1
|
I. Streitig ist, ob und gegebenenfalls in
welcher Höhe der Verlust aus dem Verzicht auf eine
Darlehensforderung zu berücksichtigen ist.
|
|
|
2
|
Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2011) zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war im Streitjahr
am Stammkapital der C-GmbH in Höhe von 250.000 EUR mit einer
Stammeinlage von 75.000 EUR (und mithin zu 30 %) beteiligt;
zugleich war er einer von zwei alleinvertretungsberechtigten
Geschäftsführern der C-GmbH.
|
|
|
3
|
Am 28.08.2003 schloss die C-GmbH, vertreten
durch den Kläger, mit der B-Bank einen Darlehensvertrag
über 300.000 EUR (jährliche Tilgung 30.000 EUR, Zinssatz
4 % p.a.) ab. Als Sicherheit dienten neben Bürgschaften zweier
weiterer Gesellschafter der C-GmbH über jeweils 37.500 EUR die
Verpfändung eines Festgeldkontos des Klägers über
150.000 EUR sowie Grundschulden des Klägers über
332.339,73 EUR.
|
|
|
4
|
Unter dem 15.01.2007 stellte der
Kläger der C-GmbH ein Darlehen in Höhe von 244.708,83 EUR
zur Verfügung, das der Ablösung des Darlehens mit der
B-Bank diente. In einer „Vereinbarung zum
Gesellschafterdarlehen“ vom gleichen Tage heißt es
dazu: „Der Darlehensgeber setzt den Gesellschafterbeschluss
vom 19.12.2006 zur vereinbarten Gründungsfinanzierung der
Firma um und schließt mit der C-GmbH als Darlehensnehmerin
einen Darlehensvertrag gleichlautend wie mit den übrigen
Gesellschaftern ab. Da die Darlehensnehmerin keinen Kredit von
Nichtgesellschaftern zu marktüblichen Konditionen erhält,
wird der Darlehensgeber sein Darlehen nicht abziehen, ein
Kündigungsrecht besteht somit nicht. Er verzichtet auch auf
sein außerordentliches Kündigungsrecht.“ Mit einer
vom 31.12.2007 datierenden schriftlichen Erklärung trat der
Kläger mit seinen Forderungen aus dem Gesellschafterdarlehen
zur Vermeidung einer Überschuldung oder
Zahlungsunfähigkeit der C-GmbH im Rang hinter allen
Ansprüchen aller anderen gegenwärtigen und
zukünftigen Gläubiger - außer anderen
Rangrücktrittsgläubigern - zurück.
|
|
|
5
|
Die durch den Kläger sowie durch die
weiteren Gesellschafter zur Verfügung gestellten
Darlehensbeträge sind in der Buchführung der C-GmbH stets
als sonstige Verbindlichkeiten behandelt worden. Mit
Gesellschafterbeschluss vom 30.09.2011 verzichteten der Kläger
sowie alle weiteren Gesellschafter auf die der C-GmbH ausgereichten
Darlehen. Unter dem 23.12.2011 veräußerte der
Kläger seinen Gesellschaftsanteil zum Preis von 30.000
EUR.
|
|
|
6
|
In seiner Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr machte der Kläger einen Verlust aus
der Veräußerung seiner Beteiligung an der C-GmbH in
Höhe von 178.205,38 EUR - der Summe aus dem anteiligen, zu 60
% berücksichtigten Verlust des Stammkapitals zuzüglich
des anteiligen, zu 60 % berücksichtigten Verlusts des
Gesellschafterdarlehens - geltend. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) berücksichtigte
abweichend hiervon im (letzten) Einkommensteuerbescheid für
das Streitjahr vom 28.06.2016 lediglich 27.000 EUR - und mithin 60
% des Verlustes aus der Veräußerung des Stammkapitals
des Klägers - als Veräußerungsverlust im Rahmen des
§ 17 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr
geltenden Fassung (EStG). Der Einspruch der Kläger, mit dem
diese u.a. vortrugen, bei dem ausgefallenen Gesellschafterdarlehen
habe es sich um ein Finanzplandarlehen gehandelt, hatte keinen
Erfolg.
