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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erwarb von H einen Gesellschaftsanteil in Höhe
von 400/1.545 an der im Jahr 1991 gegründeten H-GbR
(Beteiligte zu 1), deren Zweck der Ankauf und die Modernisierung
der Immobilie A sowie deren Vermietung und Verwaltung ist. Der
Kläger gewährte H mit Vertrag vom 3.3.1996 ein
verzinsliches Darlehen in Höhe von 120.000 DM für die
Laufzeit von einem Jahr. H trat als Darlehenssicherheit seinen
Geschäftsanteil an der Beteiligten zu 1 an den Kläger ab.
Dem Kläger wurden keine über die Verwertung
hinausgehenden zusätzlichen Rechte an dem Gesellschaftsanteil
eingeräumt.
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Da H das Darlehen nicht bediente,
erklärte er sich damit einverstanden, dass der Kläger den
Gesellschaftsanteil freihändig verkaufen solle, um von dem
Veräußerungserlös das Darlehen
zurückzuführen und den Überschuss an H auszukehren.
Nachdem eine solche Veräußerung scheiterte, wurde der
Gesellschaftsanteil an der Beteiligten zu 1 am 27.6.1997 an die
Y-GmbH abgetreten, die diesen treuhänderisch für den
Kläger erwarb. Nach Auflösung dieses
Treuhandverhältnisses wurde der Kläger im Jahr 2004
unmittelbar als Inhaber des Anteils an der Beteiligten zu 1 im
Grundbuch eingetragen.
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Der Beteiligte zu 2 erwarb mit Wirkung zum
1.8.2003 einen Geschäftsanteil (20/1 545) an der Beteiligten
zu 1. Der Kläger und der Beteiligte zu 2 sind die einzigen
Gesellschafter der Beteiligten zu 1, die nicht
Gründungsgesellschafter sind.
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Die Beteiligte zu 1 veräußerte
am 25.8.2006 und am 30.10.2006 zwei Wohneinheiten.
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In der Anlage SO zu ihrer
Feststellungserklärung für das Streitjahr 2006
erklärte die Beteiligte zu 1 für „Anteil
Kläger/Beteiligter zu 2“ unter Angabe einer Anschaffung
am „1.1.2006“ und einer Veräußerung am
„31.12.2006“ einen Veräußerungsgewinn in
Höhe von 45.885 EUR. Diesen teilte sie in einen den
Kläger zuzurechnenden Veräußerungsgewinn in
Höhe von 44.567,43 EUR und einen dem Beteiligten zu 2
zuzurechnenden Veräußerungsgewinn in Höhe von
1.318,28 EUR auf.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) stellte in seinem an die Beteiligte zu 1
gerichteten Bescheid für das Streitjahr über die
gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
vom 11.1.2008 Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 45.885,71 EUR fest
und verteilte diese erklärungsgemäß auf den
Kläger und den Beteiligten zu 2.
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Der Einspruch und die Klage mit dem Antrag,
den Bescheid für 2006 über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 11.1.2008
in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.8.2009 insoweit zu
ändern, als bei den sonstigen Einkünften kein Gewinn in
Höhe von 44.567,43 EUR aus privaten
Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG
festgestellt und ihm zugerechnet wird, blieben erfolglos. Das
Finanzgericht (FG) führte aus, über den
Veräußerungsgewinn sei im Gewinnfeststellungsverfahren
und nicht bei den Einkommensteuerveranlagungen auf der
Gesellschafterebene zu entscheiden. Der Kläger und der
Beteiligte zu 2 hätten im Zuge der
Wohnungsveräußerungen gemeinsam ein privates
Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 i.V.m. Satz 4 EStG verwirklicht. Sie hätten
gemäß § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG infolge des Erwerbs
ihrer Beteiligungen an der Beteiligten zu 1 anteilig alle deren
Wirtschaftsgüter einschließlich der beiden Wohnungen
angeschafft und, da ihnen gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2
der Abgabenordnung (AO) die Veräußerungen dieser
Wohnungen durch die Beteiligte zu 1 zuzurechnen seien, diese
innerhalb der Zehnjahresfrist auch wieder veräußert. Der
Kläger habe seinen Gesellschaftsanteil an der Beteiligten zu 1
und damit anteilig die im Streitjahr veräußerten
Wohnungen erst im Juli 1997 aufgrund des Anteilserwerbs durch die
Y-GmbH angeschafft, die den Anteil treuhänderisch für den
Kläger hielt.
