1
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I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob die in § 36 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002)
i.d.F. des § 34 Abs. 13f KStG 2002 i.d.F. des
Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) vom 8.12.2010 (BGBl I 2010,
1768, BStBl I 2010, 1394) - KStG 2002 n.F. - getroffenen Regelungen
zur Umgliederung der Teilbeträge des verwendbaren
Eigenkapitals (vEK) in ein Körperschaftsteuerguthaben mit dem
Grundgesetz (GG) vereinbar sind.
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Bank in der
Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) erließ ihr gegenüber auf den
31.12.2001 zusammengefasste Bescheide über die gesonderte
Feststellung der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7
KStG 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und
zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23.10.2000 (BGBl I 2000,
1433, BStBl I 2000, 1428) - KStG 1999 n.F. - und die gesonderte
Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27
Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3 und § 38 Abs. 1 KStG 1999 n.F.
In diesen Bescheiden wurden die Teilbeträge des vEK zum Ende
des Wirtschaftsjahres, für welches das
Körperschaftsteuergesetz 1999 letztmalig anwendbar war, wie
folgt festgestellt: Mit 45 % Körperschaftsteuer belastetes vEK
(EK 45) = 20.806.782 DM; mit 40 % Körperschaftsteuer
belastetes vEK (EK 40) = 596.329 DM; mit 30 %
Körperschaftsteuer ermäßigt belastetes vEK (EK 30)
= 1.012.788 DM; nicht mit Körperschaftsteuer belastetes vEK
(EK 02) = ./. 5.786.531 DM; nicht mit Körperschaftsteuer
belastetes vEK (EK 03) = 4.581.351 DM; nicht mit
Körperschaftsteuer belastetes vEK (EK 04) = 2.028.800
DM.
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Auf dieser Basis wurden sodann das EK 45 in
EK 40 einerseits und negatives EK 02 andererseits umgegliedert, das
daraufhin bestehende negative EK 02 mit dem positiven EK 03, dem EK
30 und schließlich dem EK 40 verrechnet und das danach
verbleibende EK 40 in ein Körperschaftsteuerguthaben
umgerechnet.
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5
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Nachdem das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) die Regelungen zum Übergang vom Anrechnungsverfahren
in das sog. Halbeinkünfteverfahren für zumindest
teilweise verfassungswidrig befunden hatte (BVerfG-Beschluss vom
17.11.2009 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, 1 = SIS 10 02 74), wurde
§ 36 KStG 1999 n.F. durch das Jahressteuergesetz 2010 für
die noch offenen Fälle geändert (§ 34 Abs. 13f KStG
2002 n.F.). Das FA hat dieser Änderung in geänderten
Bescheiden vom 3.2.2011 Rechnung getragen, in denen es die
Endbestände des vEK nach Umgliederung mit 20.806.782 DM (EK
45), 403.937 DM (EK 40) und 0 DM (jeweils EK 30, EK 02, EK 03)
sowie 2.028.800 DM (EK 04) festgestellt hat. Diese Feststellung
beruht darauf, dass das bestehende negative EK 02 zunächst mit
dem positiven Endbestand des EK 03 verrechnet worden ist; hieraus
ergab sich ein Endbestand von EK 03 von 0 DM. Der sich ergebende
verbleibende Betrag von ./. 1.205.180 DM an EK 02 wurde sodann mit
dem positiven EK 30 in Höhe von 1.012.788 DM und der sich
hieraus ergebende „Restbetrag“ (./.
192.392 DM) mit dem positiven Bestand an EK 40 verrechnet. Hieraus
ergab sich ein Endbestand von 0 DM beim EK 02 und 403.937 DM beim
EK 40. Der Bestand an EK 45 und EK 04 blieb durch diese Berechnung
unberührt. Im Ergebnis reduzierte sich aufgrund der teilweisen
Verrechnung des positiven EK 40 mit dem verbliebenen negativen
Bestand an EK 02 das Körperschaftsteuerminderungspotential um
32.065 DM.
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Einspruch und Klage gegen die
Feststellungsbescheide hatten keinen Erfolg; das Urteil des
Finanzgerichts (FG) München vom 13.11.2012 6 K 676/12 ist in
EFG 2013, 398 = SIS 13 05 41 abgedruckt.
