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I. Die Beteiligten streiten über die
steuerliche Behandlung von in einem Verlagsvertrag vereinbarten
sog. Vorschuss- bzw. Vorauszahlungen.
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Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erzielte in den Streitjahren (2005 und 2006) u.a. als
Autor/Musikproduzent Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit,
die er durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes - EStG - ) ermittelte.
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3
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Im Jahr 1998 hatte der Kläger mit der
X einen sog. Autoren-Exklusivvertrag geschlossen, dessen Gegenstand
die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Publikation und
verlegerischen Auswertung von Werken der Tonkunst (Kompositionen
mit/ohne Text sowie Text allein und Bearbeitungen freier Werke) war
(Verlagsvertrag). Dieser Vertrag umfasste sämtliche Werke der
Tonkunst, die während der Vertragszeit vom Kläger allein
oder mit anderen Autoren geschaffen werden sollten, sowie
sämtliche Werke, die vor der Vertragszeit geschaffen und
bisher noch nicht verlegerisch verwertet worden waren. Der
Kläger verpflichtete sich, pro Vertragsjahr mindestens zehn
neue und bisher unveröffentlichte, handelsüblich fertig
produzierte Werke zu liefern. Sofern er in einem Vertragsjahr diese
Verpflichtung nicht erfüllte, verlängerte sich das
betreffende Vertragsjahr automatisch bis zu dem Zeitpunkt, in dem
die jeweilige Mindestverpflichtung vollständig erfüllt
war.
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Der Kläger räumte der X
sämtliche Nutzungsrechte für alle Nutzungs- und
Verwertungsarten ein (Recht der mechanischen Verbreitung,
Aufführungsrechte, Filmherstellungsrechte, Druckrechte, Recht
der werblichen Nutzung, Multimedia-, Datenbank- und
Telekommunikationsrechte und sonstige Rechte). Für diese
sollten die Regelungen des Verteilungsplanes der GEMA gelten. Im
Anhang zum Verlagsvertrag waren die Beteiligungsrechte
aufgeführt, die nicht der Verwertung durch die GEMA unterlagen
(z.B. Druckausgaben, Filmherstellungsrechte etc.). Deren Abrechnung
durch die X regelt § 6 des Verlagsvertrages.
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Die Vereinbarung zur Zahlung des
streitgegenständlichen sog. Vorschusses in § 10 des
Verlagsvertrages lautet:
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„Für die Einräumung der
vertragsgegenständlichen Rechte einschließlich der
Exklusivitätsvereinbarung erhält der Autor vom Verlag
einen Vorschuss gemäß den Sonderregelungen im Anhang
Ziffer 14. Über die Höhe des jeweiligen Vorschusses wird
der Autor dem Verlag eine Zessions-Erklärung entsprechend den
Bedingungen der GEMA-Zessionserklärungen abgeben. Die
Einzelheiten hierzu sind im Anhang Ziffer 14
geregelt.“
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Dort verpflichtete sich die X „mit
Abschluss dieses Vertrages an den Autor eine nichtverzinsliche,
nicht rückzahlbare, jedoch vollständig verrechenbare
Vorauszahlung in Höhe von DM 30.000 [...] zu leisten, die
fällig ist mit Unterschrift dieses Vertrages, jedoch nicht vor
Genehmigung der nachfolgend bezeichneten GEMA-Generalzession durch
die GEMA“. Unter der Voraussetzung der Verrechenbarkeit
gewährleistete der Kläger, dass diese Vorauszahlung mit
seinem ihm jeweils zustehenden Autorenanteil aus der Auswertung
seiner Werke verrechnet werden konnte. Zur Sicherung der
Verrechenbarkeit dieses Anspruchs trat der Kläger seine ihm
weltweit als Autor zustehenden Auswertungserlöse, die ihm
durch Dritte gezahlt werden, bis zur Höhe des
Vorschussbetrages an die X ab. Für den Fall, dass bei
Beendigung des Verlagsvertrages nicht sämtliche von der X an
den Kläger geleisteten Vorauszahlungen abgedeckt waren, sollte
sich die Vertragsdauer einschließlich der
Mindesteinbringungsverpflichtung automatisch bis zum Ende des
Kalenderhalbjahres, in dem die Vorauszahlungen vollständig
abgedeckt waren, verlängern, ohne dass die X zu einer weiteren
Vorauszahlung verpflichtet war.
