1
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine GbR mit den Gesellschaftern R und
Z.
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2
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R war ursprünglich
Alleineigentümer eines Grundstücks. Mit notariell
beurkundetem Kaufvertrag vom 31.7.2008 veräußerte er
einen Miteigentumsanteil von 1/25 an Z. Mit notariell beurkundetem
Gesellschaftsvertrag vom selben Tag wurden die Klägerin
gegründet, die Miteigentumsanteile am Grundstück von R
und Z in die Klägerin eingebracht und diesbezüglich die
Auflassung erklärt. An der Klägerin waren R zu 48/50 (=
96 %) und Z zu 2/50 (= 4 %) beteiligt. Der zunächst
vollmachtlos vertretene Z genehmigte den Vertrag am
13.8.2008.
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3
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Am 22.12.2008 vereinbarten R und Z
privatschriftlich, dass R einen Anteil von 23/50 (= 46 %) an der
Klägerin zum 1.1.2009 auf Z überträgt. R und Z
sollten dann jeweils Anteile von 25/50 (= 50 %) an der
Klägerin halten. Der Kaufpreis für den Anteil betrug
1.560.000 EUR.
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4
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Am 30.3.2009 fertigte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) einen Bescheid, mit
dem er den Erwerb der Klägerin vom 31.7.2008 aufgrund der
Einbringung der Miteigentumsanteile am Grundstück nach §
5 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steuerfrei stellte.
In den Erläuterungen des Bescheids wurde ausgeführt, die
Steuervergünstigung des § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG sei
insoweit nicht anzuwenden, als sich der Anteil des
Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb
von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks
auf die Gesamthand vermindere. Änderungen seien dem FA
anzuzeigen. Der Bescheid wurde der Klägerin nicht
bekanntgegeben.
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5
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Auf Anfrage des FA teilte die Klägerin
am 2.9.2014 mit, die Vermögensbeteiligung jedes
Grundstücksveräußerers am
Gesellschaftsvermögen der Klägerin habe sich nicht
gemindert. Die Vereinbarung vom 22.12.2008 war
beigefügt.
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6
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Mit Bescheid vom 20.11.2014 setzte das FA
wegen der Verminderung der Beteiligung des R um 46 % für den
Erwerbsvorgang vom 31.7.2008 Grunderwerbsteuer in Höhe von
16.560 EUR fest. Die Beteiligung von R an der Klägerin habe
sich innerhalb der schädlichen Frist von fünf Jahren von
96 % auf 50 % verringert. Als Bemessungsgrundlage wurden 46 % des
für das Grundstück geschätzten Grundbesitzwerts in
Höhe von 800.000 EUR angesetzt. Der Erwerb sei nur noch in
Höhe von 54 % von der Steuer befreit. Außerdem wurde mit
gesondertem, jedoch mit derselben Post bekanntgegebenem Bescheid
ebenfalls vom 20.11.2014 ein Verspätungszuschlag in Höhe
von 1.656 EUR festgesetzt. In der Anlage zum
Grunderwerbsteuerbescheid führte das FA hierzu aus, die
Reduzierung des Anteils von R sei erst Anfang September 2014
angezeigt worden, obwohl bereits in dem Freistellungsbescheid vom
30.3.2009 auf die Anzeigepflicht hingewiesen worden sei.
