzes (BewG) durch das Steueränderungsgesetz
1992 (StÄndG 1992) vom 25.2.1992 (BGBl I 1992, 297, BStBl I
1992, 146) und das Zinsabschlaggesetz vom 9.11.1992 (BGBl I 1992,
1853, BStBl I 1992, 682) kein Grundlagenbescheid für die
Anteilsbewertung (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.1995 II R 21/93, BFH/NV
1996, 593 = SIS 96 14 81). § 11 Abs. 2 BewG i.d.F. des
StÄndG 1992 war erstmals für die Bewertung von Anteilen
an Kapitalgesellschaften auf den 31.12.1992 anzuwenden (§ 124
Abs. 2 BewG i.d.F. des StÄndG 1992).
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Der gegenüber der R-AG ergangene Bescheid
über den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1.1.1990
vom 27.3.2006 war danach kein Grundlagenbescheid für die
Anteilsbewertung zum 31.12.1989. Er konnte weder zu einer
Änderung der Anteilsbewertung der R-AG nach § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AO noch zu einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10
Satz 1 AO für die Anteilsbewertung der R-AG führen.
Mangels eines Grundlagenbescheids ergeben sich auch keine
Auswirkungen auf den Ablauf der Festsetzungsfrist für die
Vermögensteuer der Klägerin.
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5. Es ist mit Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar,
dass die Änderung eines (Folge-)Bescheids nach Eintritt der
Festsetzungsverjährung unzulässig ist, wenn die
Finanzbehörde ihrer Anpassungspflicht aus § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AO nicht rechtzeitig nachgekommen ist und der
Steuerpflichtige seinerseits keinen rechtzeitigen Antrag i.S. des
§ 171 Abs. 3 AO gestellt hat. Bei der Ausgestaltung von
Verwaltungsverfahren kommt dem Gesetzgeber eine weite
Gestaltungsfreiheit zu, insbesondere der Vorrang, zwischen den
Erfordernissen der Rechtssicherheit und der Herstellung der
Gerechtigkeit im Einzelfall abzuwägen (Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 20.4.1982 2 BvL 26/81, BVerfGE 60,
253, 268). Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes begegnet
die in § 171 Abs. 3 AO eröffnete Möglichkeit, den
Ablauf der Festsetzungsfrist nur mit einem vor Ablauf gestellten
Antrag zu hemmen, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl.
BFH-Urteil vom 24.1.2008 VII R 3/07, BFHE 220, 214, BStBl II 2008,
462 = SIS 08 15 08).
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6. Das FA ist nicht nach Treu und Glauben
verpflichtet, die Vermögensteuerfestsetzung gegenüber der
Klägerin trotz Eintritts der Festsetzungsverjährung
abzuändern. Die bloße Untätigkeit des FA nach
Ergehen eines Grundlagenbescheids kann eine entsprechende
Verpflichtung nicht begründen. Die
Verjährungsvorschriften dienen der Rechtssicherheit und dem
Rechtsfrieden, und zwar in gleicher Weise im Interesse der
Steuerpflichtigen als auch im Interesse der Allgemeinheit an einem
geordneten Arbeitsablauf bei der Finanzverwaltung. Dieser wäre
gestört, wenn Steuerbescheide, die sich nachträglich als
unrichtig erweisen, ohne zeitliche Begrenzung zugunsten oder
zulasten des Steuerpflichtigen geändert werden müssten
(vgl. BFH-Urteil vom 19.8.1999 III R 57/98, BFHE 191, 198, BStBl II
2000, 330 = SIS 00 09 37).
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