1
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I. Streitig ist, ob
Gewinnausschüttungen einer inländischen GmbH auch
insoweit Gegenstand einer gesonderten und einheitlichen
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der empfangenden
inländischen vermögensverwaltenden (aber gewerblich
geprägten) Personengesellschaft sind, als die
Ausschüttungen entsprechend der jeweiligen Beteiligungsquote
auf ausländische Beteiligte entfallen, oder ob dies aufgrund
der Abgeltungswirkung des § 32 Abs. 1 Nr. 2 des
Körperschaftsteuergesetzes in der in den Streitjahren 2007 bis
2009 geltenden Fassung (KStG) ausgeschlossen ist.
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An der Ende 2007 errichteten Klägerin
und Revisionsbeklagten zu 1. (Klägerin zu 1.), einer GmbH &
Co. KG, deren Unternehmensgegenstand im Handel mit ... und dem
Erwerb und der Verwaltung von Beteiligungen an entsprechenden
Unternehmen in Europa bestand, waren u.a. die Klägerin und
Revisionsbeklagte zu 2. (Klägerin zu 2.) mit einer
Kommanditeinlage von ... EUR (70 %) und die Klägerin und
Revisionsbeklagte zu 3. (Klägerin zu 3.) mit einer
Kommanditeinlage von ... EUR (15 %) - beide Kapitalgesellschaften
mit Sitz und Geschäftsleitung in der Republik Chile (Chile) -
beteiligt. Gesellschafter der Komplementärin, einer GmbH,
waren u.a. die Klägerinnen zu 2. und 3. mit den entsprechenden
Anteilen (70 % bzw. 15 %). Zum Geschäftsführer der GmbH
war der in der Bundesrepublik Deutschland ansässige A sowie ab
5.1.2009 - mit den gleichen Befugnissen - zusätzlich der in
Chile ansässige B (zugleich Geschäftsführer der
Klägerin zu 2.) bestellt. Die GmbH war zur
Geschäftsführung der Klägerin zu 1. berechtigt und
verpflichtet. Geschäfte und Rechtshandlungen, die über
den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft
hinausgingen (z.B. Geschäfte mit einem Verpflichtungsvolumen
von über ... EUR), durften gemäß § 5 Abs. 2
des Gesellschaftsvertrages nur mit vorheriger Einwilligung der
Gesellschafterversammlung vorgenommen werden.
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Die Gesellschafter der Klägerin zu 1.
waren zuvor an der D Inc. beteiligt, die ihrerseits alleinige
Gesellschafterin der einzigen Kommanditistin der den Handel mit ...
betreibenden B KG war. Nachdem die B KG und deren Hauptkonkurrent
ihre Geschäftszweige in einer neuen Gesellschaft - der KP GmbH
- zusammengeschlossen hatten und im Zuge dessen die D Inc. mit 50 %
an der KP GmbH beteiligt worden war, verkaufte die D Inc. diese
Beteiligung schließlich unter fremdüblichen Bedingungen
an die neugegründete Klägerin zu 1. mit Wirkung zum
1.1.2007. In den Streitjahren 2008 und 2009 erhielt die
Klägerin zu 1. Gewinnausschüttungen von der KP
GmbH.
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Im Zuge der mit dem
Unternehmenszusammenschluss verbundenen Umstrukturierung der B KG
erwarb die Klägerin zu 1. zudem von der B KG die nicht in die
KP GmbH eingebrachten technischen Anlagen, Maschinen, Fahrzeuge und
andere Einrichtungen. Insoweit setzte sie zunächst den mit
einer anderen KG (G KG) bestehenden Mietvertrag als Vermieterin
fort; nach dessen Beendigung veräußerte sie die Anlagen
an die Mieterin. Darüber hinaus erwarb sie von der B KG
mehrere ..., die sie, soweit sie sie nicht verschrotten ließ,
an die KP GmbH vermietete.
