1
|
A. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand in der
Erfüllung von Aufgaben besteht, die die entsorgungspflichtigen
Körperschaften und der Abfallwirtschaftsverband des Kreises Z
nach den Abfallgesetzen zu erbringen haben. Gesellschafter der
Klägerin sind der Kreis Z und 16 in diesem Kreis
ansässige Kommunen.
|
|
|
2
|
Die Klägerin unterhielt u.a. drei
Deponien: Die Deponie A wurde bis zum 31.12.1985 zur
Verfüllung von Abfällen genutzt. Zum Ende des Jahres 1985
wurde sie stillgelegt; seitdem werden von der Klägerin in
Bezug auf diese Deponie Nachsorgemaßnahmen durchgeführt.
Die Deponie B wurde bis zum 31.12.1999 zur Ablagerung von
Abfällen genutzt. Mit dem Aufbringen der endgültigen
Oberflächenabdichtung sollte nach den zu den Bilanzstichtagen
31.12.2001 bis 31.12.2005 bekannten Planungen bei dieser Deponie am
1.1.2009 begonnen werden. Auf der Deponie C sollten nach den
ursprünglichen, an den Bilanzstichtagen 31.12.2001 und
31.12.2002 bekannten Planungen der Klägerin bis zum 30.6.2015
Ablagerungen vorgenommen und ab dem 1.1.2024 eine endgültige
Oberflächenabdichtung auf der Deponie aufgebracht werden.
Aufgrund veränderter, zu den Bilanzstichtagen 31.12.2003 und
31.12.2004 bekannter Planungen sollten letztmalig bis zum 30.6.2005
Ablagerungen auf der Deponie vorgenommen werden; die
endgültige Oberflächenabdichtung der Deponie sollte ab
dem 1.1.2017 aufgebracht werden.
|
|
|
3
|
Für ihre Nachsorgeverpflichtungen hat
die Klägerin in ihren jeweiligen Handelsbilanzen auf Grundlage
eingeholter Gutachten Rückstellungen gebildet. Bei der
Ermittlung der Rückstellungsbeträge für die
Steuerbilanz hatte die Klägerin für die Deponie C in der
Weise eine Abzinsung des Rückstellungsbetrages nach § 6
Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e des Einkommensteuergesetzes in der für
die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) vorgenommen, dass sie
für die Rückstellungen zu den Bilanzstichtagen 31.12.2001
und 31.12.2002 für die zurückgestellten Aufwendungen
einen Abzinsungszeitraum vom Bilanzstichtag bis zum 1.7.2015 und
für die Rückstellungen zu den Bilanzstichtagen 31.12.2003
bis 31.12.2005 einen solchen vom Bilanzstichtag bis zum 1.7.2005
zugrunde legte.
|
|
|
4
|
Im Rahmen einer Betriebsprüfung
vertrat der Prüfer in Bezug auf die von der Klägerin in
Ansatz gebrachten Rückstellungen für
Nachsorgeverpflichtungen zum einen die - inzwischen nicht mehr
streitige - Auffassung, die zum 31.12.2005 in der Handelsbilanz
ausgewiesenen Rückstellungsbeträge seien wegen des
Ansatzes von Deponiegasgutschriften, überhöht erfassten
Gemeinkosten und nicht anzusetzenden Rückbaukosten zu
vermindern. Zum anderen vertrat er die Auffassung, auf der
Grundlage des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF)
vom 25.7.2005 (BStBl I 2005, 826 = SIS 05 33 16, Rz 22) sei
für die Verpflichtung der Klägerin zur Stilllegung und
zur Nachsorge der Deponien jeweils ein separater Abzinsungszeitraum
zu bilden, da es sich um unterschiedliche Verpflichtungen handele.
