Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 11.11.2015 6 K
386/13, soweit es den Streitgegenstand Körperschaftsteuer und
Solidaritätszuschlag 2006 betrifft, aufgehoben und die Klage
abgewiesen.
Im Übrigen wird die Revision als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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A. Zwischen den Beteiligten ist streitig,
ob zwischen der Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin), einer GmbH, und der WB GmbH (WB) ein
Organschaftsverhältnis begründet wurde.
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Geschäftsgegenstand der im Jahr 2000
gegründeten Klägerin ist die Gas- und Wasserversorgung im
Bereich der Stadt B und die Abwasserentsorgung für die
Städte B und H.
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Die Stadt B hielt zunächst unmittelbar
51 % des Stammkapitals der Klägerin. Die Kommune gliederte
dann ihren Bäder-Regiebetrieb auf die neu gegründete WB
aus und übertrug dieser die Mehrheitsbeteiligung. In Höhe
von 49 % war die A GmbH im Streitzeitraum beteiligt, die zugleich
den Betrieb der Klägerin führte. Der Gesellschaftsvertrag
sah vor, dass die A GmbH von dem ausgewiesenen
Jahresüberschuss vorab eine Gewinnausschüttung in
Höhe von ... EUR erhalten sollte. Der verbleibende Gewinn war
im Verhältnis der Beteiligungsquoten aufzuteilen.
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2004 schlossen die Klägerin und die WB
einen Gewinnabführungsvertrag zwecks Begründung einer
ertragsteuerlichen Organschaft. Danach verpflichteten sich die
Klägerin zur Abführung ihres gesamten Gewinns und die WB
zur Übernahme etwaiger Jahresfehlbeträge. In Absatz 2 der
in § 2 des Gewinnabführungsvertrags geregelten
Verlustübernahme war die entsprechende Anwendung des §
302 Abs. 1 und Abs. 3 des Aktiengesetzes (AktG) angeordnet. Kurze
Zeit später fügte der Gesetzgeber mit Wirkung zum
15.12.2004 dem § 302 AktG einen vierten Absatz an. Dieser
enthält eine Verjährungsregelung für den
Verlustübernahmeanspruch des beherrschten
Unternehmens.
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§ 3 des Gewinnabführungsvertrags
enthielt Bestimmungen für die Ausgleichszahlung an den
außenstehenden Gesellschafter. Danach garantierte die WB, an
diesen für jedes volle Geschäftsjahr eine jährliche
Ausgleichszahlung in Höhe von ... EUR je 1.000 EUR Nennbetrag
eines Geschäftsanteils zu leisten.
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Die WB verpflichtete sich weiterhin,
jährlich einen variablen Zuschlag zur Ausgleichszahlung zu
gewähren. Im Einzelnen sah der Vertrag diesbezüglich vor,
dass Ausgangsgröße der Berechnung der
Jahresüberschuss der Klägerin vor Ergebnisabführung,
Ausgleichszahlung und Ertragsteuern sein sollte. Davon waren laut
Vertrag die originäre bzw. fiktive Gewerbeertragsteuer und die
fiktive Körperschaftsteuer einschließlich des
Solidaritätszuschlags sowie der festen Ausgleichszahlung in
Abzug zu bringen. Das Ergebnis dieser Berechnung war
schließlich mit der Beteiligungsquote zu multiplizieren. Im
Falle eines negativen Rechenergebnisses sollte dieser Wert auf neue
Rechnung vorgetragen werden und die Ausgangsgröße
für die Berechnung der künftigen variablen
Ausgleichszahlung mindern.
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Auf dieser Grundlage erhielt die A GmbH als
außenstehende Gesellschafterin die vertraglich vereinbarten
festen und variablen Ausgleichszahlungen. Die
Verlustübernahmeregelung blieb - ohne Anpassung der Klausel an
die Verjährungsregelung in § 302 Abs. 4 AktG -
unverändert.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ging allerdings davon aus, dass wegen der
Höhe der Ausgleichszahlungen, die in den Streitjahren zwischen
56 % und 63 % des Jahresüberschusses der Klägerin
ausmachten, von einer Abführung des gesamten Gewinnes, wie es
für die Organschaft erforderlich sei, nicht gesprochen werden
könne.
