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1
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I. Die Beteiligten streiten nach der in
diesem Verfahren ergangenen Vorabentscheidung des Gerichtshofs der
Europäischen Union (EuGH) Larentia + Minerva vom 16.7.2015
C-108/14 und C-109/14 (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901 = SIS 15 18 50)
weiterhin um die Höhe des Vorsteuerabzugs der Klägerin
und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer Holding, aus
Eingangsrechnungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung sowie
um das Vorliegen einer Organschaft.
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2
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Die Klägerin ist eine AG, deren
einzige Aktionärin zunächst die X-GmbH & Co. KG war.
Sie erwirbt, betreibt und veräußert Seeschiffe. Daneben
erwirbt und verwaltet sie insbesondere im Bereich der Schifffahrt
in- und ausländische Beteiligungen und Finanzanlagen.
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3
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Durch eine im Rahmen ihres Börsengangs
erfolgte Aktienemission erhöhte die Klägerin ihr Kapital
im Jahr 2006 (Streitjahr) von ... EUR um ... EUR. Für die
Emission entstanden Kosten, die mit Umsatzsteuer in Höhe von
373.347,57 EUR belastet waren. Nach dem Börsenprospekt
beabsichtigte sie, die Klägerin, sich als internationale
Anbieterin in der Branche der entgeltlichen Überlassung von
Container- und Tankerschiffen zu positionieren.
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4
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Die sog. Schiffscharter führte die
Klägerin nach ihrem Konzept über sog.
Schiffskommanditgesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co.
KG aus, die - u.a. zur Verringerung des Haftungsrisikos -
Eigentümerinnen und Betreiberinnen der Schiffe werden und
Fremdkapitalanteile aufnehmen sollten.
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5
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Die Klägerin war
Mehrheitskommanditistin an den jeweiligen
Schiffskommanditgesellschaften mit einer Beteiligungsquote von mehr
als 99 %. Die weiteren Kommanditisten waren jeweils die X-GmbH
& Co. KG sowie der jeweilige Vertragsreeder.
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6
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Die jeweilige Komplementärin und die
Klägerin führten die Geschäfte der
Schiffskommanditgesellschaften.
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7
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Die Klägerin erhielt für ihre
Geschäftsführungsleistung eine Vergütung in
Höhe von jährlich ... EUR zzgl. Umsatzsteuer. Die
Höhe dieser Vergütung wurde auf der Grundlage der Kosten
für die Aktienemission und einer durchschnittlichen
betrieblichen Nutzungsdauer eines Seeschiffs von 20 Jahren
kalkuliert. Außerdem hatte die Klägerin einen
Aufwendungsersatzanspruch.
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8
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Zur Finanzierung des Erwerbs und des
Betriebs des jeweiligen Seeschiffs wurde bei den
Schiffskommanditgesellschaften eine Kapitalerhöhung
durchgeführt, die im Wesentlichen durch die Klägerin
mittels einer Kapitaleinlage erbracht wurde. Nach den jeweils
gleich gestalteten Gesellschaftsverträgen lag der
Gesellschaftszweck der operativen Schiffskommanditgesellschaften in
der Verwaltung eigenen Vermögens, in dem Erwerb, in dem
Betrieb, in der Veräußerung von (bestimmten) Seeschiffen,
in dem Abschluss von Charterverträgen und Derivaten sowie in
der Vereinbarung aller hiermit im Zusammenhang stehenden
Geschäfte.
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9
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Im Streitjahr gründete die
Klägerin als Konzernobergesellschaft und
geschäftsführende Holdinggesellschaft vier solcher
Schiffs-KGs jeweils in der Rechtsform einer GmbH & Co.
KG.
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10
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Die nach dem Konzept vorgesehene
Erhöhung der Kapitaleinlage zur Finanzierung des Erwerbs von
Seeschiffen belief sich bei den Tochtergesellschaften auf jeweils
... EUR. Überdies gewährte die Klägerin den
Tochtergesellschaften kurzfristige verzinsliche Darlehen zur
Zwischenfinanzierung in Höhe von jeweils rund ... EUR.
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11
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Die Tochtergesellschaften schlossen die
für die Schiffscharter notwendigen Geschäfte selbst ab,
wobei die Klägerin neben der X-GmbH & Co. KG in die
wesentlichen Entscheidungen des Tagesgeschäfts eingebunden
war.
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12
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Die Klägerin erhielt für ihre
Geschäftsführungsleistungen von den Tochtergesellschaften
im Streitjahr ein Entgelt in Höhe von ... EUR zzgl.
Umsatzsteuer. Überdies erhielt sie im Streitjahr für die
den Tochtergesellschaften gewährten Darlehen Zinsen in
Höhe von ... EUR, Beteiligungserträge in Höhe von
... EUR sowie aus Anlagen von Teilen des mit den Aktienemissionen
eingeworbenen Kapitals bei Kreditinstituten Zinsen in Höhe von
... EUR.
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13
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In ihrer Umsatzsteuererklärung
für das Jahr 2006 erklärte die Klägerin
steuerpflichtige Leistungen aus ihrer
Geschäftsführungstätigkeit in Höhe von ... EUR
(= ... EUR Umsatzsteuer) und machte u.a. den Abzug der im
Zusammenhang mit der Aktienemission angefallenen
Vorsteuerbeträge in Höhe von 373.347,57 EUR
geltend.
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14
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Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung
versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA
- ) durch Bescheid vom 15.1.2009 den Vorsteuerabzug. Der Einspruch
blieb erfolglos; dabei hob das FA den Umsatzsteuerbescheid auf,
weil die Klägerin keine Unternehmerin sei; denn sie greife
nicht in die Geschäftsführung ihrer Tochtergesellschaften
ein (Einspruchsentscheidung vom 27.8.2010).
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15
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Nach Durchführung eines
Erörterungstermins im Klageverfahren gehen die Beteiligten
übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin durch die
damaligen Vorstände geschäftsführend bei den
Tochterkommanditgesellschaften tätig gewesen sei und die
Emissionskosten als Berechnungsgrundlage in die Vergütung
für die Geschäftsführungstätigkeit eingeflossen
seien.
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16
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Bereits im Klageverfahren trug die
Klägerin ergänzend vor, dass sie aufgrund einer
umsatzsteuerrechtlichen Organschaft insgesamt wirtschaftlich
tätig sei. Die Eingliederungsmerkmale lägen vor. Dass
Personengesellschaften nicht Organgesellschaften sein könnten,
sei unionsrechts- und verfassungswidrig.
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17
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt,
indem es der Klägerin den geltend gemachten Vorsteuerabzug in
voller Höhe gewährte. Sein Urteil ist in EFG 2013, 255 =
SIS 13 00 96 veröffentlicht.
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18
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Mit der Revision hat das FA geltend
gemacht, die Klägerin sei im Streitjahr zwar Unternehmerin
gewesen, die streitbefangenen Vorsteuerbeträge seien aber
wegen ihrer auch nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Erwerbs
und des Haltens von Beteiligungen aufzuteilen. Insbesondere seien
auf den Streitfall die Grundsätze des EuGH-Urteils SKF vom
29.10.2009 C-29/08 (EU:C:2009:665, BFH/NV 2009, 2099 = SIS 09 37 71) nicht anwendbar, da diese Entscheidung auf - der hier nicht
gegebenen Besonderheit - beruhe, dass die Veräußerung zur
Umstrukturierung eines Konzerns erfolgt sei.
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19
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Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom
11.12.2013 XI R 38/12 (BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428 = SIS 14 06 90) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen
zur Vorabentscheidung vorgelegt:
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“1. Nach welcher Berechnungsmethode
ist der (anteilige) Vorsteuerabzug einer Holding aus
Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung zum
Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften zu berechnen, wenn die
Holding später (wie von vornherein beabsichtigt) verschiedene
steuerpflichtige Dienstleistungen gegenüber diesen
Gesellschaften erbringt?
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2. Steht die Bestimmung über die
Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen in
Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG einer
nationalen Regelung entgegen, nach der (erstens) nur eine
juristische Person—nicht aber eine
Personengesellschaft—in das Unternehmen eines anderen
Steuerpflichtigen (sog. Organträger) eingegliedert werden kann
und die (zweitens) voraussetzt, dass diese juristische Person
finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch (im Sinne eines
Über- und Unterordnungsverhältnisses) ‘in das
Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist’?