Die zurückgestellten Aufwendungen seien zwei Phasen
zuzuordnen: Die Phase I (Stilllegungsphase) umfasse den Zeitraum
vom Ende des Verfüllzeitraums bis zur voraussichtlichen
Abdichtung der Deponie, die Phase II (Nachsorgephase) beginne mit
der endgültigen Abdichtung der Deponie und ende mit dem Ablauf
des Nachsorgezeitraums. Entsprechend sei für die auf die Phase
I entfallenden Aufwendungen eine Abzinsung für den Zeitraum
zwischen dem jeweiligen Bilanzstichtag und dem Ende der
Verfüllung und für die Phase II eine solche für den
Zeitraum zwischen dem jeweiligen Bilanzstichtag und dem
voraussichtlichen Beginn der Aufbringung der endgültigen
Abdeckung vorzunehmen. Zudem sei nach dem BMF-Schreiben in BStBl I
2005, 826 = SIS 05 33 16, Rz 18 für alle Bilanzstichtage nach
dem 1.8.2002 maximal ein Nachsorgezeitraum von 30 Jahren ab dem
Ende der Verfüllung anzunehmen. Dementsprechend sei die
Nachsorgerückstellung für die Deponie A lediglich unter
Berücksichtigung einer bis zum 31.12.2015 zu
berücksichtigenden Nachsorgephase zu berechnen.
|
|
|
5
|
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) folgte dem in geänderten
Körperschaftsteuerbescheiden für 2000 bis 2005 sowie
einem geänderten Bescheid über die gesonderte
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47
Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Jahr 2000
geltenden Fassung (KStG a.F.) zum 31.12.2000. Zudem ergingen ein
geänderter Bescheid über die gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen gemäß § 36 Abs. 7 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und geänderte
Gewerbesteuermessbescheide für 2001, 2002, 2004 und
2005.
|
|
|
6
|
Dem Einspruch der Klägerin gab das FA
teilweise statt: In Bezug auf den Ansatz der
Nachsorgerückstellungen für die Deponie A entsprach es
nach Vorlage einer Bestätigung der Bezirksregierung X, wonach
die Klägerin voraussichtlich mindestens bis zum Jahre 2030
Aufwendungen für die Stilllegung und Nachsorge zu
übernehmen hatte, dem Begehren der Klägerin, bei der
Berechnung der Rückstellungen nicht von einer
Laufzeitbegrenzung auf 30 Jahre auszugehen. In Bezug auf die
Nachsorgerückstellung für die Deponie C korrigierte das
FA einen Rechenfehler bei der Ermittlung des abgezinsten Betrages
zum 31.12.2001 und legte bei der Ermittlung der
Nachsorgerückstellungen zum 31.12.2001 bis 31.12.2003 genauer
ermittelte (interpolierte) Abzinsungsfaktoren zugrunde.
|
|
|
7
|
Darüber hinaus berücksichtigte
das FA bei der auf die zweite Abzinsungsphase entfallende
Gewinnerhöhung für das Jahr 2001 gewinnmindernd eine
Rücklage gemäß § 52 Abs. 16 Satz 11 i.V.m.
Satz 8 EStG in der im Jahr 2001 geltenden Fassung (EStG 2001) in
Höhe von insgesamt ... DM und gewinnerhöhend
Auflösungsbeträge in Bezug auf die vorgenannten
Rücklagen in Höhe von insgesamt ... DM (2001) bzw. ...
EUR (2002 bis 2005).
|
|
|
8
|
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt,
nachdem zuvor zu einem nicht mehr streitrelevanten Punkt
Einvernehmen erzielt worden war und das FG u.a. geänderte
Körperschaftsteuerbescheide für 2001 bis 2005, einen
geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen gemäß § 36 Abs. 7 KStG und
geänderte Gewerbesteuermessbescheide für 2004 und 2005
erlassen hatte. Die Klägerin sei dem Grunde nach zur Bildung
von Rückstellungen für die ihr obliegenden
Nachsorgeverpflichtungen berechtigt gewesen. Für die Bewertung
der Rückstellungen zum 31.12.2001 bis 31.12.2005 sei von in
der Zukunft voraussichtlich anfallenden Aufwendungen für die
Erfüllung der Sachleistungsverpflichtung in Höhe der in
den Handelsbilanzen der Klägerin ausgewiesenen Beträge,
vermindert um ... EUR (Deponie A), ... EUR (Deponie B) bzw. ... EUR
(Deponie C) auszugehen. Der vom FA auf der Grundlage von § 52
Abs. 16 Satz 11 i.V.m. Satz 8 EStG 2001 für die zweite
Abzinsungsphase gewinnmindernd erfasste Betrag und die
Gewinnerhöhungen aus der Auflösung der Rücklage
seien nicht mehr in Ansatz zu bringen, denn mangels einer zu
berücksichtigenden zweiten Abzinsungsphase fehle es schon an
einem rückstellbaren Gewinn i.S. von § 52 Abs. 16 Satz 11
i.V.m. Satz 8 EStG 2001 aus einer weiteren Abzinsung. Das Urteil
des FG ist in EFG 2015, 1283 = SIS 15 16 84
veröffentlicht.
