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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Insolvenzverwalter über den Nachlass des am
8.5.2009 verstorbenen Erblasser. Erben sind je zur Hälfte die
Tochter und die Lebensgefährtin des Erblassers. Das
Nachlassinsolvenzverfahren wurde am 25.5.2010 eröffnet und der
Kläger zum Insolvenzverwalter bestimmt.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) stellte den Grundbesitzwert für ein
Grundstück des Erblassers durch Feststellungsbescheid vom
8.6.2010 in Höhe von 332.628 EUR gesondert fest. Nachdem das
FA die Tochter und die in Weißrussland wohnende
Lebensgefährtin des Erblassers vergeblich zur Abgabe einer
Erbschaftsteuererklärung aufgefordert hatte, schätzte es
die Besteuerungsgrundlagen unter Einbeziehung des Grundbesitzwerts
und setzte die Erbschaftsteuer gegen die Lebensgefährtin durch
Bescheid vom 30.8.2010 auf 48.990 EUR fest. Der Bescheid wurde
öffentlich zugestellt und nicht mit Einspruch
angefochten.
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Am 9.9.2010 teilte die Tochter des
Erblassers dem FA mit, die Lebensgefährtin des Erblassers habe
ihren Erbteil auf sie unentgeltlich übertragen und der
Nachlass sei überschuldet. Das FA meldete daraufhin die
Erbschaftsteuer als Nachlassforderung zur Insolvenztabelle an.
Nachdem der Kläger der Anmeldung im Prüfungstermin
widersprochen hatte, erließ das FA am 5.4.2012 einen auf
§ 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) gestützten
Feststellungsbescheid. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das
FA mit Einspruchsentscheidung vom 24.5.2012 als unbegründet
zurück.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Seiner Ansicht nach war das FA nicht befugt, die Erbschaftsteuer
gegen den Kläger durch Bescheid festzustellen. Die
Erbschaftsteuer sei keine Nachlassverbindlichkeit i.S. des §
325 der Insolvenzordnung (InsO) i.V.m. § 1967 Abs. 2 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Das Urteil ist in EFG 2014,
1363 = SIS 14 20 46 veröffentlicht.
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Dagegen richtet sich die Revision des FA.
Es rügt die fehlerhafte Anwendung des § 251 Abs. 3 AO.
Seiner Ansicht nach handelt es sich bei der Erbschaftsteuer um eine
Nachlassverbindlichkeit, die im Nachlassinsolvenzverfahren
angemeldet und ggf. nach § 251 Abs. 3 AO festgestellt werden
kann.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Das
angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass das FA die
geschuldete Erbschaftsteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit im
Rahmen des Nachlassinsolvenzverfahrens geltend machen und nach
§ 251 Abs. 3 AO durch Bescheid feststellen durfte. Die
tatsächlichen Feststellungen des FG lassen keine Entscheidung
darüber zu, ob die angemeldete Forderung der Höhe nach
zutreffend festgestellt wurde.
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1. Die Finanzbehörde kann einen Anspruch
aus dem Steuerschuldverhältnis, den sie im Insolvenzverfahren
über das Vermögen eines Steuerschuldners als
Insolvenzforderung geltend gemacht und zur Tabelle angemeldet hat,
nach § 251 Abs. 3 AO durch Bescheid feststellen, falls die
Forderung im Prüfungstermin bestritten wird. Voraussetzung
dafür ist, dass es sich bei dem geltend gemachten Anspruch aus
dem Steuerschuldverhältnis um eine Insolvenzforderung handelt.
Im Nachlassinsolvenzverfahren gelten dieselben Grundsätze. Das
Nachlassinsolvenzverfahren ist als besonderes Insolvenzverfahren
innerhalb der Insolvenzordnung geregelt (vgl. §§ 315 ff.
InsO). Die Vorschriften der InsO gehen der Verwaltungsvollstreckung
nach den Vorschriften der AO vor (§ 251 Abs. 2 Satz 1 AO).