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3. Falls die vorstehende Frage bejaht wird:
Kann sich ein Steuerpflichtiger unmittelbar auf Art. 4 Abs. 4
Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen?“
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20
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Der EuGH hat die Fragen mit seinem Urteil
Larentia + Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901 = SIS 15 18 50)
beantwortet.
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21
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Nach Ergehen des EuGH-Urteils hat die
Klägerin mitgeteilt, dass sie bezüglich der im Streitjahr
erfolgten Kapitalüberlassung an die Tochtergesellschaften
(darauf entfallendes Entgelt: ... EUR) auf die Steuerbefreiung des
§ 4 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verzichte
und zur Steuerpflicht optiere. Sie habe im Oktober 2015 Rechnungen
mit offenem Steuerausweis erteilt. Die Option sei wirksam. Das FA
hat mitgeteilt, es habe über einen entsprechenden
Änderungsantrag der Klägerin noch nicht
entschieden.
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22
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Das FA macht geltend, auch nach der
Vorabentscheidung sei ein voller Vorsteuerabzug für die
Klägerin nicht zwingend. Insbesondere sei unklar, welchen
Umfang die Tätigkeiten einer Holding nach Auffassung des EuGH
haben müssten, damit diese eine wirtschaftliche Tätigkeit
i.S. des Mehrwertsteuerrechts ausübe.
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23
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Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus
den Ausführungen des EuGH zur Organschaft. Das Unionsrecht sei
nicht berufbar. Eine Erweiterung der Organschaft auf
Personengesellschaften sei dem Gesetzgeber vorbehalten, da § 2
Abs. 2 Nr. 2 UStG aufgrund seines eindeutigen Wortlauts nicht
unionsrechtskonform ausgelegt werden könne. Die Vorschrift
diene außerdem i.S. des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) der Vermeidung
missbräuchlicher Praktiken.
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24
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Das FA trägt hilfsweise vor, es halte
eine Vorsteueraufteilung für angemessen, die sich nach der
Verwendung des eingeworbenen Kapitals richte. Da die Klägerin
95 % des eingeworbenen Kapitals für den Erwerb von
Beteiligungen verwendet habe, seien lediglich 5 % der streitigen
Vorsteuerbeträge (= 18.667,38 EUR) abziehbar.
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25
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, hilfsweise, das
Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die
Klägerin Vorsteuerbeträge aus den Eingangsrechnungen
für die im Zusammenhang mit der Aktienemission bezogenen
Leistungen über den Betrag von 18.667,38 EUR hinaus geltend
macht.
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26
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Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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27
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Sie trägt vor, ihr stehe dem Grunde
nach der volle Vorsteuerabzug zu. Eine Zuordnung der
Vorsteuerbeträge zu einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit
scheide aus. Der Vorsteuerabzug sei auch nicht wegen der
Ausführung steuerfreier Umsätze ausgeschlossen. Der
Vorsteuerabzug sei vielmehr aufgrund von § 15 Abs. 5 Nr. 3
UStG i.V.m. § 43 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung
(UStDV) vollständig zu gewähren; hinsichtlich der
Zinserträge von Kreditinstituten lägen den Vorsteuerabzug
nicht ausschließende Hilfsumsätze vor. Außerdem habe
sie, die Klägerin, mittlerweile teilweise zur Steuerpflicht
optiert.
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28
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Bezüglich des Vorliegens einer
Organschaft sieht die Klägerin aus
„verfahrensökonomischen Gründen“ von einer
Stellungnahme ab.
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29
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Das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
ist nach Ergehen des EuGH-Urteils gemäß § 122 Abs. 2
Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Revisionsverfahren
beigetreten, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Es trägt
nur zur Organschaft vor.
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30
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Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2
Satz 1 UStG könne eine Person, die keine „juristische
Person“ sei, nicht als Organgesellschaft in das Unternehmen
des Organträgers eingegliedert werden. Der EuGH habe dem Senat
die Prüfung aufgegeben, ob der Ausschluss von anderen Personen
eine Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken
oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung
oder -umgehung darstelle. Sofern der Senat eine solche
Maßnahme verneine, werde mangels direkten Berufungsrechts der
Steuerpflichtigen auf die Vorschriften des Unionsrechts zu
prüfen sein, ob es möglich ist, anderen Personen -
insbesondere Personengesellschaften - den Anwendungsbereich der
Organschaftsregelung durch Auslegung des Begriffs
„juristische Person“ zu eröffnen. Nach Auffassung
des BMF sei dies nicht möglich; dadurch würden die
Grenzen zulässiger Auslegung überschritten.
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31
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Soweit § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG
ferner für die Annahme einer Organschaft eine Eingliederung
und damit ein Verhältnis der Unterordnung voraussetze, sei
dies erforderlich und geeignet, um Steuerhinterziehungen oder
-umgehungen durch die Anwendung der Organschaftsregelung
vorzubeugen. Das Erfordernis eines Unterordnungsverhältnisses
diene zudem der Rechtssicherheit; es stehe auch im Einklang mit der
Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Eine anderweitige,
unionsrechtskonforme Auslegung des Begriffs der Eingliederung in
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG sei nicht möglich.
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32
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II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
FGO).
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33
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Der Klägerin steht der begehrte
Vorsteuerabzug zu (s. dazu unter 1.). Die Kapitalüberlassung
an die Tochtergesellschaften und an ein Kreditinstitut sind
allerdings vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie steuerfrei
sind; es sind keine Hilfsumsätze (s. dazu unter 2.).
Außerdem kommt das Vorliegen einer Organschaft in Betracht, so
dass ggf. die Umsätze der Tochtergesellschaften im
angefochtenen Umsatzsteuerbescheid zu erfassen sind (vgl. unter
3.). Die Sache ist insoweit nicht spruchreif.
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34
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1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der
Klägerin als geschäftsleitender Holding der
Vorsteuerabzug für die bezogenen Eingangsleistungen dem Grunde
nach zusteht.
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35
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a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG
kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für
Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen
Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind,
als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach
§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der
Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet, wobei
allerdings u.a. bei steuerfreien Umsätzen für die
Seeschifffahrt (§ 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 UStG) die
Vorsteuer nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG abziehbar
ist.
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36
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Diese Vorschriften beruhten im Streitjahr auf
Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, wonach der
Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und
Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze
verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete
Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die
ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder
geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden, von der
von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen. Bei Umsätzen für
die Seeschifffahrt sind Art. 17 Abs. 3 Buchst. b i.V.m. Art. 15 Nr.
5 der Richtlinie 77/388/EWG zu beachten (jetzt: Art. 169 Buchst. b
i.V.m. Art. 148 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -
MwStSystRL - ).
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37
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b) Der Unternehmer ist nach diesen
Vorschriften zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen
für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der
Richtlinie 77/388/EWG) und damit für seine wirtschaftlichen
Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1
Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) zu
verwenden beabsichtigt.
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38
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c) Dazu hat der EuGH in seinem Urteil Larentia
+ Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901 = SIS 15 18 50) Folgendes
entschieden:
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„1. Art. 17 Abs. 2 und 5 der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche
steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie
2006/69/EG des Rates vom 24.7.2006 geänderten Fassung ist wie
folgt auszulegen:
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- Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb
von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer
Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung
teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit
ausübt, sind als Teil der allgemeinen Aufwendungen der
Holdinggesellschaft anzusehen, und die für diese Kosten
bezahlte Mehrwertsteuer ist grundsätzlich vollständig
abzuziehen, es sei denn, dass bestimmte nachgelagerte Umsätze
gemäß der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die
Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung mehrwertsteuerfrei sind.
Im letzteren Fall darf das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs.
5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen
werden.