|
|
|
9
|
Dagegen wendet sich das FA mit seiner
Revision, mit der es die Verletzung materiellen Rechts geltend
macht.
|
|
|
10
|
Das FA beantragt, unter Aufhebung des
Urteils des FG Münster vom 25.2.2015 9 K 147/11 K, G, F die
Klage als unbegründet abzuweisen.
|
|
|
11
|
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
B. Die Revision ist begründet. Sie
führt teilweise zur Abweisung der Klage und im Übrigen
zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung.
|
|
|
13
|
I. Die Revision wegen Körperschaftsteuer
2003 sowie gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
gemäß § 47 Abs. 1 KStG a.F. zum 31.12.2000 und
gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
gemäß § 36 Abs. 7 KStG ist schon deshalb
begründet, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage insoweit
abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ), weil die Klägerin durch die
genannten Bescheide nicht beschwert ist.
|
|
|
14
|
1. Soweit sich die Klägerin gegen die
Körperschaftsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2003
(zuletzt durch geänderten Körperschaftsteuerbescheid vom
21.3.2014) in Höhe von ... EUR wendet, ergibt sich dies
daraus, dass der festgesetzte Steuerbetrag ausschließlich auf
dem Nachsteuertatbestand des § 37 Abs. 3 Satz 1 KStG beruht,
wonach in Fällen des Bezugs von gemäß § 8b
Abs. 1 KStG steuerfreien Leistungen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1
und Nr. 2 EStG die Körperschaftsteuer der empfangenden
Körperschaft (hier: der Klägerin) um den Betrag der -
früheren und im Streitjahr 2003 noch geltenden -
ausschüttungsbedingten Körperschaftsteuerminderung bei
der leistenden Körperschaftsteuer zu erhöhen ist. Da
diese (Nach-)Steuerbelastung nach Wortlaut und Zweck der Regelung
(dazu Senatsurteil vom 25.11.2014 I R 78/12, BFH/NV 2015, 523 = SIS 15 05 61) auch dann eingreift, wenn das Einkommen der empfangenden
Körperschaft negativ ist (z.B. Lange in
Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 37 Rz 49; Thurmayr in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 37 KStG Rz 70; jeweils m.w.N.), ist
die Steuerfestsetzung lediglich vom Erhalt der in § 37 Abs. 3
Satz 1 KStG genannten Ausschüttungen abhängig
(Senatsurteil vom 28.11.2007 I R 42/07, BFHE 219, 321, BStBl II
2008, 390 = SIS 08 12 01) und damit auch nicht an die im
anhängigen Rechtsstreit allein umstrittene Frage gebunden, ob
die von der Klägerin angesetzten Rückstellungen den
Steuerbilanzgewinn vermindert haben.
|
|
|
15
|
2. Die Klägerin ist hingegen beschwert,
soweit die Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuermessbetrag
des Streitjahres 2004 durch Änderungsbescheide vom 21.3.2014
jeweils auf 0 EUR herabgesetzt worden sind. Zwar ist eine Klage
gegen einen auf 0 EUR lautenden Bescheid nach § 40 Abs. 2 FGO
grundsätzlich unzulässig, weil dieser den
Steuerpflichtigen regelmäßig nicht belastet. Indessen
ist im Streitfall zu beachten, dass im Zeitpunkt der Klageerhebung
positive Festsetzungen in Gestalt des
Körperschaftsteuerbescheides vom 15.12.2010 und des
Gewerbesteuermessbescheides vom 20.12.2010, vorgelegen haben.