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7
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Der am 26.11.2014 eingelegte Einspruch
gegen den „Bescheid über Grunderwerbsteuer vom
20.11.2014“ blieb erfolglos. Auf den Verspätungszuschlag
ging die Einspruchsentscheidung nicht ein. Die Klage hatte Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hob den Grunderwerbsteuerbescheid und die
Festsetzung des Verspätungszuschlags auf. Durch Vertrag vom
22.12.2012 habe sich mit Wirkung zum 1.1.2009 die Beteiligung des R
an der Klägerin von 96 % auf 50 % vermindert. Die Verminderung
der Beteiligung stelle ein rückwirkendes Ereignis i.S. des
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) dar, das
nach § 5 Abs. 3 GrEStG dazu führe, dass die Einbringung
der Miteigentumsanteile an dem Grundstück in die Klägerin
in Höhe von 46 % nicht mehr von der Grunderwerbsteuer befreit
sei. Allerdings sei bei Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids am
20.11.2014 die vierjährige Festsetzungsfrist abgelaufen
gewesen. Sie habe aufgrund der Reduzierung des Anteils zum 1.1.2009
nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO Ende 2009 zu laufen begonnen und
sei am 31.12.2013 abgelaufen. Eine Pflicht zur Anzeige der
Reduzierung des Anteils nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG habe
nicht bestanden. Das Urteil des FG ist in EFG 2017, 747 = SIS 17 04 74 veröffentlicht.
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8
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Mit seiner Revision macht das FA eine
Verletzung von § 5 Abs. 3 GrEStG i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz
2 AO, von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 19 Abs. 2
Nr. 4 GrEStG und von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §
153 Abs. 2 AO geltend.
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9
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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10
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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11
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Mit Bescheid vom 28.12.2016 und somit nach
Erlass des finanzgerichtlichen Urteils stellte das dafür
zuständige Finanzamt den Grundbesitzwert für das
Grundstück auf den 13.8.2008 gesondert und einheitlich mit
1.521.000 EUR fest. Der nach Auffassung der Klägerin nicht
wirksam bekanntgegebene Feststellungsbescheid wurde
angefochten.
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12
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Während des Revisionsverfahrens
änderte das FA mit Bescheid vom 14.2.2017 den
Grunderwerbsteuerbescheid vom 20.11.2014 und setzte - unter
Zugrundelegung des im Bescheid vom 28.12.2016 festgestellten
Grundbesitzwerts - für den Erwerbsvorgang vom 31.7.2008
Grunderwerbsteuer in Höhe von 31.484 EUR und einen
Verspätungszuschlag in Höhe von wiederum 1.656 EUR
fest.
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13
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Mit Bescheid vom 7.4.2017 stellte das
zuständige Finanzamt erneut den Wert des Grundstücks auf
den 13.8.2008 gesondert und einheitlich mit 1.521.000 EUR fest.
Dieser Bescheid wurde R und Z bekanntgegeben. Er ist nach den
Angaben der Beteiligten angefochten und nicht
bestandskräftig.
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14
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II. Das Urteil des FG ist aus
verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sich
während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand,
über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden
hatte, geändert hat (vgl. § 127 der Finanzgerichtsordnung
- FGO - ). An die Stelle des Grunderwerbsteuerbescheids und der
Festsetzung des Verspätungszuschlags vom 20.11.2014, über
die das FG entschieden hat, ist während des
Revisionsverfahrens der Bescheid vom 14.2.2017 getreten und nach
§ 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des
Verfahrens geworden. Das angefochtene Urteil ist daher
gegenstandslos und aufzuheben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 15.3.2017 II R 10/15, BFH/NV 2017, 1153 = SIS 17 13 99,
Rz 11).
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15
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Einer Zurückverweisung der Sache an das
FG nach § 127 FGO bedarf es jedoch nicht, da sich aufgrund des
Änderungsbescheids an den zwischen den Beteiligten streitigen
Punkten nichts geändert hat. Die vom FG getroffenen
tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor die Grundlage
für die Entscheidung des BFH; sie fallen durch die Aufhebung
des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, da das
finanzgerichtliche Urteil nicht an einem Verfahrensmangel leidet
(BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1153 = SIS 17 13 99, Rz 12).
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16
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III. Die Sache ist spruchreif. Der
gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO zum
Gegenstand des Revisionsverfahrens gewordene Bescheid vom 14.2.2017
ist insoweit rechtmäßig, als er für die
Anteilsübertragung vom 22.12.2008 Grunderwerbsteuer festsetzt.
