1
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I. Streitig ist die Berücksichtigung
von Aufwendungen aus der Inanspruchnahme als Bürge bei der
Ermittlung eines Auflösungsverlusts nach § 17 des
Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr (2011) geltenden
Fassung (EStG).
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Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2011) vom Beklagten
und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt werden. Seit Ende des Jahres 2003 war der
Vater des Klägers alleiniger Gesellschafter und
Geschäftsführer einer GmbH. Der Kläger war zu diesem
Zeitpunkt Angestellter der GmbH. Im Februar 2010 wurden dem
Kläger die Anteile an der GmbH im Wege der vorweggenommenen
Erbfolge übertragen.
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Zur Umgestaltung der
Geschäftsräume gewährte die B-Bank der GmbH im Jahr
2006 Darlehen in Höhe von 51.600 EUR, 20.000 EUR und 99.000
EUR. Dabei stellte die B-Bank die Gewährung des Kredits u.a.
unter die Bedingung, dass der Kläger selbstschuldnerische
Bürgschaften bis zum Höchstbetrag von 170.000 EUR
übernahm. Darüber hinaus forderte die B-Bank angesichts
des Alters des bisherigen Alleingesellschafters, dass die Anteile
an der GmbH auf den Kläger übertragen werden und dass
dieser zum Geschäftsführer bestellt wird. Am 28.3.2006
verbürgte sich der Kläger entsprechend. Darüber
hinaus verbürgte sich der Kläger am 11.4.2006
unentgeltlich und selbstschuldnerisch für ein weiteres, bei
einer anderen Bank aufgenommenes Darlehen der GmbH in Höhe von
52.000 EUR.
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Während die GmbH in den Jahren 2003
und 2004 Verluste von 2.026,35 EUR und von 549,17 EUR auswies,
ermittelte sie im Jahr 2005 einen Gewinn von 14.668,35 EUR und im
Jahr 2006 von 2.618,92 EUR. Im Jahr 2007 erzielte die GmbH einen
Verlust von 117.652,91 EUR, in den Jahren 2008 und 2009 wiederum
Gewinne von 18.714,31 EUR und von 39.128,62 EUR. Das Eigenkapital
der GmbH betrug zum Jahresende 2005 37.092,83 EUR, zum Jahresende
2006 39.711,95 EUR und zum Jahresende 2007 ./. 77.941,16
EUR.
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Nachdem Verhandlungen über den Verkauf
der GmbH-Anteile an den langjährig für die GmbH
tätigen Handelsvertreter gescheitert waren und dieser
stattdessen einen eigenen Betrieb in unmittelbarer Nähe der
Geschäftsräume der GmbH eröffnet hatte, beantragte
der Kläger im Februar 2011 die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH. Das
Amtsgericht lehnte den Antrag im Mai 2011 mangels Masse ab. Noch im
Jahr 2011 leistete der Kläger aufgrund der von ihm
eingegangenen Bürgschaften Zahlungen an die
Kreditinstitute.
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In ihrer Einkommensteuererklärung
für das Jahr 2011 machten die Kläger einen
Auflösungsverlust in Höhe von 176.156,85 EUR geltend (im
Einzelnen: Ausfall mit der vom Rechtsvorgänger
übernommenen Stammeinlage 27.000 EUR, nachträgliche
Anschaffungskosten aus der Inanspruchnahme von Bürgschaften
140.610,40 EUR sowie verschiedene Kosten 8.545,78 EUR).
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Im Einkommensteuerbescheid für das
Streitjahr setzte das FA den Auflösungsverlust lediglich mit
17.975 EUR an. Es lehnte insbesondere die Berücksichtigung der
Aufwendungen aus der Inanspruchnahme der vom Kläger
geleisteten Bürgschaften ab, da sich die GmbH im Zeitpunkt der
Bürgschaftsübernahme nicht in einer Krise befunden habe.
Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit
seinem in EFG 2015, 1271 = SIS 15 14 80 veröffentlichten
Urteil im hier streitigen Umfang stattgegeben. Entgegen der
Auffassung des FA seien bei der Ermittlung des
Auflösungsverlusts die Aufwendungen des Klägers aus der
Inanspruchnahme der Bürgschaften als nachträgliche
Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Die Übernahme der
Bürgschaft sei gesellschaftlich veranlasst gewesen. Dem stehe
nicht entgegen, dass der Kläger im Zeitpunkt der
Bürgschaftsübernahme noch nicht Gesellschafter gewesen
sei, da er die Bürgschaft erkennbar als künftiger
Gesellschafter übernommen habe. Auf die Frage, ob die
übernommenen Bürgschaften als eigenkapitalersetzend i.S.
der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anzusehen seien,
komme es nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des
GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)
vom 23.10.2008 (BGBl I 2008, 2026) nicht mehr an. Im Übrigen
seien die Bürgschaften im Streitfall auch unter Zugrundelegung
der bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze als in der Krise
hingegeben und somit als eigenkapitalersetzend anzusehen.