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Da die Klägerin zu 1. weder über
eigenes Personal noch über eigene Büroräume
verfügte, hatte sie mit der B KG einen Dienstleistungsvertrag
abgeschlossen, wonach diese bestimmte geschäftsführende
administrative und operative Dienstleistungen für sie
durchzuführen hatte. Die Höhe der von der Klägerin
zu 1. zu leistenden Vergütung richtete sich nach den bei der B
KG entstandenen Aufwendungen (u.a. für Gehälter), die
nach Schätzung der Vertragsparteien zu 2/3 auf die
Erfüllung des Dienstleistungsvertrages entfielen. Die
Geschäfte der B KG führte ihre Komplementärin (eine
GmbH), zu deren Geschäftsführer A bestellt war.
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Die Klägerin zu 1.
berücksichtigte die von der KP GmbH erhaltenen
Ausschüttungen als Betriebseinnahmen und begehrte für die
Streitjahre entsprechende gesonderte und einheitliche
Gewinnfeststellungen unter Einbeziehung sämtlicher
Gesellschafter sowie die Feststellung und Verteilung der von der KP
GmbH einbehaltenen Steuerabzugsbeträge (Kapitalertragsteuer
... EUR [2008] bzw. ... EUR [2009]; Zinsabschlag ... EUR [2008];
Solidaritätszuschlag ... EUR [2008] bzw. ... EUR [2009]). Dem
folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -
) nicht. Für 2007 hob er den zunächst ergangenen
Feststellungsbescheid auf, da die vermögensverwaltende
Tätigkeit der Klägerin zu 1. sich auf das Halten der
Anteile an der KP GmbH beschränkt habe. Für 2008
erließ er gegenüber den Klägerinnen zu 2. und zu 3.
negative Feststellungsbescheide. Für 2009 erfasste er im
Rahmen der Gewinnfeststellung für die Klägerinnen zu 2.
und zu 3. lediglich als gewerblich qualifizierte
Vermietungseinkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f des
Einkommensteuergesetzes - EStG - ), nicht aber die
Gewinnausschüttung der KP GmbH.
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Das Finanzgericht (FG) Bremen gab der
dagegen gerichteten Klage statt (Urteil vom 25.6.2015 1 K 68/12
(6), EFG 2016, 88 = SIS 15 22 39).
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Das FA rügt die Verletzung materiellen
Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
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Die Klägerinnen beantragen
sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
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Das dem Verfahren nach § 122 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetretene Bundesministerium der
Finanzen (BMF) schließt sich, ohne einen eigenen Antrag zu
stellen, den Rechtsausführungen des FA an.
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II. Die Revision ist begründet und
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Die Sache ist
nicht spruchreif. Zur Frage der Abgeltungswirkung des
Kapitalertragsteuerabzugs (Ausschüttungen aus der KP GmbH)
bedarf es weiterer Feststellungen, ob die Beteiligung an dieser
Kapitalgesellschaft, soweit sie anteilig auf die Klägerinnen
zu 2. und zu 3. entfällt, nach dem Veranlassungsprinzip deren
durch ihre Beteiligung an der Klägerin zu 1. vermittelten
inländischen Betriebsstätten oder ob sie den
ausländischen Betriebsstätten der Klägerinnen zu 2.
und 3. zuzurechnen sind, die diese aufgrund ihrer jeweils (eigenen)
unternehmerischen Tätigkeit in ihrem Ansässigkeitsstaat
unterhalten.
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1. Gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) sind einkommen- und
körperschaftsteuerpflichtige Einkünfte festzustellen,
wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die
Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind.