|
|
|
7
|
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im
Ergebnis statt. Zwar führe der Verzicht des i.S. des § 17
Abs. 1 EStG wesentlich beteiligten Klägers auf sein
Gesellschafterdarlehen nicht zu einem nach dieser Vorschrift zu
berücksichtigenden Verlust. Denn das vom Kläger
gewährte Darlehen sei weder als Krisendarlehen noch als
krisenbestimmtes Darlehen bzw. Finanzplandarlehen zu qualifizieren;
auch eine Verlustberücksichtigung als eine in der Krise stehen
gelassene Sicherheit komme im Streitfall nicht in Betracht. Der
Verlust des Klägers aus der Darlehensgewährung sei indes
gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m § 20 Abs.
2 Satz 2 und Abs. 4 EStG zu berücksichtigen. Denn nach der
höchstrichterlichen Rechtsprechung führe der
endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S. des § 20
Abs. 1 Nr. 7 EStG in der Vermögenssphäre zu einem Verlust
i.S. des § 20 Abs. 4 EStG. Vor diesem Hintergrund sei auch der
im Streitfall vom Kläger ausgesprochene Forderungsverzicht
einer Veräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG
gleichzustellen.
|
|
|
8
|
Hiergegen richtet sich die Revision des
FA.
|
|
|
9
|
Das FA vertritt die Auffassung, der vom
Kläger geltend gemachte Verlust aus dem Verzicht auf das
Gesellschafterdarlehen sei nicht bei der Ermittlung der
Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz
1 Nr. 7 EStG zu berücksichtigen. Denn die Forderung des
Klägers sei nach der Anwendungsvorschrift des § 52a Abs.
10 Satz 7 EStG i.d.F. des Streitjahres (nunmehr § 52 Abs. 28
Satz 16 EStG n.F.) vom Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Satz
1 Nr. 7 EStG ausgenommen. Darüber hinaus sei der Verlust des
Klägers auch nicht nach § 17 Abs. 1 EStG zu
berücksichtigen. Selbst wenn man - entgegen der hier
vertretenen Auffassung des FA - unter Berücksichtigung der von
der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten
Vertrauensschutzregelung (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
11.07.2017 - IX R 36/15, BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 683 = SIS 17 16 44, Rz 40 ff.) davon ausginge, dass das vom Kläger
gewährte Gesellschafterdarlehen als krisenbestimmte - oder
jedenfalls als stehen gelassene - Finanzierungshilfe zu
qualifizieren sei (und damit dem Grunde nach zu nachträglichen
Anschaffungskosten geführt habe), sei die Darlehensforderung
im Zeitpunkt des Verzichts nicht mehr werthaltig gewesen und damit
mit 0 EUR zu bewerten gewesen. Daher seien auch die insoweit zu
berücksichtigenden nachträglichen Anschaffungskosten mit
0 EUR anzusetzen.
|
|
|
10
|
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
des FG aufzuheben und die Klage als unbegründet
abzuweisen,
|
|
hilfsweise, das angefochtene Urteil des FG
aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
|
|
|
11
|
Die Kläger, die keinen
ausdrücklichen Revisionsantrag gestellt haben, wenden
hiergegen sinngemäß ein, dass das FG zutreffend den
geltend gemachten Verlust bei der Ermittlung der Einkünfte aus
Kapitalvermögen berücksichtigt habe.
|
|
|
12
|
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
ist dem Verfahren beigetreten. Es unterstützt die Auffassung
des FA. Die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG sei
schon mit Blick auf ihren zeitlichen Anwendungsbereich im
Streitfall nicht einschlägig; darüber hinaus werde der
Verzicht auf eine wertlose Forderung weder vom Wortlaut dieser Norm
noch vom Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG erfasst. Auch
eine analoge oder verfassungskonforme Anwendung der genannten
Vorschriften sei im Streitfall nicht möglich. Zutreffend habe
das FG auch die Möglichkeit einer Berücksichtigung des
geltend gemachten Verlusts aus dem Verzicht auf das
Gesellschafterdarlehen nach § 17 Abs. 1 EStG
ausgeschlossen.