Darüber hinaus wären die Bürgschaften auch deshalb
eigenkapitalersetzend, weil sie gerade für den Fall der
Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der GmbH
übernommen worden und damit krisenbestimmt gewesen
seien.
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Hiergegen richtet sich die Revision des FA,
mit der es die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 1, 2
und 4 EStG) rügt. Bei Übernahme der Bürgschaften
habe sich die GmbH nicht in der Krise befunden. Der Kläger
habe die Bürgschaften auch nicht als zukünftiger
Gesellschafter, sondern aus familiären Gründen
übernommen. Abzustellen sei auf den Wert des
Rückgriffsanspruchs im Zeitpunkt des Übergangs der
Gesellschaftsanteile. Dieser sei wegen der sich dann abzeichnenden
Insolvenz mit 0 EUR zu bewerten. Es sei überdies zweifelhaft,
ob der Ausfall des Rückgriffsanspruchs nach Aufhebung des
Eigenkapitalersatzrechts noch zu nachträglichen
Anschaffungskosten führe.
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Das FA beantragt, das Urteil des FG vom
10.3.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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Das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
ist dem Rechtsstreit beigetreten. Es hat sich unter Bezugnahme auf
das BMF-Schreiben vom 21.10.2010 (BStBl I 2010, 832 = SIS 10 32 96)
dafür ausgesprochen, die bisher geltenden Grundsätze auch
nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts anzuwenden. Der
Gesellschafter sei auch nach neuem Recht grundsätzlich frei,
ob er der Gesellschaft Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung
stellen wolle. Fremdkapital liege nur vor, wenn ein ordentlicher
und gewissenhafter Kaufmann das Risiko einer Finanzierungshilfe
ebenfalls eingegangen wäre. Dabei komme dem Merkmal der Krise
weiterhin entscheidende Bedeutung zu.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Im Ergebnis zutreffend hat das FG
die Aufwendungen des Klägers aus seiner Inanspruchnahme als
Bürge für die GmbH als nachträgliche
Anschaffungskosten bei der Berechnung des Auflösungsverlusts
des Klägers berücksichtigt.
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1. Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG
gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb unter den
dort genannten Voraussetzungen der Gewinn aus der Auflösung
von Kapitalgesellschaften. Steuerbar ist auch ein aus der
Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehender Verlust
(ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 20.8.2013 IX R
1/13, BFH/NV 2014, 310 = SIS 14 03 80).
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Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs.
1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der
Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen
(persönlich) getragenen Kosten (Auflösungskosten
entsprechend § 17 Abs. 2 EStG) und seine Anschaffungskosten
den gemeinen Wert des zugeteilten oder zurückgezahlten
Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen (BFH-Urteil
vom 4.3.2008 IX R 80/06, BFHE 220, 451, BStBl II 2008, 577 = SIS 08 20 31). Anschaffungskosten sind auch die nachträglichen
Anschaffungskosten (vgl. § 255 Abs. 1 Satz 2 des
Handelsgesetzbuchs - HGB - ).
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a) Zu nachträglichen Anschaffungskosten
einer Beteiligung führten nach bisheriger Rechtsprechung des
BFH neben offenen und verdeckten Einlagen auch nachträgliche
Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten
bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch
Veräußerungs- oder Auflösungskosten waren
(ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 23.5.2000 VIII
R 3/99, BFH/NV 2001, 23 = SIS 01 50 16, und vom 22.4.2008 IX R
75/06, BFH/NV 2008, 1994 = SIS 08 41 20).
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aa) Nachträgliche Anschaffungskosten hat
der BFH u.a. angenommen beim Ausfall des Gesellschafters mit seinem
Anspruch auf Rückzahlung eines der Gesellschaft gewährten
Darlehens oder bei Zahlung des Gesellschafters auf eine
Bürgschaft und Wertlosigkeit des gegen die Gesellschaft
gerichteten Rückgriffsanspruchs, wenn die Hingabe des
Darlehens oder die Übernahme der Bürgschaft durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst waren (vgl. zur
Bürgschaft BFH-Urteile vom 24.4.1997 VIII R 23/93, BFHE 183,
397, BStBl II 1999, 342 = SIS 97 23 43; vom 6.7.1999 VIII R 9/98,
BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817 = SIS 99 23 26, sowie in BFH/NV
2014, 310 = SIS 14 03 80; zum Darlehen BFH-Urteile vom 4.11.1997
VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344 = SIS 98 04 27,
sowie vom 19.8.2008 IX R 63/05, BFHE 222, 474, BStBl II 2009, 5 =
SIS 08 40 75).