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Die Klägerin hat gegen das Urteil des
FG Revision eingelegt. Sie bezweifelt nicht, dass die vom FA
angestellte Berechnung den Vorgaben in § 36 i.d.F. des §
34 Abs. 13f KStG 2002 n.F. entspricht. Sie ist jedoch der
Auffassung, dass § 36 KStG 2002 n.F. auch in dieser Fassung
nicht mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz vereinbar
ist.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die
angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass darin ein
Teilbetrag des EK 40 in Höhe von 596.329 DM, ein Teilbetrag
des EK 04 in Höhe von 1.836.408 DM und ein steuerliches
Einlagekonto in Höhe von 2.430.808 DM festgestellt werden, so
dass das Körperschaftsteuerguthaben mit 7.147.390 DM bzw.
3.654.402 EUR ermittelt wird (statt bisher 7.115.325 DM bzw.
3.638.008 EUR).
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Während des Revisionsverfahrens ist
das Bundesministerium der Finanzen (BMF) dem Rechtsstreit
gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) beigetreten, hat aber keine eigenen Anträge
gestellt.
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II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen und die in § 36
i.d.F. des § 34 Abs. 13f KStG 2002 n.F. getroffenen Regelungen
zur Umgliederung der Teilbeträge des vEK in ein
Körperschaftsteuerguthaben rechtsfehlerfrei angewendet. Eine
Aussetzung des Verfahrens gemäß Art. 100 Abs. 1 GG kommt
nicht in Betracht, da der Senat von der Verfassungswidrigkeit der
Umgliederungsvorschrift des § 36 i.d.F. des § 34 Abs. 13f
KStG 2002 n.F. nicht überzeugt ist. Der Senat erkennt keinen
Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.
1 GG.
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1. Nach dem im Streitfall einschlägigen
§ 36 KStG 2002 n.F. werden auf den Schluss des letzten
Wirtschaftsjahres, das in dem Veranlagungszeitraum endet, für
den das Körperschaftsteuergesetz 1999 letztmals anzuwenden
ist, die Endbestände der Teilbeträge des vEK ausgehend
von den gemäß § 47 KStG 1999 festgestellten
Teilbeträgen in einer bestimmten - im Gesetz näher
beschriebenen - Weise ermittelt (Abs. 1 bis 6a) und dieser
Ermittlung gemäß gesondert festgestellt (Abs. 7). Auf
der Basis dieser Feststellung wird auf den Schluss des
nachfolgenden Wirtschaftsjahres ein Körperschaftsteuerguthaben
errechnet, das sich auf 15/55 des mit einer Körperschaftsteuer
von 45 % belasteten Teilbetrags zuzüglich 1/6 des Endbestands
des mit einer Körperschaftsteuer von 40 % belasteten
Teilbetrags beläuft (§ 37 Abs. 1 Satz 2 i.d.F. des §
34 Abs. 13g KStG 2002 n.F.). Diese gesetzliche Regelung
schließt an den BVerfG-Beschluss in BVerfGE 125, 1 = SIS 10 02 74 an, mit dem das BVerfG die zuvor geltenden Vorschriften in
§ 36 Abs. 3 und 4 KStG 1999 n.F. für mit Art. 3 Abs. 1 GG
unvereinbar befunden hatte. Sie ist in allen Fällen
anzuwenden, in denen die Endbestände i.S. des § 36 Abs. 7
KStG 2002 n.F. - wie im Streitfall - noch nicht
bestandskräftig festgestellt sind (§ 34 Abs. 13f KStG
2002 n.F.).
