1
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft mit einem
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Sie hielt 100 % der
Geschäftsanteile an der T-GmbH, der mehrere Grundstücke
gehörten. Die T-GmbH war ihrerseits Alleingesellschafterin der
E-GmbH.
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2
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Mit Vertrag vom 1.8.2012 übertrug die
T-GmbH als übertragender Rechtsträger ihr Vermögen
als Ganzes (also einschließlich der Grundstücke) mit
allen Rechten und Pflichten unter Auflösung ohne Abwicklung
gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2
Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) auf die Klägerin als
übernehmender Rechtsträger (Verschmelzung durch
Aufnahme). Die Verschmelzung wurde mit der Eintragung im
Handelsregister am 24.9.2012 wirksam. Zu diesem Zeitpunkt erlosch
die T-GmbH, an der die Klägerin seit mehr als fünf Jahren
beteiligt gewesen war. Die Klägerin war seitdem
Alleingesellschafterin der E-GmbH.
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3
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) sah in dem Übergang der Grundstücke
aufgrund der Verschmelzung der T-GmbH auf die Klägerin einen
steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 des
Grunderwerbsteuergesetzes in der im Jahr 2012 geltenden Fassung
(GrEStG). Das FA stellte zuletzt durch Änderungsbescheid vom
13.8.2013 die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer
nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG der Klägerin
gegenüber fest. Dabei versagte das FA die
Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG. Den Einspruch wies
das FA mit der Begründung zurück, bei der T-GmbH handle
es sich nicht um eine abhängige Gesellschaft im Sinne des
§ 6a GrEStG, weil sie aufgrund der Verschmelzung untergegangen
sei und deshalb die gesetzliche Nachbehaltensfrist von fünf
Jahren nicht eingehalten worden sei.
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4
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Das Finanzgericht gab der Klage statt und
gewährte die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG in
Höhe von 100 %. Die Entscheidung ist in EFG 2015, 424 = SIS 15 02 76 veröffentlicht.
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5
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung von § 6a GrEStG.
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6
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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7
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Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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8
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Das Bundesministerium der Finanzen ist dem
Verfahren beigetreten. Es hat mitgeteilt, dass ein förmliches
Prüfverfahren durch die Kommission in Bezug auf die neu
eingeführte Steuerbegünstigung des § 6a GrEStG nicht
stattgefunden hat.
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9
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II. Der Senat legt dem Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) die in der Entscheidungsformel
bezeichnete Frage zur Auslegung von Art. 107 Abs. 1 des Vertrags
über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zur
Vorabentscheidung vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung
des EuGH aus.
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1. Nationales Recht
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a) § 1 GrEStG
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„(1) Der Grunderwerbsteuer
unterliegen die folgenden Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf
inländische Grundstücke beziehen:
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1. ein Kaufvertrag oder ein anderes
Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung
begründet;
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2. die Auflassung, wenn kein
Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf
Übereignung begründet;
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3. der Übergang des Eigentums, wenn
kein den Anspruch auf Übereignung begründendes
Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner
Auflassung bedarf.
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(...)
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(2a) Gehört zum Vermögen einer
Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und
ändert sich innerhalb von fünf Jahren der
Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass
mindestens 95 vom Hundert der Anteile am Gesellschaftsvermögen
auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die
Übereignung eines Grundstücks auf eine neue
Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. (...)
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(3) Gehört zum Vermögen einer
Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegen
der Steuer, soweit eine Besteuerung nach Absatz 2a nicht in
Betracht kommt, außerdem:
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1. ein Rechtsgeschäft, das den
Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der
Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung
unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 vom Hundert der Anteile
der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von
herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen
Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder
abhängigen Personen allein vereinigt werden
würden;
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2. die Vereinigung unmittelbar oder
mittelbar von mindestens 95 vom Hundert der Anteile der
Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne
der Nummer 1 vorausgegangen ist;
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3. ein Rechtsgeschäft, das den
Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von
mindestens 95 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft
begründet;
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4. der Übergang unmittelbar oder
mittelbar von mindestens 95 vom Hundert der Anteile der
Gesellschaft auf einen anderen, wenn kein schuldrechtliches
Geschäft im Sinne der Nummer 3 vorausgegangen
ist.“
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b) § 6a GrEStG (neu eingeführt durch
das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009,
Bundesgesetzblatt - BGBl - I 2009, 3950, mit Wirkung für
Erwerbsvorgänge nach dem 31.12.2009, geändert durch
Gesetz vom 22.6.2011, BGBl I 2011, 1126).