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Für die Beurteilung, ob eine
Finanzierungshilfe durch das Gesellschaftsverhältnis
veranlasst war, hat der BFH darauf abgestellt, ob sie
eigenkapitalersetzend war (z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2001, 23 =
SIS 01 50 16; vom 2.4.2008 IX R 76/06, BFHE 221, 7, BStBl II 2008,
706 = SIS 08 28 65, und in BFHE 222, 474, BStBl II 2009, 5 = SIS 08 40 75). Er hat dies bejaht, wenn der Gesellschafter der
Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als
ordentliche Kaufleute nur noch Eigenkapital zugeführt
hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen
gewährt, eine Bürgschaft zur Verfügung gestellt oder
eine wirtschaftlich entsprechende andere Rechtshandlung i.S. des
§ 32a Abs. 1 und 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften
mit beschränkter Haftung a.F. (GmbHG a.F.) vorgenommen hatte
(sogenanntes funktionelles Eigenkapital; vgl. BFH-Urteile in BFHE
221, 7, BStBl II 2008, 706 = SIS 08 28 65, und vom 7.12.2010 IX R
16/10, BFH/NV 2011, 778 = SIS 11 12 42). Lagen diese
Voraussetzungen nicht vor, hatte die Finanzierungshilfe (auch
gesellschaftsrechtlich) nicht die Funktion von Eigenkapital und der
Gesellschafter war insofern wie jeder Drittgläubiger zu
behandeln (Fremdkapital).
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bb) Zur Bewertung der ausgefallenen
Forderungen hat der BFH zwischen Darlehen und Bürgschaften,
die in der Krise der Gesellschaft hingegeben oder von vornherein in
die Finanzplanung der Gesellschaft einbezogen waren und solchen
Finanzierungshilfen unterschieden, die erst aufgrund des Eintritts
der Krise, z.B. in Verbindung mit der Nichtausübung der Rechte
nach § 775 Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(BGB), den Status einer eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe
erlangt haben. Fiel der Gesellschafter mit einer von vornherein
eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe aus, führte dies zu
nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe des Nennwerts
des ausgefallenen Anspruchs. Im anderen Fall war nur der im
Zeitpunkt des Eintritts der Krise beizulegende Wert zu
berücksichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 10.11.1998 VIII R 6/96,
BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348 = SIS 99 07 23; in BFHE 189, 383,
BStBl II 1999, 817 = SIS 99 23 26, und vom 26.1.1999 VIII R 50/98,
BFHE 188, 295, BStBl II 1999, 559 = SIS 99 12 14, sowie
BFH-Beschluss vom 15.5.2006 VIII B 186/04, BFH/NV 2006, 1472 = SIS 06 30 55). Der bis zum Eintritt der Krise eingetretene Wertverlust
fiel in der (steuerlich unbeachtlichen) privaten
Vermögenssphäre an (vgl. BFH-Urteil in BFHE 189, 383,
BStBl II 1999, 817 = SIS 99 23 26; Gschwendtner, Beihefter zu DStR
32/1999, 1, 18).
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b) Diesen Grundsätzen der bisherigen
Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass die Leistung
des Gesellschafters trotz zivilrechtlicher Einkleidung als Darlehen
oder Bürgschaft als Zuwendung funktionellen Eigenkapitals
anzusehen war (Gast, Die steuerliche Berücksichtigung von
Darlehensverlusten des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft,
2012, S. 56; Gschwendtner, DStR-Beihefter 32/1999, 1, 8).
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aa) Die Rechtsprechung hat die Rechtsgrundlage
dafür im Eigenkapitalersatzrecht gesehen: Die bei
eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen nach altem Recht
eintretende Kapitalbindung und das zusätzliche Haftungsrisiko
des Gesellschafters rechtfertigten es, den Ausfall einer Forderung
ausnahmsweise steuerlich zu berücksichtigen. Jenseits der
zivilrechtlichen Rechtsfolgen bestand hingegen kein Anlass, den
Gesellschafter steuerlich anders zu behandeln als einen
Drittgläubiger (BFH-Urteile in BFHE 221, 7, BStBl II 2008, 706
= SIS 08 28 65, und vom 20.8.2013 IX R 43/12, BFH/NV 2013, 1783 =
SIS 13 27 98). Mit einem Darlehen oder einer Bürgschaft, die
der Gesellschafter der Gesellschaft wie ein fremder Dritter
gewährte, unterfällt der Gesellschafter dem
Anwendungsbereich des § 20 EStG (BFH-Urteil in BFHE 187, 480,
BStBl II 1999, 348 = SIS 99 07 23). Das Einkommensteuerrecht
respektiert die Entscheidung des Gesellschafters, der Gesellschaft
nicht Eigen-, sondern Fremdkapital zur Verfügung zu stellen
(BFH-Urteile in BFHE 183, 397, BStBl II 1999, 342 = SIS 97 23 43,
und in BFH/NV 2013, 1783 = SIS 13 27 98).