Gegenstand der einheitlichen Feststellung sind die von den
Beteiligten gemeinschaftlich erzielten und im Inland
steuerpflichtigen Einkünfte (z.B. Senatsbeschluss vom
13.5.2013 I R 39/11, BFHE 241, 1, BStBl II 2016, 434 = SIS 13 18 00; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung,
§ 180 AO Rz 56). Allerdings werden aus der Feststellung solche
Einkünfte, die wegen beschränkter Steuerpflicht von
Beteiligten einer abgeltenden Steuer unterliegen, ausgenommen, weil
insoweit ein gesondertes Feststellungsverfahren keine
„Bedeutung“ für ein
Steuerfestsetzungsverfahren hat (Senatsurteil vom 23.10.1991 I R
86/89, BFHE 166, 74, BStBl II 1992, 185 = SIS 92 07 88; Brandis in
Tipke/Kruse, ebenda). Die Entscheidung hierüber ist in dem
Feststellungsverfahren zu treffen, in dem ansonsten diese
Einkünfte festzustellen wären (Senatsurteil in BFHE 166,
74, BStBl II 1992, 185 = SIS 92 07 88).
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2. Gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2
KStG ist die Körperschaftsteuer für Einkünfte, die
der Kapitalertragsteuer gemäß § 43 EStG
unterliegen, durch den Steuerabzug abgegolten, wenn der Bezieher
der Einkünfte beschränkt steuerpflichtig ist und die
Einkünfte nicht in einem inländischen gewerblichen
Betrieb angefallen sind. Diese Regelung verwirklicht (wie auch
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) das sog.
Betriebsstättenprinzip. Eine Abgeltungswirkung ist bei
beschränkter Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG
ausgeschlossen, wenn aufgrund einer Betriebsstätte
Vollstreckungsmöglichkeiten gegeben sind (z.B. Frotscher in
Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 32 KStG Rz 10a;
Gosch, KStG, 3. Aufl., § 32 Rz 21 und 26;
Blümich/Werning, § 32 KStG Rz 7; Hendricks in
Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 32 Rz 17; Becht in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 KStG Rz 14).
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a) Die Klägerin zu 1., eine nach den
Feststellungen des FG nicht gewerblich, sondern
vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft (KG), bei
der ausschließlich eine Kapitalgesellschaft persönlich
haftende Gesellschafterin ist und nur sie zur
Geschäftsführung befugt ist, ist eine sog. gewerblich
geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2
Satz 1 EStG. Demgemäß gilt ihre mit
Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit - nach
den Feststellungen des FG eine inländische
Vermietungstätigkeit und das Halten einer inländischen
Beteiligung - in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, so dass ihre
Gesellschafter mitunternehmerisch gewerbliche Einkünfte
erzielen. Diese Einkünftequalifizierung wird durch die Art der
persönlichen Steuerpflicht der jeweiligen Gesellschafter nicht
berührt (z.B. Mick/Dyckmans in Mössner u.a., Steuerrecht
international tätiger Unternehmen, 4. Aufl., Rz 8.68).
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b) Die Einkünfte sind auch insoweit, als
sie der Klägerin zu 2. und der Klägerin zu 3. zuzurechnen
sind, im Inland steuerpflichtig, da die Voraussetzungen des §
2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG und § 49 Abs.
1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfüllt sind.
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aa) Die Klägerin zu 2. und die
Klägerin zu 3. sind nach den Feststellungen des FG
Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts. Sie sind als
„Körperschaften“ ohne Geschäftsleitung
(§ 10 AO) und ohne Sitz (§ 11 AO) im Inland
beschränkt steuerpflichtig (§ 2 Nr. 1 KStG), da sie
„inländische Einkünfte“ erzielen (zur
gegenständlichen Begrenzung der beschränkten
Steuerpflicht auf die inländischen Einkünfte s. z.B.
Senatsurteile vom 17.12.1997 I R 95/96, BFHE 185, 16, BStBl II
1998, 260 = SIS 98 07 31; vom 10.4.2013 I R 22/12, BFHE 241, 251,
BStBl II 2013, 728 = SIS 13 22 41; Blümich/Rengers, § 2
KStG Rz 30; Witt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 KStG Rz
70).
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bb) Die Klägerinnen zu 2. und 3. haben
inländische Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a EStG erzielt, weil für den Gewerbebetrieb (hier:
§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) im Inland eine Betriebsstätte
unterhalten wird.