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2. Im Nachlassinsolvenzverfahren können
nur Nachlassverbindlichkeiten als Insolvenzforderungen geltend
gemacht werden (§ 325 InsO). Zu den Nachlassverbindlichkeiten
gehören außer den vom Erblasser herrührenden
Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten
(§ 1967 Abs. 2 BGB). Zu den Erbfallschulden zählen neben
den in § 1967 Abs. 2 BGB beispielhaft genannten
Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und
Auflagen z.B. solche aus Erbersatzansprüchen,
vermächtnisähnlichen Ansprüchen,
Unterhaltsansprüchen, sowie die Kosten der Beerdigung,
sonstige Nachlasskosten und Kosten der Nachlassverwaltung (vgl.
Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl., § 1967 Rz 7). Eigenschulden
des Erben, die unabhängig vom Nachlass vor oder nach dem
Erbfall in der Person des Erben entstehen und ihn als Träger
seines eigenen Vermögens berühren, sind keine
Nachlassverbindlichkeiten, z.B. nach dem Erbfall entstandene
Grundbesitzabgaben für Nachlassgrundstücke (zur
Abgrenzung vgl. MünchKommBGB/Küpper, 6. Aufl., §
1967 Rz 25; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 1967 Rz 2 ff.).
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3. Die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger
aufgrund Erbanfalls nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 des
Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) i.V.m. § 1922 BGB geschuldete
Erbschaftsteuer ist eine Nachlassverbindlichkeit, die als
Nachlassinsolvenzforderung im Nachlassinsolvenzverfahren geltend
gemacht werden kann.
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a) Die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger
aufgrund Erbanfalls nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. §
1922 BGB geschuldete Erbschaftsteuer erfüllt alle
Voraussetzungen einer Erbfallschuld, denn sie entsteht allein aus
Anlass des Erbfalls und ohne Zutun des Erben (Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.4.1992 VII R 33/91, BFHE 168, 206,
BStBl II 1992, 781, 3 = SIS 92 17 06.b, und vom 11.8.1998 VII R
118/95, BFHE 186, 328, BStBl II 1998, 705 = SIS 98 20 87, II.A.3.b;
Beschluss des Oberlandesgerichts - OLG - Köln vom 7.5.2001 2
Wx 6/01, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge
- ZEV - 2001, 406; Urteil des OLG Sachsen-Anhalt vom 20.10.2006 10
U 33/06, ZEV 2007, 381; Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG, Rz
173; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 20 Rz 50;
Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung,
§ 45 AO Rz 27; Koenig, AO, 3. Aufl., § 45 Rz 20; Neumann
in Beermann/Gosch, AO § 251 Rz 217; Loose in Tipke/Kruse,
a.a.O., § 251 AO Rz 137; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 1967
Rz 7; Erman/Horn, BGB, 14. Aufl., § 1967 Rz 6; K. Schmidt in
K. Schmidt, Insolvenzordnung, 19. Aufl., § 325 Rz 5; Holzer in
Kübler/Prütting/Bork, Insolvenzordnung, § 325 Rz 5;
Busch in Graf-Schlicker, Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 325 Rz
2; Andres in Andres/Leithaus, Insolvenzordnung, 3. Aufl., §
325 Rz 3; Hess, Insolvenzrecht, § 325 Rz 9; Roth/Pfeuffer,
Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, S. 166 ff.).
Unerheblich ist, dass die Erbschaftsteuer gegen den Erben
persönlich und nicht gegen den Nachlass als solchen
festgesetzt wird. Dadurch unterscheidet sich die Erbschaftsteuer
nicht von anderen Erbfallschulden wie z.B. Beerdigungskosten, die
ebenfalls in der Person des Erben entstehen und gegen diesen auch
zivilrechtlich durchgesetzt werden können (vgl. Urteil des OLG
Sachsen-Anhalt in ZEV 2007, 381). Solche Erbfallschulden sind im
Falle der Nachlassinsolvenz ebenfalls als
Nachlassinsolvenzforderungen geltend zu machen.