Ergehen mit der Herabsetzung der Körperschaftsteuer bzw. des
Gewerbesteuermessbetrages auf 0 EUR in einem solchen Fall zugleich
Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden
Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer bzw. des
vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember des
betroffenen Streitjahrs (hier: jeweils durch Bescheide vom
21.3.2004), die - wie auch im Streitfall - die ursprünglich im
Körperschaftsteuer- bzw. Gewerbesteuermessbescheid enthaltene
Beschwer aufnehmen, so werden diese gemäß § 68 Satz
1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens (vgl. Beschluss des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16.12.2014 X B 113/14, BFH/NV 2015,
510 = SIS 15 05 53).
|
|
|
16
|
3. Demgegenüber fehlt es an einer
Beschwer der Klägerin, soweit sie sich gegen die gesonderte
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47
Abs. 1 KStG a.F. zum 31.12.2000 wendet. Nach § 47 Abs. 2 Nr. 1
Buchst. a KStG a.F. ist der Körperschaftsteuerbescheid im
Hinblick auf das zu versteuernde Einkommen Grundlagenbescheid
(§ 171 Abs. 10 der Abgabenordnung - AO - ) für den
Feststellungsbescheid nach § 47 Abs. 1 KStG a.F.; die
diesbezüglichen Einwendungen können deshalb
gemäß § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 AO nur im
Rechtsbehelfsverfahren gegen die jeweiligen
Körperschaftsteuerbescheide als Grundlagenbescheide geltend
gemacht werden, nicht aber in jenen gegen die
Feststellungsbescheide als Folgebescheide (vgl. Senatsurteile vom
12.10.2010 I R 99/09, BFH/NV 2011, 650 = SIS 11 07 22; vom
20.4.2011 I R 2/10, BFHE 233, 251, BStBl II 2011, 761 = SIS 11 19 85; vom 16.9.2015 I R 20/13, BFH/NV 2016, 586 = SIS 16 05 17).
|
|
|
17
|
4. Nichts anderes gilt in der Sache, soweit
sich die Klägerin gegen die gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen gemäß § 36 Abs. 7 KStG
wehrt. Auch insoweit beziehen sich ihre Einwendungen nur auf die
Höhe des Steuerbilanzgewinns, sie hat aber weder geltend
gemacht noch ist erkennbar, wie sich diese Einwendungen auf die
Feststellung gemäß § 36 Abs. 7 KStG auswirken
könnten.
|
|
|
18
|
II. Die Revision ist auch im Übrigen
begründet und führt insoweit zur Aufhebung des FG-Urteils
sowie zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 FGO). Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, auf
welcher Rechtsgrundlage die Nachsorgeverpflichtungen der
Klägerin beruhen. Es hat zudem § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG
bezogen auf die von der Klägerin im Rahmen ihrer
Nachsorgeverpflichtungen zu leistenden Investitionskosten zu
Unrecht teleologisch reduziert und deshalb auch nicht ermittelt,
welche Aufwendungen die Klägerin in den Streitjahren im
Einzelnen getragen hat.
|
|
|
19
|
1. Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 des
Handelsgesetzbuchs (HGB) sind Rückstellungen u.a. für
ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Nach dieser Vorschrift, die
als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)
gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1
KStG und § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes auch bei der
Festsetzung der Körperschaftsteuer und des
Gewerbesteuermessbetrags zu beachten ist (ständige
Rechtsprechung, Senatsbeschluss vom 16.12.2009 I R 43/08, BFHE 227,
469, BStBl II 2012, 688 = SIS 10 02 47; Senatsurteile vom 6.2.2013
I R 8/12, BFHE 240, 252, BStBl II 2013, 686 = SIS 13 11 87; vom
2.7.2014 I R 46/12, BFHE 246, 339, BStBl II 2014, 979 = SIS 14 25 21), ist Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung