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Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung der §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. a AO, des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO und des § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 4 EStG. Da die Beteiligte zu 1 keine
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften
erzielt habe, sei die für den Kläger erfolgte gesonderte
Feststellung für das Streitjahr aufzuheben. Es fehle
überdies die materielle Identität der angeschafften und
veräußerten Wirtschaftsgüter. Er habe zwar mit dem
Erwerb des Gesellschaftsanteils fiktiv die anteiligen
Wirtschaftsgüter der Beteiligten zu 1 erworben, aber habe
diese anteiligen Wirtschaftsgüter nicht durch die
Veräußerung seiner Beteiligung fiktiv
veräußert.
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Der Kläger stellt keinen
ausdrücklichen Antrag.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Die Entscheidung über den
Veräußerungsgewinn des Klägers sei zu Recht im
Feststellungsverfahren erfolgt. Beim sachkundigen
Feststellungsfinanzamt lägen die Kenntnisse über die bei
der Gesellschaft vorhandenen Wirtschaftsgüter vor. Dies
verhindere verfahrensökonomisch widersprüchliche
Festsetzungen für verschiedene Gesellschafter. Der Wortlaut
des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO setze lediglich voraus,
dass an den Einkünften mehrere, aber nicht notwendig alle
Gesellschafter der H-GbR beteiligt seien.
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Die Beteiligten zu 1 und 2 haben keinen
Antrag gestellt.
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II. Die Revision des Klägers ist
zulässig und begründet. Sie führt gemäß
§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur
Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage.
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1. Die Revision des Klägers ist
zulässig, obwohl kein ausdrücklicher Revisionsantrag
gestellt wurde. Zwar muss nach § 120 Abs. 3 Nr. 1 FGO die
Revisionsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit
das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird. Ein
förmlicher Revisionsantrag in der Revisionsbegründung ist
aber entbehrlich, wenn sich aus dem Vorbringen des
Revisionsklägers eindeutig ergibt, inwieweit er sich durch das
angefochtene Urteil beschwert fühlt und inwieweit er dessen
Aufhebung oder Änderung erstrebt (vgl. Gräber/ Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 120 Rz 53, m.w.N. aus der
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - ). Das von dem
Kläger mit der Revision verfolgte Ziel ist eindeutig der
Revisionsbegründungsschrift zu entnehmen, in der er sich
ausdrücklich gegen die dem Urteil zugrunde liegende
Rechtsauffassung des FG wendet und damit inzidenter die Aufhebung
des darauf beruhenden Urteils erreichen will (vgl. BFH-Urteil vom
30.1.2008 X R 1/07, BFHE 220, 403, BStBl II 2008, 520 = SIS 08 16 52).
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2. Die Revision ist auch begründet.
Entgegen der Auffassung des FA und FG erfolgte zu Unrecht eine
gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus
privaten Veräußerungsgeschäften, da die
Voraussetzungen einer - auf der Ebene der Beteiligten zu 1 -
gemeinschaftlichen Erzielung von Einkünften aus privaten
Veräußerungsgeschäften nicht vorliegen.
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a) Die Vorentscheidung verletzt §§
179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO. Für die gesonderte
und einheitliche Zurechnung von Einkünften aus privaten
Veräußerungen i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23
Abs. 1 EStG im Bescheid vom 11.1.2008 fehlte die gesetzliche
Grundlage.
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aa) Nach § 179 Abs. 1 AO werden die
Besteuerungsgrundlagen abweichend von § 157 Abs. 2 AO durch
Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, soweit dies in diesem
Gesetz oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist.