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Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) sah die am Gewinn der
Organgesellschaft orientierte Ausgleichsregelung als schädlich
an. Es beanstandete zusätzlich die
Verlustübernahmeregelung in § 2 des
Gewinnabführungsvertrags wegen des fehlenden Verweises auf
§ 302 Abs. 4 AktG als unzureichend (Urteil vom 11.11.2015 6 K
386/13, EFG 2016, 1193 = SIS 16 16 39).
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Dagegen wendet sich die Klägerin mit
ihrer Revision.
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Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung des FG-Urteils die Körperschaftsteuerbescheide 2004
bis 2007 dahingehend abzuändern, dass als Einkommen diejenigen
Beträge angesetzt werden, die sich bei Anerkennung der
Organschaft ergeben würden.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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B. Das angefochtene Urteil des FG ist, soweit
es über den Bescheid über Körperschaftsteuer und
Solidaritätszuschlag 2006 vom 22.4.2013 entschieden hat, aus
verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle dieses
Bescheids ist während des Revisionsverfahrens der
Änderungsbescheid vom 22.11.2016 getreten. Soweit dem
FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt,
kann es keinen Bestand haben (vgl. Senatsurteil vom 3.8.2005 I R
94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20 = SIS 05 45 92,
m.w.N.).
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Der Bescheid für 2006 über
Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom
22.11.2016 ist gemäß § 68 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Revisionsverfahrens
geworden. Nachdem sich hinsichtlich der vorliegend streitigen
Punkte keine Änderungen ergeben haben und die Klägerin
auch keinen weiter gehenden Antrag gestellt hat, bedarf es keiner
Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß §
127 FGO. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen
sind nicht entfallen. Sie bilden unverändert die Grundlage
für die Entscheidung des erkennenden Senats. Diese kann in der
Sache selbst ergehen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO;
Senatsurteil in BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20 = SIS 05 45 92).
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Im Hinblick auf den Streitgegenstand
Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2006
ist die Klage unbegründet und daher abzuweisen. Im
Übrigen ist die Revision unbegründet und
zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht das gesamte von der
Klägerin erzielte Einkommen derselben und nicht teilweise der
WB zugerechnet, weil in den Streitjahren ein
körperschaftsteuerrechtliches Organschaftsverhältnis
zwischen beiden Kapitalgesellschaften nicht bestanden hat. Sowohl
die Regelungen über die Ausgleichszahlungen als auch die
vertraglichen Verlustübernahmebestimmungen genügen den
gesetzlichen Anforderungen nicht.
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I. Ausgleichszahlungen
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1. Gemäß § 16 Satz 1 des
Körperschaftsteuergesetzes in der in den Streitjahren
geltenden Fassung (KStG) hat eine Organgesellschaft ihr Einkommen
in Höhe von 4/3 der geleisteten Ausgleichszahlungen selbst zu
versteuern. Diese Regelung gilt nach § 17 Satz 1 KStG
entsprechend, wenn eine GmbH als Organgesellschaft sich
verpflichtet hat, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen
i.S. des § 14 KStG abzuführen. Die Versteuerung der
Ausgleichszahlungen als eigenes Einkommen der Organgesellschaft
setzt die wirksame Begründung einer Organschaft voraus. Fehlt
es daran, hat die GmbH - als vermeintliche Organgesellschaft - das
von ihr erzielte Einkommen in voller Höhe selbst zu
versteuern.