Soweit er einen Verspätungszuschlag in Höhe von 1.656 EUR
festsetzt, ist er rechtswidrig und verletzt die Klägerin in
ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO).
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1. Die Festsetzung von Grunderwerbsteuer durch
Bescheid vom 14.2.2017 für die am 31.7.2008 vorgenommene und
am 13.8.2008 genehmigte Einbringung der Miteigentumsanteile am
Grundstück in die Klägerin durch R und Z ist
rechtmäßig. Durch die Verminderung des Anteils von R an
der Klägerin zum 1.1.2009 um 46 % sind insoweit
rückwirkend die Voraussetzungen für die Nichterhebung der
Steuer entfallen.
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a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG
unterliegt der Grunderwerbsteuer die Auflassung, soweit sie sich
auf inländische Grundstücke bezieht und kein
Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf
Übereignung begründet.
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19
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Geht ein Grundstück von mehreren
Miteigentümern auf eine Gesamthand (Gemeinschaft zur gesamten
Hand) über, so wird nach § 5 Abs. 1 GrEStG die Steuer
nicht erhoben, soweit der Anteil des einzelnen am Vermögen der
Gesamthand Beteiligten seinem Bruchteil am Grundstück
entspricht. § 5 Abs. 1 GrEStG ist insoweit nicht anzuwenden,
als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der
Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang
des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert (§ 5 Abs. 3
GrEStG). § 5 Abs. 3 GrEStG ist kein eigener Steuertatbestand,
sondern bestimmt für dem Grunde nach der Grunderwerbsteuer
unterliegende Einbringungsvorgänge, dass u.a. die
Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 GrEStG
nachträglich entfällt. Insoweit stellt die Verminderung
des Anteils des Veräußerers am Vermögen der
Gesamthand ein Ereignis dar, das steuerrechtlich auf den
Einbringungsvorgang zurückwirkt und für diesen die
Vergünstigung nach § 5 Abs. 1 GrEStG ausschließt
(vgl. Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl.,
§ 5 Rz 125). Die Voraussetzungen für die Nichterhebung
der Steuer gemäß § 5 Abs. 1 GrEStG entfallen daher
rückwirkend i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m.
Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 AO, soweit sich der Anteil des
Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb
von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks
auf die Gesamthand vermindert (BFH-Urteil vom 17.12.2014 II R 2/13,
BFHE 248, 238, BStBl II 2015, 557 = SIS 15 05 91, Rz 30). Ein
Steuerbescheid für den Einbringungsvorgang ist entsprechend zu
erlassen, aufzuheben oder zu ändern.
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20
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b) Die Einbringung der Miteigentumsanteile von
R und Z an dem Grundstück in die Klägerin am 31.7.2008
unterlag nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG wegen der gleichzeitigen
Auflassung dem Grunde nach der Grunderwerbsteuer. Der Vorgang war
jedoch nach § 5 Abs. 1 GrEStG von der Steuer befreit, da die
Anteile von R und Z am Vermögen der Klägerin ihren
Miteigentumsanteilen am Grundstück entsprachen. Durch die -
vom FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise
festgestellte - Übertragung des Anteils an der Klägerin
in Höhe von 23/50 (= 46 %) von R auf Z durch Vertrag vom
22.12.2008 mit Wirkung zum 1.1.2009 verringerte sich die
Beteiligung von R an der Klägerin innerhalb der
schädlichen Frist von fünf Jahren von 96 % auf 50 %. Die
Anteilsverminderung wirkte auf den Einbringungsvorgang vom
31.7.2008 zurück. Insoweit sind die Voraussetzungen für
die Steuerbefreiung des Erwerbs in Höhe von 46 %
rückwirkend entfallen (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
i.V.m. § 5 Abs. 3 und 1 GrEStG).