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bb) Vor diesem Hintergrund hat es der BFH bei
der Anwendung von § 17 EStG bislang vermieden, den
Veranlassungszusammenhang losgelöst vom
Eigenkapitalersatzrecht nach allgemeinen, steuerrechtlichen
Kriterien, z.B. anhand des Fremdvergleichs zu beurteilen (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817 = SIS 99 23 26,
und in BFH/NV 2008, 1994 = SIS 08 41 20). Allein aus dem Umstand,
dass die Finanzierungsmaßnahme des Gesellschafters zugunsten
der Gesellschaft einem Fremdvergleich nicht standhält (z.B.
wegen der Unentgeltlichkeit einer Bürgschaftsübernahme),
ergibt sich daher noch nicht, dass sie zu funktionalem Eigenkapital
und damit im Verlustfall zu nachträglichen Anschaffungskosten
i.S. von § 17 Abs. 2 EStG führt (BFH-Urteil in BFH/NV
2008, 1994 = SIS 08 41 20). Auch mit Rücksicht auf das
Gesellschaftsverhältnis hingegebenes Kapital will der
Gesellschafter wie ein fremder Kapitalgeber später wieder
zurück erhalten (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB; Heuermann, DStR
2008, 2089, 2092).
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c) Durch das MoMiG ist das
Eigenkapitalersatzrecht, das durch eine weitgehende
Gleichbehandlung der eigenkapitalersetzenden
Finanzierungsleistungen mit dem nach §§ 30, 31 GmbHG
gebundenen Kapital gekennzeichnet war, aufgehoben und ersetzt
worden durch den gesetzlichen Nachrang sämtlicher
Gesellschafterfinanzierungen im Insolvenzfall (vgl. Art. 9 MoMiG,
§ 39 Abs. 1 Nr. 5 der Insolvenzordnung - InsO - ). Forderungen
des Gesellschafters aus Gesellschafterdarlehen und vergleichbaren
Finanzierungshilfen erfahren eine Sonderbehandlung im Insolvenz-
und Anfechtungsrecht (vgl. § 135 Abs. 1 InsO). Sie werden aber
nicht mehr gesellschaftsrechtlich verstrickt und außerhalb
des Insolvenzverfahrens nicht mehr wie haftendes Eigenkapital
behandelt (Karsten Schmidt/Herchen in Karsten Schmidt,
Insolvenzordnung, 19. Aufl., § 39 Rz 27, 31; Groh, FR 2008,
264, 267; Bode, DStR 2009, 1781, 1782; Moritz, DStR 2014, 1636,
1638; vgl. auch Begründung zum Entwurf des MoMiG, BTDrucks
16/6140, S. 42).
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2. In der Fachdiskussion gehen die Meinungen
auseinander, ob die Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts für
die Auslegung von § 17 EStG Bedeutung hat und wie
bejahendenfalls die Lücke geschlossen werden kann, die dadurch
entstanden ist.
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a) Die Finanzgerichte haben zum Teil an den
bisherigen Grundsätzen festgehalten und - jedenfalls für
noch während der Geltung des Eigenkapitalersatzrechts
geleistete Finanzierungshilfen - weiterhin an die durch das MoMiG
aufgehobenen Regelungen des GmbHG a.F. angeknüpft (vgl. etwa
Urteile des FG Köln vom 20.3.2014 3 K 2518/11, EFG 2014, 2136
= SIS 14 29 11, rechtskräftig - rkr. - ; vom 30.9.2015 3 K
706/12, EFG 2016, 195 = SIS 15 29 77, rkr.; s. auch Urteil des FG
Berlin-Brandenburg vom 28.5.2015 4 K 7114/12, EFG 2015, 1934 = SIS 15 22 24, Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit BFH-Beschluss vom
27.1.2016 IX B 91/15, nicht veröffentlicht, als
unbegründet zurückgewiesen; Urteil des FG Düsseldorf
vom 18.12.2014 11 K 3614/13 E, EFG 2015, 480 = SIS 15 27 57,
Revision anhängig unter IX R 6/15), zum Teil aber auch den
Lösungsweg über die Figur des ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters eingeschlagen (so etwa die
Vorinstanz Urteil des FG Düsseldorf vom 10.3.2015 9 K 962/14,
EFG 2015, 1271 = SIS 15 14 80).