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13
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„Für einen nach § 1 Absatz
1 Nummer 3, Absatz 2a oder 3 steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund
einer Umwandlung im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 des
Umwandlungsgesetzes wird die Steuer nicht erhoben; (...) Satz 1
gilt auch für entsprechende Umwandlungen aufgrund des Rechts
eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Staats,
auf den das Abkommen über den Europäischen
Wirtschaftsraum Anwendung findet. Satz 1 gilt nur, wenn an dem
Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes
Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden
Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem
herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt
sind. Im Sinne von Satz 3 abhängig ist eine Gesellschaft, an
deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende
Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang
und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder
mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95
vom Hundert ununterbrochen beteiligt ist.“
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c) UmwG
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§ 1 UmwG
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„(1) Rechtsträger mit Sitz im
Inland können umgewandelt werden 1. durch
Verschmelzung;
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2. durch Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung,
Ausgliederung);
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3. durch
Vermögensübertragung;
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(...)“
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§ 2 UmwG
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„Rechtsträger können unter
Auflösung ohne Abwicklung verschmolzen werden
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1. im Wege der Aufnahme durch
Übertragung des Vermögens eines Rechtsträgers oder
mehrerer Rechtsträger (übertragende Rechtsträger)
als Ganzes auf einen bestehenden Rechtsträger
(übernehmender Rechtsträger) (...)“
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2. Allgemeine Regelung der Steuerpflicht im
Grunderwerbsteuerrecht
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a) Steuerbare Erwerbsvorgänge
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aa) Die Grunderwerbsteuer erfasst als
Rechtsverkehrssteuer grundsätzlich alle Rechtsvorgänge,
bei denen der Rechtsträger eines im Inland gelegenen
Grundstücks wechselt. Das gilt für inländische und
ausländische Rechtsträger.
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20
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bb) § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG knüpft
die Steuerbarkeit bereits an den Abschluss des schuldrechtlichen
Rechtsgeschäfts an, das - wie beispielsweise ein Kaufvertrag -
den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks
begründet. Ist ein solches Rechtsgeschäft nicht
geschlossen worden, ist die dingliche Übereignung (Auflassung)
des Grundstücks steuerbar.
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21
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cc) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG
unterliegt zudem der Übergang des Eigentums an einem
inländischen Grundstück der Grunderwerbsteuer, wenn kein
den Anspruch auf Übereignung begründendes
Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es keiner Auflassung des
Grundstücks bedarf. Dazu zählen auch
Rechtsträgerwechsel aufgrund von Umwandlungen nach dem UmwG
(Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung). Bei
diesen Vorgängen geht das Vermögen des übertragenden
Rechtsträgers als Ganzes (Gesamtrechtsnachfolge) oder partiell
(Sonderrechtsnachfolge) kraft Gesetzes auf einen neuen
Rechtsträger über. Es bedarf keiner Übertragung
einzelner Vermögensgegenstände.
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dd) Darüber hinaus sind nach § 1
Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG weitere Rechtsvorgänge steuerbar.
Diese Vorschriften erfassen die Übertragung bzw. Vereinigung
von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften, wenn diese
grunderwerbsteuerrechtlich einer Grundstücksübertragung
gleich kommen.
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Diesen Tatbeständen ist gemeinsam, dass
nicht das Eigentum am Grundstück auf einen neuen
Rechtsträger übergeht, sondern nur unmittelbar oder
mittelbar Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft
übertragen werden. Wegen der Höhe der insgesamt oder
sukzessiv übertragenen Anteile von mindestens 95 % wird ein
fiktiver Grundstückserwerb besteuert. Eigentümer des
Grundstücks bleibt zwar weiterhin die grundbesitzende
Gesellschaft. Die Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft
haben sich jedoch unmittelbar oder mittelbar geändert.