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aaa) Der Begriff des Gewerbebetriebs (§
49 Abs. 1 Nr. 2 EStG) bezieht sich mit dem Verweis auf (u.a.)
§ 15 EStG auf alle dort angeführten
Einzeltatbestände. Damit ist auch § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz
1 EStG einbezogen (z.B. Roth in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49
EStG Rz 144, 160; Blümich/Wied, § 49 EStG Rz 59;
Schmidt/Loschelder, EStG, 36. Aufl., § 49 Rz 20).
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bbb) Die Klägerin zu 1. hat ferner als
Grundlage der Einkünfteerzielung ihrer Gesellschafter eine
inländische Betriebsstätte unterhalten.
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(1) Maßgebend hierfür ist - da in
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht auf anderweitige
Maßgaben verwiesen ist - das innerstaatliche Recht und damit
§ 12 AO (z.B. Senatsurteile vom 15.12.1999 I R 16/99, BFHE
191, 45, BStBl II 2000, 404 = SIS 00 08 16; vom 4.6.2008 I R 30/07,
BFHE 222, 14, BStBl II 2008, 922 = SIS 08 33 36; s.a. Senatsurteil
vom 20.7.2016 I R 50/15, BFHE 254, 365, BStBl II 2017, 230 = SIS 16 21 25; Gosch in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 49 Rz 13;
Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 49 Rz 22; Blümich/Reimer,
§ 49 EStG Rz 65; Roth in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49
EStG Rz 190; Kahle/Kindich, Unternehmensteuern und Bilanzen 2015,
782, 785; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 12 AO Rz 3;
Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 12 AO Rz 5). Nach
§ 12 Satz 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste
Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines
Unternehmens dient (s. z.B. Senatsurteil vom 2.4.2014 I R 68/12,
BFHE 245, 98, BStBl II 2014, 875 = SIS 14 18 37). Da § 12 Satz
1 AO - im Gegensatz zur früheren Regelung in § 16 des
Steueranpassungsgesetzes - nicht mehr die Ausübung eines
stehenden Gewerbes, sondern allgemein die unternehmerische
Tätigkeit fordert, werden von § 12 AO auch
Betriebsstätten erfasst, die einem Betrieb zuzurechnen sind,
dessen Tätigkeit kraft Gesetzesfiktion ertragsteuerrechtlich
als Gewerbebetrieb gilt (so im Ergebnis wohl auch Musil in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 12 AO Rz 20; Drüen in
Tipke/Kruse, a.a.O., § 12 AO Rz 17; Roth in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Rz 200; Wiese/Lukas, GmbHR
2016, 803; s.a. BMF-Schreiben vom 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076 =
SIS 00 04 71 Tz. 1.1.5.1). Auch für einen solchen Betrieb ist
insbesondere mit Blick auf die mit der Tätigkeit
ausgelöste Gewerbesteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Satz 3 des
Gewerbesteuergesetzes) eine räumliche Zuordnung der
Einkünfte erforderlich (s. insoweit auch Senatsurteil in BFHE
245, 98, BStBl II 2014, 875 = SIS 14 18 37; Musil in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 12 AO Rz 5). Dass die
Gesetzesfiktion in grenzüberschreitenden Zusammenhängen
unter Geltung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
(DBA) ungeachtet von Art. 3 Abs. 2 des Musterabkommens der
Organisation for Economic Cooperation and Development
(OECD-Musterabkommen - OECD-MustAbk - ) nicht geeignet ist, den
abkommensrechtlichen Begriff der Unternehmensgewinne zu
erfüllen, sodass vermögensverwaltende
Personengesellschaften abkommensrechtlich keine Unternehmensgewinne
i.S. Art. 7 OECD-MustAbk erzielen (z.B. Senatsurteil vom 28.4.2010
I R 81/09, BFHE 229, 252, BStBl II 2014, 754 = SIS 10 17 74),
spielt hierbei keine Rolle (zutreffend z.B. Kahlenberg,
Internationale Steuer-Rundschau 2016, 424, 426; Salzmann, IStR
2016, 309, 311; Hagemann/Kahlenberg/Cloer, BB 2017, 599, 604 f.;
Weiss, Neue Wirtschafts-Briefe 2016, 3148, 3155 f.; s.a. Lebelt,
EFG 2016, 92 f.).