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26
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b) Die Finanzverwaltung wendet die bisherigen
Grundsätze weiter an (BMF-Schreiben vom 8.6.1999, BStBl I
1999, 545 = SIS 99 14 21; in BStBl I 2010, 832 = SIS 10 32 96,
unter 3.). Steuerlicher Anknüpfungspunkt bleibe das Verhalten
eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers in
der Krise der Gesellschaft. Insofern hält die Finanzverwaltung
auch an den vier Fallgruppen (Krisendarlehen, krisenbestimmtes
Darlehen, Finanzplandarlehen und
„stehengelassenes“ Darlehen) fest, wenn auch in
leicht modifizierter Form.
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c) Das Schrifttum liefert kein einheitliches
Meinungsbild.
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aa) Ein Teil hat sich der
Verwaltungsauffassung angeschlossen und spricht sich für eine
Fortführung der bisherigen Grundsätze aus (Waclawik,
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2007, 1838, 1841 f.; Graw,
Die Unternehmensbesteuerung 2014, 251, 255; Gosch in Kirchhof,
EStG, 16. Aufl., § 17 Rz 95; im Ergebnis auch Levedag, GmbHR
2010, 1228, 1232; für eine grundsätzliche
Fortführung der bisherigen Rechtsprechung, aber mit
konsequenter Ausrichtung am steuerrechtlichen Prinzip der
gesellschaftlichen Veranlassung Frotscher in Frotscher, EStG,
§ 17 Rz 274).
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bb) Der wohl überwiegende Teil lehnt
hingegen eine Beibehaltung der auf dem Eigenkapitalersatzrecht
beruhenden Grundsätze ab (vgl. Zimmermann/Zimmermann-Schwier
in Bordewin/Brandt, § 17 EStG Rz 302; Schmidt/Weber-Grellet,
EStG, 36. Aufl., § 17 Rz 174; Schneider, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz C 308; Eilers/R.
Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 17 EStG Rz 201b;
Jäschke in Lademann, EStG, § 17 EStG Rz 243; Hölzle,
DStR 2007, 1185, 1190; Groh, FR 2008, 264, 267; Bode, DStR 2009,
1781, 1782; Gast, Die steuerliche Berücksichtigung von
Darlehensverlusten des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft,
2012, S. 138; Moritz, DStR 2014, 1636, 1640, 1641; im Ergebnis auch
Heuermann, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht - NZG -
2009, 841, 845, sowie Fuhrmann/ Potsch, DStR 2012, 835, 838). Diese
Autoren gehen jedoch übereinstimmend davon aus, dass
Forderungsausfälle bei Gesellschaftern auch in Zukunft in
gewissem Umfang im Rahmen des § 17 EStG steuerlich
berücksichtigt werden sollten.
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Im Einzelnen unterscheiden sich die dazu
vertretenen Ansätze deutlich. Sie reichen von einer
umfassenden Berücksichtigung sämtlicher
Beteiligungsaufwendungen (Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 17
Rz 174; HHR/Eilers/R. Schmidt, § 17 EStG Rz 201b; im Ergebnis
auch Groh, FR 2008, 264, 267) über insolvenzrechtliche
Lösungsansätze (Hölzle, DStR 2007, 1185, 1190; Bode,
DStR 2009, 1781, 1783; so Groh, FR 2008, 264, 267, für den
Fall, dass an dem Erfordernis des gesellschaftlichen
Veranlassungszusammenhangs festgehalten werden soll; enger
Heuermann, NZG 2009, 841, 845; derselbe, DB 2009, 2173, 2175 f.;
als konsequente Fortführung der bisherigen Grundsätze
auch erachtet von Zimmermann/Zimmermann-Schwier in Bordewin/Brandt,
§ 17 EStG Rz 304) bis hin zu einer eigenständigen
steuerrechtlichen Beurteilung des gesellschaftlichen
Veranlassungszusammenhangs (diesen Ansatz favorisieren z.B.
Zimmermann/ Zimmermann-Schwier in Bordewin/Brandt, § 17 EStG
Rz 269, 305; Jäschke in Lademann, EStG, § 17 EStG Rz 243;
im Ergebnis auch Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
EStG, § 17 Rz C 308).