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b) Die zu § 107 Abs. 2 Satz 1 der
Kostenordnung (KostO) ergangenen Entscheidungen (Beschluss des OLG
Hamm vom 3.7.1990 15 W 493/89, MDR 1990, 1014; Beschluss des OLG
Frankfurt vom 13.2.2003 20 W 35/02) stehen den vorstehenden
Ausführungen nicht entgegen. Diese lassen zwar eine
Berücksichtigung der Erbschaftsteuer als
Nachlassverbindlichkeit bei der Festsetzung der Gebühren im
Erbscheinerteilungsverfahren nicht zu, weil dies eine
Verkomplizierung des Verfahrens bedeuten würde, die mit dem
Zweck des § 107 Abs. 2 Satz 1 KostO nicht vereinbar wäre.
Das ist im Hinblick auf das Verfahren über die Kosten
zutreffend. Die hier maßgebliche Rechtsfrage, ob die
Erbschaftsteuer eine Nachlassverbindlichkeit im
Nachlassinsolvenzverfahren sein kann, ist damit aber nicht
entschieden.
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c) Dasselbe gilt für das Urteil des
Reichsgerichts (RG) vom 15.11.1943 III 77/43 (Entscheidungen des
Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - 172, 147). Darin hat das RG
ausgeführt, dass die Erbschaftsteuer nicht zu den eigentlichen
Nachlassverbindlichkeiten rechne. Anderenfalls wäre §
2379 Satz 3 BGB, wonach der Käufer einer Erbschaft für zu
entrichtende Abgaben haftet, neben § 2378 Abs. 1 BGB, wonach
der Käufer einer Erbschaft dem Verkäufer gegenüber
zur Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten verpflichtet ist,
überflüssig. Daraus lässt sich jedoch nicht
herleiten, dass die Erbschaftsteuer nicht als Insolvenzforderung im
Nachlassinsolvenzverfahren geltend zu machen ist. Zum einen ist die
Entscheidung zu einem anderen Sachverhalt ergangen. Zum anderen
enthält § 2379 Satz 3 BGB eine Sonderreglung für die
Haftung des Käufers einer Erbschaft, die keine allgemeinen
Rückschlüsse für die Behandlung der Erbschaftsteuer
im Nachlassinsolvenzverfahren zulässt. Im Übrigen setzt
§ 2379 Satz 3 BGB seinem Wortlaut nach selbst voraus, dass die
Abgaben von der Erbschaft zu entrichten sind. Das spricht eher
dafür, die dort genannten Abgaben als
Nachlassverbindlichkeiten anzusehen.
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d) Die Zulässigkeit der Geltendmachung
der Erbschaftsteuer als Insolvenzforderung im
Nachlassinsolvenzverfahren folgt bis zur Auseinandersetzung
mehrerer Miterben auch aus § 20 Abs. 3 ErbStG (Urteil des
Bundesgerichtshofs - BGH - vom 10.10.2013 IX ZR 30/12, NJW 2014,
391, Rz 21). Danach haftet der Nachlass für die Steuer der am
Erbfall Beteiligten bis zur Auseinandersetzung der
Erbengemeinschaft. Daraus folgt, dass die Erbschaftsteuer bis zur
Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft im
Nachlassinsolvenzverfahren grundsätzlich eine
Insolvenzforderung i.S. des § 38 Abs. 1 InsO ist (BGH-Urteil
in NJW 2014, 391, Rz 21).