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2. Die rechtliche und wirtschaftliche Folge
der in §§ 36 ff. KStG 2002 n.F. - und zuvor in
§§ 36 ff. KStG 1999 n.F. - enthaltenen Regelung besteht
darin, dass das für eine Kapitalgesellschaft ermittelte
Körperschaftsteuerguthaben zu einer Verminderung der
festzusetzenden Körperschaftsteuer führen kann. Eine
solche knüpfte unter der Geltung des
Körperschaftsteuergesetzes 1999 n.F. an bestimmte nachfolgende
Gewinnausschüttungen an (§ 37 Abs. 2 KStG 1999 n.F.);
seit der Geltung des § 37 KStG 2002 i.d.F. des Gesetzes
über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung
der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer
steuerrechtlicher Vorschriften vom 7.12.2006 (BGBl I 2006, 2782,
BStBl I 2007, 4) - KStG 2002 a.F. - wird das
Körperschaftsteuerguthaben letztmalig auf den 31.12.2006
ermittelt (§ 37 Abs. 4 Satz 1 KStG 2002 a.F.) und in der
Folgezeit in zehn gleichen Jahresbeträgen ausgezahlt (§
37 Abs. 5 Satz 1 KStG 2002 a.F.).
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3. Im Streitfall hat das FA die
Endbestände des vEK in der Weise festgestellt, dass es
zunächst das negative EK 02 mit dem positiven Endbestand des
EK 03 verrechnet hat; der verbleibende (weiterhin) negative Betrag
an EK 02 wurde sodann mit dem positiven EK 30 und der sich hieraus
ergebende „Restbetrag“ mit dem
positiven Bestand an EK 40 verrechnet. Im Ergebnis ist nach der vom
FA angestellten Berechnung durch die Kompensation mit EK 02 in
Höhe von ./. 192.392 DM das EK 40 teilweise verbraucht worden,
während das EK 45 vollständig erhalten blieb. Das
entspricht, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, den
Vorgaben des § 36 Abs. 4 KStG 2002 n.F. Dies bedarf insoweit
keiner weiteren Ausführungen des Senats.
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4. Die in § 36 Abs. 4 KStG 2002 n.F.
getroffene Regelung ist, obwohl es - wie im Streitfall - weiterhin
zu einem umgliederungsbedingten Verbrauch von
Körperschaftsteuerguthaben kommen kann, mit dem Grundgesetz
vereinbar. Der erkennende Senat konnte nicht die Überzeugung
gewinnen, dass die Vorschrift gegen Art. 3 Abs. 1 GG
verstößt. Bereits im Urteil vom 20.4.2011 I R 65/05
(BFHE 234, 385, BStBl II 2011, 983 = SIS 11 37 54) ist der Senat
nicht von einem Verstoß der Umgliederungsvorschrift des
§ 36 Abs. 4 KStG 2002 n.F. gegen das Grundgesetz ausgegangen
und hieran hält er auch für den Streitfall fest.