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Der Verlagsvertrag aus dem Jahr 1998 wurde
mehrfach verlängert, ergänzt bzw. geändert. In
diesem Zusammenhang wurden weitere sog. Vorauszahlungen
„zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer gegen
Rechnungstellung“ vereinbart.
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In den Streitjahren erfasste der
Kläger die von der X gezahlten sog. Vorschüsse nicht als
Einnahmen, sondern als Auszahlung von Darlehensmitteln. Als
Einnahmen behandelte er lediglich die ihm zustehenden Zahlungen der
GEMA (Autorenanteil), die aufgrund der Abtretung allerdings nicht
an den Kläger, sondern direkt an die X geleistet
wurden.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) veranlagte den Kläger in den Streitjahren
zunächst erklärungsgemäß. Die
Einkommensteuerbescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung.
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Im Rahmen einer Außenprüfung
gelangte die Prüferin zu dem Ergebnis, dass der Kläger
die auf der Grundlage des Verlagsvertrages von der X erbrachten
sog. Vorauszahlungen unzutreffend als Darlehen beurteilt und
erfolgsneutral erfasst habe. Die sog. Vorauszahlungen seien bereits
mit dem Zufluss als steuerpflichtig zu behandeln. Soweit
Vorschüsse später zurückgezahlt würden,
stellten sie Betriebsausgaben im Jahr der Rückzahlung
dar.
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Das FA schloss sich dieser Auffassung an
und erließ am 27.5.2010
Einkommensteueränderungsbescheide für die Streitjahre,
die Gewinnerhöhungen von 15.081,12 EUR (2005) und 71.149,28
EUR (2006) auswiesen. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb
ebenso wie die Klage für die Streitjahre ohne Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) gelangte in seinem
Urteil vom 24.10.2013 4 K 4311/10 zu der Überzeugung, dass die
zwischen dem Kläger und der X geschlossenen Vereinbarungen
hinsichtlich der sog. Vorauszahlungen nicht als Darlehen zu
qualifizieren seien. Hierfür sprächen die in dem
Verlagsvertrag verwendeten Formulierungen „Vorschuss“
und „Vorauszahlung“, der Wille der Parteien und die Art
und Weise der Durchführung des Vertrages. Die
Vorschusszahlungen seien wesentlicher Teil der Gegenleistung der X
an den Kläger für dessen vollumfängliche
Übertragung der Verwertungsrechte. Wesentlicher Anhaltspunkt
dafür, dass es sich um Vorschusszahlungen handele, sei die
vereinbarte Mindestablieferungsverpflichtung des Klägers. Aus
dieser ergebe sich - im Unterschied zu dem vom FG Düsseldorf
im Urteil vom 26.2.2010 13 K 3950/06 E (EFG 2011, 313 = SIS 11 03 25) entschiedenen Fall -, dass weder der Geber der Vorschusszahlung
noch der Nehmer derselben eine von dem Grundgeschäft
unabhängige Schuld habe begründen wollen.
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Für die Annahme eines Darlehens fehle
es an einer klaren Vereinbarung, dass der als Vorschuss
gewährte Betrag in keinem Zusammenhang mit dem Verlagsvertrag
stehe. Gegen ein Darlehen spreche ferner, dass die sog.
Vorauszahlungen nach den in den Streitjahren geltenden
Vereinbarungen zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer
geschuldet gewesen seien, der Kläger entsprechende Rechnungen
gestellt und Umsatzsteuer an das FA abgeführt habe.
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Mit der hiergegen gerichteten Revision
rügt der Kläger die Verletzung von § 4 Abs. 3 EStG.