|
|
|
13
|
II. Die Revision ist begründet und
führt unter Aufhebung der Vorentscheidung zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ).
|
|
|
14
|
1. Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden,
dass der vom Kläger geltend gemachte Verlust aus dem Verzicht
auf sein Gesellschafterdarlehen bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen zu berücksichtigen ist.
|
|
|
15
|
a) Nach der durch Art. 1 Nr. 16 des
Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG) vom 14.08.2007
(BGBl I 2007, 1912) neu eingeführten Regelung in § 20
Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehört zu den Einkünften aus
Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung
von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i.S. des § 20 Abs.
1 Nr. 7 EStG. Die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
bestimmt, dass zu den Einkünften aus Kapitalvermögen
Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art
gehören, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens
oder ein Entgelt für die Überlassung des
Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden
ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts
von einem ungewissen Ereignis abhängt – und zwar ohne
Rücksicht auf die Bezeichnung und die zivilrechtliche
Ausgestaltung der Kapitalanlage.
|
|
|
16
|
Nach § 52 Abs. 28 Satz 15 EStG n.F. ist
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008
erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende
Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger
Kapitalforderungen anzuwenden. Für Kapitalerträge aus
Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem 01.01.2009
erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1
Nr. 7 in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung (EStG a.F.), aber
nicht Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
EStG a.F. (sog. Finanzinnovationen) sind, ist § 20 Abs. 2 Satz
1 Nr. 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 nicht anzuwenden (§ 52
Abs. 28 Satz 16 EStG n.F.; s.a. BFH-Urteil vom 09.07.2019 - X R
9/17, BFHE 265, 354 = SIS 19 18 51; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom
19.11.2018 - 3 K 1846/15, EFG 2019, 610 = SIS 19 02 98, Rz 68,
rechtskräftig; BMF-Schreiben vom 18.01.2016, BStBl I 2016, 85
= SIS 16 02 36, Rz 58; Blümich/Ratschow, § 20 EStG Rz
350).
|
|
|
17
|
b) Soweit die Vorschrift des § 20 Abs. 2
Satz 2 EStG Vorgänge, die den Begriff der
Veräußerung nicht erfüllen (Einlösung,
Rückzahlung, Abtretung, verdeckte Einlage in eine
Kapitalgesellschaft, Vereinnahmung eines
Auseinandersetzungsguthabens), fiktiv einer Veräußerung
gleichstellt, ergänzt und vervollständigt diese die in
§ 20 Abs. 2 Satz 1 EStG aufgezählten
Verstrickungstatbestände; dadurch wollte der Gesetzgeber eine
weitgehend vollständige steuerliche Erfassung aller
Wertzuwächse bei Kapitalanlagen erreichen (BTDrucks 16/4841,
56; s.a. Blümich/Ratschow, § 20 EStG Rz 390). Die
Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ist mithin nur auf
Sachverhalte anwendbar, für die der Anwendungsbereich der
durch das UntStRefG 2008 neu eingeführten
Veräußerungstatbestände in § 20 Abs. 2 Satz 1
EStG eröffnet ist (vgl. BFH-Urteile vom 06.02.2018 - IX R
33/17, BFHE 260, 485, BStBl II 2018, 525 = SIS 18 02 28, Rz 17; vom
12.05.2015 - VIII R 4/15, BFHE 250, 75, BStBl II 2015, 835 = SIS 15 19 53, Rz 9).
|
|
|
18
|
c) Nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung führt ein durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasster, unbedingter Verzicht
eines Gesellschafters auf eine ihm gegen eine Kapitalgesellschaft
zustehende Darlehensforderung dem Grunde nach zu einer Einlage i.S.