für ungewisse Verbindlichkeiten das Bestehen einer nur ihrer
Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende
Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer
Verbindlichkeit dem Grunde nach - deren Höhe zudem ungewiss
sein kann - sowie ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor
dem Bilanzstichtag. Zudem muss der Schuldner ernsthaft mit seiner
Inanspruchnahme rechnen. Diese Voraussetzungen gelten auch für
Verpflichtungen aus öffentlichem Recht, die auf ein bestimmtes
Handeln in Form einer Geldzahlung oder eines anderen
Leistungsinhalts gerichtet sind, sofern die
öffentlich-rechtliche Verpflichtung bereits konkretisiert,
d.h. inhaltlich hinreichend bestimmt, in zeitlicher Nähe zum
Bilanzstichtag zu erfüllen sowie sanktionsbewehrt ist
(ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil in BFHE 240, 252,
BStBl II 2013, 686 = SIS 13 11 87; BFH-Urteile vom 8.9.2011 IV R
5/09, BFHE 235, 241, BStBl II 2012, 122 = SIS 11 37 21; vom
17.10.2013 IV R 7/11, BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302 = SIS 13 33 35).
|
|
|
20
|
2. Zwar ist zwischen den Beteiligten nicht
streitig, dass die Klägerin dem Grunde nach berechtigt war, zu
den hier zu beurteilenden Bilanzstichtagen
Nachsorgerückstellungen zu bilden. Indessen fehlen jegliche
Feststellungen des FG dazu, auf welcher Rechtsgrundlage die
Nachsorgeverpflichtungen der Klägerin überhaupt beruhen.
§ 36 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Förderung der
Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen
Beseitigung von Abfällen in der in den Streitjahren
gültigen Fassung (KrW-/AbfG) kann entnommen werden, dass sich
die entsprechende Verpflichtung entweder aus einem
Planfeststellungsbeschluss nach § 31 Abs. 2 KrW-/AbfG, der
Genehmigung nach § 31 Abs. 3 KrW-/AbfG, den Bedingungen und
Auflagen nach § 35 KrW-/AbfG, den für die Deponie
geltenden umweltrechtlichen Vorschriften oder einer besonderen
behördlichen Anordnung gemäß § 31 Abs. 2
KrW-/AbfG ergeben kann. Nur auf Grundlage der Feststellung der im
Streitfall einschlägigen Rechtsgrundlage kann aber beurteilt
werden, ob die Klägerin aufgrund der erfolgten Nutzung der
Deponien A, B und C verpflichtet war, für diese Stilllegungs-
und Nachsorgemaßnahmen durchzuführen. Schon aus diesem
Grund ist das FG-Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückzuverweisen.
|
|
|
21
|
3. Das FG-Urteil ist auch aufzuheben, weil die
in den Nachsorgerückstellungen enthaltenen Investitionskosten
nach § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG von der Rückstellungsbildung
ausgeschlossen sind und eine teleologische Reduktion der Vorschrift
für Aufwendungen, die zu keinem Ertrag mehr führen
können und daher „wertlos“ sind, ausgeschlossen
ist. Das FG wird deshalb im zweiten Rechtsgang zu befinden haben,
welche Aufwendungen die Klägerin in den Streitjahren im
Einzelnen getragen hat.
|
|
|
22
|
a) Nach § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG
dürfen Rückstellungen für Aufwendungen, die in
künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder
Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind, nicht
gebildet werden. Dieser Wortlaut ist, da er sämtliche
aktivierungspflichtigen Aufwendungen umfasst, eindeutig; eine
teleologische Reduktion bezogen auf in künftigen
Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines
Wirtschaftsgutes zu aktivierende Aufwendungen, die zu keinem
künftigen Ertrag mehr führen können und daher
„wertlos“ sind, ist ausgeschlossen (ebenso Neumann,
Steuerberater-Jahrbuch 2003/2004, S. 263, 277; Lambrecht in
Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 5 Rz Eb 21; Tiedchen
in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 5 EStG Rz 2107; a.A.
Weber-Grellet, Steuer- und Bilanzpraxis 1999, 1289;
Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 35. Aufl., § 5 Rz 369; Siegel, DB
1999, 857 f.; Stobbe/Loose, FR 1999, 405, 412; Behrens/Renner, BB
2015, 2411, 2413 f.; von Glasenapp, BB 2015, 1714; Frotscher in
Frotscher/Geurts, EStG, § 5 Rz 359b; Blümich/Krumm,
§ 5 EStG Rz 890).