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a) Das BVerfG hat in seinem Beschluss in
BVerfGE 125, 1 = SIS 10 02 74 nur die in § 36 Abs. 3 KStG 1999
n.F. angeordnete - und in der heute geltenden Gesetzesfassung nicht
mehr erwähnte - Umgliederung von EK 45 in EK 40 für
verfassungswidrig erachtet, nicht dagegen die in § 36 Abs. 4
KStG 1999 n.F. bestimmte - und nach heutigem Recht und auch
für den Streitfall weiterhin nach § 36 Abs. 4 KStG 2002
n.F. vorgesehene - Verrechnung von negativem nicht belastetem vEK
(EK 01, EK 02 und EK 03) mit belastetem vEK. Ausschlaggebend
dafür war für das BVerfG, dass der gesetzlichen
Übergangsregelung die Fiktion einer Vollausschüttung des
gesamten vEK zugrunde liege. Danach habe bei den betroffenen
Körperschaften der Körperschaftsteuerminderungsbetrag
erhalten bleiben sollen, der sich bei einer Vollausschüttung
im Anrechnungsverfahren auf den Zeitpunkt des Systemwechsels
ergeben hätte. Ausgehend davon sei es folgerichtig, den Erhalt
des Körperschaftsteuerminderungsbetrags daran zu knüpfen,
ob nach Ablauf dieses Jahres die Realisierung des
Körperschaftsteuerminderungspotentials möglich gewesen
wäre. Das wiederum habe maßgeblich vom Bestand eines
negativen EK 02 abgehangen; ein solches wirke nämlich im
Anrechnungsverfahren wie eine handelsrechtliche
Ausschüttungssperre, da das laut Gliederungsrechnung
vorhandene Eigenkapital nur in Höhe des vorhandenen
bilanziellen Eigenkapitals zu Ausschüttungen habe verwendet
werden können (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 125, 1 = SIS 10 02 74, dort unter B.I.5.b/Rz 74 des juris-Nachweises). Soweit indessen
ein negativer Bestand des EK 02 allein durch die Technik der
Umgliederung des EK 45 in EK 40 entstanden sei, beruhe ein sich
darauf ergebender Verlust an
Körperschaftsteuerminderungspotenzial nicht auf der Fiktion
der Vollausschüttung und könne er daher nicht mit dieser
Annahme gerechtfertigt werden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 125, 1 =
SIS 10 02 74, dort unter B.I.5.b/Rz 75 des juris-Nachweises). Dem
ist zu entnehmen, dass das BVerfG die in § 36 Abs. 4 KStG 1999
n.F. vorgesehene Verrechnung von negativem nicht belastetem EK 02
mit positivem belastetem vEK im Grundsatz für sachgerecht und
nur insoweit als dem Gleichheitssatz widersprechend ansieht, als
ein negatives EK 02 auf der in § 36 Abs. 3 KStG 1999 n.F.
angeordneten Umgliederung beruht.
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b) Diese auf den Ausführungen des BVerfG
basierenden Erwägungen lassen sich auf den vorliegenden
Streitfall übertragen, der dadurch gekennzeichnet ist, dass
zwar die Summe der nicht (mit Körperschaftsteuer) belasteten
Teilbeträge des EK 01, EK 02 und EK 03 negativ, die Summe des
EK 0 - also EK 01, EK 02, EK 03 und EK 04 - aber insgesamt positiv
ist. Der Sachverhalt des Streitfalls unterscheidet sich damit nicht
von dem im BVerfG-Beschluss in BVerfGE 125, 1 = SIS 10 02 74. Hier
wie dort ergab sich insgesamt - trotz einer negativem Summe aus EK
01, EK 02 und EK 03 - ein positiver Betrag des EK 0, d.h. der
positive Betrag des EK 04 führte hier wie dort dazu, dass die
negative Summe aus EK 01, EK 02 und EK 03 ausgeglichen werden
konnte. Wenn nun das BVerfG in dieser Sachverhaltskonstellation die
Umgliederungsvorschrift des § 36 Abs. 4 KStG 1999 n.F. (jetzt
§ 36 Abs. 4 KStG 2002 n.F.) daran misst, ob im Fall der
„Vollausschüttung des gesamten verwendbaren
Eigenkapitals“ eine Realisierung des
vorhandenen Körperschaftsteuerminderungspotentials
möglich gewesen wäre, dann legt dies die Annahme nahe,
dass das BVerfG - worauf das BMF hinweist - von der Fiktion einer
„modifizierten
Vollausschüttung“, d.h. einer
Ausschüttung des Eigenkapitals ohne Rückzahlung von
Einlagen, ausgegangen ist. Nur so wird auch die Überlegung des
BVerfG verständlich, wonach eine Realisierung des
Körperschaftsteuerminderungspotentials maßgeblich vom
Bestand eines negativen EK 02 abgehangen habe, denn ein solches
wirke im Anrechnungsverfahren „wie eine handelsrechtliche
Ausschüttungssperre“
(BVerfG-Beschluss in BVerfGE 125, 1 = SIS 10 02 74, dort unter
B.I.5.b/Rz 74 des juris-Nachweises).