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(2) Als Betriebsstätte ist nach der
beispielhaften Aufzählung in Satz 2 des § 12 AO
insbesondere die Stätte der Geschäftsleitung (Nr. 1)
anzusehen. Die Geschäftsleitung befindet sich nach § 10
AO dort, wo der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung
liegt. Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung i.S. von
§ 10 AO ist dort, wo der für die
Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird.
Es kommt hierbei darauf an, an welchem Ort die für die
Geschäftsführung erforderlichen Maßnahmen von
einigem Gewicht angeordnet werden. Regelmäßig ist das
der Ort, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen
obliegende laufende Geschäftsführertätigkeit
entfalten, d.h. an dem sie die tatsächlichen und
rechtsgeschäftlichen Handlungen vornehmen, die der
gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt (sog.
Tagesgeschäfte). Für Personengesellschaften bedeutet
dies, dass sich der Mittelpunkt der Geschäftsleitung
regelmäßig dort befindet, wo die zur Vertretung befugten
Personen die ihnen obliegende
Geschäftsführertätigkeit entfalten. Für die zur
Geschäftsführung berufene Komplementär-GmbH einer KG
ist deshalb entscheidend, an welchem Ort die für die GmbH
handelnde Geschäftsführung die Geschäfte, die der
gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt,
tatsächlich wahrnimmt. Mit den Tagesgeschäften sind
diejenigen Geschäfte gemeint, die in die alleinige
Zuständigkeit des Komplementärs fallen und keines
Gesellschafterbeschlusses bedürfen (Senatsurteile vom
23.1.1991 I R 22/90, BFHE 164, 164, BStBl II 1991, 554 = SIS 91 14 26; vom 7.12.1994 I K 1/93, BFHE 176, 253, BStBl II 1995, 175 = SIS 95 08 23; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3.7.1997 IV R
58/95, BFHE 184, 185, BStBl II 1998, 86 = SIS 98 04 38; vom
12.2.2004 IV R 29/02, BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602 = SIS 04 21 97; vom 5.11.2014 IV R 30/11, BFHE 248, 81, BStBl II 2015, 601 =
SIS 15 03 35). Ist der Komplementär verpflichtet, zu
bestimmten Geschäften - i.S. der „über den
gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes
hinausgehenden“ Handlungen i.S. des § 164 des
Handelsgesetzbuchs (HGB) - die Beschlussfassung der Kommanditisten
einzuholen, so ist ein derartiger Vorbehalt nicht geeignet, den
mehr durch das Tagesgeschäft als durch die
gesellschaftsrechtlichen Kontroll- oder Weisungsbefugnisse
bestimmten Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung vom
geschäftsführenden Komplementär auf die
Kommanditisten zu verlagern (BFH-Urteil in BFHE 184, 185, BStBl II
1998, 86 = SIS 98 04 38).
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(3) Nach diesen Maßgaben hat das FG ohne
Rechtsfehler dahin erkannt, dass die Klägerin zu 1. über
eine inländische Stätte der Geschäftsleitung
verfügt hat. Nach den Feststellungen des FG wurden die
Tagesgeschäfte der Klägerin zu 1. (z.B. Buchführung;
Fertigung von Steuererklärungen; laufende
Geschäftsvorfälle) - auch wenn sie mit Rücksicht auf
die Art der (vermögensverwaltenden) Tätigkeit der
Klägerin zu 1. keinen großen Umfang eingenommen haben
sollten - ausschließlich von dem im Inland ansässigen A
als Geschäftsführer der Komplementärin erledigt.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des
Senats enthält § 12 AO in seinem Satz 2
grundsätzlich eine Definitionserweiterung, die nicht
notwendigerweise eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage
voraussetzt (z.B. Senatsurteil vom 28.7.1993 I R 15/93, BFHE 172,
301, BStBl II 1994, 148 = SIS 94 04 82, zur
Geschäftsleitungsbetriebsstätte; s. zur Abgrenzung z.B.