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- Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb
von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer
Holdinggesellschaft getragen werden, die nur bei einigen von ihnen
an der Verwaltung teilnimmt, hinsichtlich der übrigen dagegen
keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind nur zum Teil
als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft
anzusehen, so dass die für diese Kosten bezahlte
Mehrwertsteuer nur im Verhältnis zu den der wirtschaftlichen
Tätigkeit inhärenten Kosten nach von den Mitgliedstaaten
festgelegten Aufteilungskriterien abgezogen werden kann, die bei
der Ausübung dieser Befugnis Zweck und Systematik der Sechsten
Richtlinie berücksichtigen und insoweit eine Berechnungsweise
vorsehen müssen, die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der
Eingangsaufwendungen der wirtschaftlichen und der
nichtwirtschaftlichen Tätigkeit tatsächlich zuzurechnen
ist, was zu prüfen Sache der nationalen Gerichte
ist.“
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39
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aa) Der EuGH hat dies im Wesentlichen wie
folgt begründet (Rz 21, 25):
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“21 Eingriffe einer Holdinggesellschaft
in die Verwaltung von Gesellschaften, an denen sie Beteiligungen
erworben hat, sind eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von
Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie, wenn sie die
Durchführung von Transaktionen einschließen, die
gemäß Art. 2 der Richtlinie der Mehrwertsteuer
unterliegen, wie etwa das Erbringen von administrativen,
finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen
der Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften (vgl. u. a.
Urteile Cibo Participations, C-16/00, EU:C:2001:495 = SIS 01 13 23,
Rn. 22, und Portugal Telecom, C-496/11, EU:C:2012:557 = SIS 12 25 04, Rn. 34). ...
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25 Wie der Generalanwalt in Nr. 39 seiner
Schlussanträge ausgeführt hat, sind daher die Kosten, die
im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren
Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen
werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und - wie oben in Rn. 21
des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist - insoweit eine
wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, als der
wirtschaftlichen Tätigkeit dieser Gesellschaft zugeordnet
anzusehen. Folglich eröffnet die für diese Kosten
bezahlte Mehrwertsteuer gemäß Art. 17 Abs. 2 der Sechsten
Richtlinie ein Recht auf vollständigen Vorsteuerabzug.
...“
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40
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bb) Bezogen auf den Streitfall hat der EuGH
ausgeführt (Rz 28 f.):
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“28 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus
den Ausführungen des vorlegenden Gerichts, dass in den
Ausgangsverfahren die Holdinggesellschaften aufgrund der
wirtschaftlichen Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig sind, die
aus den Leistungen besteht, die sie an alle ihre
Tochtergesellschaften gegen Entgelt erbringen. Daher müsste
die für die Kosten des Erwerbs dieser Leistungen gezahlte
Mehrwertsteuer vollständig abgezogen werden, es sei denn, dass
nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie
mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall dürfte das
Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie
vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.
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29 Somit könnte nur in dem Fall, dass das
vorlegende Gericht feststellen sollte, dass die Beteiligungen, die
sich aus den Kapitaltransaktionen der Holdinggesellschaften der
Ausgangsverfahren ergeben haben, zum Teil anderen
Tochtergesellschaften zugeordnet worden sind, an deren Verwaltung
sie nicht teilgenommen haben, die für die Kosten dieser
Transaktionen gezahlte Mehrwertsteuer nur anteilig abgezogen
werden, wie in der ersten Frage des vorlegenden Gerichts in
Betracht gezogen wird. Denn in diesem Fall könnte das
bloße Halten ihrer Anteile an diesen Tochtergesellschaften
nicht als eine wirtschaftliche Tätigkeit dieser
Holdinggesellschaften angesehen werden, und die Vorsteuer wäre
in die Mehrwertsteuer aufzuteilen, die zu den wirtschaftlichen
Tätigkeiten der Holdinggesellschaften gehört, und in die,
die zu ihren nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten
gehört.“
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41
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d) Ausgehend davon hat das FG zu Recht
entschieden, dass nach den vom EuGH aufgestellten Grundsätzen
das Halten der Anteile an den Tochter-KGs Teil der wirtschaftlichen
Tätigkeit der Klägerin ist.
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42
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aa) Die Klägerin ist nach Auffassung des
FG (Urteil S. 15 f.), des Senats (Beschluss in BFHE 244, 94, BStBl
II 2014, 428 = SIS 14 06 90, Rz 38) und des EuGH (Urteil Larentia +
Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901 = SIS 15 18 50, Rz 28)
Unternehmerin, deren Tätigkeit darin besteht, dass sie an alle
ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt
Geschäftsführungsleistungen erbringt. Davon gehen nach
einer tatsächlichen Verständigung auch die Klägerin
und das FA übereinstimmend aus.
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43
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bb) Soweit das FA und der Senat im
Vorlagebeschluss (BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428 = SIS 14 06 90,
Frage 1 sowie Rz 40 bis 43) nach dem vom FG festgestellten
Sachverhalt gleichwohl eine nur teilweise Gewährung des
Vorsteuerabzugs für möglich gehalten haben, widerspricht
dies Rz 28 und 29 des EuGH-Urteils Larentia + Minerva
(EU:C:2015:496, HFR 2015, 901 = SIS 15 18 50).
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44
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e) Zwar trifft die Auffassung des FA, der
Vorsteuerabzug könne zur Vermeidung einer
missbräuchlichen Praxis versagt werden, grundsätzlich zu
(vgl. EuGH-Urteile Halifax u.a. vom 21.2.2006 C-255/02,
EU:C:2006:121, BFH/NV Beilage 2006, 260 = SIS 06 12 87; Newey vom
20.6.2013 C-653/11, EU:C:2013:409, HFR 2013, 851 = SIS 13 22 75;
Italmoda u.a. vom 18.12.2014 C-131/13, EU:C:2014:2455, HFR 2015,
200 = SIS 15 00 09, Rz 43 ff.).
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45
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Allerdings hat das FG auf S. 16 f. des Urteils
den Streitfall dahingehend gewürdigt, es liege keine
missbräuchliche Praxis vor. Diese Würdigung ist auf
Grundlage der vom FG getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen
angegriffenen Feststellungen möglich und verstößt
nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet daher
nach § 118 Abs. 2 FGO den Senat (vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27.10.2005 IX R 76/03, BFHE 212, 360,
BStBl II 2006, 359 = SIS 06 11 15, unter II.2.a und b, Rz 21 und
23; BFH-Beschluss vom 19.12.1986 V S 14/85, BFH/NV 1987, 271, unter
2., Rz 15).
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46
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2. Hingegen sind - entgegen der Auffassung des
FG - die Anlagen der Klägerin bei ihren Tochtergesellschaften
und Kreditinstituten keine Hilfsumsätze i.S. des § 43 Nr.
3 UStDV. 47
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a) Gemäß § 15 Abs. 5 Nr. 3 UStG
kann das BMF mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung
u.a. nähere Bestimmungen darüber treffen, wann in
Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung
oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der
Vorsteuerbeträge (§ 15 Abs. 4 UStG) Umsätze, die den
Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben
können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu
diesen Umsätzen abgesehen werden kann.
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48
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b) Von dieser Befugnis hat der
Verordnungsgeber mit § 43 UStDV Gebrauch gemacht. Danach sind
die den folgenden steuerfreien Umsätzen zuzurechnenden
Vorsteuerbeträge nur dann vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen,
wenn sie diesen Umsätzen ausschließlich zuzurechnen
sind:
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“3. ... Einlagen bei Kreditinstituten,
wenn diese Umsätze als Hilfsumsätze anzusehen
sind.“
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49
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Die sich daraus ergebende Erleichterung
besteht darin, dass Vorsteuerbeträge, die den in § 43
UStDV genannten Umsätzen zuzurechnen sind, nicht aufgeteilt
werden müssen, sondern voll abziehbar sind (Oelmaier in
Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 704).
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50
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c) Unionsrechtliche Grundlage dieser
Bestimmung in der UStDV war im Streitjahr Art. 17 Abs. 5 Unterabs.
1 der Richtlinie 77/388/EWG, wonach - vorbehaltlich der ohnehin
bestehenden Befugnisse der Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 5
Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG - der Anspruch auf
Vorsteuerabzug auf der Grundlage eines Pro-rata-Satzes zu berechnen
ist, der anhand von Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG ermittelt
wird. Danach bleiben bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des
Vorsteuerabzugs nach Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie
77/388/EWG u.a. die Hilfsumsätze im Bereich der
Finanzgeschäfte außer Ansatz. Der Begriff
„Hilfsumsatz“ in § 43 Nr. 3 UStDV ist
deshalb im Interesse einer unionsweit einheitlichen Auslegung (vgl.