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Darüber hinaus wird im Schrifttum auch
vertreten, Forderungsausfälle gemäß § 20 Abs.
2 EStG nur noch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu
erfassen (vgl. hierzu insbesondere Bayer, DStR 2009, 2397, 2400
ff.; Heuermann, NZG 2009, 841, 846; Niemeyer/Stock, DStR 2011, 445,
446; Aigner, DStR 2016, 345, 349; Gast, Die steuerliche
Berücksichtigung von Darlehensverlusten des Gesellschafters
einer Kapitalgesellschaft, 2012, S. 141 ff.).
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3. Mit der Aufhebung des
Eigenkapitalersatzrechts ist die Grundlage der bisherigen
Rechtsprechung weggefallen. Es ist deshalb erforderlich, neue
Maßstäbe für die steuerliche Berücksichtigung
von Aufwendungen des Gesellschafters aus bisher
eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen zu entwickeln.
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a) Die Rechtsprechung zur steuerlichen
Berücksichtigung von Aufwendungen für
eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen des Gesellschafters als
nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung im Rahmen des
§ 17 Abs. 2 und 4 EStG war eine Reaktion auf die Rechtsfolgen
des Eigenkapitalersatzrechts. Sie stellte eine Ausnahme von dem
Grundsatz dar, dass eine im Privatvermögen gehaltene
Kapitalforderung des Gesellschafters aus einem
Gesellschafterdarlehen oder einer zugunsten der Gesellschaft
übernommenen Bürgschaft dem Anwendungsbereich des §
20 EStG und nicht dem des § 17 EStG unterfällt, und
führte zu einer Durchbrechung der Trennung von steuerlich
unbeachtlicher Vermögens- und steuerbarer Erwerbssphäre.
Dafür fehlt nach der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts
die rechtliche Grundlage.
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b) Die Fortgeltung der bisherigen
Grundsätze ist darüber hinaus mit dem Wortlaut des §
17 Abs. 2 und 4 EStG nicht zu vereinbaren. Sie lässt sich
nicht mehr mit einer normspezifischen steuerrechtlichen Auslegung
des Anschaffungskostenbegriffs rechtfertigen. Dafür besteht
auch aus übergeordneten rechtlichen Gründen keine
Veranlassung. Sie würde außerdem - ungeachtet der in der
Praxis eingespielten Fallgruppen - eine erhebliche
Rechtsunsicherheit bewirken.
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4. Anschaffungskosten sind gemäß
§ 255 Abs. 1 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet
werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in
einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem
Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu
den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die
nachträglichen Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 Satz 2
HGB).
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a) Der handelsrechtliche Begriff der
Anschaffungskosten ist in Ermangelung einer abweichenden Definition
im Einkommensteuergesetz (vgl. BFH-Urteile vom 16.12.2009 I R
102/08, BFHE 227, 478, BStBl II 2011, 566 = SIS 10 02 46; vom
26.4.2006 I R 49, 50/04, BFHE 213, 374, BStBl II 2006, 656 = SIS 06 29 99, m.w.N.) auch der Beurteilung nach § 17 Abs. 2 und 4
EStG zugrunde zu legen. Er gewährleistet eine hinreichend
rechtssichere und trennscharfe Abgrenzung zwischen Fremd- und
Eigenkapital. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass §
17 EStG den Abzug von Werbungskosten oder Betriebsausgaben nicht
vorsieht. Die Rückkehr zu einem handelsrechtlich
geprägten Begriffsverständnis trägt darüber
hinaus zu einer normübergreifend einheitlichen Auslegung bei,
denn im Grundsatz ist der handelsrechtliche
Anschaffungskostenbegriff des § 255 Abs. 1 HGB in allen
Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen und
jeweils gleich auszulegen (vgl. u.a. Schmidt/Kulosa, a.a.O., §
6 Rz 32; HHR/ Stobbe, § 6 EStG Rz 180). Soweit der Senat bei
der Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG hiervon abweichend
entschieden hat, beruht dies auf Besonderheiten der Norm, die in
§ 17 Abs. 2 und 4 EStG keine Entsprechung finden (vgl.
BFH-Urteil vom 14.6.2016 IX R 25/14, BFHE 254, 236, BStBl II 2016,
992 = SIS 16 19 70).
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b) Den (nachträglichen)
Anschaffungskosten der Beteiligung können danach
grundsätzlich nur solche Aufwendungen des Gesellschafters
zugeordnet werden, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen
Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das
Kapital der Gesellschaft führen (vgl. BFH-Urteil vom 27.1.2016
X R 33/13, BFH/NV 2016, 1002 = SIS 16 11 29, Rz 46). Darunter
fallen insbesondere Nachschüsse i.S. der §§ 26 ff.