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a) Nach der Rechtsprechung des Senats stehen
Ausgleichszahlungen grundsätzlich der steuerlichen Anerkennung
einer Organschaft nicht entgegen, weil der Steuergesetzgeber die
Leistung von Ausgleichszahlungen an außenstehende
Gesellschafter bei der Statuierung der Selbstversteuerungspflicht
der Organgesellschaft in §§ 16, 17 Satz 1 KStG
vorausgesetzt hat (Senatsurteil vom 4.3.2009 I R 1/08, BFHE 225,
312, BStBl II 2010, 407 = SIS 09 26 31). Allerdings darf durch eine
- vollständige oder zumindest teilweise - Koppelung der
Ausgleichszahlung an das Ergebnis der Organgesellschaft vor
Gewinnabführung die tatsächliche Durchführung der
Gewinnabführungsverpflichtung nicht in Frage gestellt werden.
Jedenfalls dann, wenn dem außenstehenden Gesellschafter
infolge der Ausgleichszahlung der Gewinn der Organgesellschaft in
dem Verhältnis zufließt, in dem er ohne Organschaft mit
Ergebnisabführungsvertrag zu verteilen gewesen wäre,
liegt die von § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG vorausgesetzte
Abführung des ganzen Gewinns an den Organträger nicht vor
(Senatsurteil in BFHE 225, 312, BStBl II 2010, 407 = SIS 09 26 31).
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b) Nach dieser Rechtsprechung, an der trotz
der Kritik des Schrifttums (vgl. z.B. Lohmann/von
Goldacker/Annecke, BB 2009, 2344; Marquardt/Krack, FR 2009, 1098)
festzuhalten ist, bestimmen die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben
die ertragsteuerliche Rechtsanwendung nicht abschließend. Ob
bei einer Aktiengesellschaft über die Mindestanforderungen des
§ 304 Abs. 2 Satz 1 AktG (fester Ausgleich) hinausgehend
privatautonom „beliebig“
Ausgleichszahlungsregelungen gesellschaftsrechtlich vereinbart
werden können (vgl. z.B. Lohmann/von Goldacker/Annecke,
a.a.O.) und ob bei einer GmbH mangels einer ausdrücklichen
gesetzlichen Regelung erst recht gesellschaftsrechtliche
Vertragsfreiheit bei der Vereinbarung von Ausgleichszahlungen
herrscht (vgl. Walter, GmbHR 2016, 975), kann dahinstehen.
Jedenfalls sind die steuerrechtlichen Tatbestandsmerkmale,
insbesondere die für die Anerkennung der Organschaft
unabdingbare vereinbarungsgemäße und tatsächlich
durchgeführte Abführung des ganzen Gewinns,
eigenständig anhand der steuerrechtlichen Regelungszwecke und
Sachgesetzlichkeiten auszulegen und anzuwenden (Senatsurteil vom
3.3.2010 I R 68/09, BFH/NV 2010, 1132 = SIS 10 15 61). Gegen eine
„freie“ und vom Steuerrecht
grundsätzlich zu akzeptierende Festlegung der
Ausgleichszahlungen im Fall einer GmbH-Organgesellschaft spricht
zudem die vom Steuergesetzgeber angeordnete entsprechende Anwendung
der §§ 14 bis 16 KStG (§ 17 Satz 1 KStG). Die
für Aktiengesellschaften einschlägigen
Organschaftsregelungen für Ausgleichszahlungen (§§
14 Abs. 1 und 16 KStG i.V.m. § 304 AktG, vgl. Senatsurteil in
BFHE 225, 312, BStBl II 2010, 407 = SIS 09 26 31, wonach die
Beachtung des § 304 AktG zivilrechtliches und auch
steuerrechtliches Wirksamkeitserfordernis ist) gelten demnach
für eine GmbH als Organgesellschaft entsprechend. § 304
AktG sieht lediglich einen festen Ausgleich (§ 304 Abs. 2 Satz
1 AktG) und einen am Ergebnis des Organträgers orientierten
variablen Ausgleich (§ 304 Abs. 2 Satz 2 AktG), nicht aber
einen am (schwankenden) Gewinn der beherrschten Gesellschaft
orientierten variablen Ausgleich vor (so Stephan in K.
Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 304 Rz 19; a.A. wohl
Meilicke/Kleinertz in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4.
Aufl., § 304 AktG Rz 20a). Mit einem derartigen variablen
Ausgleich hätten es die Beteiligten faktisch in der Hand, das
von der Organgesellschaft erzielte Einkommen beliebig zwischen
Organgesellschaft (vgl. § 16 KStG), Organträger (§
14 Abs. 1 Satz 1 KStG) und außenstehendem Gesellschafter
aufzuteilen. Das ist zum einen mit dem Zweck des
Tatbestandsmerkmals „Abführung des ganzen
Gewinns“ nicht zu vereinbaren (gl.A. Frotscher
in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 16 KStG Rz 31
ff.; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die
Körperschaftsteuer, § 16 KStG Rz 25). Zum anderen
würden damit die Organschaftsregelungen, die als
Ausnahmebestimmungen einer Einkommensverwendungsabrede in engen
Grenzen steuerliche Wirkung beilegen (vgl. Gosch/Neumann, KStG, 3.
Aufl., § 14 Rz 6; abweichend z.B. Streck/Olbing, KStG, 8.
Aufl., § 14 Rz 1), zweck- und systemwidrig ausgeweitet.
Steuerrechtlich sind deshalb für die AG und - durch die
Anordnung der entsprechenden Anwendung der aktienrechtlichen
Organschaftsregelungen (§ 17 Satz 1 KStG) - auch für die
GmbH grundsätzlich nur solche Ausgleichszahlungsvereinbarungen
anzuerkennen, die gesellschaftsrechtlich dem dort zwingend
Gebotenen Rechnung tragen und nicht zu einer beliebigen Aufteilung
des von der Organgesellschaft erzielten Einkommens führen.
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2. Nach diesen Grundsätzen ist im
Streitfall nicht von einer Gesamtgewinnabführung
auszugehen.
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Die Ausgleichszahlungsregelung ist darauf
angelegt, die Gesellschafter der Klägerin finanziell im
Wesentlichen so zu stellen, wie sie ohne Organschaft gestanden
hätten. Maßgeblich hierfür ist nicht die volle
betragsmäßige Übereinstimmung der
Ergebnisverteilung vor und nach Abschluss des
Gewinnabführungsvertrags, sondern die wertende Betrachtung der
Abrede. Danach hat im Streitfall eine Orientierung an der
bisherigen Gewinnverteilungsregelung der - vermeintlichen -
Organgesellschaft stattgefunden. So sah der Gesellschaftsvertrag
vom 31.7.2001 in § 12 eine Vorabausschüttung an die A
GmbH in Höhe von ... EUR vor. Der verbleibende Jahresgewinn
war quotal aufzuteilen. Die Regelung in § 3 des
Ergebnisabführungsvertrags gewährte der A GmbH eine feste
Ausgleichszahlung von ... EUR. Damit wurde der
Vorabausschüttungsanspruch weitgehend substituiert. Die
variable Ausgleichszahlungsregelung knüpft wie die bisherige
gesellschaftsvertragliche Bestimmung an den nach Abzug der festen
Ausgleichszahlung verbleibenden Teil des Gewinns an und verteilt
diesen Restbetrag quotal. Damit wurde, wie im Antrag auf Erteilung
einer verbindlichen Auskunft vom 18.9.2003 mitgeteilt, durch den
Abschluss des Gewinnabführungsvertrags im Wesentlichen
erreicht, dass „das auf die WB entfallende Ergebnis aus der
Beteiligung an der SWB der WB zugerechnet“
wird. Eine solche nur anteilige Gewinnzurechnung widerspricht aber
- wie aufgezeigt - dem Erfordernis der
Gesamtgewinnabführung.