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21
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c) Das FA konnte für den
Einbringungsvorgang vom 31.7.2008 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 AO Grunderwerbsteuer festsetzen. Im Zeitpunkt des Erlasses des
ursprünglichen Bescheids vom 20.11.2014 war die
vierjährige Festsetzungsfrist i.S. des § 169 Abs. 2 Satz
1 Nr. 2 AO noch nicht abgelaufen. Die Festsetzungsfrist begann -
wegen der verspäteten Anzeige der Verminderung der Beteiligung
- aufgrund der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO
i.V.m. § 19 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 5 GrEStG mit Ablauf des
Jahres 2011 zu laufen und endete mit Ablauf des Jahres 2015. Die
nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG notwendige Anzeige hatte die
Klägerin erst im September 2014 erstattet.
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22
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aa) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre
Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn
die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO).
Die reguläre Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre (§
169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Ist eine Steuererklärung oder
eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten,
beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des
Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung, die
Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens
jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das
Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Eine Anzeige nach § 19 Abs. 2 Nr. 4
GrEStG ist gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG eine
Steuererklärung i.S. der AO.
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23
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bb) Nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG haben
Steuerschuldner Anzeige zu erstatten über Änderungen im
Gesellschafterbestand einer Gesamthand bei Gewährung der
Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG oder
§ 6 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 GrEStG. Die
Anzeigepflichtigen haben u.a. innerhalb von zwei Wochen, nachdem
sie von dem anzeigepflichtigen Vorgang Kenntnis erhalten haben, den
Vorgang anzuzeigen (§ 19 Abs. 3 GrEStG).
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24
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cc) Die Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 2
Nr. 4 GrEStG umfasst auch die Verringerung der
vermögensmäßigen Beteiligung eines
grundstückseinbringenden Gesellschafters am Vermögen
einer Gesamthand, selbst wenn sich dadurch der personelle
Gesellschafterbestand der Gesamthand nicht ändert.
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(1) Der Wortlaut der Vorschrift spricht zwar
von der Anzeige über Änderungen im Gesellschafterbestand
einer Gesamthand. Er erlegt dem Steuerschuldner aber die Pflicht
zur Anzeige einer Änderung der Verhältnisse auf, wenn die
Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 GrEStG gewährt
worden ist und bezieht sich damit auf die dort geregelten
Voraussetzungen der Steuervergünstigung und deren Wegfall nach
§ 5 Abs. 3 GrEStG. § 5 Abs. 1 GrEStG stellt auf den
Anteil des Einzelnen an dem Vermögen der Gesamthand ab und
gewährt für den Grundstücksübergang eine
Steuerbefreiung von der Grunderwerbsteuer, soweit die (anteilige)
Berechtigung des Veräußerers am Grundstück seiner
Beteiligung am Vermögen der Gesamthand entspricht. Die
Steuervergünstigung knüpft insoweit an die Höhe der
vermögensmäßigen Beteiligung des Gesamthänders
an. Anzeigepflichtig nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG sind
demnach die Fälle, in denen der grundstückseinbringende
Gesamthänder seine Gesamthänderstellung und damit auch
seine Beteiligung am Gesamthandsvermögen verliert oder neue
Gesellschafter in die Gesellschaft eintreten und sich die
vermögensmäßige Beteiligung des
grundstückseinbringenden Gesamthänders vermindert. Eine
Anzeigepflicht besteht jedoch auch, wenn sich die Beteiligung eines
grundstückseinbringenden Gesellschafters am Vermögen der
Gesamthand nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG vermindert, ohne dass
sich dadurch der personelle Gesellschafterbestand der Gesamthand
ändert. Dies betrifft also Fälle, in denen kein neuer
Gesellschafter beitritt, sondern sich lediglich die
Beteiligungsverhältnisse der bisherigen Gesellschafter am
Vermögen der Gesamthand verschieben und sich dadurch die
Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesellschafters
verringert. Denn auch eine solche Verminderung der Beteiligung des
grundstückseinbringenden Gesellschafters führt, wenn sie
innerhalb der maßgeblichen Frist von fünf Jahren
erfolgt, zu einem anteilsmäßig entsprechenden
rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigung.
