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I. Zwischen den Beteiligten ist streitig,
ob über ein sog. Konsignationslager ausgeführte
Lieferungen der in den Niederlanden ansässigen Klägerin,
Revisionsklägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) an
die im Inland ansässige Beigeladene in der Bundesrepublik
Deutschland (Deutschland) steuerbar und steuerpflichtig sind oder
in den Niederlanden steuerbare, aber steuerbefreite
innergemeinschaftliche Lieferungen darstellen.
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Die Klägerin ist eine
Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts (B.V.) mit Sitz in
den Niederlanden. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Entwurf,
die Herstellung und der Vertrieb von Computern, der Handel mit
Computern, elektronischen Produkten, Zubehör und
Peripheriegeräten sowie die Erteilung von Dienstleistungen in
diesem Zusammenhang.
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Die Klägerin ist
Geschäftspartnerin der Beigeladenen, einer
Großhändlerin der Informations- und
Kommunikationstechnologie mit Sitz in Deutschland. In den
Streitjahren (2005 bis 2010) lieferte die Klägerin Waren
(Bildschirme) an die Beigeladene. Die Waren wurden dabei von der
Klägerin aus den Niederlanden in ein auf dem
Betriebsgelände der Beigeladenen befindliches
Konsignationslager verbracht. Grundlage war ein zwischen der
Klägerin und der Beigeladenen getroffenes „Consignment
Distribution Agreement“ (CDA) vom 14.4.2003. Die Beigeladene
war gemäß des CDA verpflichtet, den von der
Klägerin angelieferten Konsignationsbestand in einem
gesonderten von ihr betriebenen Lager zu lagern, zu dem allein die
Beigeladene Zugang hatte. Die Klägerin war nur nach einer
angemessenen Vorankündigung berechtigt, das Lager zum Zwecke
einer Inventur zu betreten. Die Beigeladene war dazu berechtigt,
den Konsignationsbestand im Rahmen des üblichen
Geschäftsbetriebs an ihre Kunden zu veräußern. Die
Klägerin blieb solange Eigentümerin des
Konsignationsbestandes, bis die Beigeladene der Klägerin -
einmal wöchentlich - eine Aufstellung des in der Vorwoche an
ihre Kunden verkauften Konsignationsbestandes übermittelt
hatte. Der Verkaufspreis der Klägerin an die Beigeladene wurde
an dem Tag, an dem die Beigeladene den Konsignationsbestand weiter
veräußerte, bestimmt. Der Konsignationsbestand wurde von
der Beigeladenen bei der Klägerin auf Grundlage der gemeinsam
vereinbarten Einlagerungsrichtlinien bestellt. Die Klägerin
war verpflichtet, den Konsignationsbestand mindestens drei Wochen
im Lager zu belassen; nach Ende dieses Zeitraumes war die
Beigeladene berechtigt, den gesamten Bestand oder einen Teil davon
an die Klägerin zurückzusenden.
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Die Klägerin behandelte die
Veräußerungen an die Beigeladene als in Deutschland
nicht steuerbar und erklärte diese in den Niederlanden als
steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Damit
korrespondierend erklärte die Beigeladene
innergemeinschaftliche Erwerbe in entsprechender Höhe in
Deutschland und zog die darauf entfallende Umsatzsteuer als
Vorsteuer ab.
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Dem folgte der Beklagte, Revisionsbeklagte
und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) nicht und
behandelte in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden 2005 bis
2010 vom 6.1.2012 die Lieferungen der Klägerin an die
Beigeladene als steuerbar und steuerpflichtig und setzte
Nachzahlungszinsen fest. Der Einspruch war erfolglos.
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Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das FA
die Bemessungsgrundlage der von der Klägerin an die
Beigeladene ausgeführten Lieferungen nicht um die
Umsatzsteuer, die in den vereinnahmten Beträgen enthalten war,
gemindert hatte. Im Übrigen wies das Finanzgericht (FG) die
Klage mit seinem in EFG 2016, 234 = SIS 16 03 49
veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.
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Soweit die Klägerin sich gesondert
gegen die Festsetzung von Nachzahlungszinsen wende, sei die Klage
schon mangels fristgemäß eingelegten Einspruchs
unbegründet.