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b) Steuerbegünstigung nach § 6a
GrEStG
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aa) Für die nach § 1 Abs. 1 Nr. 3,
Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgänge wird die
Grunderwerbsteuer nach § 6a Satz 1 GrEStG nicht erhoben, wenn
der Rechtsvorgang auf einer Umwandlung im Sinne des § 1 Abs. 1
Nr. 1 bis 3 UmwG (Verschmelzung, Spaltung,
Vermögensübertragung) beruht.
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26
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bb) Die Steuerbegünstigung gilt für
Unternehmen mit Sitz im Inland oder im Ausland. Sie erfasst neben
Umwandlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG auch
entsprechende Umwandlungen aufgrund des Rechts eines Mitgliedstaats
der Europäischen Union (EU) oder eines Staats, auf den das
Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)
Anwendung findet.
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cc) § 6a Satz 3 GrEStG schränkt den
Anwendungsbereich der Steuerbegünstigung auf
Konzernsachverhalte ein. Danach gilt die Steuerbegünstigung
nach § 6a Satz 1 GrEStG nur, wenn an dem Umwandlungsvorgang
ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder
mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige
Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen
abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Abhängig ist
eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen
das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem
Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang
unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar
zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Satz 4
GrEStG). Begünstigt sind also Umwandlungsvorgänge mit
folgenden Beteiligten: ein herrschendes Unternehmen und eine
abhängige Gesellschaft, ein herrschendes Unternehmen und
mehrere abhängige Gesellschaften, mehrere von einem
herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften.
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28
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dd) Der Bundesfinanzhof (BFH) legt § 6a
GrEStG entsprechend dem Begünstigungszweck, Umstrukturierungen
innerhalb von Konzernen zu erleichtern, weit aus.
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29
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(1) Das gilt zunächst für den
Begriff des herrschenden Unternehmens im Sinne des § 6a Satz 3
GrEStG. Herrschendes Unternehmen kann jede natürliche oder
juristische Person, Personengesellschaft oder Personenvereinigung
sein, die wirtschaftlich tätig ist. An den wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb des herrschenden Unternehmens sind keine
hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn das herrschende
Unternehmen über die Beteiligung am abhängigen
Unternehmen am Markt teilnimmt. Deshalb ist es nicht erforderlich,
dass der an der Umwandlung als herrschendes Unternehmen beteiligte
Rechtsträger ein Unternehmer im Sinne des § 2 des
Umsatzsteuergesetzes ist. Unerheblich ist auch, ob das herrschende
Unternehmen die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im
Privat- oder im Betriebsvermögen hält.
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30
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(2) Die in § 6a Satz 4 GrEStG
vorgesehenen Fristen beschränken die Anwendung der
Steuerbegünstigung auf Fälle, in denen die Beteiligung
des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft
fünf Jahre vor dem Rechtsvorgang und dieselbe Zeit nach dem
Rechtsvorgang besteht. Diese Regelung, die eine dem Zweck der
Vorschrift entgegenstehende Ausweitung der Steuerbegünstigung
verhindern soll, ist dahin auszulegen, dass die Fristen nur
insoweit maßgebend sind, als sie aufgrund der Umwandlung auch
eingehalten werden können. So kann beispielsweise bei einer
Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft auf das
herrschende Unternehmen nur die Frist „vor“ der
Verschmelzung eingehalten werden. Nach der Verschmelzung besteht
die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der
abhängigen Gesellschaft nicht mehr. Die
Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG ist zu gewähren,
weil die Frist nach der Verschmelzung gerade wegen der
Verschmelzung nicht eingehalten werden kann. Dasselbe gilt für
die anderen von § 6a Satz 1 GrEStG erfassten
Umwandlungsvorgänge, bei denen aus Rechtsgründen die
Fristen nicht eingehalten werden können.
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31
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3. Beurteilung des Streitfalls nach deutschem
Recht
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32
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Die Verschmelzung der T-GmbH auf die
Klägerin ist nach § 6a GrEStG begünstigt.
Grunderwerbsteuer ist nicht zu erheben.