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Einkünfte, an denen i.S. von § 180
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO Mehrere beteiligt sind, liegen - unter
weiteren Voraussetzungen - nur dann vor, wenn mehrere Personen
„gemeinsam“ den Tatbestand der
Einkunftserzielung verwirklichen (BFH-Urteile vom 11.7.1985 IV R
61/83, BFHE 144, 151, BStBl II 1985, 577 = SIS 85 20 09; vom
13.7.1994 X R 7/91, BFH/NV 1995, 303 = SIS 95 03 20;
Klein/Ratschow, AO, 11. Aufl., § 180 Rz 7). Daran fehlt es im
Streitfall.
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bb) Nach dem Urteil des BFH in BFH/NV 1995,
303 = SIS 95 03 20 verwirklichen Gesellschafter einer
Personengesellschaft den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 EStG auch dann nicht gemeinsam, wenn sie einer
grundstücksbesitzenden Gesellschaft beitreten (was nach
Auffassung des damals beklagten FA eine
„Anschaffung“ im Sinne dieser Bestimmung ist)
und die Gesellschaft selbst innerhalb der Spekulationsfrist nach
Beitritt ein Grundstück veräußert (vgl. auch
BFH-Urteil vom 13.10.1993 X R 49/92, BFHE 172, 315, BStBl II 1994,
86 = SIS 94 06 27).
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cc) Nach diesen Maßstäben ist der
Anteilserwerb des Klägers an der grundstücksbesitzenden
Gesellschaft - als der die „Anschaffung“
konstituierende Teilakt - nicht „in der Einheit der
Gesellschaft“, sondern als individuelle
Anlageentscheidung ausschließlich von dem einzelnen
Gesellschafter verwirklicht worden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1995,
303 = SIS 95 03 20). Der im Jahr 2003 erfolgte individuelle
Anteilserwerb durch den Beteiligten zu 2 ist davon unabhängig
getrennt zu beurteilen. Dementsprechend ist ein etwaiger Gewinn
oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften (§ 23
Abs. 3 Satz 1 EStG) jeweils für den einzelnen Beteiligten
anhand seiner individuellen Anschaffungskosten zu ermitteln.
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„In der Einheit der
Personengesellschaft“ sind lediglich die
Veräußerungsgeschäfte im Streitjahr getätigt
worden. Allein der Umstand, dass die Wohnungen von der Beteiligten
zu 1 veräußert worden sind, reicht aber für die
Annahme, dass „an den Einkünften mehrere Personen
beteiligt“ sind, nicht aus.
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dd) Da das FG-Urteil diesen Grundsätzen
nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der
Klage ist stattzugeben.
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b) Daher bedarf es keiner abschließenden
Beurteilung des Senats mehr, ob das FG den Gewinnanteil des
Klägers aus dem Verkauf der beiden Wohnungen zutreffend als
Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften
gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 EStG angesehen hat.
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Es liegt aber nach den Feststellungen des FG
nahe, dass der Kläger im Streitfall gemäß § 23
Abs. 1 Satz 4 EStG die unmittelbare Beteiligung an der Beteiligten
zu 1 und damit zugleich die anteiligen Wohnungen entgeltlich
erworben hat (vgl. auch BFH-Urteil vom 20.4.2004 IX R 5/02, BFHE
206, 110, BStBl II 2004, 987 = SIS 04 22 23; zustimmend Wacker,
DStR 2005, 2014, 2016 f.) und die im Streitjahr erfolgte
Veräußerung der zwei Wohnungen durch die Beteiligte zu 1
nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO (sog. Bruchteilsbetrachtung)
anteilig dem Kläger zuzurechnen ist (vgl. BFH-Urteile vom
13.7.1999 VIII R 72/98, BFHE 190, 87, BStBl II 1999, 820 = SIS 99 21 47; vom 9.5.2000 VIII R 41/99, BFHE 192, 273, BStBl II 2000, 686
= SIS 00 10 74).
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