des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG (BFH-Urteil vom 06.08.2019- VIII R
18/16, BFHE 265, 531 = SIS 19 16 60). Darüber hinaus behandelt
die Rechtsprechung den endgültigen Ausfall einer
Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der
privaten Vermögenssphäre nach Einführung der
Abgeltungsteuer als steuerlich anzuerkennenden Verlust nach §
20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG (BFH-Urteil vom
24.10.2017 - VIII R 13/15, BFHE 259, 535 = SIS 17 22 45).
|
|
|
19
|
d) Der Senat kann offenlassen, ob vor dem
Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung die
tatbestandlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung
eines Verlusts aufgrund des Verzichts des Klägers auf seine
Darlehensforderung gegen die C-GmbH gegeben sind; denn im
Streitfall ist die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7
EStG schon nicht auf das vom Kläger hingegebene
Gesellschafterdarlehen anwendbar. Das im Jahr 2007 begründete,
rückzahlbare und festverzinsliche Darlehen des Klägers
erfüllt zwar die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs.
1 Nr. 7 EStG a.F., stellt aber, worauf das BMF zutreffend
hingewiesen hat, keine Finanzinnovation i.S. des § 20 Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. dar. Der Umstand, dass das Darlehen vom
Kläger über den 01.01.2009 hinaus gewährt und mithin
in einem weiter verstandenen Sinne „stehen
gelassen“ wurde, bewirkt bereits begrifflich keinen
Erwerb der Darlehensforderung nach dem 31.12.2008 (BFH-Urteil in
BFHE 265, 354 = SIS 19 18 51).
|
|
|
20
|
e) Das FG ist von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil kann schon aus
diesem Grund keinen Bestand haben. Auf die von der Revision weiter
aufgeworfene Frage, ob der Verzicht auf eine Darlehensforderung vom
Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 EStG
erfasst ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht mehr an.
|
|
|
21
|
2. Die Rechtsauffassung des FG, wonach eine
Berücksichtigung des Verlusts aus dem Verzicht des
Klägers auf sein Gesellschafterdarlehen auch bei den
Einkünften i.S. des § 17 EStG dem Grunde nach nicht in
Betracht kommt, ist jedenfalls revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden.
|
|
|
22
|
a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im
Streitjahr geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus
Gewerbebetrieb auch der Gewinn (oder Verlust) aus der
Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft.
Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 1 EStG ist
gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift der Betrag, um den
der Veräußerungspreis nach Abzug der
Veräußerungskosten die Anschaffungskosten
übersteigt.
|
|
|
23
|
b) Für die Berücksichtigung
(nachträglicher) Anschaffungskosten kommt es im Streitfall auf
den unter Geltung des Eigenkapitalersatzrechts zu § 17 Abs. 2
Satz 1 EStG entwickelten normspezifischen Anschaffungskostenbegriff
an. Denn das vom Kläger gewährte Gesellschafterdarlehen
ist bis zum Tag der Veröffentlichung des Senatsurteils in BFHE
258, 427, BStBl II 2019, 208 = SIS 17 16 44 am 27.09.2017 geleistet
worden. Der Kläger kann daher Vertrauensschutz für sich
beanspruchen. Hieran hält der Senat fest (BFH-Urteil vom
02.07.2019 - IX R 13/18, BFHE 265, 333, BStBl II 2020, 89 = SIS 19 16 61). Einen Antrag auf Anwendung der Neuregelung in § 17
Abs. 2a EStG i.V.m. § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG i.d.F. des
Gesetzes zur weiteren Förderung der Elektromobilität und
zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019
(BGBl I 2019, 2451) haben die Kläger bislang nicht
gestellt.
|
|
|
24
|
c) Nach den unter Geltung des
Eigenkapitalersatzrechts entwickelten Grundsätzen gehören
zu den nachträglichen Anschaffungskosten u.a. auch
Aufwendungen des Gesellschafters, die durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten
bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch
Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind.
|
|
|
25
|
aa) Zu in diesem Sinne funktionellem
Eigenkapital werden Finanzierungshilfen oder
Finanzierungsmaßnahmen, wenn der Gesellschafter der
Gesellschaft in der Krise der Gesellschaft ein Darlehen
gewährt und dieses eigenkapitalersetzenden Charakter hat.