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18
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c) Die Überlegungen des BVerfG
verdeutlichen weiter die Prämisse des Gesetzgebers, der bei
der Ausgestaltung der Umgliederungsvorschrift des § 36 Abs. 4
KStG 1999 n.F. (jetzt § 36 Abs. 4 KStG 2002 n.F.) ersichtlich
von der Fiktion einer „modifizierten
Vollausschüttung“, d.h. einer
Ausschüttung des Eigenkapitals ohne Rückzahlung von
Einlagen, und gerade nicht von der Fiktion einer „totalen
Vollausschüttung“ unter Einbezug der
Einlagen ausgegangen ist.
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aa) Zwar erhöhen Beträge, die aus
der Auflösung der Kapitalrücklage stammen, den
Bilanzgewinn, über den die Gesellschafter im Rahmen der
gesetzlichen Vorschriften (vgl. § 57 Abs. 3 des
Aktiengesetzes, §§ 30, 31 des Gesetzes betreffend die
Gesellschaften mit beschränkter Haftung) uneingeschränkt
verfügen können. Dies hat zur Folge, dass nach
Handelsrecht die nämlichen Beträge ausgeschüttet
werden können; ein negativer Betrag an EK 02 hatte damit -
soweit ein Ausgleich durch positives EK 04 möglich war - im
(alten) körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahren
keine „handelsrechtliche
Ausschüttungssperre“ zur Folge gehabt
(vgl. Senatsurteil vom 8.8.2001 I R 25/00, BFHE 196, 485, BStBl II
2003, 923 = SIS 02 05 29). Wenn aber der Gesetzgeber im Rahmen der
Umgliederungsvorschrift des § 36 Abs. 4 KStG 1999 n.F. (jetzt
§ 36 Abs. 4 KStG 2002 n.F.) lediglich die Teilbeträge des
EK 01, EK 02 und EK 03 miteinander verrechnet, ohne den Teilbetrag
des EK 04 und damit die eingezahlten Einlagen der Gesellschafter
einzubeziehen, liegt dem wiederum die Annahme einer (lediglich)
„modifizierten
Vollausschüttung“ zugrunde.
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bb) Der Gesetzgeber hat auf dieser Basis den
verfassungsrechtlichen Vorgaben in ausreichendem Maße
Rechnung getragen; er war von Verfassungs wegen nicht verpflichtet,
das EK 04 in die Verrechnung der nicht belasteten Teilbeträge
des vEK nach § 36 Abs. 4 KStG 1999 n.F. (jetzt § 36 Abs.
4 KStG 2002 n.F.) mit einzubeziehen. Die Klägerin weist zwar
zu Recht darauf hin, dass es bei Unternehmen, deren negatives EK 02
durch positives EK 04 ausgeglichen werden kann (insgesamt positiver
Bestand an EK 0), gegenüber Unternehmen mit ebenfalls
negativem EK 02, deren Bestand an EK 01 bis EK 03 aber insgesamt in
gleicher Höhe positiv ist, zu einer Schlechterstellung bei
Anwendung von § 36 Abs. 4 KStG 2002 n.F. kommen kann, obwohl
die Unternehmen vom Umfang der (Eigen)Kapitalausstattung
vergleichbar sind. Daraus kann ein Verstoß gegen den
Gleichheitssatz aber schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil
die konkreten Auswirkungen einer Übergangsregelung stets von
den individuellen Rahmendaten der betroffenen Unternehmen
abhängen und der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist,
Unternehmen mit unterschiedlicher (Eigen)Kapitalstruktur exakt
gleich zu behandeln. Die Struktur der Kapitalausstattung bildet
vielmehr nicht nur nach der Einschätzung des BVerfG in dessen
Beschluss in BVerfGE 125, 1 = SIS 10 02 74, sondern auch nach
Ansicht des Senats einen ausreichenden Grund dafür, dass in
beiden Fällen unterschiedliche steuerrechtliche Folgen
eintreten.