Insbesondere stünden die von der X geleisteten Zahlungen in
keinerlei Zusammenhang mit den originären Ansprüchen aus
dem Verlagsvertrag, weil mit der sog. Vorauszahlung keine
später fällig werdende Leistungsverpflichtung des
Verlages gegenüber dem Musikurheber korrespondiere. Bei der
sog. Vorauszahlung handele es sich um eine Vorfinanzierung von
späteren Geldzuflüssen, die der Kläger als
Wahrnehmungsberechtigter von Seiten der GEMA zu erwarten habe. Die
Vorauszahlung erfolge gerade nicht auf Leistungen, die die X zu
bewirken habe, sondern werde nur gezahlt, damit der Urheber
jedenfalls für die Dauer seiner
Darlehensrückzahlungsverpflichtung gehalten sei, bei der
Veröffentlichung neuer Musikwerke erneut mit dem
Darlehensgeber einen Verlagsvertrag zu schließen. Die Rolle
des Verlages sei vergleichbar mit der einer Bank, die das
Geschäft eines Unternehmers vorfinanziere und sich als
Sicherheit das Anlagevermögen sicherungsübereignen lasse.
Die Bank erhalte hierfür Zinsen, der Musikverlag 40 % der
Erlöse. Beide Vertragsbeteiligten hätten das
Vertragsverhältnis als Darlehen verstanden und
behandelt.
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Die fehlerhafte umsatzsteuerliche
Behandlung durch den Kläger habe für die Auslegung des
Parteiwillens wenig Aussagekraft und auch die gewählte
Bezeichnung als „Vorschuss“ oder
„Vorauszahlung“ ändere nichts an der Bewertung der
Zahlungen als Darlehen.
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Der Kläger beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil der Vorinstanz
aufzuheben und die Einkommensteueränderungsbescheide für
die Jahre 2005 und 2006 vom 27.5.2010 sowie die
Einspruchsentscheidung vom 11.11.2010 dahin zu ändern, dass
die Gewinnerhöhungen aus der Erfassung der Vorschusszahlungen
rückgängig gemacht werden.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Das FG ist auf der Grundlage seiner
revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des
streitbefangenen Verlagsvertrages im Ergebnis zutreffend davon
ausgegangen, dass die von der X an den Kläger erbrachten
Zahlungen in den Streitjahren als Betriebseinnahmen zu erfassen
sind.
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1. Betriebseinnahmen sind in Anlehnung an
§ 8 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld
oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind.
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Ein Wertzuwachs ist betrieblich veranlasst,
wenn ein nicht nur äußerlicher, sondern sachlicher,
wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben ist. Als betrieblich
veranlasst sind nicht nur solche Einnahmen zu werten, die aus der
maßgeblichen Sicht des Unternehmers Entgelt für
betriebliche Leistungen darstellen. Es ist weder erforderlich, dass
der Vermögenszuwachs im Betrieb erwirtschaftet wurde, noch,
dass der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf die Einnahme
hat. Betriebseinnahmen können auch vorliegen, wenn der
Steuerpflichtige als Betriebsinhaber unentgeltliche Zuwendungen
erhält, mit denen weder ein zuvor begründeter
Rechtsanspruch erfüllt, noch eine in der Vergangenheit
erbrachte Leistung vergütet werden soll (z.B. Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2.9.2008 X R 25/07, BFHE 223, 35,
BStBl II 2010, 550 = SIS 08 41 86; vom 14.3.2006 VIII R 60/03, BFHE
212, 535, BStBl II 2006, 650 = SIS 06 31 23). Auch das
„Behaltendürfen“ des Gezahlten ist nicht
Merkmal des Zuflusses einer Betriebseinnahme (vgl. BFH-Urteil vom
13.10.1989 III R 30-31/85, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287 = SIS 90 06 07).
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2. Unter Zugrundelegung dieser
Rechtsgrundsätze hat das FG in nicht zu beanstandender Weise
durch die Auslegung des Verlagsvertrages festgestellt, dass die
Zahlungen dem Kläger als Betriebseinnahmen und nicht aufgrund
eines Darlehensvertrages zugeflossen sind.