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(2) Durch das Erfordernis der Anzeigepflicht
auch bei Verminderungen der vermögensmäßigen
Beteiligung eines grundstückseinbringenden Gesellschafters am
Vermögen der Gesamthand wird der vom Gesetzgeber beabsichtigte
Zweck des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG erreicht. Die Vorschrift
wurde durch Art. 15 Nr. 9 b) bb) des Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402) in das GrEStG
eingefügt. Die Gesetzesmaterialien sprechen von einer
Folgeänderung zu der Einfügung von § 5 Abs. 3 GrEStG
(BTDrucks 14/23, S. 204), der einen Wegfall der
Steuervergünstigungen nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG
vorsieht, wenn sich der Anteil des Veräußerers am
Vermögen der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach
dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand
vermindert. Die Anzeigepflicht soll demnach sicherstellen, dass den
Finanzbehörden die gemäß § 5 Abs. 3 GrEStG zur
Versagung der Vergünstigungen aus § 5 GrEStG
führenden Änderungen bekannt werden (vgl. Pahlke,
Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 19 Rz 11).
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27
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(3) Auch zu der Anzeigepflicht nach § 19
Abs. 1 Nr. 3a GrEStG (i.d.F. für Erwerbsvorgänge nach dem
31.12.2001), die von Änderungen im Gesellschafterbestand der
Personengesellschaft spricht, hat der BFH bereits entschieden, die
Anzeigepflicht beziehe sich auf Änderungen in der
vermögensmäßigen Beteiligung eines an der
Personengesellschaft bereits beteiligten Gesellschafters. Die
Anzeigepflicht erfasse somit die Aufstockung der Beteiligungsquote
eines neuen Gesellschafters innerhalb von fünf Jahren
(BFH-Urteil vom 17.5.2017 II R 35/15, BFHE 258, 95, BStBl II 2017,
966 = SIS 17 11 78, Rz 48).
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28
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d) Nach diesen Grundsätzen war die
Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des R
an der Klägerin durch Vertrag vom 22.12.2008 mit Wirkung zum
1.1.2009 nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG anzeigepflichtig.
Angezeigt hat die Klägerin die Verminderung erst am 2.9.2014
durch Übersendung des Vertrags vom 22.12.2008.
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29
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e) Bei Erlass des ursprünglichen
(erstmaligen) Steuerbescheids am 20.11.2014 war eine
Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten. Da die
Grunderwerbsteuer für die Einbringung der Anteile am
Grundstück in die Klägerin am 31.7.2008 entstanden ist,
begann die vierjährige Festsetzungsfrist für den
Grunderwerbsteuerbescheid mangels rechtzeitiger Anzeige des
Vorgangs mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der
Steuerentstehung Ende 2011 zu laufen und endete erst mit Ablauf des
Jahres 2015.
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30
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Unerheblich ist, dass nach § 175 Abs. 1
Satz 2 AO die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2009 beginnen
würde, da die Anteilsreduzierung des R an der Klägerin
als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 AO am 1.1.2009 eingetreten ist. Die Anlaufhemmungen für
die Festsetzungsfristen nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO und
§ 175 Abs. 1 Satz 2 AO stehen nebeneinander. Im Streitfall
führt die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO
zu einem späteren Anlauf der Festsetzungsfrist als die
Anlaufhemmung nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO.
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31
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f) Bei dem Grunderwerbsteuerbescheid vom
20.11.2014 handelt es sich um einen Erstbescheid, der nach §
175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erlassen werden konnte, und nicht um die
Änderung des Bescheids vom 30.3.2009, durch den der
Einbringungsvorgang vom 31.7.2008 steuerfrei gestellt wurde. Der
Bescheid vom 30.3.2009 wurde unstreitig nicht bekanntgegeben. Er
war daher nicht wirksam (§ 124 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 122
Abs. 1 Satz 1 AO).
