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Das Finanzgericht (FG) wies mit dem in EFG
2016, 1607 = SIS 16 18 47 veröffentlichten Urteil die Klage ab
und führte im Wesentlichen aus, die Verluste aus der
Grundstücksveräußerung seien nicht - auch nicht
teilweise - im Streitjahr entstanden. Bei der Frage, in welchem
Jahr der Veräußerungsverlust bei einer Ratenzahlung zu
erfassen sei, sei ebenso vorzugehen wie bei der
Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns. Ein
Veräußerungsgewinn, der insgesamt erzielt werde, sei
nicht bereits (anteilig) bei Zahlung der ersten Rate, die unter den
Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten liege, zu erfassen, sondern
erst in dem Zeitpunkt zu versteuern, in dem die Anschaffungs- oder
Herstellungskosten und Werbungskosten überschritten
würden. Erst nach Zahlung der letzten Rate stehe die Höhe
des Gesamtverlustes fest. Die bereits bei Vertragsschluss oder bei
Zahlung der ersten Kaufpreisrate(n) voraussichtlichen Verluste
seien im ersten Jahr der Ratenzahlungen weder anteilig noch in
voller Höhe steuerlich zu berücksichtigen.
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 23 Abs. 3
des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres - EStG
- ).
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Sie beantragt sinngemäß, das
Urteil des FG und den Bescheid über die Ablehnung des
Änderungsantrags vom 8.2.2010 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 22.3.2013 aufzuheben und den Bescheid
für das Streitjahr über die gesonderte und einheitliche
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 30.3.2009 mit der
Maßgabe zu ändern, dass Verluste aus privaten
Veräußerungsgeschäften in Höhe von 142.152,40
EUR festgestellt werden
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur teilweisen Stattgabe der Klage. Das FG hat zu Unrecht nicht
gemäß § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 EStG einen Verlust aus dem
Veräußerungsgeschäft in Höhe von 26.861 EUR
berücksichtigt. Eine darüber hinausgehende
Verlustberücksichtigung ist im Streitjahr jedoch
ausgeschlossen.
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1. Nach § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige
Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften
i.S. des § 23 EStG. Diese umfassen gemäß § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a.
Grundstücksveräußerungen, bei denen der Zeitraum
zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn
Jahre beträgt. Dieser Tatbestand ist bei den in Rede stehenden
Grundstückshälften unstreitig erfüllt.
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2. Anders als das FG und die Beteiligten
meinen, ist der Veräußerungsverlust anteilig nach dem
Verhältnis der Teilzahlungsbeträge zum
Gesamtveräußerungserlös in den jeweiligen
Veranlagungszeiträumen der Zahlungszuflüsse
anzusetzen.
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a) Gewinn oder Verlust aus
Veräußerungsgeschäften i.S. des § 22 Nr. 2
EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist gemäß
§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG der Unterschied zwischen
Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder
Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Die
Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindern sich um Absetzungen
für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und
Sonderabschreibungen, soweit sie bei der Ermittlung der
Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 6 EStG
abgezogen worden sind (§ 23 Abs. 3 Satz 4 EStG). Der im
Streitfall in der Höhe unstreitige
„Unterschied“ oder Gesamtverlust aus dem
privaten Veräußerungsgeschäft beträgt
67.152,50 EUR (= anteiliger - steuerbarer -
Veräußerungserlös in Höhe von 125.000 EUR ./.
Anschaffungskosten in Höhe von 231.339,23 EUR + Absetzungen
für Abnutzung in Höhe von 39.347,73 EUR ./.
Veräußerungskosten in Höhe von 161 EUR).