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33
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An dem Umwandlungsvorgang waren die
Klägerin als herrschendes Unternehmen und die auf sie
verschmolzene T-GmbH als abhängige Gesellschaft beteiligt. Die
Klägerin ist wirtschaftlich tätig und hatte vor der
Verschmelzung mehr als fünf Jahre 100 % der
Geschäftsanteile an der T-GmbH gehalten. Unschädlich ist,
dass die Klägerin nach der Verschmelzung keine Beteiligung an
der T-GmbH mehr halten konnte. Das Vermögen der T-GmbH ist
infolge der Verschmelzung durch Gesamtrechtsnachfolge auf die
Klägerin übergegangen. Die Klägerin konnte daher die
Frist bezüglich der Beteiligung an der T-GmbH aus
umwandlungsrechtlichen Gründen nicht einhalten.
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4. Zur Vorlagefrage
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a) Zu klären ist, ob die
Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG eine nach Art. 107
Abs. 1 AEUV verbotene Beihilfe ist. Zweifel bestehen insbesondere
im Hinblick darauf, ob die Steuerbegünstigung tatsächlich
nur bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigt
und damit einen selektiven Vorteil verschafft. Außerdem
könnte die Steuerbegünstigung deshalb nicht als selektiv
einzustufen sein, weil sie als Korrektur des Referenzsystems
gerechtfertigt ist.
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36
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Gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV sind,
soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist,
staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen
gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter
Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen
oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar,
soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten
beeinträchtigen. Die Vorschrift verbietet grundsätzlich
selektive Beihilfen für bestimmte Unternehmen oder
Produktionszweige (EuGH-Urteile P vom 18.7.2013 C-6/12,
EU:C:2013:525, Rz 17, und Ministerio de Defensa und Navantia vom
9.10.2014 C-522/13, EU:C:2014:2262, Rz 32).
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37
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b) Im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten obliegt
die Prüfung, ob eine Steuerbegünstigung als staatliche
Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen ist, den
nationalen Gerichten (vergleiche EuGH-Urteile Lucchini vom
18.7.2007 C-119/05, EU:C:2007:434, Rz 50, und Ministerio de Defensa
und Navantia, EU:C:2014:2262, Rz 55). Aufgrund dieser Prüfung
kann entschieden werden, ob eine Steuerbegünstigung - wie
§ 6a GrEStG -, die ohne Beachtung des in Art. 108 Abs. 3 AEUV
vorgesehenen Vorprüfungsverfahrens eingeführt wurde,
diesem Verfahren hätte unterworfen werden müssen
(EuGH-Urteil Lucchini, EU:C:2007:434, Rz 50), und welche
Folgerungen aus einem möglichen Verstoß zu ziehen sind.
Die nationalen Gerichte können jedoch nicht darüber
befinden, ob eine staatliche Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar
ist.
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38
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Bestehen Zweifel, ob eine neu eingeführte
Steuerbegünstigung eine Beihilfe darstellt, muss der BFH den
EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV um Auslegung der einschlägigen
unionsrechtlichen Bestimmungen ersuchen (EuGH-Urteil Deutsche
Lufthansa vom 21.11.2013 C-284/12, EU:C:2013:755, Rz 44).
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39
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c) Die Einstufung einer nationalen
Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im
Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verlangt, dass vier Voraussetzungen
erfüllt sind (vergleiche EuGH-Urteil World Duty Free Group vom
21.12.2016 C-20/15 P und C-21/15 P, EU:C:2016:981 = SIS 17 02 23,
Rz 53, und die dort angeführte Rechtsprechung). Erstens muss
es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme
unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss die
Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen den
Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem
Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil gewährt
werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu
verfälschen drohen.
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40
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d) Als staatliche Beihilfen gelten
Maßnahmen gleich welcher Art, die mittelbar oder unmittelbar
Unternehmen begünstigen oder die als ein wirtschaftlicher
Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter
normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte (EuGH-Urteil
Ministerio de Defensa und Navantia, EU:C:2014:2262, Rz 21).
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41
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Die Steuerbegünstigung nach § 6a
GrEStG ist ein solcher Vorteil. Die Begünstigten werden
dadurch finanziell besser gestellt als die übrigen
Steuerpflichtigen, die ebenfalls einen steuerbaren Rechtsvorgang
nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2a oder 3 GrEStG
verwirklichen und nicht die Voraussetzungen der
Steuerbegünstigung erfüllen.
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e) Fraglich ist, ob die
Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG mit einem selektiven
Vorteil verbunden ist.