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cc) Nach Auffassung des erkennenden Senats
besteht kein verfassungsrechtliches Gebot, der
Übergangsregelung anstatt einer „modifizierten
Vollausschüttung“ eine
„totale Vollausschüttung“
unter Einbezug der geleisteten Einlagen der Umgliederungsvorschrift
des § 36 Abs. 4 KStG 2002 n.F. zugrunde zu legen. Denn der
Gesetzgeber hat bei dem Übergang vom
körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahren zum sog.
Halbeinkünfteverfahren mit den neu eingefügten
§§ 36 bis 40 KStG 1999 n.F. eine bisher vorgenommene
Unterscheidung zwischen verschiedenen Teilbeträgen des nicht
mit Körperschaftsteuer belasteten vEK (lediglich)
fortgeführt. So wurde bei Ausschüttungen aus dem EK 01
(bis 1993), EK 02 und EK 03 die sog. Ausschüttungsbelastung
auf Ebene der Kapitalgesellschaft hergestellt (vgl. hierzu auch
BVerfG-Beschluss in BVerfGE 125, 1 = SIS 10 02 74 mit Hinweis auf
BTDrucks 14/2683, S. 121), während bei einer Ausschüttung
aus dem EK 04 eine solche nicht herzustellen war (vgl. z.B. G.
Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/GewStG/UmwStG, § 36 KStG Rz
2c). Diese grundlegende Unterscheidung wurde im System des sog.
Halbeinkünfte- bzw. Teileinkünfteverfahrens aufrecht
erhalten und der Bestand des EK 04 nach § 39 Abs. 1 KStG 1999
n.F. als Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos i.S. des
§ 27 KStG 1999 n.F. übernommen. Die bisherige von den
übrigen Teilbeträgen des vEK zu unterscheidende Funktion
des EK 04 bleibt damit über das Einlagekonto weiterhin
erhalten. Es erscheint naheliegend, diese Unterscheidung auch im
Rahmen der Umgliederung des vorhandenen vEK fortzuführen. Dies
stellt nach Auffassung des erkennenden Senats auch einen
tragfähigen Sachgrund für die durch die
Umgliederungsvorschrift des § 36 Abs. 4 KStG 2002 n.F. je nach
der Struktur der (Eigen)Kapitalausstattung verursachten Verluste an
Körperschaftsteuerminderungspotential dar. Insbesondere ist
der Senat auch nicht davon überzeugt, dass aus dem
Verfassungsgebot der Folgerichtigkeit einer Gesetzesregelung
abzuleiten wäre, dass es im Rahmen der Umgliederungsvorschrift
des § 36 Abs. 4 KStG 2002 n.F. in keinem Fall zu einem Verlust
des Körperschaftsteuerminderungspotentials kommen darf.
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dd) Im Übrigen wäre bei der Fiktion
einer „totalen
Vollausschüttung“ unter Einbezug der
geleisteten Einlagen nicht sichergestellt, dass eine entsprechende
Minderung des Buchwertes der Beteiligung, wie bei einer
Rückzahlung von Einlagen, vorgenommen werden könnte, da
die Einlagen tatsächlich nicht zurückgezahlt werden und
damit trotz Reduzierung des EK 04 keine
„Leistung“ an die Gesellschafter
erfolgt wäre. Infolgedessen würde die Verknüpfung
zwischen den im EK 04 repräsentierten Einlagen und dem
Buchwert der Beteiligung dauerhaft auseinanderfallen. Auch dies
stellt für sich einen sachlichen Grund für die
Ungleichbehandlung im Rahmen der Anwendung des § 36 Abs. 4
KStG 2002 n.F. dar.