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e) Entgegen der teilweise in der
Rechtsprechung und der Kommentarliteratur vertretenen anderen
Auffassung (vgl. Beschluss des OLG Hamm in MDR 1990, 1014;
Beschluss des OLG Frankfurt vom 13.2.2003 20 W 35/02; Urteil des
OLG Frankfurt vom 27.1.2012 24 U 38/11; Meincke, Erbschaftsteuer-
und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 20 Rz 12;
Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 45 AO Rz
64; MünchKommBGB/Küpper, a.a.O., § 1967 Rz 16;
Marotzke in Staudinger, BGB, § 1967 Rz 33; Lüer in
Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Aufl., § 325 Rz 8;
Schallenberg/Rafiqpoor in Frankfurter Kommentar zur
Insolvenzordnung, 8. Aufl., § 325 Rz 8) folgt aus § 20
Abs. 3 ErbStG nicht im Umkehrschluss, dass nach der
Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft die Erbschaftsteuer nicht
mehr als Insolvenzforderung im Nachlassinsolvenzverfahren geltend
gemacht werden kann.
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aa) Das ergibt sich zum einen daraus, dass die
im Zeitpunkt der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens
bereits erfolgte Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft für
das Nachlassinsolvenzverfahren keine Bedeutung entfaltet. Mit
Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens werden das
Vermögen des Erben und der Nachlass mit Rückwirkung
getrennt (§ 1976 BGB; vgl. Palandt/Weidlich, a.a.O., §
1976 Rz 1). Wird das Nachlassinsolvenzverfahren erst nach der
Auseinandersetzung eröffnet (vgl. § 316 Abs. 2 InsO),
kann der Insolvenzverwalter die bereits verteilten
Nachlassgegenstände zur Masse zurückfordern und die
Auseinandersetzung so im Ergebnis rückgängig machen
(Schallenberg/Rafiqpoor in Frankfurter Kommentar zur
Insolvenzordnung, a.a.O., § 316 Rz 5; Lüer in Uhlenbruck,
a.a.O., § 316 Rz 5 f.; m.w.N.).
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bb) Zum anderen hat § 20 Abs. 3 ErbStG
einen anderen Regelungsgehalt. Danach tritt die Haftung des
Nachlasses nach § 20 Abs. 3 ErbStG bis zur Auseinandersetzung
der Miterben neben die der Erben für alle
Nachlassverbindlichkeiten nach § 1967 Abs. 1 BGB. Die
Vorschrift ist eine Sicherungsmaßnahme zugunsten der
Finanzbehörde (RG-Urteil in RGZ 172, 147, 149, zur
Vorgängervorschrift). Die Vorschrift stellt klar, dass der
ungeteilte Nachlass für die Erbschaftsteuer aller am Erbfall
Beteiligten nur bis zur Auseinandersetzung haftet (BRDrucks 140/72,
S. 73; vgl. Meincke, a.a.O., § 20 Rz 11). Bis zur Neuregelung
durch das ErbStG 1974 hafteten die Erben persönlich bis zur
Höhe des Werts des aus dem Nachlass Empfangenen (vgl. §
15 Abs. 3 ErbStG 1959). Diese auch nach der Auseinandersetzung
bestehende Haftung ging nach Ansicht des Gesetzgebers zu weit und
sollte durch § 20 Abs. 3 ErbStG 1974 auf die Zeit vor der
Auseinandersetzung beschränkt werden (BRDrucks 140/72, S. 73).
Hintergrund dieser Überlegung war, dass die Erben die
gegenseitige Haftung bei der Auseinandersetzung
berücksichtigen könnten, nach der Auseinandersetzung
jedoch nicht mehr (BRDrucks 140/72, S. 73). Die
Berücksichtigung der Erbschaftsteuer als
Nachlassverbindlichkeit war nicht Gegenstand der Regelung.
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cc) Es kann dabei dahinstehen, ob § 20
Abs. 3 ErbStG nicht nur die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
i.V.m. § 1922 BGB in Person des oder der (Mit-)Erben
entstandene Erbschaftsteuer umfasst, sondern auch eine Haftung des
Nachlasses für die Erbschaftsteuer aller am Erbfall
Beteiligten, einschließlich Vermächtnisnehmer (für
eine umfassende Haftung Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, a.a.O.,
§ 20 Rz 52; Jüptner in
Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 5. Aufl., § 20 Rz
32; Richter in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz,
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4.