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Auch im Übrigen sei die Klage im
Wesentlichen unbegründet, weil die Lieferungen am Ort des
streitgegenständlichen Konsignationslagers in Deutschland
ausgeführt worden seien. Bei dem Transport der Waren aus den
Niederlanden in das deutsche Konsignationslager habe es sich nicht
um eine Beförderung oder Versendung an den Abnehmer i.S. von
§ 3 Abs. 6 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der in den
Streitjahren geltenden Fassung (UStG) gehandelt, sondern um ein in
den Niederlanden steuerbares, aber steuerbefreites
innergemeinschaftliches Verbringen, das mit einem in Deutschland
steuerbaren und steuerpflichtigen und zum Vorsteuerabzug
berechtigenden innergemeinschaftlichen Erwerb der Beigeladenen
korrespondiere. Erst mit der Veräußerung der in dem
Konsignationslager befindlichen Ware durch die Beigeladene an ihre
Kunden sei eine zeitgleiche Lieferung der Klägerin an die
Beigeladene am Ort des Konsignationslagers erfolgt.
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Das Verbringen von Ware in ein
Konsignationslager führe nur dann zu einer am Ort des Beginns
der Beförderung oder Versendung erfolgenden Lieferung an den
Abnehmer, wenn der Abnehmer die Ware zum Zeitpunkt des Beginns der
Beförderung oder Versendung in das Konsignationslager bereits
verbindlich bestellt habe.
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Der Klage sei aber im Umfang der in den von
der Klägerin vereinnahmten Beträgen enthaltenen
Umsatzsteuer stattzugeben, denn Bemessungsgrundlage sei der
vereinnahmte Nettopreis abzüglich der Umsatzsteuer. Denn
aufgrund des Irrtums über die Steuerpflicht der Lieferungen
sei das vereinbarte Entgelt teilweise uneinbringlich i.S. von
§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG geworden.
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Hiergegen haben sowohl die Klägerin
als auch das FA Revision eingelegt.
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Die Klägerin trägt vor, § 3
Abs. 6 UStG knüpfe zwar an eine konkrete Lieferung an, aus dem
Wortlaut, der systematischen Stellung, der Entstehungsgeschichte
und dem Zweck der Norm ergebe sich aber, dass es für die
Anwendung der Lieferortfiktion nicht auf den Zeitpunkt der
Lieferung ankomme; diese könne der Beförderung oder
Versendung auch vor- oder nachgelagert sein. Für die
tatbestandliche Verknüpfung der Lieferung mit der
Beförderung oder Versendung sei es ausreichend, dass der
Gegenstand der Lieferung mit dem Gegenstand der Beförderung
oder Versendung identisch sei. Eine zeitliche Verknüpfung von
Beförderung oder Versendung einerseits und Lieferung
andererseits sehe § 3 Abs. 6 UStG nicht vor. Ob und zu welchem
Zeitpunkt eine Lieferung vorliege, sei vielmehr in § 3 Abs. 1
UStG geregelt.
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Das entspreche auch Sinn und Zweck von
§ 3 Abs. 6 UStG, der darin bestehe, die Umsatzbesteuerung von
grenzüberschreitenden Warenlieferungen zu vereinfachen. Durch
die einheitliche Festlegung eines Lieferorts für
sämtliche Beförderungs- und Versendungslieferungen werde
es dem Unternehmer ermöglicht, die umsatzsteuerrechtliche
Abwicklung unabhängig vom Bestimmungsland in seinem Heimatland
vorzunehmen.
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Selbst wenn man demgegenüber von der
Notwendigkeit eines im Zeitpunkt der Beförderung oder
Versendung bereits ausgeführten Umsatzgeschäftes ausgehe,
sei diese Voraussetzung vorliegend erfüllt. Denn durch die
Konsignationsvereinbarung sei die Beigeladene befähigt
gewesen, wie ein Eigentümer frei über die
Konsignationsware zu verfügen. Die Beigeladene habe die Gefahr
des Untergangs oder der Beschädigung der Konsignationsware
getragen und folglich mit der Einbringung der Waren in das
Konsignationslager Verfügungsmacht daran erlangt.
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Die Klägerin beantragt,
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1.
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unter teilweiser Aufhebung des FG-Urteils
die Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2010 vom 6.1.2012 und die
Einspruchsentscheidung vom 13.5.2013 mit der Maßgabe zu
ändern, dass die Umsatzsteuer
um ... EUR für 2005,
... EUR für 2006,
... EUR für 2007,
... EUR für 2008,
... EUR für 2009 und
... EUR für 2010
herabgesetzt und die Festsetzung von Nachzahlungszinsen aufgehoben
wird;
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2.
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die Revision des FA
zurückzuweisen.
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Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
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Das FG sei zu Unrecht von der
Uneinbringlichkeit der Umsatzsteuer ausgegangen.