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32
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2. Die Festsetzung des
Verspätungszuschlags durch die Bescheide vom 20.11.2014 und
14.2.2017 ist rechtswidrig.
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33
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a) Die gegen die Festsetzung des
Verspätungszuschlags erhobene Klage war als
Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO
zulässig.
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34
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aa) Ist über einen
außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines
zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht
entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 FGO
ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig (§
46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs
Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs
erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände
des Falles eine kürzere Frist geboten ist (§ 46 Abs. 1
Satz 2 FGO). Der BFH hat von Amts wegen die Zulässigkeit der
erstinstanzlichen Klage als Sachentscheidungsvoraussetzung zu
prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 8.7.1994 III R 78/92, BFHE 175, 7,
BStBl II 1994, 859 = SIS 94 24 34, unter II.3.a, zur Prüfung
der Frage, ob eine Klage als Untätigkeitsklage zulässig
ist).
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35
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bb) Im Streitfall wurde die Klage am 2.7.2015
und daher etwas mehr als sieben Monate nach Einlegung des
Einspruchs erhoben. Die Klägerin hat am 26.11.2014 Einspruch
eingelegt. Das Einspruchsschreiben der Klägerin ist
dahingehend auszulegen, dass sie sich sowohl gegen die Festsetzung
der Grunderwerbsteuer als auch gegen die Festsetzung des
Verspätungszuschlags (jeweils am 20.11.2014) wendete. Als
Einspruchsgegenstand gibt die Klägerin in ihrem Schreiben den
Grunderwerbsteuerbescheid vom 20.11.2014 an. Der
Verspätungszuschlag wurde zwar mit gesondertem Bescheid vom
20.11.2014 festgesetzt. Die Begründung zur Ausübung des
Ermessens bezüglich des Verspätungszuschlags wurde jedoch
in die - gemäß den Akten gleichzeitig mit dem
Grunderwerbsteuerbescheid versandte - „Anlage zum nach §
175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten
Grunderwerbsteuerbescheid“ aufgenommen. Das FA hat in seiner
Einspruchsentscheidung vom 9.6.2015 nicht über die Frage der
Rechtmäßigkeit des Verspätungszuschlags
entschieden.
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36
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b) Die Festsetzung des
Verspätungszuschlags ist rechtswidrig.
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37
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aa) Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO i.d.F.
für Steuererklärungen, die vor dem 1.1.2019 einzureichen
sind (AO a.F.; vgl. Art. 97 § 8 Abs. 4 des
Einführungsgesetzes zur AO), kann gegen denjenigen, der seiner
Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder
nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag
festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines
Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn die Versäumnis
entschuldbar erscheint (§ 152 Abs. 1 Satz 2 AO a.F.). Ob diese
tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines
Verspätungszuschlags erfüllt sind, ist eine von den
Gerichten voll überprüfbare Rechtsentscheidung
(BFH-Urteil vom 17.1.2017 VIII R 52/14, BFHE 257, 1, BStBl II 2018,
740 = SIS 17 06 63, Rz 23).
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38
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bb) Die Voraussetzungen für die
Festsetzung des Verspätungszuschlags lagen dem Grunde nach
nicht vor. Das Versäumnis der Klägerin, eine Anzeige i.S.
des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG, die nach § 19 Abs. 5 Satz 1
GrEStG eine Steuererklärung i.S. der AO ist, innerhalb der
Zwei-Wochen-Frist des § 19 Abs. 3 GrEStG einzureichen, war
zumindest entschuldbar i.S. des § 152 Abs. 1 Satz 2 AO a.F.
Die Frage, ob bei einer gewährten Steuervergünstigung
auch eine Verminderung der vermögensmäßigen
Beteiligung an einer Gesamthand nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG
anzuzeigen ist, wenn der Gesellschafterbestand gleichbleibt, war
zum Zeitpunkt der Verminderung der Beteiligung des R zum 1.1.2009
durch Vertrag vom 22.12.2008 noch nicht geklärt. In der
Literatur wird bisher die Auffassung vertreten, ein solcher Fall
sei nicht anzeigepflichtig (vgl. Loose in Boruttau,
Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl., § 19 Rz 26; Pahlke,
a.a.O., § 19 Rz 11; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz,
Kommentar, 11. Aufl., § 19 Rz 9).