|
|
|
23
|
b) Hierfür spricht insbesondere, dass der
Gesetzgeber § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG als „redaktionelle
Klarstellung“ verstanden hat (vgl. BTDrucks 14/7341, S. 10)
und ihr - da sich ein entsprechendes Rückstellungsverbot zuvor
aus den GoB ergab - lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt
(vgl. Senatsurteil vom 6.10.2009 I R 36/07, BFHE 226, 342, BStBl II
2010, 232 = SIS 09 34 50). Demgemäß waren bereits vor
dem Inkrafttreten des § 5 Abs. 4b EStG Rückstellungen
für ungewisse Verbindlichkeiten nur zulässig, wenn die
künftigen Aufwendungen zur Erfüllung der Verpflichtung
steuerrechtlich sofort abziehbare Ausgaben darstellten, also nicht
als Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert werden mussten,
weil die Anschaffung oder Herstellung lediglich zu einer
Vermögensumschichtung führt (vgl. BFH-Urteile vom
19.8.1998 XI R 8/96, BFHE 186, 417, BStBl II 1999, 18 = SIS 98 23 21; vom 18.12.2001 VIII R 27/00, BFHE 197, 483, BStBl II 2002, 733
= SIS 02 05 27; in BFHE 235, 241, BStBl II 2012, 122 = SIS 11 37 21; Senatsurteil in BFHE 226, 342, BStBl II 2010, 232 = SIS 09 34 50). Indessen kann daraus nicht gefolgert werden, der Gesetzgeber
habe durch § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG die
Rückstellungsbildung für Anschaffungs- oder
Herstellungskosten eines „wertlosen“ Wirtschaftsguts,
die also ausnahmsweise nicht künftige Erträge
alimentieren, nicht ausschließen wollen (so aber
Weber-Grellet, a.a.O.; Krumm, a.a.O.). Eine solche Folgerung
verbietet sich deshalb, weil dem Gesetzgeber die dazu in der
Literatur geführte Diskussion (vgl. dazu die umfassenden
Nachweise im BFH-Urteil in BFHE 186, 417, BStBl II 1999, 18 = SIS 98 23 21) bekannt war (vgl. BTDrucks 13/8020, S. 28), ohne den
Wortlaut des § 5 Abs. 4b EStG einzuschränken. Dies
lässt nur den Schluss zu, dass auch Anschaffungs- und
Herstellungskosten für „wertlose“
Wirtschaftsgüter dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 4b
EStG unterstehen.
|
|
|
24
|
c) Anderes lässt sich für die von
der Klägerin aufgewandten Investitionskosten auch nicht damit
rechtfertigen, es handele sich insoweit nicht um Anschaffungs- und
Herstellungskosten „für“ ein Wirtschaftsgut,
sondern - bezogen auf eine künftig erforderlich werdende
Teilwertabschreibung - „wegen“ eines Wirtschaftsguts
(so Siegel, a.a.O.; ähnlich von Glasenapp, a.a.O.; Krumm,
a.a.O.). Die entsprechende Aufwandsantizipation ist mangels
wirtschaftlicher Verursachung des Abschreibungsaufwands im Jahr der
Rückstellungsbildung nicht zulässig (Tiedchen, a.a.O.).
Es ist insoweit zu beachten, dass der Steuergesetzgeber - wie etwa
die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG oder die
Möglichkeit des Verlustrücktrags nach § 10d EStG
zeigt - gerade nicht stets und vorbehaltlos zusammenhängende
Aufwendungen und Erträge demselben Veranlagungszeitraum
zuordnet (Neumann, a.a.O.).
|
|
|
25
|
d) Der Senat kann dem BMF-Schreiben in BStBl I
2005, 826 = SIS 05 33 16, Rz 14 nichts Gegenteiliges entnehmen (so
aber Behrens/Renner, a.a.O.). Dort ist lediglich die Aussage
enthalten, dass Aufwendungen in der Stilllegungs- und
Nachsorgephase, die vorrangig der umweltgerechten Wiederherstellung
des Grundstücks dienen, keine Wertverbesserungen für das
Grundstück auslösen und deshalb als sofort
abzugsfähige Betriebsausgaben anzusehen seien (vgl. auch Rz 15
des vorgenannten BMF-Schreibens). Im Übrigen handelt es sich
bei dem BMF-Schreiben um eine norminterpretierende
Verwaltungsvorschrift, die keine Rechtsnormqualität hat und
die Gerichte nicht bindet (vgl. BFH-Urteil vom 13.1.2011 V R 12/08,
BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61 = SIS 11 06 14, m.w.N.).
|
|
|
26
|
e) Das FG hat nicht festgestellt, welche
Investitionskosten die Klägerin in den Streitjahren im
Einzelnen getragen hat. Der Tatbestand des FG-Urteils enthält
insoweit lediglich die Wiedergabe des Vortrags des FA, in den
Ausgangsbeträgen für die Deponie B seien
Investitionskosten für die Errichtung „u.a.“ von
Anlagen zur Ableitung, Entsorgung und Aufbereitung des
Sickerwassers und der Deponiegase sowie Kosten für die
temporäre und endgültige Oberflächenabdichtung ...