Senatsurteil vom 17.9.2003 I R 12/02, BFHE 203, 400, BStBl II 2004,
396 = SIS 03 53 42, zur Verkaufsstelle). Dieser Rechtsprechung wird
in der Literatur teilweise zugestimmt (z.B. Blümich/Reimer,
§ 49 EStG Rz 65; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 12
AO Rz 23; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 12 AO Rz
25), teilweise wird sie abgelehnt (z.B. Roth in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Rz 205). Jedenfalls sind die
allgemeinen Anforderungen - nämlich eine
„feste“ Geschäftseinrichtung mit einer
festen Beziehung zu einem bestimmten Teil der Erdoberfläche,
die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des
Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine
nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (z.B.
Senatsurteil in BFHE 245, 98, BStBl II 2014, 875 = SIS 14 18 37,
m.w.N.) - vom FG ebenfalls rechtsfehlerfrei als erfüllt
angesehen worden. Verfügungsmacht in diesem Sinne bedeutet,
dass dem Unternehmer ein für seine Tätigkeit geeigneter
Raum zur ständigen Nutzung zur Verfügung steht,
wofür insbesondere die Identität der handelnden Organe
der überlassenden und der nutzenden Gesellschaft spricht (z.B.
Senatsurteil vom 23.2.2011 I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354 = SIS 11 23 47; BFH-Urteil in BFHE 248, 81, BStBl II 2015, 601 = SIS 15 03 35).
Auch die Tatsache, dass eine Gesellschaft sowohl hinsichtlich der
von ihr genutzten Räumlichkeiten als auch für das
benötigte Personal auf eine Managementgesellschaft
zurückgreift, hindert die Annahme einer Betriebsstätte
nicht. Vielmehr reicht es aus, dass die Gesellschaft aufgrund des
zur Verfügung gestellten „sachlichen und personellen
Organismus“ in der Lage ist, ihrer unternehmerischen
Tätigkeit „operativ“ nachzugehen; dies gilt
sowohl für den abkommensrechtlichen Zusammenhang (Senatsurteil
vom 24.8.2011 I R 46/10, BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764 = SIS 11 34 06) als auch für einen „reinen
Inlandsfall“. Hiervon ist nach den Feststellungen des FG
auch im Streitfall auszugehen, da A sowohl
Geschäftsführer der geschäftsführenden
Komplementär-GmbH der B KG (als Dienstleister) als auch der
Komplementär-GmbH der Klägerin zu 1. war.
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c) Die Klägerinnen zu 2. und 3. haben
aufgrund der gewerblichen Prägung der Klägerin zu 1.
nicht nur inländische Einkünfte erzielt. Zutreffend hat
die Vorinstanz ferner angenommen, dass zu den Einkünften eines
„gewerblichen Betriebs“ i.S. von § 32 Abs.
1 Nr. 2 KStG auch gewerblich geprägte Einkünfte (hier:
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 2
EStG) gehören.
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25
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Der Senat kann dem Wortlaut der Regelung
keinen Anhalt dafür entnehmen, dass der Tatbestand eine aktive
gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG voraussetzen und damit den Tatbestand des § 15 Abs. 3 Nr.