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3. Auch soweit das FG der Klage unter dem
Aspekt der Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft den Erfolg
versagt hat, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Die
Vorinstanz hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass den
Schreiben des FA vom 13.11.2003 und vom 29.3.2004 keine -
verbindlichen - Aussagen zur Anerkennung der im Entwurf des
Gewinnabführungsvertrags enthaltenen
Ausgleichszahlungsregelungen zu entnehmen seien. Der Senat
schließt sich dem an.
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II. Verlustübernahme
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1. Nach ständiger Spruchpraxis des
Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG muss der
Gewinnabführungsvertrag eine dem § 302 AktG entsprechende
Vereinbarung über die Verlustübernahme durch den
Organträger enthalten. Einbezogen werden muss seit
Einfügung der Verjährungsregelung des § 302 Abs. 4
AktG durch das Gesetz zur Anpassung von
Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des
Schuldrechts vom 9.12.2004 (BGBl I 2004, 3214) mit Wirkung vom
15.12.2004 (Art. 25 des besagten Gesetzes) auch diese (s. nunmehr
auch das Erfordernis eines „dynamischen“
Verweises auf § 302 AktG gemäß § 17 Satz 2 Nr.
2 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der
Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom
20.2.2013, BGBl I 2013, 285, BStBl I 2013, 188). Die Tatsache, dass
zivilrechtlich § 302 AktG im GmbH-Vertragskonzern analog
anzuwenden ist und damit auch ohne gesonderte Regelung im Vertrag
zivilrechtlich „automatisch“ gilt, ist
steuerrechtlich unbeachtlich (Senatsurteile in BFH/NV 2010, 1132 =
SIS 10 15 61; vom 24.7.2013 I R 40/12, BFHE 242, 139, BStBl II
2014, 272 = SIS 13 23 39, m.w.N.).
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2. Die in § 17 Satz 1 KStG für den
GmbH-Konzern angeordnete entsprechende Anwendung von § 14 KStG
betrifft auch die Voraussetzungen zu Beginn und Ende der
Wirksamkeit des Ergebnisabführungsvertrags. Der Vertrag muss
demnach gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG
auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen sein und während
seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden. Diese
zeitlichen Erfordernisse erstrecken sich gleichermaßen auf
die Einbeziehung der Verlustübernahme entsprechend den
Vorschriften des § 302 AktG gemäß § 17 Satz 2
Nr. 2 KStG (vgl. Senatsurteile vom 22.2.2006 I R 74/05, BFH/NV
2006, 1513 = SIS 06 30 95, und I R 73/05, HFR 2006, 1009 = SIS 11 19 67).
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3. Auch nach diesen Maßstäben war
die Organschaft in den Streitjahren steuerrechtlich nicht
anzuerkennen. Zwar genügte die Verlustübernahmeregelung
im streitgegenständlichen Gewinnabführungsvertrag zum
Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 30.11.2004 den Anforderungen des
§ 17 Satz 2 Nr. 2 KStG, weil diese den hierfür
ausreichenden Verweis auf die Absätze 1 und 3 des § 302
AktG enthielt (vgl. R 66 Abs. 3 Satz 2 der
Körperschaftsteuer-Richtlinien 2004; Senatsurteil in HFR 2006,
1009 = SIS 11 19 67) und Absatz 4 jener Vorschrift erst am
15.12.2004 in Kraft getreten ist (Art. 11 Nr. 6 und Art. 25 des
Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das
Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004, BGBl I
2004, 3214).
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a) Allerdings erstrecken sich die zeitlichen
Erfordernisse des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG auch
auf die Verlustübernahmeregelung mit der Folge, dass eine dem
§ 17 Satz 2 Nr. 2 KStG genügende Regelung während
der gesamten fünfjährigen Geltungsdauer durchgeführt
worden sein muss. Hieran fehlt es im Streitfall. Denn bereits ab
dem 15.12.2004 galt hinsichtlich der Verjährung des
Verlustübernahmeanspruchs die von den allgemeinen
Verjährungsvorschriften abweichende Sonderregelung des §
302 Abs. 4 AktG. Diese war indes nicht Grundlage der vertraglichen
Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der WB, weil sie
in den streitgegenständlichen Gewinnabführungsvertrag
nicht einbezogen wurde.