enthalten und für die Deponie C beliefen sich diese Kosten auf
.... Der Senat kann deshalb nicht darüber befinden, ob die von
der Klägerin getragenen Investitionskosten ganz oder teilweise
als (nachträgliche) Herstellungskosten § 5 Abs. 4b Satz 1
EStG unterfallen. Ebenso kann dem Einwand des FA nicht nachgegangen
werden, der Revision sei schon deshalb stattzugeben, weil die nach
Abzug der Investitionskosten - auch bei Zugrundelegung eines
„einheitlichen“ Abzinsungszeitraums - verbleibenden
Restbeträge in allen Streitjahren unterhalb der von ihm im
Rahmen der Einspruchsentscheidung anerkannten Rückstellungen
lägen. Das FG wird insoweit zu beachten haben, dass nach
Fertigstellung eines Wirtschaftsguts grundsätzlich keine
Herstellungskosten mehr anfallen können (vgl. Senatsurteil vom
17.10.2001 I R 32/00, BFHE 197, 58, BStBl II 2002, 349 = SIS 02 06 17) und Abweichendes nur gilt, wenn die Voraussetzungen der in
§ 255 Abs. 2 HGB genannten Tatbestände der Erweiterung,
wesentlichen Verbesserung oder wirtschaftlichen Neuherstellung
gegeben sind (vgl. Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 156,
m.w.N.). Der Senat geht dabei davon aus, dass sich der Charakter
des ursprünglich vorhandenen Grundstücks durch die
Nutzung als Deponie und den entsprechenden Eingriff in die
Grundstückssubstanz geändert hat und für die Frage,
ob nachträgliche Herstellungskosten vorliegen, auf den
Zeitpunkt des Endes des Befüllzeitraums abzustellen ist. Das
FG muss deshalb der Frage nachgehen, ob die in den geltend
gemachten Investitionskosten enthaltenen Einzelpositionen vorrangig
noch der Abfallablagerung oder aber der umweltgerechten
Wiederherstellung des Deponiegrundstückes dienten (vgl. dazu
BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 826 = SIS 05 33 16, Rz 12 bis 14
sowie zur Einzelabgrenzung Rz 15).
|
|
|
27
|
4. Es bestehen zwar keine Anhaltspunkte
dafür, dass die von der Klägerin vorgenommene und vom FG
im Einverständnis mit den Beteiligten lediglich für 2005
korrigierte Bewertung der ihr im Zusammenhang mit der Nachsorge bei
den Deponien A, B und C obliegenden Sachleistungsverpflichtungen
als solche nicht den Anforderungen der in § 6 Abs. 1 Nr. 3a
Buchst. b bis d EStG enthaltenen Regelungen entsprechen
könnte. Indessen kann der Senat nicht darüber
entscheiden, ob das FG bezogen auf die nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a
Buchst. e Satz 2 EStG vorzunehmende Abzinsung die
Rückstellungen der Höhe nach richtig bemessen hat.
|
|
|
28
|
a) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz
1 EStG sind die Rückstellungen für Verpflichtungen mit
einem Zinssatz von 5,5 v.H. abzuzinsen und ist Nr. 3 Satz 2
entsprechend anzuwenden; für die Abzinsung von
Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen ist nach
Satz 2 der Vorschrift der Zeitraum bis zum Beginn der
Erfüllung maßgebend. Die Abzinsung beruht auf der
typisierenden Vorstellung, dass eine erst in Zukunft zu
erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als
eine sofortige Leistungspflicht (Senatsurteil vom 27.1.2010 I R
35/09, BFHE 228, 250, BStBl II 2010, 478 = SIS 10 05 08; auch
BTDrucks 14/23, S. 171). Die Abzinsung beruht auf dem Faktor
„Zeit“ und folgt demgemäß dem Grundsatz,
dass erst in Zukunft zu erbringende Zahlungen gegenwärtig mit
ihrem Barwert abzubilden sind (BFH-Urteil vom 5.5.2011 IV R 32/07,
BFHE 233, 524, BStBl II 2012, 98 = SIS 11 23 96).