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39
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3. Der BFH kann über den
Grunderwerbsteuerbescheid entscheiden, obwohl das Verfahren gegen
die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts noch anhängig
ist.
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a) Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn
die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem
Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses
abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits
bildet, die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen
Rechtsstreits aussetzen. Die Entscheidung über die Aussetzung
steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Dabei ist es
regelmäßig geboten und zweckmäßig
(Ermessensreduzierung auf Null), dass das Gericht den Streit um die
Rechtmäßigkeit eines Folgebescheids aussetzt, solange
noch unklar ist, ob und wie der angefochtene Grundlagenbescheid
geändert wird.
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b) Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht
ausnahmslos. Im Einzelfall kann trotz ausstehender Entscheidung
über einen Grundlagenbescheid eine Fortführung des
Verfahrens ermessensgerecht sein. Das ist z.B. dann der Fall, wenn
das Vorbringen eines Beteiligten den Folgebescheid als solchen
betrifft und im Verfahren über diesen Bescheid
entscheidungserheblich ist. In diesem Fall kann das betreffende
Vorbringen bereits zur Entscheidung über die Klage
führen, ohne dass es noch auf die Entscheidung über den
Grundlagenbescheid ankommt. Dann kann eine zeitnahe Entscheidung
sowohl der Prozessökonomie als auch dem (objektivierten)
Interesse der Beteiligten entsprechen. Von Bedeutung ist dabei,
dass unbeschadet einer Entscheidung über den Folgebescheid
dieser bei einer nachfolgenden Aufhebung oder Änderung des
Grundlagenbescheids (auch im dagegen gerichteten Klageverfahren)
gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu erlassen,
aufzuheben oder zu ändern ist, ohne dass es einer weiteren
gerichtlichen Entscheidung bedarf (BFH-Urteil vom 25.8.2010 II R
65/08, BFHE 231, 239, BStBl II 2011, 225 = SIS 10 42 34, Rz 17
ff.).
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c) Ein solcher Ausnahmefall ist im Streitfall
gegeben.
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In den beiden anhängigen Verfahren sind
verschiedene Rechtsfragen streitig. Im hier streitigen Verfahren -
dem Verfahren gegen die Festsetzung der Grunderwerbsteuer und des
Verspätungszuschlags - ist die Rechtsfrage zu entscheiden, ob
die vierjährige Festsetzungsfrist bei Erlass des Bescheids am
20.11.2014 noch nicht abgelaufen war (vgl. oben unter III.1.). Der
Rechtsstreit im Feststellungsverfahren führt im Erfolgsfall
hingegen nur zu einer niedrigeren Bemessungsgrundlage bei der
Grunderwerbsteuer und nicht zu einer Aufhebung des
Grunderwerbsteuerbescheids, die eine vorrangige Entscheidung
über diesen sinnlos erscheinen ließe (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 231, 239, BStBl II 2011, 225 = SIS 10 42 34, Rz 20). Der
Feststellungsbescheid vom 7.4.2017, der der Klägerin
bekanntgegeben wurde und einen identischen Regelungsgehalt wie der
Feststellungsbescheid vom 28.12.2016 hat, wurde nach § 365
Abs. 3 AO Gegenstand des Einspruchsverfahrens gegen den
Feststellungsbescheid vom 28.12.2016. Es entspricht dem Interesse
der Klägerin, eine durch das Abwarten auf die Entscheidung im
Feststellungsverfahren bedingte längere Verfahrensdauer zu
vermeiden und zunächst über den Grunderwerbsteuerbescheid
zu entscheiden.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136
Abs. 1 Satz 1 FGO.
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