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aa) Die Beurteilung der Selektivität
verlangt die Feststellung, ob eine nationale Maßnahme im
Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist,
„bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“
gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu
begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden
Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen
und rechtlichen Situation befinden und somit eine unterschiedliche
Behandlung erfahren, die im Wesentlichen als diskriminierend
eingestuft werden kann (EuGH-Urteile World Duty Free Group,
EU:C:2016:981, Rz 54, und Kommission/Aer Lingus vom 21.12.2016
C-164/15 P und C-165/15 P, EU:C:2016:990, Rz 51).
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44
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bb) Für die Einstufung einer nationalen
steuerlichen Maßnahme als „selektiv“ muss
in einem ersten Schritt die in dem betreffenden Mitgliedstaat
geltende allgemeine oder „normale“
Steuerregelung ermittelt werden. In einem zweiten Schritt muss
dargetan werden, dass die in Rede stehende steuerliche
Maßnahme vom allgemeinen System insoweit abweicht, als sie
Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die
sich im Hinblick auf das mit dieser allgemeinen Regelung verfolgte
Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen
Situation befinden (EuGH-Urteil World Duty Free Group,
EU:C:2016:981, Rz 57).
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45
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cc) Der Umstand, dass sehr viele Unternehmen
eine nationale Maßnahme in Anspruch nehmen können oder
dass diese Unternehmen mehreren Wirtschaftszweigen angehören,
genügt nicht, um die Selektivität dieser Maßnahme
und damit ihre Eigenschaft als staatliche Beihilfe zu verneinen
(EuGH-Urteil World Duty Free Group, EU:C:2016:981, Rz 80). Eine
steuerliche Maßnahme kann auch dann selektiv wirken, wenn sie
von der Art der Tätigkeit der begünstigten Unternehmen
unabhängig ist (EuGH-Urteil World Duty Free Group,
EU:C:2016:981, Rz 81). Andererseits verleiht allein der Umstand,
dass nur die Steuerpflichtigen, die die Voraussetzungen für
die Anwendung einer Maßnahme erfüllen, diese in Anspruch
nehmen können, der Maßnahme keinen selektiven Charakter
(vergleiche EuGH-Urteil World Duty Free Group, EU:C:2016:981, Rz
59).
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46
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dd) Es bestehen Zweifel, ob die in § 6a
GrEStG genannten Voraussetzungen eine Selektivität
begründen können. Da eine Steuerbegünstigung im
Allgemeinen stets von Voraussetzungen abhängig ist und damit
regelmäßig bestimmte Steuerpflichtige vom
Anwendungsbereich ausgeschlossen sind, muss geklärt werden,
welche Wirkungen diese Voraussetzungen in Bezug auf den
Beihilfecharakter der Vorschrift haben. Die Unterscheidung zwischen
beihilfebegründenden und nicht beihilfebegründenden
Voraussetzungen ist nicht eindeutig.
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47
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(1) Die Steuerbegünstigung nach § 6a
GrEStG beschränkt sich nach ihrem Wortlaut nicht auf bestimmte
Unternehmen oder Produktionszweige. Sie gilt vielmehr
unabhängig von der Art der Tätigkeit für alle
inländischen und ausländischen Unternehmen, die
Umwandlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG
(Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung) oder
entsprechende Umwandlungen nach dem Recht der Mitgliedstaaten der
EU oder eines Staats, auf den das Abkommen über den EWR
Anwendung findet, durchführen.
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48
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Soweit die Steuerbegünstigung an
bestimmte Voraussetzungen anknüpft (Umwandlungen im Sinne des
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG oder vergleichbare Umwandlungen in
der EU bzw. im EWR-Raum, Festlegung der beteiligten
Rechtsträger, Beteiligung des herrschenden Unternehmens von
mindestens 95 %, Dauer der Beteiligung an der abhängigen
Gesellschaft), bestehen Zweifel, ob die Vorschrift deswegen einen
selektiven Vorteil verschafft. Die selektive Wirkung könnte
sich zum einen daraus ergeben, dass die Vorschrift nur für
Umwandlungen und nicht für andere Maßnahmen zur
Umstrukturierung gilt. Zum anderen könnte die selektive
Wirkung darin bestehen, dass konzernzugehörige Unternehmen vom
Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ausgeschlossen sind, wenn
das herrschende Unternehmen im Konzern nicht die geforderte
Beteiligung von mindestens 95 % an einer abhängigen
Gesellschaft aufweisen kann oder die Beteiligung an einer
abhängigen Gesellschaft nicht während der gesamten Frist
von fünf Jahren, sondern nur während einer kürzeren
Frist vor und nach dem Rechtsvorgang besteht.