GmbHG, sonstige Zuzahlungen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB wie
Einzahlungen in die Kapitalrücklage (vgl. BFH-Urteile vom
27.4.2000 I R 58/99, BFHE 192, 428, BStBl II 2001, 168 = SIS 00 12 40, und vom 14.3.2011 I R 40/10, BFHE 233, 393, BStBl II 2012, 281
= SIS 11 25 90), Barzuschüsse (BFH-Urteil vom 28.4.2004 I R
20/03, BFH/NV 2005, 19 = SIS 05 03 91 zum Sanierungszuschuss als
verdeckte Einlage) oder der Verzicht auf eine noch werthaltige
Forderung (grundlegend Beschluss des Großen Senats des BFH
vom 9.6.1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307 = SIS 97 17 34; nachfolgend BFH-Urteil vom 20.4.2005 X R 2/03, BFHE 210, 29,
BStBl II 2005, 694 = SIS 05 36 32, unter II.2.a).
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c) Aufwendungen aus Fremdkapitalhilfen wie der
Ausfall eines vormals
„krisenbedingten“,
„krisenbestimmten“ oder „in der Krise
stehen gelassenen“ Darlehens oder der Ausfall mit einer
Bürgschaftsregressforderung führen hingegen
grundsätzlich nicht mehr zu Anschaffungskosten der
Beteiligung. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn die vom
Gesellschafter gewährte Fremdkapitalhilfe aufgrund der
vertraglichen Abreden mit der Zuführung einer Einlage in das
Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich vergleichbar ist. Dies
kann der Fall sein bei einem Gesellschafterdarlehen, dessen
Rückzahlung auf Grundlage der von den Beteiligten getroffenen
Vereinbarungen - wie beispielsweise der Vereinbarung eines
Rangrücktritts i.S. des § 5 Abs. 2a EStG - im
Wesentlichen denselben Voraussetzungen unterliegt wie die
Rückzahlung von Eigenkapital (vgl. hierzu BFH-Urteil vom
30.11.2011 I R 100/10, BFHE 235, 476, BStBl II 2012, 332 = SIS 12 06 17). In einem solchen Fall käme dem Darlehen auch
bilanzsteuerrechtlich die Funktion von zusätzlichem
Eigenkapital zu (BFH-Urteile vom 15.4.2015 I R 44/14, BFHE 249,
493, BStBl II 2015, 769 = SIS 15 14 96, und vom 10.8.2016 I R
25/15, BFH/NV 2017, 155 = SIS 17 06 47).
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d) Bei Anwendung dieser allgemeinen
Grundsätze sind Aufwendungen aus der Inanspruchnahme aus einer
Gesellschafterbürgschaft unabhängig davon, ob die
Bürgschaft krisenbestimmt oder in der Krise der Gesellschaft
übernommen worden ist, im zeitlichen Anwendungsbereich des
MoMiG grundsätzlich nicht mehr den nachträglichen
Anschaffungskosten der Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 2 und 4
EStG zuzurechnen.
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5. Die bisherigen Grundsätze zur
Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten
aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen (oben II.1.) sind
weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine
eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der
Veröffentlichung dieses Urteils geleistet hat oder wenn eine
Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag
eigenkapitalersetzend geworden ist.
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a) Der Senat hält es aus Gründen des
Vertrauensschutzes für geboten, die neuen
Rechtsprechungsgrundsätze (oben II.4.) nur mit Wirkung
für die Zukunft anzuwenden (vgl. zum Vertrauensschutz bei
Änderung einer langjährigen, höchstrichterlichen
Rechtsprechung auch Beschluss des Großen Senats des BFH vom
17.12.2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608 = SIS 08 13 73, dort beginnend unter D.IV.2.b). Angesichts der großen
Bandbreite der vertretenen Auffassungen (oben II.2.) und der
mangelnden Vorhersehbarkeit, wie die höchstrichterliche
Rechtsprechung auf den Wegfall des Eigenkapitalersatzrechts
reagieren würde, konnten die Steuerpflichtigen trotz fehlender
Vertrauensgrundlage nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts ihr
Finanzierungsverhalten nicht rechtssicher auf die geänderte
Rechtslage einstellen.