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b) § 23 Abs. 3 EStG betrifft aber als
Einkünfteermittlungsregel nur die Frage, wie der Gewinn oder
Verlust aus dem privaten Veräußerungsgeschäft
errechnet wird. Hierfür ist der tatsächliche
Veräußerungspreis maßgebend, unabhängig
davon, wann und auf welche Weise er zu entrichten ist (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2.4.1974 VIII R 76/69, BFHE 112, 348,
BStBl II 1974, 540 = SIS 74 03 06). Für welches Kalenderjahr
der Gewinn oder Verlust aus dem privaten
Veräußerungsgeschäft erfasst wird, ist nach dem
Zufluss (§ 11 Abs. 1 EStG) des
Veräußerungserlöses zu beurteilen (BFH-Urteile in
BFHE 112, 348, BStBl II 1974, 540 = SIS 74 03 06; vom 17.7.1991 X R
6/91, BFHE 165, 85, BStBl II 1991, 916 = SIS 91 21 08; vom
11.11.2009 IX R 57/08, BFHE 227, 431, BStBl II 2010, 607 = SIS 10 04 95). Bei zeitlicher Streckung der Zahlung wird der
Veräußerungspreis in mehreren
Veranlagungszeiträumen erfasst (BFH-Urteil in BFHE 227, 431,
BStBl II 2010, 607 = SIS 10 04 95, betreffend einen Gewinnfall).
Vor diesem Hintergrund ist es in Verlustfällen sachgerecht,
dass mit dem Zufluss des jeweiligen Teilzahlungsbetrags der Verlust
anteilig entsteht (gleicher A. Blümich/Glenk, § 23 EStG
Rz 222; a.A. Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz
320, ohne Begründung, der den Gesamtverlust im Zuflussjahr der
ersten Rate ansetzt). Der Veräußerungsverlust fällt
mithin anteilig nach dem Verhältnis der
Teilzahlungsbeträge zum
Gesamtveräußerungserlös in den jeweiligen
Veranlagungszeiträumen der Zahlungszuflüsse an (gleicher
A. Klammer, EFG 2016, 1608). Die mit dem privaten
Veräußerungsgeschäft wirtschaftlich
zusammenhängenden Aufwendungen, d.h. die Anschaffungs- oder
Herstellungskosten und Werbungskosten, sind in einem solchen Fall
erst in dem Veranlagungszeitraum anteilig abziehbar, in dem der
jeweilige Teilerlös aus dem privaten
Veräußerungsgeschäft zufließt. Mit diesem
veranlagungszeitraumbezogenen Ausgleich zwischen den vom dem
Steuerpflichtigen erwirtschafteten, steuerbaren Einnahmen und den
zur Erzielung dieser Einnahmen aufgewendeten, anteiligen Ausgaben,
tritt dem Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit folgend
eine periodengerechte Leistungsfähigkeitsbemessung nach dem
objektiven Nettoprinzip ein. Aus der Geltung des Zuflussprinzips
und der veranlagungszeitraumbezogenen
Leistungsfähigkeitsbeurteilung folgt für die hier in Rede
stehenden Verlustfälle ebenfalls, dass es nicht möglich
ist, den Gesamtverlust bereits im ersten Zuflussjahr einer
Kaufpreisrate oder erst im letzten Zuflussjahr einer Kaufpreisrate
zu berücksichtigen, oder - wie die Klägerin geltend macht
- dass von dem Teilzahlungsbetrag des ersten Zuflussjahres die
gesamten (lediglich um die Absetzungen für Abnutzung
geminderten) Anschaffungskosten und Werbungskosten abgezogen werden
können, was zu einem überhöhten, nicht den
tatsächlichen Umständen entsprechenden Verlust in diesem
Veranlagungszeitraum führen würde.
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c) Auch können Gewinne oder Verluste aus
privaten Veräußerungsgeschäften den
Veräußerungsgewinnen oder -verlusten, die bei der
Veräußerung von Beteiligungen gemäß § 17
EStG zu erfassen sind, nicht gleichgestellt werden. Der nach §
17 Abs. 2 EStG zu errechnende Veräußerungsgewinn oder
-verlust gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb und
ist damit den gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2
Nr. 1 EStG nach besonderen Grundsätzen zu erfassenden
Gewinneinkünften zuzurechnen. Die Gewinnermittlung nach §
17 Abs. 2 EStG ist nicht nach dem Zuflussprinzip des § 11 Abs.
1 EStG, sondern nach einer Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der
Entstehung des Gewinns oder Verlusts vorzunehmen (siehe z.B.
BFH-Urteil vom 1.7.2014 IX R 47/13, BFHE 246, 188, BStBl II 2014,
786 = SIS 14 21 90, m.w.N.). Maßgebender Zeitpunkt der
Gewinn- oder Verlustrealisierung ist derjenige, zu dem bei einer
Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 EStG nach
handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer
Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre.