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49
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(2) Die Beschränkung des § 6a GrEStG
auf Umwandlungen (Verschmelzung, Spaltung,
Vermögensübertragung) bewirkt, dass
Wirtschaftsteilnehmer, die Erwerbsvorgänge ohne Umwandlung
verwirklichen, von der Steuerbegünstigung ausgeschlossen sind.
Wird zum Beispiel innerhalb eines Konzerns ohne begünstigte
Umwandlung nur die Beteiligung von mindestens 95 % an einer
grundbesitzenden Gesellschaft oder ein Grundstück
übertragen, so fällt Grunderwerbsteuer an, ohne dass die
Steuerbegünstigung des § 6a GrEStG anzuwenden ist. Die
Wirtschaftsteilnehmer, die die von § 6a GrEStG erfassten
Erwerbsvorgänge ohne Umwandlung verwirklichen, können
sich im Hinblick auf das mit § 1 GrEStG verfolgte Ziel,
Rechtsträgerwechsel bei Grundstücken und entsprechende
Übertragungen bzw. Vereinigungen von Anteilen an
grundbesitzenden Gesellschaften zu besteuern, in einer
vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation wie
Wirtschaftsteilnehmer befinden, die den Erwerbsvorgang durch
Umwandlung verwirklichen. Wird eine Umstrukturierung innerhalb des
Konzerns nicht mittels Umwandlung, sondern durch eine andere
Maßnahme herbeigeführt, ist § 6a GrEStG jedoch
nicht anwendbar. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass
die Beschränkung auf Umwandlungen selektiv ist. Gegen eine
vergleichbare tatsächliche und rechtliche Situation der
Wirtschaftsteilnehmer könnte jedoch sprechen, dass es bei
einer Umwandlung stets zu einem Rechtsträgerwechsel kommt,
während andere Maßnahmen so ausgestaltet werden
können, dass die in § 6a Satz 1 GrEStG genannten
steuerbaren Erwerbsvorgänge nicht verwirklicht werden.
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50
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(3) Das Erfordernis einer Beteiligung des
herrschenden Unternehmens von mindestens 95 % an einer
abhängigen Gesellschaft nach § 6a Satz 4 GrEStG
führt ebenfalls zu einer Unterscheidung zwischen den
Wirtschaftsteilnehmern.
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Wirtschaftsteilnehmer mit einer solchen
qualifizierten Beteiligung sind jedoch im Hinblick auf die
Grunderwerbsteuer nicht in einer vergleichbaren tatsächlichen
und rechtlichen Situation wie Wirtschaftsteilnehmer, deren
Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft weniger als 95 %
beträgt. Die Übertragung der qualifizierten Beteiligung
an einer grundbesitzenden Gesellschaft unterliegt nach § 1
Abs. 2a und 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Insoweit löst die
Übertragung einer qualifizierten Beteiligung
grunderwerbsteuerrechtlich dieselben Rechtsfolgen aus wie die
Übertragung eines Grundstücks. Demgegenüber kann der
Inhaber einer nicht qualifizierten Beteiligung diese
übertragen, ohne dass der Vorgang mit Grunderwerbsteuer
belastet wird; hier kann Grunderwerbsteuer nur anfallen, wenn
weitere Anteilseigner Anteile übertragen, so dass insgesamt
mindestens 95 % der Anteile auf neue Rechtsträger
übergehen. Dieser Unterschied könnte dafür sprechen,
dem Erfordernis einer qualifizierten Beteiligung des herrschenden
Unternehmens keine selektive Wirkung beizumessen.