2 EStG ausschließen würde. Dass es - je nach Normzweck -
sachgerecht sein kann, die Fiktion gewerblicher Einkünfte aus
dem Tatbestand, der eine gewerbliche Tätigkeit erfordert,
auszunehmen, ändert hieran nichts. Insbesondere kann das FA
insoweit nicht mit Erfolg auf den Rechtsbegriff des
wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 14 AO) und das dazu
ergangene Senatsurteil vom 25.5.2011 I R 60/10 (BFHE 234, 59, BStBl
II 2011, 858 = SIS 11 24 26) verweisen. Wenn dort
vermögensverwaltende Einkünfte trotz gewerblicher
Prägung vom „wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb“ ausgeschlossen und dem
steuerbefreiten Teil einer Tätigkeit zugewiesen sind, hat dies
seine Ursache in der durch den Aspekt des Wettbewerbsgedankens
geleiteten und damit normspezifischen Auslegung der Regelungen des
§ 14 AO. Auch der Umstand, dass bei der Formulierung der
Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG die
Fiktion gewerblicher Tätigkeit (gesetzliche Regelung ab 1986)
noch unbekannt war, kann nicht als tragfähiges
gesetzeshistorisches Argument angesehen werden, das geeignet
wäre, eine zweckgerechte und vom Wortlaut getragene Subsumtion
zu beeinflussen.
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26
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d) Die Sache ist jedoch nicht
entscheidungsreif, da der Senat auf der Grundlage der
Feststellungen der Vorinstanz nicht entscheiden kann, ob die
vorliegend streitigen Gewinnausschüttungen i.S. von § 32
Abs. 1 Nr. 2 KStG im inländischen Gewerbebetrieb
„angefallen“ sind.
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27
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Zwar ist das FG zutreffend davon ausgegangen,
dass sowohl die vermieteten Wirtschaftsgüter als auch die
Beteiligung an der KP GmbH als zivilrechtlich eigenes
gesamthänderisches Gesellschaftsvermögen (§ 161 Abs.
2, § 105 Abs. 2 HGB, § 718 Abs. 1 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs) zum Betriebsvermögen der Klägerin zu 1.
gehören. Auch wenn dies für die ertragsteuerrechtliche
Zuordnung eines rein innerstaatlichen Sachverhalts
grundsätzlich genügt (zu den maßgebenden
Prüfungskriterien innerstaatlichen Rechts s. z.B. BFH-Urteile
vom 25.11.2004 IV R 7/03, BFHE 208, 207, BStBl II 2005, 354 = SIS 05 15 24; vom 3.3.2011 IV R 45/08, BFHE 233, 137, BStBl II 2011,
552 = SIS 11 15 12; s.a. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 480
ff.), ist vorliegend der Umstand zu berücksichtigen, dass die
Klägerinnen zu 2. und 3. nicht nur aufgrund ihrer Beteiligung
an der Klägerin zu 1. inländische gewerbliche
Einkünfte erzielt haben, sondern in ihrem
Ansässigkeitsstaat auch eine weitere eigene unternehmerische
Tätigkeit ausgeübt haben. Demgemäß bedarf es
der Prüfung, in welchem Umfang die Wirtschaftsgüter, aus
deren Nutzung Einkünfte erzielt werden, nach dem
Veranlassungsprinzip der inländischen Betriebsstätte
zuzuordnen sind. Maßstab ist demgemäß - wie der
Senat bereits entschieden hat - die wirtschaftliche
Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zu den in den
einzelnen Betriebsstätten (Unternehmen) entfalteten
betrieblichen Tätigkeiten. Dies gilt nicht nur - in
Übereinstimmung mit den zu § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG und
§ 50 Abs. 1 Satz 1 EStG zu beachtenden Grundsätzen -
für den Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
(z.B. Senatsurteile vom 24.2.1988 I R 95/84, BFHE 153, 101, BStBl
II 1988, 663 = SIS 88 17 54; vom 17.11.1999 I R 7/99, BFHE 191, 18,
BStBl II 2000, 605 = SIS 00 07 42; vom 12.10.2016 I R 92/12, BFHE
256, 32 = SIS 16 28 20; s.a. allgemein Gosch in Kirchhof, a.a.O.,
§ 49 Rz 15), sondern gleichermaßen auch, wenn, wie im