Aufl., § 20 ErbStG Rz 20; Geck in Kapp/Ebeling, a.a.O., §
20 ErbStG Rz 15; a.A. Meincke, a.a.O., § 20 Rz 11). Jedenfalls
steht § 20 Abs. 3 ErbStG seinem Wortlaut und seinem
Regelungsgehalt nach der Einordnung der vom Erben geschuldeten
Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit nicht entgegen.
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f) § 10 Abs. 8 ErbStG steht der
Einordnung der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit
ebenfalls nicht entgegen. Danach ist die von dem Erwerber zu
entrichtende eigene Erbschaftsteuer nicht als
Nachlassverbindlichkeit bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer
abzugsfähig. Dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass die
Erbschaftsteuer nach den allgemeinen Grundsätzen nach §
10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG grundsätzlich als
Nachlassverbindlichkeit anzusehen ist und nur aufgrund der
Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 8 ErbStG („soweit
sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes
ergibt“) nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen
werden darf.
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g) Die aufgrund eines Vermächtnisses,
eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§ 3 Abs. 1 Nr.
1 ErbStG) oder die aufgrund sonstiger Erwerbstatbestände des
§ 3 Abs. 1 und 2 ErbStG geschuldete Erbschaftsteuer beruht
nicht auf der Gesamtrechtsnachfolge. Die insoweit anfallende
Erbschaftsteuer ist keine Nachlassverbindlichkeit i.S. des §
325 InsO, § 1967 BGB und außerhalb eines
Insolvenzverfahrens über den Nachlass gegen den jeweiligen
Erwerber persönlich geltend zu machen. Das gilt selbst dann,
wenn der Erbe, z.B. im Falle eines Vorausvermächtnisses,
selbst Vermächtnisnehmer wird oder neben dem Erbe
zusätzlich einen Versicherungsanspruch (vgl. § 3 Abs. 1
Nr. 4 ErbStG) erlangt. Insoweit entsteht die Erbschaftsteuer zwar
auch in der Person des Erben und wird einheitlich gegen ihn
festgesetzt. Sie trifft ihn jedoch nicht als Erben und
Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers, sondern als sonstigen
Erwerber außerhalb des Nachlasses. Ggf. wäre die
Erbschaftsteuer im Nachlassinsolvenzverfahren aufzuteilen und nur
der Teil, der prozentual auf den Erwerb des Nachlasses
entfällt, als Nachlassinsolvenzforderung anzumelden.
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Daraus folgt keine unsachgerechte
Privilegierung des Erben gegenüber anderen Erwerbern,
insbesondere nicht gegenüber Vermächtnisnehmern (a.A.
Meincke, a.a.O., § 20 Rz 12a). Die Haftung des Erben für
Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 Abs. 1 BGB) und die
Möglichkeit des Erben, die Haftung - auch im Hinblick auf die
Erbschaftsteuer - auf den Nachlass zu beschränken (§ 1975
BGB) korrespondieren vielmehr mit der kurzen Frist, innerhalb der
der Erbe die Erbschaft ausschlagen muss (vgl. § 1944 Abs. 1
BGB). Der Erbe trägt nach Ablauf der Ausschlagungsfrist das
Risiko eines Wertverfalls des Nachlasses oder der Aufdeckung
weiterer Nachlassverbindlichkeiten. Demgegenüber kann der
Vermächtnisnehmer - anders als der Erbe - das Vermächtnis
bis zur Annahme jederzeit (vgl. § 2180 Abs. 1 BGB;
Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2180 Rz 1) ausschlagen und dadurch
Wertverlusten begegnen, die - ausnahmsweise - dazu führen
können, dass die Erbschaftsteuer höher ist als der Wert
des Vermächtnisses selbst. Die Ausschlagung hat in diesen
Fällen zur Folge, dass die Steuerpflicht mit Rückwirkung
nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO entfällt (vgl. Meincke,
a.a.O., § 3 Rz 39 a.E.).