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ee) Dem kann nicht entgegen gehalten werden,
dass Unternehmen, deren negatives EK 02 durch positives EK 04 nicht
ausgeglichen werden konnte, im alten
körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahren über
entsprechende Einlagen ihrer Gesellschafter die noch vorhandenen
Bestände steuerbelasteten Eigenkapitals (vgl. §§ 28
ff. KStG 1999) hätten
„mobilisieren“ können (sog.
Leg-ein-Hol-zurück-Verfahren, vgl. Walter in Ernst & Young,
KStG, § 14 Rz 828) und es deshalb verfassungsrechtlich geboten
sei, solchen Unternehmen, die über entsprechendes positives EK
04 bereits verfügen, eine derartige
„Mobilisierung“ im Rahmen der
Umgliederungsvorschrift des § 36 Abs. 4 KStG 2002 n.F. zu
ermöglichen.
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24
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Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG
verstößt eine gesetzliche Regelung gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz, wenn sie entweder von der Interessenlage her
gleich liegende Lebenssachverhalte ungleich behandelt oder bei der
Behandlung ungleicher Sachverhalte eine sachlich gebotene
Differenzierung nicht vornimmt. Gerade bei der Umstrukturierung
komplexer Regelungssysteme hat das BVerfG dem Gesetzgeber
allerdings einen besonders weiten Spielraum bei der Ausgestaltung
der Übergangsvorschriften eingeräumt (vgl.
BVerfG-Beschluss in BVerfGE 125, 1 = SIS 10 02 74, unter B.I.1./Rz
45 des juris-Nachweises, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG).
Dieser Spielraum ist im Streitfall nicht überschritten. Die
bloße Möglichkeit, im alten System des
körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens das
vorhandene Körperschaftsteuerminderungspotential zu
realisieren, vermag nicht die verfassungsrechtliche Einordnung der
Umgliederung des vorhandenen vEK im Rahmen einer
Übergangsvorschrift in Frage zu stellen. Hierbei ist auch zu
berücksichtigen, dass eine Sonderbehandlung von Unternehmen
mit hohen EK 04-Beständen weitere Differenzierungen nach sich
gezogen hätte und die angestrebte Vereinfachung in Frage
gestellt hätte (vgl. die Ausführungen unter dd). Weiter
ist darauf hinzuweisen, dass die
„Mobilisierung“ des
Körperschaftsteuerminderungspotentials im Ergebnis nur
möglich war, weil infolge der Verwendungsfiktion in § 28
KStG 1999 das zusätzliche Vermögen zuerst zu einer
Verwendung der belasteten Teile des vEK geführt hat. Von daher
stellt sich schon die Frage, ob die Sachverhalte überhaupt
vergleichbar sind.
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5. Der Senat entscheidet ohne
Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Urteil.
Zwar hat das dem Verfahren beigetretene BMF nicht gemäß
§ 90 Abs. 2 FGO auf eine mündliche Verhandlung
verzichtet. Dessen bedarf es aber auch nicht, wenn - wie vorliegend
- Kläger und Beklagter als die ursprünglichen
Verfahrensbeteiligten sich entsprechend erklärt haben (vgl.
z.B. Senatsurteil vom 9.1.2013 I R 24/12, BFHE 240, 115 = SIS 13 08 05, m.w.N.). Von der danach bestehenden Möglichkeit, ohne
mündliche Verhandlung zu entscheiden, macht der Senat
Gebrauch, nicht zuletzt deswegen, weil er mit der vom FA und damit
auch vom BMF verfochtenen Rechtsmeinung übereinstimmt.
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6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus
§ 135 Abs. 2 FGO.
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