EuGH-Urteile Nordania Finans und BG Factoring vom 6.3.2008 C-98/07,
EU:C:2008:144, HFR 2008, 530 = SIS 08 16 69, Rz 34 f.; NCC
Construction Danmark vom 29.10.2009 C-174/08, EU:C:2009:669, HFR
2010, 85 = SIS 09 37 68, Rz 24 ff.) richtlinienkonform entsprechend
der Definition in Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG
(jetzt: Art. 174 Abs. 2 Buchst. b und c MwStSystRL) auszulegen.
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51
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d) Der Zweck des Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG ergibt sich aus der Begründung zum Vorschlag, den
die Kommission dem Rat am 29.6.1973 vorgelegt hat (vgl. Bulletin
der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/73, S. 21), in der
es heißt:
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“Die in diesem Absatz genannten
Umsatzbeträge sind bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes
außer Ansatz zu lassen, damit sie nicht dessen eigentliche
Bedeutung verfälschen, sofern diese Umsatzbeträge nicht
die berufliche Tätigkeit der Steuerpflichtigen widerspiegeln.
Dies trifft zu für die Verkäufe von
Investitionsgütern und für Grundstücks- oder
Finanzumsätze, die nur als Hilfsumsätze getätigt
werden, d.h. die innerhalb des Gesamtumsatzes des Unternehmens nur
eine nebensächliche oder zufällige Rolle spielen. Diese
Umsätze werden übrigens nur dann ausgeschlossen, wenn sie
nicht in den Rahmen der regelmäßig ausgeübten
beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen fallen.“
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52
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e) Deshalb kann nach der Rechtsprechung des
EuGH eine wirtschaftliche Tätigkeit auch nicht als
„Hilfsumsatz“ i.S. von Art. 19 Abs. 2 der
Richtlinie 77/388/EWG eingestuft werden, wenn sie die unmittelbare,
dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren
Tätigkeit des Unternehmens darstellt (EuGH-Urteil Régie
dauphinoise vom 11.7.1996 C-306/94, EU:C:1996:290, HFR 1996, 772 =
SIS 96 22 54, Rz 22; NCC Construction Danmark, EU:C:2009:669, HFR
2010, 85 = SIS 09 37 68, Rz 30 und 31; s. auch EuGH-Urteil Nordania
Finans und BG Factoring, EU:C:2008:144, HFR 2008, 530 = SIS 08 16 69, Rz 22, 24 und 26, zu Investitionsgütern, die im Rahmen der
laufenden Tätigkeit des Unternehmers - dort steuerpflichtig -
genutzt werden). Die von der Finanzverwaltung in Abschn. 15.18 Abs.
5 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (im Streitjahr:
Abschn. 210 Abs. 5 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005)
vertretene Auffassung, dass Hilfsumsätze nicht den
eigentlichen Gegenstand des Unternehmens bilden dürfen, trifft
insoweit zu.
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53
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f) Gemessen daran hat das FG zu Unrecht
angenommen, es sei gemäß § 43 Nr. 3 UStDV keine
Kürzung der Vorsteuer vorzunehmen. Die Vorentscheidung ist
deshalb aufzuheben.
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54
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aa) Dabei ist das FG zunächst zu Recht
davon ausgegangen, dass Zinsen, die die Klägerin als Entgelt
für Darlehen an ihre Tochtergesellschaften erhielt, in den
Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen. Zwar unterliegen
Darlehensumsätze einer Holding nur dann der Mehrwertsteuer,
wenn sie entweder eine in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG
genannte wirtschaftliche Tätigkeit des Leistenden oder die
unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung einer
steuerbaren Tätigkeit darstellen, ohne jedoch in Bezug auf
letztere Hilfsumsätze i.S. des Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG zu sein (vgl. EuGH-Urteil Floridienne und Berginvest vom
14.11.2000 C-142/99, EU:C:2000:623, BFH/NV Beilage 2001, 37 = SIS 01 03 02, Rz 27 ff.). Jedoch fallen die Zinsen, die die
Klägerin als Entgelt für Darlehen an ihre
Tochtergesellschaften erhielt, in den Anwendungsbereich der
Mehrwertsteuer, weil sie nicht auf dem bloßen Eigentum an
einem Gegenstand beruhen, sondern das Entgelt für die
Überlassung von Kapital an die Tochtergesellschaften
darstellen (vgl. EuGH-Urteil EDM vom 29.4.2004 C-77/01,
EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259 = SIS 04 23 42, Rz 65 ff.).
Auch die Zinsen, die an die Klägerin als Entgelt für
Kapitalanlagen gezahlt wurden, können nicht vom
Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgenommen werden, da sie
nicht auf dem bloßen Eigentum an dem Gegenstand beruhen,
sondern die Gegenleistung für die Überlassung von Kapital
an die Bank darstellen (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243, BFH/NV
Beilage 2004, 259, Rz 69). Die Klägerin als
geschäftsleitende Holding handelte als Unternehmerin, soweit
sie Mittel, die sie mit der Kapitalerhöhung eingeworben hatte,
auf die genannte Weise einsetzte (vgl. EuGH-Urteil Régie
dauphinoise, EU:C:1996:290, HFR 1996, 772 = SIS 96 22 54, Rz
17).
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55
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bb) Auch reicht der Umstand, dass die
Hilfsumsätze höher sind als die Umsätze aus der
Haupttätigkeit, allein nicht aus, um ihre Einordnung als
Hilfsumsätze auszuschließen (vgl. EuGH-Urteil EDM,
EU:C:2004:243, BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 77), soweit
Gegenstände oder Dienstleistungen, die der Mehrwertsteuer
unterliegen, nicht oder nur in sehr geringem Umfang für diese
Umsätze verwendet werden (vgl. EuGH-Urteil EDM, EU:C:2004:243,
BFH/NV Beilage 2004, 259, Rz 76 und 78).
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56
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cc) Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen,
im Streitfall seien die Anlagen der Klägerin bei Banken und
die Darlehensgewährungen an die Tochtergesellschaften
Hilfsumsätze, weil sie nicht den Gegenstand des
Geschäftes der Klägerin darstellten. Diese Würdigung
wird von den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht
getragen; die Umsätze sind vielmehr bei der Klägerin
schon deshalb keine Hilfsumsätze, weil sie - wie das FA in
diesem Zusammenhang zu Recht geltend macht - nach den
tatsächlichen Feststellungen des FG zur Haupttätigkeit
der Klägerin gehören. Gegenstand des Unternehmens der
Klägerin ist nach den Feststellungen auf S. 4 des FG-Urteils
u.a. der Erwerb und die Verwaltung von in- und ausländischen
Finanzanlagen. Dazu zählen auch die genannten Umsätze, so
dass nicht mehr konkret beurteilt werden muss, in welchem Umfang
diese Umsätze für sich betrachtet eine Verwendung von
Gegenständen und Dienstleistungen erfordern, für die
Mehrwertsteuer zu entrichten ist (vgl. dazu EuGH-Urteil NCC
Construction Danmark, EU:C:2009:669, HFR 2010, 85 = SIS 09 37 68,
Rz 34). Auf die Frage, ob die Umsätze von Anfang an
beabsichtigt oder Folge einer Erweiterung der steuerbaren
Tätigkeit der Klägerin waren, kommt es nach den
Ausführungen unter c und d ebenfalls nicht mehr an.
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57
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g) Greift mithin § 43 Nr. 3 UStDV nicht
zugunsten der Klägerin ein, wird das FG im 2. Rechtsgang zu
prüfen haben, inwieweit die rechtzeitig erklärte (vgl.
dazu BFH-Urteil vom 21.10.2015 XI R 40/13, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2016, 353 = SIS 15 28 85, Rz
56 f., m.w.N.) Option der Klägerin gemäß § 9
UStG zur Steuerpflicht ihrer an sich gemäß § 4 Nr. 8
Buchst. a UStG steuerfreien Umsätze wirksam ist und sich auf
die bisher festgesetzte Umsatzsteuer und gemäß § 15
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG auf den Vorsteuerabzug auswirkt.