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4. Im Streitfall konnte das FA die
Erbschaftsteuer im Nachlassinsolvenzverfahren durch
Insolvenzfeststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO geltend
machen. Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung
ausging, war sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG
hat - von seiner Rechtsauffassung ausgehend zutreffend - nicht
festgestellt, ob die geltend gemachte Forderung der Höhe nach
besteht.
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a) Ein gemäß § 251 Abs. 3 AO
erlassener Bescheid hat die Feststellung zum Inhalt, dass der
bestrittene Anspruch in der geltend gemachten Höhe besteht und
i.S. von § 38 InsO begründet ist (BFH-Urteil vom
11.12.2013 XI R 22/11, BFHE 244, 209, BStBl II 2014, 332 = SIS 14 04 57, Rz 25). Wird der Feststellungsbescheid unanfechtbar, wirkt
er in entsprechender Anwendung der Regelung in § 183 Abs. 1
InsO wie eine rechtskräftige Entscheidung gegenüber dem
Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (vgl. Jatzke
in HHSp, § 251 AO Rz 423). Nichts anderes gilt im
Nachlassinsolvenzverfahren (vgl. BGH-Urteil in MDR 2014, 114, Rz
21). Ist die Steuerforderung bereits durch einen
bestandskräftigen Steuerbescheid festgesetzt, erschöpft
sich die Feststellung darin, dass der Bescheid nicht mehr mit
Rechtsmitteln angefochten oder durch Änderungsvorschriften
geändert werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 23.2.2010 VII R
48/07, BFHE 228, 134, BStBl II 2010, 562 = SIS 10 09 21; Loose in
Tipke/Kruse, a.a.O., § 251 AO Rz 66).
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b) Das FG hat zwar festgestellt, dass der
Erbschaftsteuerbescheid vom 30.8.2010 nicht mit dem Einspruch
angefochten wurde. Es hat aber nicht erkannt, dass das FA die
Erbschaftsteuer nach Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens
am 25.5.2010 nicht mehr wirksam gegenüber der Erbin festsetzen
konnte.
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Mit der Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens wird das Besteuerungsverfahren in
entsprechender Anwendung des § 240 der Zivilprozessordnung
unterbrochen. Dies hat zur Folge, dass eine Finanzbehörde nach
Eröffnung des Verfahrens Steuern, die zur Insolvenztabelle
anzumelden sind, nicht mehr festsetzen darf (vgl. BFH-Urteil vom
1.4.2003 I R 51/02, BFHE 202, 275, BStBl II 2003, 779 = SIS 03 36 50). Dasselbe gilt im Nachlassinsolvenzverfahren im Hinblick auf
die festzusetzende Erbschaftsteuer. Als Nachlassinsolvenzforderung
war die Erbschaftsteuer - wie geschehen - zur Insolvenztabelle
anzumelden und nach § 251 Abs. 3 AO gegenüber dem
Kläger festzustellen.
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c) Bei der Feststellung, ob die
Erbschaftsteuer in der festgestellten Höhe besteht, wird das
FG zu beachten haben, dass der Bescheid über die gesonderte
Feststellung des Grundbesitzwerts vom 8.6.2010 ebenfalls keine
Bindungswirkung entfaltet. Dieser Bescheid hätte nach
Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht mehr gegen die
Erben erlassen werden dürfen, denn er stellt
Besteuerungsgrundlagen fest, die für eine Insolvenzforderung
von Bedeutung sind (vgl. BFH-Urteile
vom 18.12.2002 I R 33/01, BFHE 201, 392, BStBl II 2003, 630 =
SIS 03 23 23, und in BFHE 202, 275,
BStBl II 2003, 779 = SIS 03 36 50; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O.,
§ 251 AO Rz 46).
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5. Die Übertragung der Entscheidung
über die Kosten des Revisionsverfahrens auf das FG beruht auf
§ 143 Abs. 2 FGO.
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