Davon ist auszugehen, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der
Gewährung des Darlehens entweder insolvenzreif ist oder,
sofern Insolvenzreife noch nicht eingetreten ist, wenn die
Rückzahlung des Darlehens angesichts der finanziellen
Situation der Gesellschaft in einem Maße gefährdet
erscheint, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko der
Kreditgewährung nicht mehr eingegangen wäre, das
heißt, wenn die Gesellschaft unter den bestehenden
Verhältnissen von einem Dritten einen Kredit zu
marktüblichen Bedingungen nicht mehr erhalten hätte.
Fällt der Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft
mit einem in der Krise gewährten Darlehen aus, führt das
zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung in
Höhe des Nennwerts des Darlehens (BFH-Urteil vom 11.10.2017 -
IX R 29/16, BFH/NV 2018, 451 = SIS 17 25 76, m.w.N.).
|
|
|
26
|
bb) Auf die Prüfung, wann die Krise der
Gesellschaft eingetreten ist und wann die Gesellschafter hiervon
Kenntnis erlangt haben, kann außer bei einem auf
Krisenfinanzierung hin angelegten Darlehen auch bei einem Darlehen
verzichtet werden, das von vornherein in die Finanzplanung der
Gesellschaft in der Weise einbezogen ist, dass die zur Aufnahme der
Geschäfte erforderliche Kapitalausstattung der Gesellschaft
durch eine Kombination von Eigen- und Fremdfinanzierung erreicht
werden soll. Solche von den Gesellschaftern gewährten
„finanzplanmäßigen“ Kredite zur
Finanzierung des Unternehmenszwecks werden nach Gesellschaftsrecht
den Einlagen gleichgestellt (sog. „gesplittete“
Pflichteinlage, vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom
21.03.1988 - II ZR 238/87, BGHZ 104, 33, und vom 14.12.1992 - II ZR
298/91, BGHZ 121, 31). Das gilt grundsätzlich für jede
GmbH und unabhängig davon, ob die kapitalersetzende
Finanzierung im Gesellschaftsvertrag niedergelegt ist; entscheidend
ist, ob sich die planmäßige Gesellschafterfinanzierung
aus einer Gesamtwürdigung des Gesellschaftsvertrages und/oder
des Darlehensvertrages und der im Zeitpunkt des Abschlusses dieser
Verträge vorliegenden Umstände ergibt (BGH-Urteile in
BGHZ 104, 33, und in BGHZ 121, 31). Liegt ein in diesem Sinne
krisenunabhängiges Finanzplandarlehen vor, ist es nicht nur
von vornherein - also mit seiner Hingabe - gesellschaftsrechtlich
als Haftkapital gebunden; es ist auch für die
einkommensteuerrechtliche Beurteilung davon auszugehen, dass es mit
Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt
wurde. Dementsprechend erhöhen sich im Falle seines Verlustes
die Anschaffungskosten der Beteiligung nicht nur in Höhe
seines Wertes im Zeitpunkt der Krise, sondern in Höhe seines
Wertes im Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft, also seines
Nennwertes (BFH-Urteile vom 13.07.1999 - VIII R 31/98, BFHE 189,
390, BStBl II 1999, 724 = SIS 99 19 15, und in BFH/NV 2018, 451 =
SIS 17 25 76).