|
|
|
29
|
b) Die Verpflichtung zur Abzinsung gilt
für Sachleistungsverpflichtungen ebenso wie für
Geldleistungsverpflichtungen (BFH-Urteil in BFHE 233, 524, BStBl II
2012, 98 = SIS 11 23 96; auch Senatsurteil vom 21.9.2011 I R 50/10,
BFHE 235, 255, BStBl II 2012, 197 = SIS 11 39 39). Bei
Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen wird
dabei durch § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 2 EStG als
Abzinsungszeitraum die Zeitspanne von der erstmaligen Bildung der
Rückstellung bis zum Beginn der Erfüllung festgelegt.
Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass derartige
Verpflichtungen häufig erst sehr lange nach Einstellung der
aktiven Geschäftstätigkeit in dem Betriebsbereich des
Steuerpflichtigen erfüllt werden müssen, die für die
Verpflichtung ursächlich war (vgl. BTDrucks 14/443, S. 24).
Als Beginn der Erfüllung einer in Teilleistungen zu
erbringenden Sachleistungsverpflichtung ist dabei die Vornahme der
ersten, nicht völlig unbedeutenden Erfüllungshandlung
anzusehen (Kiesel in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz 1187;
Frotscher in Frotscher/ Geurts, a.a.O., § 5 Rz 408a;
BMF-Schreiben vom 26.5.2005, BStBl I 2005, 699 = SIS 05 24 80, Rz
26).
|
|
|
30
|
c) Das FG hat die vorgenannten
Rechtsgrundsätze zwar auf den Streitfall angewendet und ist
dabei zu dem Ergebnis gelangt, das FA sei bei der Ermittlung der
Abzinsungsbeträge betreffend die Nachsorgerückstellungen
für die Deponien B und C zu Unrecht davon ausgegangen,
für die Zeiträume zwischen den betreffenden
Bilanzstichtagen und dem Ende der Ablagerung einerseits und
für die Zeiträume zwischen den betreffenden
Bilanzstichtagen und dem Beginn der Aufbringung der
endgültigen Oberflächenabdichtung andererseits seien
separate Abzinsungszeiträume zu bilden. Der Senat teilt
insoweit die Bedenken, eine „Atomisierung“ der
Nachsorgeverpflichtungen für Zwecke der Abzinsung vorzunehmen
(so auch Behrens/Renner, BB 2015, 2412; von Glasenapp, a.a.O.). Ob
es sich wegen des einheitlichen Funktionszusammenhangs und des
Ineinandergreifens der Maßnahmen - wie bei bergrechtlichen
Verpflichtungen (dazu BMF-Schreiben vom 9.12.1999, BStBl I 1999,
1127 = SIS 00 01 35, Rz 3) - bei den vom Ende der Ablagerung bis
zum Aufbringen der endgültigen Oberflächenabdichtung
einerseits und den vom Aufbringen der endgültigen
Oberflächenabdichtung bis zum Ende der Nachsorgeverpflichtung
andererseits durchzuführenden Maßnahmen um
Teilleistungen einer einheitlichen Sachleistungsverpflichtung
(Behrens/Renner, BB 2015, 2412; gegen eine Gleichbehandlung mit
bergrechtlichen Verpflichtungen aber BFH-Urteil in BFHE 233, 524,
BStBl II 2012, 98 = SIS 11 23 96) oder um selbständige
Leistungen (so BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 699 = SIS 05 24 80,
Rz 26) handelt, hat das FG allerdings anhand der von ihm
festzustellenden Rechtsgrundlagen der jeweiligen
Nachsorgeverpflichtung und den daraus abzuleitenden Konsequenzen
für die zeitliche Konkretisierung derselben zu beantworten.
Derartige Feststellungen hat das FG indessen nicht getroffen (dazu
oben B.II.2.).
|
|
|
31
|
d) Sollte das FG aufgrund der nachzuholenden
Feststellungen zu dem Ergebnis gelangen, dass für die
Stilllegungs- und die Nachsorgephase getrennte
Abzinsungszeiträume anzuwenden sind, so obliegt es ihm, die
Zuordnung der hier streitbefangenen Aufwendungen für die
Oberflächenabdichtung zu einer dieser Phasen vorzunehmen.
|
|
|
32
|
III. Die Übertragung der
Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
|