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(4) Die Einhaltung der Frist bezüglich
der Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der
abhängigen Gesellschaft nach § 6a Satz 4 GrEStG ist ein
Kriterium, das ebenfalls dazu führen könnte, dass
Wirtschaftsteilnehmer in vergleichbaren Situationen unterschiedlich
behandelt werden. Ein herrschendes Unternehmen, das an der
abhängigen Gesellschaft zum Zeitpunkt der Umwandlung noch
nicht fünf Jahre beteiligt war, ist von der
Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG ausgeschlossen, auch
wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein Bedarf nach Umstrukturierung
besteht. Dementsprechend könnten auch die in § 6a Satz 4
GrEStG vorgesehenen Fristen dazu beitragen, die
Steuerbegünstigung als selektiv einzustufen.
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53
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Dem steht die im Referenzsystem in § 1
Abs. 2a GrEStG geregelte Fünfjahresfrist nicht entgegen.
§ 1 Abs. 2a GrEStG stellt auf den Wechsel im
Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft innerhalb von
fünf Jahren ab. § 6a Satz 4 GrEStG knüpft
demgegenüber für alle von § 6a Satz 1 GrEStG
erfassten Erwerbsvorgänge an das Innehaben der Beteiligung
für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren vor und
nach dem Erwerbsvorgang an.
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54
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f) Die Voraussetzung der Selektivität ist
jedoch nicht gegeben, wenn eine Maßnahme zwar einen Vorteil
für den Begünstigten darstellt, aber durch die Natur oder
den allgemeinen Aufbau des Systems, in das sie sich einfügt,
gerechtfertigt ist (EuGH-Urteile Paint Graphos u.a. vom 8.9.2011
C-78/08 bis C-80/08, EU:C:2011:550, Rz 64, und Adria-Wien Pipeline
und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke vom 8.11.2001 C-143/99,
EU:C:2001:598, Rz 42).
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aa) Der Begriff der staatlichen Beihilfe
erfasst staatliche Maßnahmen, die eine Differenzierung
zwischen Unternehmen vornehmen und damit a priori selektiv sind,
dann nicht, wenn diese Differenzierung aus der Natur oder dem
inneren Aufbau der Lastenregelung folgt, mit der sie in
Zusammenhang stehen (EuGH-Urteil Ministerio de Defensa und
Navantia, EU:C:2014:2262, Rz 42, und die dort angeführte
Rechtsprechung).
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Eine Maßnahme, die eine Ausnahme von der
Anwendung des allgemeinen Steuersystems darstellt, kann
gerechtfertigt sein, wenn sie nachweisbar unmittelbar auf den
Grund- oder Leitprinzipien seines Steuersystems beruht. Insoweit
ist zu unterscheiden zwischen den mit einer bestimmten
Steuerregelung verfolgten Zielen, die außerhalb dieser
Regelung liegen, und den dem Steuersystem selbst inhärenten
Mechanismen, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sind
(EuGH-Urteil Ministerio de Defensa und Navantia, EU:C:2014:2262, Rz
43).
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bb) Die Rechtfertigung für die
Steuerbegünstigung des § 6a GrEStG könnte sich
daraus ergeben, dass die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 3
Satz 1, Abs. 2a und 3 GrEStG aus grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht
zu weit gefasst sind und deshalb für bestimmte
Konzernsachverhalte einer Korrektur durch Einschränkung des
Anwendungsbereichs bedürfen. Dabei ist unerheblich, dass die
Einschränkung nicht in den einzelnen Vorschriften zu den
steuerbaren Rechtsvorgängen aufgenommen wurde, sondern wegen
der in mehreren Vorschriften geregelten Steuerbarkeit von
Rechtsvorgängen als Steuerbegünstigung ausgestaltet
wurde.
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(1) § 6a GrEStG könnte dahin
verstanden werden, dass die Vorschrift insbesondere die
Rechtsfolgen aus dem weiten Anwendungsbereich des in den
Umwandlungsfällen zumeist einschlägigen § 1 Abs. 1
Nr. 3 Satz 1 GrEStG begrenzt. Für steuerbare
Rechtsvorgänge aufgrund einer Umwandlung (wie im Streitfall
einer Verschmelzung) wird unter bestimmten Voraussetzungen nach
§ 6a GrEStG keine Grunderwerbsteuer erhoben. Zweck der
Grunderwerbsteuer ist die Besteuerung des Rechtsträgerwechsels
bei Grundstücken. Unter den in § 6a GrEStG aufgestellten
weiteren Voraussetzungen (qualifiziertes
Beteiligungsverhältnis, Behaltensfristen) könnte davon
auszugehen sein, dass ein besteuerungswürdiger
Rechtsträgerwechsel nicht vorliegt. Durch die Voraussetzungen
wird der nicht besteuerungswürdige Rechtsträgerwechsel
vom besteuerungswürdigen Rechtsträgerwechsel
abgegrenzt.