Gerade diese frühzeitige steuerliche Erfassung von Gewinnen
soll aber durch § 11 Abs. 1 EStG bei der Besteuerung der
Überschusseinkünfte verhindert werden, um den
Steuerpflichtigen nicht vor Zufluss seiner Einnahmen mit der vollen
Steuer und dem Risiko des Kaufpreiseingangs zu belasten (BFH-Urteil
in BFHE 112, 348, BStBl II 1974, 540 = SIS 74 03 06). Aus
Gründen der Gleichbehandlung muss das Zuflussprinzip ebenso
für den hier gegebenen Verlustfall gelten. Im Übrigen
entsteht auch bei Wahl der Zuflussbesteuerung gemäß R 17
Abs. 7 Satz 2 i.V.m. R 16 Abs. 11 Satz 7 der
Einkommensteuer-Richtlinien 2012 der Veräußerungsgewinn
nicht bereits im Zeitpunkt der Veräußerung, sondern
sukzessive mit dem Zufluss jeder einzelnen Zahlung nach dem
Überschreiten der Gewinnschwelle (siehe BFH-Urteil vom
18.11.2014 IX R 4/14, BFHE 248, 138, BStBl II 2015, 526 = SIS 15 08 32).
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3. Da das FG-Urteil den vorgenannten
Grundsätzen nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Sache ist
spruchreif. Der Klage ist insoweit stattzugeben, als im
Feststellungsbescheid für das Streitjahr ein Verlust aus dem
Veräußerungsgeschäft in Höhe von 26.861 EUR zu
berücksichtigen ist. Im Übrigen ist die Klage
abzuweisen.
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a) Der Bescheid über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das
Streitjahr vom 30.3.2009 ist dahingehend zu ändern, dass der
Verlust aus dem privaten Veräußerungsgeschäft in
Höhe von 26.861 EUR festgestellt wird. Dies sind 40 % des
Gesamtverlustes aus dem privaten
Veräußerungsgeschäft in Höhe von 67.152,50
EUR. Der Anteil von 40 % ergibt sich aus dem Verhältnis des im
Streitjahr zugeflossenen Teilzahlungsbetrages in Höhe von
50.000 EUR zum Veräußerungserlös für die
Grundstückshälften in Höhe von 125.000 EUR. Im Jahr
2008 ist ein Verlust aus dem privaten
Veräußerungsgeschäft in Höhe von 4.848,41 EUR
(7,22 % von 67.152,50 EUR) und im Jahr 2009 in Höhe von
35.443,09 EUR (52,78 % von 67.152,50 EUR) anzusetzen.
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b) Anders als die Klägerin meint, steht
einer solchen Verteilung des Verlustes das alleine den Gewinnfall
betreffende Urteil des BFH vom 13.4.1962 VI 194/61 U (BFHE 75, 102,
BStBl III 1962, 306 = SIS 62 01 98) nicht entgegen. In jener
Entscheidung urteilte der VI. Senat nur über den Zeitpunkt der
Versteuerung des Spekulationsgewinns bei Zufluss des
Veräußerungserlöses in Raten, nicht aber über
die zeitliche Erfassung des Verlustes bei Ratenzahlung. Im
Übrigen hielt auch der VI. Senat für die Verteilung des
Gewinns auf die einzelnen Jahre (nach dem Überschreiten der
Gewinnschwelle) den tatsächlichen Zufluss i.S. des § 11
Abs. 1 EStG für maßgebend.
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c) Dass die Klägerin berechtigt gewesen
wäre, vom Kaufvertrag zurückzutreten, sofern die
Erwerberin eine der Kaufpreisraten trotz Nachfristsetzung nicht
überwiesen hätte, ist für die Besteuerung des
privaten Veräußerungsgeschäfts unerheblich, weil
eine Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG bereits gegeben ist, wenn die rechtsgeschäftlichen
Erklärungen beider Vertragspartner innerhalb der
Veräußerungsfrist bindend abgegeben worden sind (siehe
BFH-Urteil vom 10.2.2015 IX R 23/13, BFHE 249, 149, BStBl II 2015,
487 = SIS 15 06 32, m.w.N.). Dies ist hier der Fall.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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