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b) Dieser rechtlichen Beurteilung steht der
Wortlaut des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG nicht entgegen (a.A. wohl
Schothöfer, GmbHR 2005, 982; Erle/Heurung in Erle/Sauter,
KStG, 3. Aufl., § 17 Rz 44; Stangl/Winter, Organschaft
2013/2014, Rz A 68 f.). Dieser ist zwar auslegungsbedürftig.
Die dort verwendete Formulierung „vereinbart
wird“ besagt allerdings nicht, dass es
für die ertragsteuerliche Anerkennung der
Verlustübernahmevereinbarung und damit der Organschaft allein
auf die Fassung des § 302 AktG zum Zeitpunkt des Abschlusses
des organschaftsbegründenden Gewinnabführungsvertrags
ankommen würde. Sie enthält vielmehr die Aufforderung des
Gesetzgebers an die Rechtsanwender, im Falle einer Änderung
des § 302 AktG die Übereinstimmung des zuvor
geschlossenen Vertrags mit dem neu gefassten § 302 AktG wieder
herzustellen, indem eine den - geänderten - Vorschriften des
§ 302 AktG entsprechende Klausel „vereinbart
wird“.
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c) Für dieses Rechtsverständnis
spricht zudem der Zweck des § 17 KStG und seiner weitgehend
inhaltsgleichen Vorgängerregelung in § 7a Abs. 5 KStG
i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des
Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 15.8.1969 -
KStG a.F. - (BGBl I 1969, 1182, BStBl I 1969, 471). Der Gesetzgeber
wollte die aktienrechtliche und die außeraktienrechtliche
Organschaft in den Voraussetzungen und den steuerrechtlichen
Wirkungen „soweit wie möglich“
einander anpassen (vgl. BTDrucks V/3017, S.9, zu § 7a Abs. 5
KStG a.F.) und die Anerkennung einer
körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft an die
inhaltsgleiche Verlustübernahmeverpflichtung des
Organträgers anbinden (vgl. Senatsurteile vom 17.12.1980 I R
220/78, BFHE 132, 285, BStBl II 1981, 383 = SIS 81 13 27; vom
29.3.2000 I R 43/99, BFH/NV 2000, 1250 = SIS 00 59 79).
Während bei der aktienrechtlichen Organschaft aber jede in
Kraft getretene Änderung des § 302 AktG als zwingendes
Recht (Stephan in K. Schmidt/Lutter, a.a.O., § 302 Rz 9,
m.w.N.) sofort den Inhalt der gesetzlichen
Verlustübernahmeverpflichtung des Organträgers mit
steuerlicher Folgewirkung verändert, würde - ohne
Anpassung der getroffenen Verlustübernahmevereinbarung - bei
der GmbH-Organschaft „die alte
vertragliche“
Verlustübernahmeverpflichtung weitergelten. Damit wäre
nicht nur der vom Gesetzgeber bezweckte Besteuerungsgleichlauf
gestört. Hinzu kommt, dass im Falle einer langjährigen
Organschaft die vertraglichen Grundlagen der Organschaft -
abweichend von der Absicht des Gesetzgebers - auf Jahre hinaus im
Widerspruch zu den materiell-rechtlichen Vorgaben stehen
könnten.
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d) Allgemeine steuerrechtliche Grundsätze
bestätigen das gefundene Auslegungsergebnis. So gebietet der
Grundsatz der Abschnittsbesteuerung bzw. das Stichtagsprinzip, dass
für jeden Veranlagungszeitraum (§§ 30 Nr. 3, 31 Abs.