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58
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3. Außerdem kommt in Betracht, dass
zwischen der Klägerin - wie von ihr geltend gemacht - und
ihren Tochtergesellschaften eine Organschaft besteht (s. dazu unter
4. bis 7.). Dies könnte Auswirkungen auf die Höhe der
gegen die Klägerin für das Streitjahr festzusetzenden
Umsatzsteuer haben.
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59
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a) Besteht eine Organschaft, sind die im
Inland gelegenen Unternehmensteile als ein Unternehmen zu behandeln
(§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG). Dies führt dazu, dass der
Organträger Steuerschuldner für alle Leistungen ist, die
die Unternehmensteile des Organkreises gegenüber Dritten
erbringen; die von der Organgesellschaft gegenüber Dritten
ausgeführten Umsätze sind dem Organträger
zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile vom 19.5.2005 V R 31/03, BFHE 210,
167, BStBl II 2005, 671 = SIS 05 31 27, unter II.2.a, Rz 21; vom
14.3.2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493 = SIS 12 21 93, Rz 24;
EuGH-Urteil Skandia America (USA) vom 17.9.2014 C-7/13,
EU:C:2014:2225, HFR 2014, 1031 = SIS 14 27 90, Rz 28).
Leistungsbezüge der Organgesellschaft von Dritten werden dem
Organträger gleichfalls zugerechnet und berechtigen diesen zum
Vorsteuerabzug (BFH-Urteile vom 19.10.1995 V R 71/93, BFH/NV 1996,
273, unter II.2., Rz 18; vom 13.5.2009 XI R 84/07, BFHE 225, 282,
BStBl II 2009, 868 = SIS 09 22 11, unter II.3.a, Rz 24; EuGH-Urteil
Skandia America (USA), EU:C:2014:2225, HFR 2014, 1031 = SIS 14 27 90, Rz 29).
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60
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b) Ob eine Organschaft zwischen der
Klägerin und ihren Tochtergesellschaften besteht, ist auch im
vorliegenden Verfahren zu prüfen, da Streitgegenstand im
finanzgerichtlichen Verfahren nicht das einzelne
Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des
Steuerbescheids ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH
vom 17.7.1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344 = SIS 68 02 24; BFH-Urteil vom 1.12.2010 XI R 46/08, BFHE 232, 232, BFH/NV
2011, 712 = SIS 11 05 50). Wären der Klägerin die
Umsätze und Leistungsbezüge ihrer Tochtergesellschaften
zuzurechnen, wäre die Umsatzsteuer im Rahmen der Bindung an
das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) ggf. in anderer
Höhe festzusetzen.
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61
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c) Ob eine Organschaft besteht und weiter dazu
führt, dass die Umsatzsteuer höher oder niedriger
festzusetzen ist, kann nicht beurteilt werden, da das FG - aus
seiner Sicht konsequenterweise - nicht festgestellt hat, wie hoch
die bisher (möglicherweise zu Unrecht) gegenüber den
Tochtergesellschaften festgesetzte Umsatzsteuer ist.
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62
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4. Auch eine GmbH & Co. KG - wie dies auf
die Tochtergesellschaften der Klägerin zutrifft - kann
Organgesellschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sein.
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63
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a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird
die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht
selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach
dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell,
wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des
Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).
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64
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b) § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG beruhte
im Streitjahr auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG (jetzt: Art. 11 MwStSystRL), wonach es vorbehaltlich der
Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG jedem
Mitgliedstaat frei steht, im Inland ansässige Personen, die
zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige
finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng
miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu
behandeln (sog. Mehrwertsteuergruppe).
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65
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c) Der EuGH hat zur Auslegung dieser
Bestimmungen - für den BFH bindend - Folgendes entschieden
(vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901
= SIS 15 18 50, Leitsatz 2):
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“2. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der
Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69
geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer
nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung
vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden,
die als ein Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können,
allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind
und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein
Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es sei denn, dass
diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für
die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher
Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von
Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet sind,
was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.“
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66
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d) Zur Beschränkung von
Organgesellschaften auf juristische Personen in § 2 Abs. 2 Nr.
2 Satz 1 UStG hat der EuGH ausgeführt (vgl. Urteil Larentia +
Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901 = SIS 15 18 50, Rz 36 bis
43):
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“36 Was die Antwort anbelangt, die in
der Sache auf die zweite Frage zu geben ist, ist darauf
hinzuweisen, dass der Gerichtshof hinsichtlich der Auslegung von
Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1),
dessen Wortlaut dem von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten
Richtlinie entspricht, festgestellt hat, dass diese Bestimmungen,
die jedem Mitgliedstaat gestatten, mehrere Personen, die im Gebiet
dieses Mitgliedstaats ansässig und rechtlich unabhängig,
aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und
organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind,
zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, ihre Anwendung
nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig machen (vgl. in
diesem Sinne Urteil Kommission/ Irland, C-85/11, EU:C:2013:217 =
SIS 13 17 65, Rn. 36)
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37 Daher ist erstens festzustellen, dass Art.
4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie im Unterschied zu
anderen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, insbesondere ihren
Art. 28a und 28b, die sich ausdrücklich auf ‘juristische
Personen’ beziehen, nicht per se die Einheiten von seinem
Anwendungsbereich ausschließt, die - wie die
Kommanditgesellschaften der Ausgangsverfahren - keine juristischen
Personen sind.
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38 Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten
Richtlinie sieht für die Mitgliedstaaten auch keine
ausdrückliche Möglichkeit vor, den Wirtschaftsteilnehmern
weitere Bedingungen für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe
aufzubürden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/ Schweden,
C-480/10, EU:C:2013:263 = SIS 13 20 10 , Rn. 35), insbesondere
nicht, dass die Mitgliedstaaten verlangen könnten, dass
ausschließlich juristische Personen Mitglieder einer
Mehrwertsteuergruppe sein könnten.
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39 Deshalb ist zu prüfen, ob der
Spielraum der Mitgliedstaaten, die die Möglichkeit haben, die
Bildung solcher Mehrwertsteuergruppen in ihrem Gebiet zu gestatten,
es ihnen erlaubt, die Einheiten, die keine juristischen Personen
sind, vom Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 4 der Sechsten
Richtlinie auszuschließen.
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40 Aus der Begründung des
Kommissionsvorschlags (KOM[73] 950 endg.), der zum Erlass der
Sechsten Richtlinie geführt hat, geht hervor, dass der
Unionsgesetzgeber durch den Erlass von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2
dieser Richtlinie es den Mitgliedstaaten ermöglichen wollte,
die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an das
Merkmal der rein rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen,
und zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder zur
Verhinderung bestimmter Missbräuche, wie z. B. die Aufspaltung
eines Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den
Genuss einer Sonderregelung zu gelangen (vgl. in diesem Sinne
Urteil Kommission/Schweden, C-480/10, EU:C:2013:263 = SIS 13 20 10
, Rn. 37).
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41 Insoweit hat der Gerichtshof bereits
entschieden, dass die Mitgliedstaaten bei der Anwendung von Art. 11
Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 im Rahmen ihres Ermessensspielraums
die Anwendung der Regelung über die Mehrwertsteuergruppe
bestimmten Beschränkungen unterwerfen können, sofern
diese den Zielen der Richtlinie entsprechen, die auf die
Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen
und die Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung abzielt
(vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Kommission/Schweden, C-480/10,
EU:C:2013:263 = SIS 13 20 10 , Rn. 38 und 39).
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42 Zwar enthielt die Sechste Richtlinie bis
zum Inkrafttreten ihres durch die Richtlinie 2006/69
eingeführten Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 3 keine mit Art. 11 Abs.
2 der Richtlinie 2006/112 vergleichbaren ausdrücklichen
Bestimmungen, doch war den Mitgliedstaaten dadurch nicht die
Möglichkeit genommen, vor diesem Inkrafttreten gleichwertige
sachdienliche Maßnahmen zu erlassen, da die Vermeidung von
Steuerhinterziehung und -umgehung durch die Mitgliedstaaten ein
Ziel darstellt, das von der Sechsten Richtlinie anerkannt und
gefördert wird, selbst wenn eine ausdrückliche
Ermächtigung durch den Unionsgesetzgeber fehlt (vgl. in diesem
Sinne u. a. Urteil Halifax u. a., C-255/02, EU:C:2006:121 = SIS 06 12 87, Rn. 70 und 71).