|
|
|
27
|
cc) Ob und in welchem Zeitpunkt die Krise
eingetreten ist und ob eine als Darlehen bezeichnete Zahlung an die
Gesellschaft in Wahrheit als gesplittete Einlage zu behandeln ist,
hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist im
Wesentlichen Tatfrage. Die revisionsrechtliche Nachprüfung
beschränkt sich darauf, ob das FG im Rahmen der
Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist,
alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung
einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder
Erfahrungssätze verstoßen hat. Fehlt es an einer
tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der
tatrichterlichen Entscheidung oder fehlt die nachvollziehbare
Ableitung dieser Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und
Umständen, so liegt darin ein Fehler der Rechtsanwendung, der
ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden
kann (z.B. BFH-Urteile vom 02.12.2004 - III R 49/03, BFHE 208, 531,
BStBl II 2005, 483 = SIS 05 16 99; vom 20.06.2012 - X R 20/11,
BFH/NV 2012, 1778 = SIS 12 27 24).
|
|
|
28
|
d) Im Streitfall ist das FG davon ausgegangen,
dass wegen des Verzichts des Klägers auf seine
Darlehensforderung kein Verlust bei den Einkünften i.S. des
§ 17 EStG zu berücksichtigen ist. Dies hält im
Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung
stand.
|
|
|
29
|
Das FG hat den Umstand, dass mit dem Darlehen
des Klägers vom Januar 2007 ein im Jahre 2003 von der C-GmbH
aufgenommenes Bankdarlehen, für das der Kläger
Sicherheiten gestellt hat, abgelöst worden ist, dahin
interpretiert, dass das klägerische Gesellschafterdarlehen
sich als Fortführung des ursprünglichen Bankdarlehens
darstellt. Diese - von Seiten der Kläger nicht mit
zulässigen und begründeten Revisionsrügen
angegriffene - Folgerung ist zwar nicht zwingend; sie lässt
indes nach Auffassung des Senats auch keinen Verstoß gegen
Auslegungsgrundsätze oder gegen Denkgesetze und
Erfahrungssätze erkennen. Gleiches gilt für den aufgrund
von - den BFH bindenden - tatsächlichen Feststellungen des FG
gezogenen Schluss, dass sich die C-GmbH bei Aufnahme des
ursprünglichen Bankdarlehens im Jahr 2003 noch nicht in der
Krise befunden habe. Denn das Bankdarlehen konnte, wie das FG im
Einzelnen ausgeführt hat, unter fremdüblichen Bedingungen
bei einer Geschäftsbank aufgenommen werden.
|
|
|
30
|
Auch die Würdigung des FG, dass die
bloße Gestellung von Sicherheiten durch den Kläger
für das von der C-GmbH aufgenommene Bankdarlehen noch nicht zu
einer krisenbestimmten Sicherheit i.S. des Eigenkapitalersatzrechts
mache, ist angesichts des Umstandes, dass die C-GmbH das
Bankdarlehen stets als Fremdverbindlichkeit bilanziert hat, frei
von Rechtsfehlern. Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die
den Schluss zulassen, dass der Kläger hinsichtlich der
gestellten Sicherheiten eine irgendwie geartete Krisenbestimmung
getroffen hatte.
|
|
|
31
|
Schließlich ist auch die Würdigung
des FG, das vom Kläger gewährte Darlehen sei auch nicht
als ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen anzusehen,
jedenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; denn wie das FG
zutreffend ausgeführt hat, wurde das durch das
Gesellschafterdarlehen abgelöste Bankdarlehen von der C-GmbH
bis zur Ablösung vertragsgemäß bedient, sodass eine
Inanspruchnahme des Klägers aus den hingegebenen Sicherheiten
zu keinem Zeitpunkt drohte. In einem solchen Fall ist es - mangels
entsprechender und in der Sache durchgreifender Rügen der
Revision - rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG im Rahmen
der Sachverhaltswürdigung zu dem Schluss gekommen ist, dass
auch im Zeitpunkt der Ablösung (noch) nicht von einer Krise
der Gesellschaft auszugehen war.
|
|
|
32
|
3. Die Sache ist spruchreif. Auf die Revision
des FA ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
|
|
|
33
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
|