1 KStG i.V.m. §§ 2 Abs. 7, 25 des
Einkommensteuergesetzes; vgl. Becht in Herrmann/Heuer/Raupach,
§ 30 KStG Rz 15) die Besteuerungsgrundlagen selbständig
festzustellen und der Sachverhalt und die Rechtslage neu zu
prüfen sind; maßgeblich sind die tatsächlichen und
rechtlichen Verhältnisse dieses Zeitraumes. Das Prinzip der
Abschnittsbesteuerung kommt unbeschadet des Umstands zum Tragen,
dass sich die Frage des Bestehens einer Organschaft über einen
mehrere Veranlagungszeiträume umfassenden Zeitraum hinzieht
(BFH-Urteil vom 3.9.2009 IV R 38/07, BFHE 226, 283, BStBl II 2010,
60 = SIS 09 34 03). Zu den jeweiligen Besteuerungsstichtagen (31.
Dezember) enthielt der Gewinnabführungsvertrag in keinem
Streitjahr die gesetzlich vorgeschriebene
Verlustübernahmeregelung.
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3. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, wie
- insbesondere innerhalb welcher zeitlichen Grenzen - der Vertrag
im Streitfall nach Inkrafttreten des § 302 Abs. 4 AktG
anzupassen gewesen wäre. Jedenfalls bestehen nach Auffassung
des Senats keine durchgreifenden Bedenken gegen eine
Anpassungsobliegenheit (für Anpassung z.B. Lawall in
Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 17 Rz 86; ablehnend
gegenüber Anpassungspflichten Schothöfer, a.a.O.;
Erle/Heurung, a.a.O.; Stangl/Winter, a.a.O.; eine Anpassung wegen
Unklarheit der Rechtslage empfehlend Walter in Ernst & Young, KStG,
§ 17 Rz 14). Bei Dauerrechtsverhältnissen ist es
grundsätzlich Sache der Vertragsbeteiligten, die
Übereinstimmung der vertraglichen Abmachungen mit den
gesetzlichen Vorgaben im Zeitverlauf sicherzustellen.
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4. Zu einer Heilung der unzureichenden
Verlustübernahmeklausel gemäß § 17 Abs. 2 KStG
i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an
den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer
steuerlicher Vorschriften vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266, BStBl I
2014, 1126) i.V.m. § 34 Abs. 10b KStG i.d.F. des Gesetzes zur
Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das
AIFM-Umsetzungsgesetz (AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz) vom 18.12.2013
(BGBl I 2013, 4318, BStBl I 2014, 2) ist es, obgleich die
Voraussetzungen hierfür nach den Grundsätzen des
Senatsurteils in BFHE 242, 139, BStBl II 2014, 272 = SIS 13 23 39
im Streitfall tatbestandlich vorlagen (Fallgruppe des
unvollständigen Verweises auf § 302 AktG), nicht
gekommen. Die hierfür erforderliche Vertragsanpassung
hätte bis zum 31.12.2014 vorgenommen werden müssen. Das
ist aber nach den bindenden Feststellungen des FG nicht
geschehen.
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5. Eine Anerkennung der Organschaft trotz des
fehlenden Verweises auf die Verjährungsregelung des § 302
Abs. 4 AktG auf der Grundlage des Schreibens des Bundesministeriums
der Finanzen (BMF) vom 16.12.2005 (BStBl I 2006, 12 = SIS 06 03 79)
kommt nicht in Betracht.
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a) Nach diesem Schreiben soll das Fehlen eines
Hinweises auf § 302 Abs. 4 AktG in vor dem 1.1.2006
abgeschlossenen Gewinnabführungsverträgen von der
Finanzverwaltung nicht beanstandet werden. Auch die
streitgegenständliche Konstellation, dass nach Inkrafttreten
des § 302 Abs. 4 AktG der bereits zuvor abgeschlossene
Gewinnabführungsvertrag nicht entsprechend angepasst wurde,
wird nach deren Wortlaut von der Nichtbeanstandungsregelung
erfasst; der streitige Vertrag wurde zudem vor dem genannten
Stichtag abgeschlossen.