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43 Es obliegt jedoch dem vorlegenden Gericht,
zu prüfen, ob der Ausschluss der Einheiten, die keine
juristischen Personen sind, von der Regelung über die
Mehrwertsteuergruppe, wie er sich aus dem in den Ausgangsverfahren
anwendbaren nationalen Recht ergibt, eine für diese Ziele der
Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen
und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung
erforderliche und geeignete Maßnahme ist.“
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67
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e) Die dem Senat vom EuGH in Leitsatz 2 und Rz
43 seines Urteils Larentia + Minerva aufgegebene Prüfung (vom
FA zutreffend als „Prüfungsauftrag“
bezeichnet) führt zu dem Ergebnis, dass der in § 2 Abs. 2
Nr. 2 Satz 1 UStG normierte generelle Ausschluss von Einheiten, die
keine juristischen Personen sind, keine erforderliche und geeignete
Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder
Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder
-umgehung ist.
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68
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aa) Davon ist der Senat bereits in seinem
Vorlagebeschluss ausgegangen (vgl. BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428
= SIS 14 06 90, Rz 73 „fernliegend“).
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69
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bb) Dem sind die Kommission und der
Generalanwalt gefolgt.
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70
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Der Generalanwalt hat hierzu u.a.
ausgeführt (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts
Mengozzi vom 26.3.2015 C-108/14 und C-109/14, EU:C:2015:212, juris,
Rz 73, 74 und 80):
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“73. Auch wenn die Prüfung dieser
Punkte dem vorliegenden Gericht obliegt, ist anzumerken, dass es im
Wesentlichen bereits in seiner Vorlageentscheidung klargestellt
hat, dass es zum einen keine Verbindung zwischen der in § 2
Abs. 2 Nr. 2 UStG aufgestellten Bedingung, nach der alle Mitglieder
einer Mehrwertsteuergruppe Rechtspersönlichkeit besitzen
müssen, und der Verfolgung der in Art. 4 Abs. 4 der Sechsten
Richtlinie genannten Ziele sieht und dass dieses Erfordernis zum
anderen dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität
zuwiderlaufen könnte, soweit allein aufgrund der Rechtsform
bestimmte Unternehmen von der Möglichkeit der Beteiligung an
einer Mehrwertsteuergruppe ausgeschlossen werden.
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74. Ich teile diese Ansicht.
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80. Wie für das vorlegende Gericht und
die Kommission ist jedoch auch für mich nur schwer
ersichtlich, inwiefern eine Unterscheidung in Abhängigkeit von
der Rechtsform oder dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen von
Rechtspersönlichkeit der Unternehmen zur Bekämpfung von
Steuerhinterziehung und -umgehung erforderlich und geeignet sein
sollte.“
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71
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cc) Weder das FA noch das BMF sind dieser
Beurteilung entgegengetreten.
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72
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dd) Auch aus der Gesetzesbegründung zu
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergeben sich keine Hinweise darauf, dass
mit der Beschränkung der Organgesellschaften auf
„juristische Personen“ missbräuchliche
Praktiken oder Verhaltensweisen und Steuerhinterziehung oder
-umgehung verhindert werden sollten.
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73
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§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG geht im
Wesentlichen auf das Umsatzsteuergesetz vom 29.5.1967 (UStG 1967)
zurück. Der Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf
enthält lediglich die Aussage, dass das Institut der
Organschaft „zur Vermeidung unnötiger
Verwaltungsarbeit in der Wirtschaft“ beibehalten wird
(vgl. BTDrucks zu V/1581, S. 10; BFH-Urteil vom 17.1.2002 V R
37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373 = SIS 02 06 40, unter
II.2.b aa, Rz 42; Stadie in Rau/Dürrwächter,
Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 784, m.w.N.).
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74
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In der Gesetzesbegründung zum UStG 1980
heißt es zu § 2 Abs. 1 und 2 UStG nur (vgl. BTDrucks
8/1779, S. 29): „Die Absätze 1 und 2 stimmen mit
§ 2 Abs. 1 und 2 UStG 1973 überein. Artikel 4 Abs. 1 bis
4 der 6. Richtlinie erfordert keine Änderung dieser
Vorschriften.“ Aus der Beschlussempfehlung und dem
Bericht des Finanzausschusses zu diesem Gesetzentwurf folgt nichts
anderes (vgl. BTDrucks 8/2827, S. 6, 63 ff.). Allerdings sollen
sich bei der Vorbereitung des UStG 1980 sowohl die Finanzverwaltung
als auch die Wirtschaft einhellig für die Beibehaltung der
Organschaft ausgesprochen haben. Die Organisationsstruktur vieler
Unternehmen sei seit langem auf die Organschaft ausgerichtet. Auf
Seiten der Finanzverwaltung führe die Organschaft zu einer
gewissen Verwaltungsvereinfachung. Der Organkreis werde unter einer
Steuernummer geführt und gebe nur eine
Umsatzsteuererklärung ab. Der Verzicht auf die Organschaft
hätte daher bei Wirtschaft und Verwaltung nicht nur erhebliche
Mehrarbeit, sondern auch Kostensteigerungen mit sich gebracht (so
Klezath, DStZ 1980, 5, 8; vgl. auch Klezath, DStZ 1986, 112,
114).
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Selbst wenn man deshalb davon ausgeht, die
„Verwaltungsvereinfachung“ sei
„auch“ das Motiv des Gesetzgebers gewesen, die
Rechtsfigur der Organschaft im UStG 1980 beizubehalten (so Stadie
in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 784), ergibt sich
daraus nichts für die hier zu prüfende Frage. Dieses Ziel
der „Verwaltungsvereinfachung“ findet sich zwar
(neben dem Ziel der Verhinderung von Missbräuchen) ebenfalls
in der Begründung zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG (vgl. EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR
2015, 901 = SIS 15 18 50, Rz 40). Es kann aber die
Beschränkung der Organgesellschaften auf juristische Personen
in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht rechtfertigen; vielmehr
kommt es insofern - allein - darauf an, ob diese Beschränkung
eine erforderliche und geeignete Maßnahme zur Verhinderung
missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der
Vermeidung von Steuerhinterziehung und -umgehung ist (vgl.
EuGH-Urteil Larentia + Minerva, EU:C:2015, 496, HFR 2015, 901 = SIS 15 18 50, Leitsatz 2 und Rz 43).
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5. Allerdings entfaltet Art. 4 Abs. 4
Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG keine unmittelbare Wirkung
und ist deshalb auch nicht berufbar (EuGH-Urteil Larentia +
Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901 = SIS 15 18 50, Leitsatz
3).
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6. Ausgehend davon hat der Senat im Streitfall
zu prüfen, ob § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG
richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass der
Begriff „juristische Peron“ i.S. dieser
Vorschrift auch Personengesellschaften umfasst (EuGH-Urteil
Larentia + Minerva, EU:C:2015:496, HFR 2015, 901 = SIS 15 18 50,
Leitsätze 2 und 3; vgl. auch Rz 114 der Schlussanträge
des Generalanwalts Mengozzi, EU:C:2015:212).
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Dies ist jedenfalls für eine GmbH &
Co. KG - wie dies für die Tochtergesellschaften der
Klägerin zutrifft - zu bejahen.
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a) Die Frage, ob eine richtlinienkonforme
Auslegung des Tatbestandsmerkmals „juristische
Person“ in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG möglich
ist, wird in der Literatur bisher nicht einheitlich beantwortet
(bejahend z.B. Diemer, DB 2015, 1748; Korn, Beratersicht zur
Steuerrechtsprechung 2015, 39; Nieskens, BB 2015, 2074, 2076;
Prätzler, juris PraxisReport Steuerrecht 43/2015, Anm. 6,
unter C. a.E.; wohl auch Hummel, UR 2015, 671, 680; Streit/Rust,
DStR 2015, 2097, 2099 f.; tendenziell verneinend Eggers, Neue
Wirtschafts-Briefe 2015, 2566, 2574; Eggers/Korf,
Mehrwertsteuerrecht - MwStR - 2015, 710, 718; Grünwald, MwStR
2015, 587, 588; offen Birkenfeld, Europäische Zeitschrift
für Wirtschaftsrecht 2015, 757, 758; Hartman, Die
Steuerberatung 2016, 18). Das beigetretene BMF hält eine
richtlinienkonforme Auslegung nicht für möglich.