Streitfall, zu erkennen ist, ob i.S. von § 32 Abs. 1 Nr. 2
KStG die Einkünfte im inländischen gewerblichen Betrieb
angefallen sind. Der Umstand, dass die Wirtschaftsgüter zum
Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft gehören,
steht dem erkennbar nicht entgegen. Im Gegenteil: Da nach der
ertragsteuerrechtlich gebotenen Transparenzbetrachtung die
Betriebsstätte der Klägerin zu 1. ihren Gesellschaftern
(Klägerinnen zu 2. und 3.) zuzurechnen ist, müssen
insoweit dieselben Zuordnungssätze zum Tragen kommen, die
für die Zurechnung von Wirtschaftsgütern zum
ausländischen Stammhaus oder zur inländischen (nicht
durch die Beteiligung an einer Personengesellschaft vermittelten)
Betriebsstätte eines ausländischen Einzelunternehmers,
einer ausländischen Personengesellschaft oder einer
ausländischen Kapitalgesellschaft zu beachten sind
(Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 165 i.V.m. Rz 408;
Wassermeyer in Wassermeyer/Andresen/Ditz,
Betriebsstätten-Handbuch, 2. Aufl., Rz 9.4 f.; wohl auch
Kraft/Hohage, DB 2017, 2565, 2566 f.; unter Hinweis auf das
Vorliegen von betrieblichem Gesamthandsvermögen im Ergebnis
a.A. Töben, FR 2016, 543, 550 f.; Petersen, IStR 2012, 238,
241; Wiese/Lukas, GmbHR 2016, 803 f.).
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28
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Das FG hat in diesem Zusammenhang im
Wesentlichen auf den Erwerb der Beteiligung im eigenen Namen und
mit eigenen Mitteln durch die Klägerin zu 1. sowie die
Zuordnung zum dortigen Gesamthandsvermögen abgestellt. Zwar
hat das FG im angefochtenen Urteil weiterhin festgehalten (s. dazu
Rz 219 des juris-Nachweises), für die Zurechnung der
Beteiligung zur Klägerin zu 1. spreche, dass die Erträge
der Klägerin zu 1. aus dieser Beteiligung in den Streitjahren
erheblich gewesen seien. Außerdem seien unmittelbare
wirtschaftliche Zusammenhänge der Beteiligung zu den
ausländischen Betriebsstätten der Klägerinnen zu 2.
und zu 3. in Chile nicht ersichtlich, da unmittelbare
wirtschaftliche Kontakte in keiner Weise belegt seien. Dass solche
intensiven Beziehungen tatsächlich bestanden hätten,
könne das Gericht nicht erkennen. Diese Feststellungen reichen
indes für eine Veranlassungsprüfung
(Zuordnungsentscheidung) i.S. einer Gewichtung der Tätigkeiten
im Inland und im Ausland auf der Grundlage der in den
(ausländischen) unternehmerischen Betriebsstätten der
Klägerinnen zu 2. und zu 3. ausgeübten Tätigkeiten
bereits deshalb nicht aus, weil die eigenen und offenkundig nicht
vernachlässigbaren unternehmerischen Tätigkeiten der
Klägerinnen zu 2. und 3. in ihrem Ansässigkeitsstaat
nicht streitig sind. Demgemäß hätte es der
Aufklärung dieser Umstände und einer hierauf - ggf. unter
Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze zur
Feststellungslast - gestützten Zuordnungsentscheidung bedurft.
Der Senat kann diese Feststellungen im Revisionsverfahren nicht
nachholen.
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3. Im Revisionsverfahren haben das FA und das
BMF keine Einwendungen gegen das angefochtene Urteil erhoben,
soweit dort die von der Klägerin zu 1. aufgrund des
Geschäftsbesorgungsvertrages geleisteten Zahlungen an die B KG
als Betriebsausgaben gewinnmindernd im Rahmen der im Streit
befindlichen gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung der
Klägerin zu 1. in den Streitjahren berücksichtigt worden
sind. Der Senat teilt diese rechtliche Würdigung des FG und
sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab.
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung
folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
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