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b) Für den Vertrauensschutz ist auf den
Zeitpunkt abzustellen, in dem der Steuerpflichtige die für ihn
endgültige wirtschaftliche Disposition getroffen hat. Dies war
nach bisherigen Grundsätzen entweder der Zeitpunkt der Hingabe
einer von vornherein eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe
oder des Stehenlassens einer Finanzierungshilfe bei Eintritt der
Krise. Lag der jeweils maßgebliche Stichtag vor dem Tag der
Veröffentlichung dieses Urteils, wird der Senat den Fall auch
in Zukunft nach Maßgabe der bisher geltenden Grundsätze
beurteilen.
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6. Nach allem hat das FG im Streitfall im
Ergebnis zu Recht die Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang
mit der Inanspruchnahme aus den Bürgschaften als
nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 60 % des
Nennwerts des ausgefallenen Rückgriffsanspruchs bei der
Berechnung des Auflösungsverlusts des Klägers
berücksichtigt.
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a) Mit der Ablehnung des Antrags auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Mai 2011, war die GmbH
aufgelöst (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG). Soweit der
Kläger danach aus den für die GmbH übernommenen
Bürgschaften in Anspruch genommen worden und mit seinem
Regressanspruch endgültig ausgefallen ist, hat dies zwar nicht
zu nachträglichen Anschaffungskosten i.S. von § 17 Abs. 2
Satz 1 EStG geführt, denn der Streitfall fällt in den
Zeitraum nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts. Der
Kläger konnte sein Finanzierungsverhalten jedoch nicht an die
durch die Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts geänderte
Rechtslage anpassen. Der Streitfall ist deshalb nach den bisher
geltenden Grundsätzen zu lösen.
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b) Insoweit hat das FG in möglicher, mit
schlüssigen Verfahrensrügen im Übrigen nicht
angegriffener und damit den Senat bindender Weise (vgl. § 118
Abs. 2 FGO) festgestellt, dass die Übernahme der
Bürgschaften durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst
war und dass die Bürgschaften von vornherein
eigenkapitalersetzende waren, weil sie in der Krise der
Gesellschaft übernommen worden sind.
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aa) Ohne Rechtsfehler hat das FG erkannt, dass
die Übernahme der Bürgschaften durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst war. Zwar war der
Kläger bei Übernahme der Bürgschaften noch nicht
Gesellschafter. Die Übertragung der Geschäftsanteile war
jedoch bereits beschlossene Sache und wurde so auch von den
Kreditinstituten verlangt. Dass der Kläger die
Geschäftsanteile tatsächlich erst Anfang des Jahres 2010
erworben hat, steht einer Berücksichtigung der ausgefallenen
Bürgschaftsregressforderungen mit ihrem Nennwert nicht
entgegen. Ausreichend ist insoweit, dass die Übernahme der
Bürgschaftsverpflichtungen in einem hinreichend konkreten
Zusammenhang mit dem späteren Erwerb der Beteiligung stand
(vgl. auch BFH-Urteil vom 20.4.2004 VIII R 4/02, BFHE 205, 292,
BStBl II 2004, 597 = SIS 04 22 03 zur Berücksichtigung vorab
entstandener Anschaffungskosten). Das hat das FG zu Recht
angenommen.
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bb) Das FG hat die Bürgschaften auch zu
Recht als in der Krise hingegeben und damit von Anfang an als
eigenkapitalersetzend angesehen. Es hat hierzu festgestellt, dass
die Bürgschaften in einer Situation gewährt wurden, in
der bei objektiver Betrachtung ex ante ein ordentlicher Kaufmann
der GmbH nur noch Eigenkapital zugeführt hätte. Nach den
Feststellungen des FG hätte die GmbH ohne die unentgeltliche
und selbstschuldnerische Bürgschaft des Klägers von den
Banken keinen Kredit mehr erhalten. Die die Krise verursachende
Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft zeigt sich im Streitfall
darin, dass sich die GmbH aus eigener Kraft die für ihre
gesellschaftsintern geplante Geschäftsführung
(Umgestaltung der Geschäftsräume) erforderlichen Mittel
nicht mehr verschaffen konnte. Wie das FG zutreffend
ausgeführt hat, kann sich die Kreditunwürdigkeit einer
GmbH auch daraus ergeben, dass die für die
Geschäftsführung der GmbH erforderliche Kreditaufnahme
ohne zusätzliche selbstschuldnerische Bürgschaft der
Gesellschafter nicht mehr möglich ist (BFH-Urteil vom
24.1.2012 IX R 34/10, DStR 2012, 854 = SIS 12 10 30). Dass insoweit
auch eine andere Tatsachenwürdigung möglich gewesen
wäre, verhilft der Revision nicht zum Erfolg, da die
Würdigung des FG nicht widersprüchlich ist und auch nicht
gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze
verstößt.
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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