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b) Für die vorzunehmende Prüfung, ob
eine richtlinienkonforme Auslegung einer nationalen Vorschrift
möglich ist, gelten nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) folgende Grundsätze:
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aa) Aus dem Grundsatz der Unionstreue (Art. 4
Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union) folgt die
Verpflichtung der Gerichte, diejenige Auslegung des nationalen
Rechts zu wählen, die dem Inhalt der Richtlinie (in der vom
EuGH entschiedenen Auslegung) entspricht (BVerfG-Beschluss vom
8.4.1987 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 = SIS 87 23 29, unter B.2.c
cc, Rz 45). Besteht ein Auslegungsspielraum, ist das nationale
Gericht verpflichtet, diesen so weit wie möglich
auszuschöpfen; mehrere mögliche Auslegungsmethoden sind
daher hinsichtlich des Richtlinienziels bestmöglich anzuwenden
i.S. eines Optimierungsgebotes (BVerfG-Beschluss vom 26.9.2011 2
BvR 2216/06, 2 BvR 469/07, BVerfGK 19, 89, unter B.II.1.b, Rz 46).
Auch die Befugnis zur Rechtsfortbildung steht dem nationalen
Richter zu, und zwar auch im Steuerrecht (BVerfG-Beschlüsse
vom 22.12.1992 1 BvR 1333/89, HFR 1993, 327 = SIS 93 08 19, unter
II.1., Rz 7; vom 16.2.2012 1 BvR 127/10, HFR 2012, 545 = SIS 12 18 60, unter IV.1.a, Rz 23 f.; vom 17.9.2013 1 BvR 1928/12, HFR 2013,
1156 = SIS 14 00 50, unter IV.1.a, Rz 33).
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bb) Eine richtlinienkonforme Auslegung des
Tatbestandsmerkmals „juristische Person“ in
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in dem Sinne, dass es auch eine
GmbH & Co. KG umfasst, steht im Einklang mit der Rechtsprechung
des BVerfG.
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Denn steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale
sind, auch wenn sie einem anderen Rechtsgebiet - wie hier dem
Zivilrecht - entnommen sind, nach dem steuerrechtlichen
Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen
Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung
zu interpretieren; es besteht weder eine Vermutung für ein
übereinstimmendes noch für ein abweichendes
Verständnis (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27.12.1991 2 BvR 72/90,
BStBl II 1992, 212 = SIS 92 03 11, unter 1.a cc, Rz 11, m.w.N.;
BFH-Urteil vom 29.1.2015 V R 5/14, BFHE 249, 283, BStBl II 2015,
567 = SIS 15 08 78, Rz 36).
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cc) Im Übrigen gibt es auch
außerhalb des Steuerrechts Beispiele für eine von der
zivilrechtlichen Terminologie abweichende Auslegung des Begriffs
„juristische Person“.
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So hat das BVerfG für Art. 19 Abs. 3 des
Grundgesetzes (GG) anerkannt, dass „juristische
Personen“ i.S. dieser Vorschrift auch
Personengesellschaften sein können (ständige
Rechtsprechung seit dem BVerfG-Urteil vom 20.7.1954 1 BvR 114/54,
BVerfGE 4, 7, unter C.3.b, Rz 15 f.; vgl. BVerfG-Urteil vom
29.7.1959 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89, unter C.I., Rz 40;
BVerfG-Beschlüsse vom 11.10.1966 2 BvR 477/64 u.a., BVerfGE
20, 257, unter B.I.2., Rz 27; vom 18.10.1966 2 BvR 386/63, 2 BvR
478/63, BVerfGE 20, 283, unter B.II.2., Rz 47; vom 4.12.1979 2 BvR
64/78, 2 BvR 460/79, BVerfGE 53, 1, unter B.I.1., Rz 55; s. auch
BVerfG-Beschluss vom 2.9.2002 1 BvR 1103/02, NJW 2002, 3533, unter
2.a, Rz 6).
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Im BVerfG-Beschluss vom 19.7.2000 1 BvR 539/96
(BVerfGE 102, 197, unter C.I., Rz 63) führt das BVerfG in
Bezug auf zwei GmbH & Co. KGs (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 102,
197, unter A.II., Rz 5) sogar ausdrücklich aus, bei einem
weiten, nicht personal gebundenen Berufsbegriff sei das Grundrecht
der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG gemäß Art. 19
Abs. 3 GG auch auf „juristische Personen des
Privatrechts“ anwendbar. Danach ist eine GmbH & Co.
KG eine juristische Person i.S. des Art. 19 Abs. 3 GG.
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Ferner geht das Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG) davon aus, dass „juristische Personen“
(dort: i.S. des § 3 Abs. 10 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes)
auch Personengesellschaften sein können und der Wortlaut
„juristische Person“ dieser Auslegung nicht
entgegen steht (vgl. BVerwG-Urteil vom 1.10.2015 7 C 8.14,
Deutsches Verwaltungsblatt 2016, 188, unter 1.a bb(1), Rz 23).
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88
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c) Bezogen auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1
UStG hat Generalanwalt Mengozzi in Rz 115 seiner
Schlussanträge (EU:C:2015:212) angemerkt, die Kommission habe
in ihren schriftlichen Erklärungen darauf hingewiesen, dass
das FG München (Urteil vom 13.3.2013 3 K 235/10, EFG 2013,
1434 = SIS 13 21 42) mit der Feststellung, dass
„kapitalistisch strukturierte“
Personengesellschaften - wie die Tochtergesellschaften der
Klägerinnen in den Ausgangsverfahren - in den
persönlichen Anwendungsbereich von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz
1 UStG fallen könnten, den Versuch einer solchen mit dem
Unionsrecht vereinbaren Auslegung unternommen habe.
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d) Der Senat folgt mit Blick auf das
Unionsrecht - insbesondere unter Berücksichtigung des
Grundsatzes der Rechtsformneutralität (vgl. dazu
Vorlagebeschluss in BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428 = SIS 14 06 90, Rz 74 und 75) - der (offenbar sowohl von der Kommission als
auch vom Generalanwalt unterstützten) Auffassung des FG
München.
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Denn eine Personengesellschaft in der
Rechtsform einer GmbH & Co. KG hat eine
„kapitalistische Struktur (Urteil des FG München in
EFG 2013, 1434 = SIS 13 21 42, Rz 44; vgl. auch Stadie in Rau/
Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 840). In der
Rechtsprechung wird die GmbH & Co. KG der Form nach als
Personengesellschaft gesehen; der Sache nach wird sie jedoch eher
als GmbH gewertet Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Henze/Notz,
Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 177a Anhang A Rz 3 f.).
Steuerrechtlich sind die ehemals erheblichen Unterschiede zwischen
einer GmbH und einer GmbH & Co. KG in vielerlei Hinsicht
mittlerweile durch den Gesetzgeber eingeebnet worden (Blaum in
Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, Rz I 3175). Die
GmbH & Co. KG unterliegt außerdem aufgrund der
§§ 264a ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) weitgehend
denselben Regeln der Rechnungspublizität und
Prüfungspflicht wie eine Kapitalgesellschaft (Blaum in
Westermann, a.a.O., Rz I 3176). Sie kann wie eine juristische
Person unselbständig dem Willen eines anderen
Rechtsträgers (nämlich des Organträgers) unterworfen
sein, da bei ihr lediglich eine GmbH und damit eine juristische
Person als Komplementärin gemäß § 164 HGB die
Geschäfte führt (so zutreffend Urteil des FG München
in EFG 2013, 1434 = SIS 13 21 42, Rz 44).
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e) Deshalb kann § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz
1 UStG in einer mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend
ausgelegt werden, dass der Begriff „juristische
Person“ (jedenfalls) auch eine GmbH & Co. KG
umfasst.
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f) Die Auffassung des Senats, dass auch eine
GmbH & Co. KG als „juristische Person“ i.S.
des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG anzusehen ist, weicht zwar in
der Begründung, nicht aber im Ergebnis von dem BFH-Urteil vom
2.12.2015 V R 25/13 (DStR 2016, 219 = SIS 16 00 91) ab.
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aa) Der V. Senat des BFH hat in diesem Urteil
entschieden, dass neben einer juristischen Person auch eine
Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers
eingegliedert sein kann. Dies setzt zwar nach Auffassung des V.