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a) Die Tatsachen- und Beweiswürdigung
durch das FG, zu der auch die Auslegung von Verträgen
gehört, ist für das Revisionsgericht grundsätzlich
bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Dies setzt voraus, dass die
Vorinstanz die Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie die
für die Vertragsauslegung zu beachtenden Auslegungsregeln
zutreffend angewandt hat. Die Bindungswirkung entfällt deshalb
insbesondere dann, wenn die Auslegung in sich widersprüchlich,
unklar oder lückenhaft ist, weil beispielsweise die für
die Interessenlage der Beteiligten bedeutsamen Begleitumstände
nicht erforscht und/oder nicht zutreffend gewürdigt worden
sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom
5.9.2000 IX R 33/97, BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676 = SIS 00 13 60, unter II.2.a [3]; vom 11.1.2005 IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl
II 2005, 477 = SIS 05 21 69, unter II.2.b aa; vom 10.2.2010 XI R
49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109 = SIS 10 06 47, Rz 33;
vom 1.2.2012 I R 57/10, BFHE 236, 374, BStBl 2012, 407 = SIS 12 11 16, Rz 22, jeweils m.w.N.). Das ist vorliegend nicht der Fall, so
dass der Senat an die Vertragsauslegung des FG gebunden ist.
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b) Das FG konnte sich bei der Auslegung der
zwischen dem Kläger und der X getroffenen Abreden - neben dem
Wortlaut der Vereinbarung - maßgeblich darauf stützen,
dass die Vorschusszahlung wesentlicher Bestandteil der
Gegenleistung der X für die Verwertungsrechte des Klägers
und die Mindestablieferungspflicht von Musikstücken war.
Berücksichtigen konnte das FG dabei auch, dass es an einer
klaren Vereinbarung über ein Darlehen fehlte und dass die
Vertragsparteien keine gegenüber dem Verlagsvertrag
unabhängige Schuld begründen wollten.
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c) Diese Würdigung des FG ist im
Gesamtkontext der vertraglichen Verpflichtungen nachvollziehbar.
Der Kläger hatte in dem Verlagsvertrag die wesentlichen
Nutzungsrechte an seinen Werken exklusiv auf die X übertragen
und sich zudem verpflichtet, pro Vertragsjahr mindestens zehn neue,
unveröffentlichte Werke zu liefern. Er hatte als Urheber der
Werke grundsätzlich ein fertiges, druckreifes musikalisches
Werk abzuliefern und dem Verlag das Werk zur Vervielfältigung
und Verbreitung auf eigene Rechnung (Verlagsrecht) zu
überlassen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.4.2010 I
ZR 197/07, NJW 2011, 775). Nur weil der Kläger diese
Verpflichtungen übernommen hatte, war die X bereit, eine
Vorfinanzierung in Bezug auf künftige Zahlungsansprüche
des Klägers gegenüber der GEMA zu übernehmen. Diese
Vorfinanzierungsverpflichtung der X war demnach integraler
Bestandteil des Verlagsvertrages.
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d) Allein der Umstand, dass der Kläger
die nicht rückzahlbaren Zahlungen mit seinen Ansprüchen
gegenüber der GEMA (Autorenanteil) zu verrechnen hatte,
begründet keine - gegenüber den vertraglichen
Vereinbarungen - gesonderte Darlehensabrede mit der X.
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Zum einen löste diese Verpflichtung die
Vorfinanzierungszusage nicht aus dem Regelungsgeflecht des
Verlagsvertrages. Zum anderen war die Erstattungspflicht des
Klägers auf die Verrechnung mit den ihm zustehenden
Vergütungsansprüchen gegenüber der GEMA
(Autorenanteil) beschränkt. Sie führte - abgesehen vom
Fall der Beendigung der Mitgliedschaft in der GEMA (§ 2 des
Verlagsvertrages) - nur im Erfolgsfall zur Rückführung
der Zahlungen an die X.
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Dementsprechend haben die Beteiligten auf die
Vereinbarung fester Rückzahlungstermine oder
–beträge verzichtet. Es fehlt folglich an einer
darlehenstypischen Vereinbarung über eine unbedingte
Rückzahlungsverpflichtung des Klägers.
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e) Diesem Verständnis der vertraglichen
Abreden steht das Schreiben der X vom 29.3.2011 nicht entgegen. Die
dort vorgenommene Wertung, die an den Kläger geleisteten
Zahlungen seien „ausschließlich als auf
Darlehensbasis gewährte Vorauszahlungen“ auf die vom
Kläger „zu erwartenden GEMA Vergütungen zu
betrachten“, ist weder eindeutig, noch für die
rechtliche Qualifizierung bindend.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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