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b) Jedoch kann sich die Klägerin nach den
Grundsätzen des Senatsurteils in BFHE 242, 139, BStBl II 2014,
272 = SIS 13 23 39 im finanzgerichtlichen Prozess nicht auf die
Verwaltungsanweisung berufen, da sie für die Gerichte keine
Bindungswirkung entfaltet.
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c) Die hieran geübte Kritik, wonach die -
gebotene - Auseinandersetzung mit älterer Senatsrechtsprechung
unterblieben sei (z.B. Walter, GmbHR 2013, 1105), rechtfertigt
keine abweichende Beurteilung.
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aa) Nach dem Senatsurteil vom 8.8.2001 I R
25/00 (BFHE 196, 485, BStBl II 2003, 923 = SIS 02 05 29) war in
einer - ebenfalls die Organschaftsanerkennung betreffenden -
früheren Nichtbeanstandungsanweisung eine sachliche
Billigkeitsregelung der Verwaltung i.S. des § 163 der
Abgabenordnung (AO) zu sehen. Treffe das FA eine darauf
gestützte (Billigkeits-)Entscheidung (steuerliche Anerkennung
der Organschaft trotz materiell-rechtlicher Unzulänglichkeit
des Gewinnabführungsvertrags), komme dieser für die
Steuerfestsetzung Bindungswirkung i.S. des § 171 Abs. 10 AO
zu.
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bb) Im Schrifttum wird vertreten, dass es sich
bei dem BMF-Schreiben in BStBl I 2006, 12 = SIS 06 03 79 ebenfalls
um eine sachliche Billigkeitsregelung handele (Hasbach/Brühl,
DStR 2016, 2361; Brühl, Die Unternehmensbesteuerung 2016,
742).
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cc) Indessen bedürfte auch eine solche
Billigkeitsregelung der Umsetzung in eine konkrete
Einzelfallentscheidung (abweichende Steuerfestsetzung
gemäß § 163 AO) der zuständigen
Finanzbehörde. Davon ist ersichtlich auch der Senat in seinem
Urteil in BFHE 196, 485, BStBl II 2003, 923 = SIS 02 05 29
ausgegangen. In dem damals entschiedenen Fall hatte das FA in der
Einspruchsentscheidung zum Ausdruck gebracht, dass die
zivilrechtliche Unwirksamkeit des Gewinnabführungsvertrags der
steuerrechtlichen Anerkennung der Organschaft nicht entgegensteht.
Ein solcher Billigkeitserweis, d.h. eine nach außen hin als
solche erkennbare Willensäußerung des FA, fehlt im
Streitfall.
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dd) Dass die auf der Annahme einer Organschaft
beruhenden Steuererklärungen der Klägerin zunächst
zu einer entsprechenden Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung führten, ändert daran nichts (zur
Problematik vgl. Hasbach/Brühl, DStR 2016, 2361). Aus der
maßgeblichen Sicht eines objektiven Empfängers kommt
einem solchen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden
Körperschaftsteuerbescheid nicht der Erklärungswert zu,
dass das Vorliegen der Organschaftsvoraussetzungen bereits
abschließend materiell-rechtlich geprüft und -
darüber hinaus - unter Vornahme einer vom materiellen Recht
abweichenden Steuerfestsetzung i.S. des § 163 AO in Anwendung
des BMF-Schreibens in BStBl I 2006, 12 = SIS 06 03 79
endgültig anerkannt worden sei. Vielmehr will sich die
Finanzbehörde mit dem Nachprüfungsvorbehalt erkennbar
gerade die abschließende Würdigung des Steuerfalles
unter allen denkbaren rechtlichen und tatsächlichen
Gesichtspunkten offenhalten.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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