Senats des BFH voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft
neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2
Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers
finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung).
Der V. Senat geht aber ebenfalls davon aus, dass eine GmbH &
Co. KG - um die es auch im dortigen Verfahren ging -
Organgesellschaft sein kann (vgl. den Sachverhalt der Entscheidung
sowie die Entscheidungsgründe unter II.4., Rz 60). Andernfalls
hätte er die Klage abweisen müssen.
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bb) Insoweit besteht Übereinstimmung. Ob
der erkennende Senat der Auffassung des V. Senats des BFH im Urteil
in DStR 2016, 219 = SIS 16 00 91 im Übrigen zustimmen kann,
ist im vorliegenden Streitfall nicht zu entscheiden.
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cc) Zwar hatte der V. Senat im Urteil vom
8.2.1979 V R 101/78 (BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362 = SIS 79 01 77) u.a. entschieden, eine KG könne auch dann nicht
unselbständig i.S. von § 2 Abs. 2 UStG sein, wenn ihr
persönlich haftender Gesellschafter eine juristische Person
ist (vgl. Leitsatz 2). Diese Aussage ist aber durch das BFH-Urteil
in DStR 2016, 219 = SIS 16 00 91 überholt.
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g) Deshalb kommt auch keine Vorlage an den
Großen Senat des BFH gemäß § 11 FGO in
Betracht.
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97
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Für die Zulässigkeit einer Anrufung
des Großen Senats nach § 11 Abs. 2 FGO wegen Abweichung
ist Voraussetzung, dass die vorgelegte Rechtsfrage sowohl für
die Entscheidung des Senats, von der der anrufende Senat abweichen
will, als auch für die Entscheidung des anrufenden Senats
entscheidungserheblich ist (vgl. Beschlüsse des Großen
Senats des BFH vom 8.12.1975 GrS 1/75, BFHE 117, 352, BStBl II
1976, 262 = SIS 76 01 41, unter C.I.2., Rz 14; vom 9.10.2014 GrS
1/13, BFHE 247, 291, BStBl II 2015, 345 = SIS 15 00 59, Rz 29; vom
14.4.2015 GrS 2/12, BFHE 250, 338, BStBl II 2015, 1007 = SIS 15 23 32, Rz 31; BFH-Urteil vom 8.8.2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, BFH/NV
2013, 1747 = SIS 13 23 09, Rz 35).
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98
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Bestehen in Bezug auf die Rechtsfrage, ob eine
GmbH & Co. KG allein aufgrund ihrer Rechtsform nicht
Organgesellschaft sein kann, lediglich Unterschiede in der
Begründung, nicht aber im Ergebnis der beiden Urteile, liegt
keine Abweichung i.S. des § 11 Abs. 2 FGO vor (vgl. BFH-Urteil
vom 9.12.1987 II R 212/82, BFHE 152, 146, BStBl II 1988, 309 = SIS 88 12 55, Rz 25; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler
- HHSp -, § 11 FGO Rz 35; Gräber/Herbert,
Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 11 Rz 11; Müller-Horn
in Beermann/Gosch, FGO § 11 Rz 7).
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99
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Auch eine Anrufung des Großen Senats des
BFH gemäß § 11 Abs. 4 FGO wegen grundsätzlicher
Bedeutung einer Rechtsfrage setzt deren Entscheidungserheblichkeit
voraus (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in HHSp, § 11 FGO Rz 105;
Gräber/Herbert, a.a.O., § 11 Rz 26, m.w.N.).
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100
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7. Ob das weitere Erfordernis des § 2
Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass die Organgesellschaft nach dem
Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell,
wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des
Organträgers eingegliedert sein muss, vorliegt, kann aufgrund
der bisherigen Feststellungen des FG nicht entschieden werden.
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101
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a) Insoweit hat der EuGH im Urteil Larentia +
Minerva (EU:C:2015:496, HFR 2015, 901 = SIS 15 18 50) in Rz 44 und
45 ausgeführt:
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“44 Zweitens ergibt sich aus dem
Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie,
dass jeder Mitgliedstaat diejenigen Personen als einen
Steuerpflichtigen behandeln kann, die in seinem Gebiet
ansässig, rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige
finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng
miteinander verbunden sind. Das bloße Bestehen enger
Verbindungen zwischen diesen Personen kann daher in Ermangelung
weiterer Anforderungen nicht zu der Annahme führen, dass der
Unionsgesetzgeber die Regelung über die Mehrwertsteuergruppe
allein den Einheiten hat vorbehalten wollen, die sich in einem
Unterordnungsverhältnis zum Organträger der betreffenden
Unternehmensgruppe befinden.
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45 Das Vorliegen eines solchen
Unterordnungsverhältnisses lässt zwar vermuten, dass
zwischen den betreffenden Personen enge Verbindungen bestehen, doch
kann es - wie der Generalanwalt in Nr. 99 seiner
Schlussanträge ausgeführt hat - nicht grundsätzlich
als eine für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe notwendige
Voraussetzung angesehen werden. Etwas anderes würde nur in den
Ausnahmefällen gelten, in denen eine solche Bedingung in einem
bestimmten nationalen Kontext eine für die Erreichung der
Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder
Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder
-umgehung sowohl erforderliche als auch geeignete Maßnahme
ist.“
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102
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b) Generalanwalt Mengozzi hat in Rz 99 seiner
Schlussanträge Larentia + Minerva (EU:C:2015:212), auf die der
EuGH Bezug genommen hat, dazu Folgendes ausgeführt:
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“99. Auch wenn dem vorlegenden Gericht
die Prüfung obliegt, ob diese Voraussetzungen erfüllt
sind, frage ich mich jedoch, ob eine nationale Maßnahme, die
eine solche Intensität der Verbindungen zwischen Personen
verlangt, damit sie einen Mehrwertsteuerpflichtigen bilden, nicht
über das zur Erreichung der genannten Ziele erforderliche
Maß hinausgeht. Abgesehen von besonderen, einem bestimmten
Mitgliedstaat eigenen Umständen, die dem Gerichtshof im
vorliegenden Verfahren jedoch nicht unterbreitet worden sind, ist
allgemein gesehen nämlich schwer zu verstehen, aus welchen
Gründen die Verfolgung der genannten Ziele zwingend ein
Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den
Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe erfordern sollte, damit die
Voraussetzung des Vorliegens enger Beziehungen in finanzieller,
wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht erfüllt ist.
Auch wenn das Vorliegen eines solchen Über- und
Unterordnungsverhältnisses zwischen den Mitgliedern einer
Mehrwertsteuergruppe zweifellos eine hinreichende Bedingung
für die Erreichung dieser Ziele und die Erfüllung der in
Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie aufgestellten
Voraussetzung ist, zweifle ich doch daran, dass sie unbedingt
erforderlich ist.“
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103
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Der erkennende Senat hat im gegenwärtigen
Verfahrensstadium die nach Rz 45 und 46 der Vorabentscheidung
(EU:C:2015:496, HFR 2015, 901 = SIS 15 18 50) ihm obliegende
Prüfung noch nicht vorzunehmen. Es ist unklar, ob diese
Prüfung im Streitfall vorgenommen werden muss; denn es fehlen
Feststellungen dazu, welche finanziellen, wirtschaftlichen und
organisatorischen Beziehungen zwischen der Klägerin und ihren
Tochtergesellschaften bestehen. Diese Feststellungen sind vorrangig
und müssen vom FG im zweiten Rechtsgang zunächst
nachgeholt werden.
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104
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Deshalb muss der Senat nicht entscheiden, ob
er der Auffassung des V. Senats des BFH im Urteil vom 2.12.2015 V R
15/14 (DStR 2016, 226 = SIS 16 00 90) folgt, für das sich aus
dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit
Durchgriffsrechten i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG
bestehe eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht (vgl. BFH-Urteil
in DStR 2016, 226 = SIS 16 00 90, unter II.1.c cc, Rz 34 ff.).
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105
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8. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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