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II. Die Revision der Klägerin ist
begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und zur Änderung der Zinsbescheide, soweit das FA Zinsen auch
auf den Differenzbetrag erhoben hat, der sich bei Berechnung der
Umsatzsteuer aufgrund der vom FA angenommenen Bemessungsgrundlage
in Höhe der vollen von der Beigeladenen gezahlten Beträge
und der um die darin enthalte-nen Umsatzsteuer reduzierten
Bemessungsgrundlage ergibt (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ) - zu 3. - . Im Übrigen ist die
Revision der Klägerin unbegründet, weil das FG zu Recht
entschieden hat, dass die streitigen Umsätze der Klägerin
im Inland der Umsatzsteuer unterliegen (zu 1.).
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Die Revision des FA ist unbegründet und
wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Im
Ergebnis hat das FG zu Recht entschieden, dass die
Bemessungsgrundlage durch Herausrechnen der Umsatzsteuer aus den
von der Beigeladenen gezahlten Beträgen festzusetzen ist (zu
2.).
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1. Die streitigen Umsätze der
Klägerin sind im Inland steuerbar, weil sich der Ort der
Lieferungen der Klägerin an die Beigeladene nach § 3 Abs.
7 Satz 1 UStG und nicht nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt. Da das
Umsatzsteuerrecht kein Sonderrecht für Konsignationslager
kennt, richtet sich die Bestimmung des Leistungsorts nach den
allgemeinen Grundsätzen (Böttner, UR 2010, 299, 302).
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a) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den
Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer
beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die
Lieferung gemäß § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als
ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den
Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Wird der
Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird
die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit
der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (§ 3 Abs. 7
Satz 1 UStG).
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b) Diese Regelungen beruhen unionsrechtlich
auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
(Richtlinie 77/388/EWG; ab 1.1.2007 Art. 31, 32 der Richtlinie
2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem - MwStSystRL - ).
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c) § 3 Abs. 6 UStG setzt eine Versendung
an den Abnehmer voraus. Dieser muss daher im Zeitpunkt der
Versendung feststehen (zur näheren Begründung s. Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.10.2016 V R 31/15 = SIS 16 27 61, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen; BFH-Urteile vom
6.12.2007 V R 24/05, BFHE 219, 476, BStBl II 2009, 490 = SIS 08 11 74, Rz 44; vom 30.7.2008 XI R 67/07, BFHE 222, 138, BStBl II 2009,
552 = SIS 08 39 10, Rz 13; wohl auch BFH-Urteil vom 25.2.2015 XI R
15/14, BFHE 249, 343 = SIS 15 06 40, Rz 56 f.; Birkenfeld in
Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch I, Rz
864; Flückiger in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 3
Abs. 6 Rz 48; Hahn in Weymüller, UStG, München 2015,
§ 3 Rz 332.1, 341, 342; Heuermann in Sölch/Ringleb,
§ 3 Rz 459, 474; Lippross, Umsatzsteuer, S. 188; Michl in
Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3 Rz 118; Nieskens in
Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Rz 3430 ff.; Schilcher in
Hartmann/Metzenmacher, § 3 Abs. 6 Rz 40; ebenso Abschn. 1a.2
Abs. 6, Abschn. 3.1 Abs. 3 Satz 5 sowie Abschn. 3.12 Abs. 3 Satz 7
des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; a.A. Fritsch in
Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 3 Rz 604 ff.; Reiß
in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 13 Rz 17 ff.; Stadie,
Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl., § 3 Rz 124 ff.; Stöcker in
Küffner/Stöcker/Zugmaier, UStG, § 3 Rz 587 ff.;
Frye, UR 2013, 889; Hummel, UR 2007, 757).
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d) Nach diesen Grundsätzen befand sich
der Ort der streitigen Lieferungen am Ort des Konsignationslagers
im Inland, weil bei Versendung der Waren der Abnehmer noch nicht
feststand. Erst mit der Entnahme der Waren aus dem
Konsignationslager war sicher, dass die Beigeladene die
Gegenstände behalten werde und bereit war, hierfür den
Kaufpreis zu entrichten. Nach den zwischen der Klägerin und
der Beigeladenen in dem CDA getroffenen Regelungen wurde ein
verbindlicher Kaufvertrag zwischen den Vertragsbeteiligten erst
nach der Einlagerung der Waren geschlossen, weil die Beigeladene
nicht von vornherein dazu verpflichtet war, die von der
Klägerin in das Lager verbrachten Waren abzunehmen. Die
Beigeladene war auch erst nach der Entnahme der Waren aus dem
Konsignationslager zur Zahlung verpflichtet (vgl. hierzu BFH-Urteil
in BFHE 219, 476, BStBl II 2009, 490 = SIS 08 11 74, Rz 47).