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(2) Dies wird im Streitfall deutlich, in dem
eine Tochtergesellschaft (T-GmbH) auf die Muttergesellschaft
(Klägerin) verschmolzen wird. Der Klägerin war der
Grundbesitz der T-GmbH grunderwerbsteuerrechtlich bereits aufgrund
der Beteiligung von 100 % an der T-GmbH zuzuordnen. Der
nachfolgende zivilrechtliche Erwerb des Grundbesitzes durch die
Klägerin aufgrund der Umwandlung ist zwar steuerbar. Aus
grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht ist dies aber eine zu
weitgehende Rechtsfolge, weil der Grundbesitz schon vorher der
Klägerin zuzuordnen war.
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(3) § 6a GrEStG steht nur bestimmten
Unternehmen bzw. Gesellschaften offen, bei denen ein besonderes
Abhängigkeitsverhältnis besteht. Dies soll sicherstellen,
dass die Rechtsfolgen der von § 6a GrEStG begünstigten
Erwerbsvorgänge nur in einem genau umschriebenen
Anwendungsbereich zurückgenommen werden.
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(4) Dasselbe gilt für die einzuhaltenden
Fristen in Bezug auf die Beteiligung des herrschenden Unternehmens
an der abhängigen Gesellschaft. Dadurch soll vermieden werden,
dass Beteiligungen kurzfristig erworben werden, um Umwandlungen
ohne Grunderwerbsteuerbelastung auszuführen. Die Fristen
grenzen den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG in sachgerechter
Weise ein, um ungewollte Mitnahmeeffekte zu verhindern.
Ähnliche Regelungen finden sich im Referenzsystem an anderer
Stelle (so zum Beispiel in § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 4
GrEStG).
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g) Für die Qualifizierung einer
nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe bedarf es nicht
des Nachweises einer tatsächlichen Auswirkung der fraglichen
Beihilfe auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten und einer
tatsächlichen Wettbewerbsverzerrung, sondern nur der
Prüfung, ob die Beihilfe geeignet ist, diesen Handel zu
beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen
(EuGH-Urteil Ministerio de Defensa und Navantia, EU:C:2014:2262, Rz
51, und die dort angeführte Rechtsprechung). Der
innergemeinschaftliche Handel wird insbesondere dann durch eine von
einem Mitgliedstaat gewährte Beihilfe beeinflusst, wenn sie
die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen,
konkurrierenden Unternehmen in diesem Handel stärkt.
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Fraglich ist, ob die Steuerbegünstigung
nach § 6a GrEStG geeignet ist, den Handel zwischen den
Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu
verfälschen. Dies könnte nur angenommen werden, wenn
davon auszugehen wäre, dass diese Eignung im Grunde jeder
Steuerbegünstigung innewohnt.
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h) Nach alledem gibt es beachtenswerte
Gründe dafür, § 6a GrEStG bei Sachverhalten wie im
Streitfall nicht als selektive Beihilfe anzusehen. Die
Steuerbegünstigung erscheint als gerechtfertigt.
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5. Die dem EuGH vorgelegten Fragen sind
entscheidungserheblich.
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Sollte es sich bei § 6a GrEStG um eine
Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV handeln, wäre die
Vorschrift nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV bis zu einer
Entscheidung der Kommission über die Vereinbarkeit der
Steuerbegünstigung mit dem Binnenmarkt nicht anwendbar. Das
Revisionsverfahren müsste bis zur Entscheidung der Kommission
ausgesetzt werden.
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Sollte die Steuerbegünstigung nach §
6a GrEStG keine verbotene Beihilfe sein, wäre die Entscheidung
des FG rechtmäßig. Die Revision des FA wäre
unbegründet. Die Klägerin könnte die
Steuerbegünstigung beanspruchen.
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6. Das Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH
ist nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erforderlich.
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7. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf
§ 121 Satz 1 in Verbindung mit § 74 der
Finanzgerichtsordnung.
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