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Die Einlagerung in das Konsignationslager der
Beigeladenen führte deshalb nicht lediglich zu einer nur
kurzen Unterbrechung der begonnenen Versendung an den bereits
feststehenden Abnehmer (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 20.10.2016 V R
31/15 = SIS 16 27 61; Urteil des Gerichtshofs der Europäischen
Union X vom 18.11.2010 C-84/09, EU:C:2010:693, Rz 33).
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2. Das FG hat im Ergebnis auch zu Recht
entschieden, dass die von der Klägerin zugrunde zu legende
Bemessungsgrundlage durch Herausrechnen der Umsatzsteuer aus den
von der Beigeladenen gezahlten Beträgen zu ermitteln ist.
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Das ist allerdings - im Gegensatz zu der vom
FG vertretenen Auffassung - nicht auf eine (teilweise)
Uneinbringlichkeit des Entgeltes gemäß § 17 Abs. 2
Nr. 1 UStG zurückzuführen. Denn für Umsätze,
die ein Steuerpflichtiger in seinen Steuererklärungen nicht
angibt - auch bei Rechtsirrtum über deren Steuerbarkeit -,
entsteht die Umsatzsteuer ebenso wie bei ordnungsgemäß
erklärten Umsätzen (BFH-Urteil vom 20.1.1997 V R 28/95,
BFHE 183, 353, BStBl II 1997, 716 = SIS 97 20 74, Rz 24). Auch bei
einem Rechtsirrtum über die Steuerbarkeit von Lieferungen und
sonstigen Leistungen wird der Umsatz gemäß § 10
Abs. 1 Satz 1 UStG nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles,
was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu
erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1
Satz 2 UStG). Das gilt auch, wenn die Beteiligten
rechtsirrtümlich die Gegenleistung ohne Umsatzsteuer
vereinbaren. Der vereinbarte Betrag ist danach in Entgelt und
darauf entfallende Umsatzsteuer aufzuteilen (vgl. BFH-Urteile vom
22.4.2015 XI R 43/11, BFHE 249, 315, BStBl II 2015, 755 = SIS 15 13 69, Rz 37; in BFHE 183, 353, BStBl II 1997, 716 = SIS 97 20 74,
unter II.2.d).
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3. Das FG verletzt aber § 233a Abs. 5 der
Abgabenordnung (AO), indem es die Festsetzung von
Nachzahlungszinsen bestätigt hat.
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a) Obwohl gemäß § 233a Abs. 4
AO die Festsetzung von Zinsen mit der Steuerfestsetzung verbunden
werden soll, bleiben Zinsfestsetzung und Steuerfestsetzung
eigenständige Bescheide (BFH-Beschluss vom 23.12.2002 IV B
13/02, BStBl II 2003, 737 = SIS 03 23 76, Rz 5). Das FG hat deshalb
zu Recht erkannt, dass die Frist (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO)
für den gesonderten Einspruch gegen die Zinsfestsetzung im
Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs am 22.3.2012 abgelaufen war.
Die am 6.1.2012 per Post an eine ausländische Anschrift
übermittelten Zinsbescheide galten gemäß § 122
Abs. 2 Nr. 2 AO am 6.2.2012 als bekannt gegeben. Die
Einspruchsfrist war daher gemäß § 54 Abs. 2 FGO
i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO),
§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB) am 6.3.2012 (Dienstag) abgelaufen.
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b) Das FG hat allerdings verkannt, dass Zinsen
als steuerliche Nebenleistung grundsätzlich das Schicksal der
ihnen zugrunde liegenden Hauptforderung teilen (Heuermann in
Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 233a AO Rz 66). Aus diesem
Grund ist gemäß § 233a Abs. 5 AO die bisherige
Zinsfestsetzung zu ändern, wenn die Steuerfestsetzung
aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt wird.
Ohne Belang ist, auf welcher Rechtsgrundlage die Aufhebung,
Änderung oder Berichtigung beruht. Erfasst sind deshalb auch
Änderungen und Aufhebungen im Rechtsbehelfsverfahren und im
finanzgerichtlichen Verfahren, soweit das Gericht in der Sache
selbst entscheidet (Loose in Tipke/Kruse, § 233a AO Rz 50,
51). Das FG hätte deshalb aus seiner Sicht entsprechend der
Herabsetzung der Umsatzsteuer auch die Zinsfestsetzung ändern
müssen.
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4. Die Übertragung der Berechnung der
Nachzahlungszinsen auf das FA beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2,
§ 121 FGO.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 FGO.
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