Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 6.4.2017 - 1 K 87/15 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) war seit 2006 an der ... AG
(AG) mit zunächst ... von ... Aktien des Grundkapitals (9,6 %)
und seit einer Kapitalerhöhung gemäß Beschluss vom
05.04.2013 mit ... von ... Aktien (8,4 %) beteiligt. Am 02.10.2013
erzielte die Klägerin aus dieser Beteiligung Dividenden in
Höhe von ... EUR.
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Mit Bescheiden vom 30.03.2015 über
Körperschaftssteuer für 2013 und über den
Gewerbesteuermessbetrag für 2013 (Streitjahr) setzte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die
Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag
erklärungsgemäß auf der Grundlage eines zu
versteuernden Einkommens bzw. eines Gewinns aus Gewerbebetrieb in
Höhe von ... EUR unter voller Einbeziehung der Dividenden
fest.
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Die Klägerin erhob dagegen - mit
fristgerechter Zustimmung des FA - Sprungklage, mit der sie geltend
machte, die von ihr erzielten Dividendeneinnahmen seien
gemäß § 8b Abs. 1, Abs. 5 des
Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden
Fassung (KStG) zu 95 % und damit in Höhe von ... EUR bei der
Ermittlung des Einkommens für die Festsetzung der
Körperschaftsteuer wie für die Festsetzung des
Gewerbesteuermessbetrags außer Ansatz zu lassen. Die
gegenteilige Ansicht des FA sei rechtswidrig, weil § 8b Abs. 4
KStG, § 9 Nr. 2a des Gewerbesteuergesetzes in der im
Streitjahr geltenden Fassung (GewStG) gegen Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) verstießen.
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Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat die
Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.04.2017 - 1 K 87/15 (EFG 2017,
1117 = SIS 17 13 42) als unbegründet abgewiesen.
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Dagegen richtet sich die Revision der
Klägerin, welche diese weiterhin auf die Verletzung von Art. 3
Abs. 1 GG stützt. Sie beantragt, unter Aufhebung des
Gerichtsbescheids des FG Hamburg vom 06.04.2017 - 1 K 87/15 die
Bescheide vom 30.03.2015 über Körperschaftsteuer für
2013 und über den Gewerbesteuermessbetrag für 2013
dahingehend zu ändern, dass der für die Besteuerung
maßgebliche Gesamtbetrag um ... EUR niedriger angesetzt
wird.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG ist im Ergebnis zutreffend
davon ausgegangen, dass weder § 8b Abs. 4 KStG noch § 9
Nr. 2a GewStG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.
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1. Die Klägerin hat ihre
Steuererklärungen - trotz der von ihr vorgebrachten
verfassungsrechtlichen Bedenken - in Übereinstimmung mit
§§ 8b Abs. 4 KStG und 9 Nr. 2a GewStG eingereicht und das
FA hat sie mit den angefochtenen Bescheiden vom 30.03.2015
entsprechend den einfachgesetzlichen Vorgaben veranlagt.
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a) Gemäß § 8b Abs. 4 Satz 1
Halbsatz 1 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils
vom 20.10.2011 in der Rechtssache C-284/09 vom 21.03.2013 (BGBl I
2013, 561, BStBl I 2013, 344) sind Bezüge i.S. des Abs. 1 der
Vorschrift abweichend von Abs. 1 Satz 1 bei der Ermittlung des
Einkommens zu berücksichtigen, wenn die Beteiligung zu Beginn
des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder
Stammkapitals betragen hat. Nach § 34 Abs. 7a Satz 2 KStG in
der vorgenannten Fassung ist § 8b Abs. 4 KStG erstmals
für Bezüge i.S. des § 8b Abs. 1 KStG anzuwenden, die
nach dem 28.02.2013 zufließen. Zwischen den Beteiligten
besteht kein Streit, dass die der Klägerin seitens der AG am
02.10.2013 zugeflossenen Dividenden in Höhe von ... EUR,
welche unzweifelhaft Bezüge i.S. des § 8b Abs. 1 Satz 1
KStG darstellen, gemäß Abs. 4 der Vorschrift i.d.F. des
vorgenannten Gesetzes bei der Ermittlung ihres Einkommens in voller
Höhe zu berücksichtigen waren, da die Klägerin zu
Beginn des Streitjahres zu weniger als 10 % an der AG beteiligt
war.
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b) Gemäß § 7 GewStG ist der
Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes
(EStG) oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde
Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in
den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge.
Gemäß § 9 Nr. 2a GewStG i.d.F. des
Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG 2008) vom
14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) ist eine
Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer nicht
steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft vorzunehmen,
wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens 15
% des Grund- oder Stammkapitals beträgt. Bei der vorliegenden
Beteiligung der Klägerin an der AG in Höhe von weniger
als 10 % ist mithin eine Kürzung ausgeschlossen. Der Senat
sieht dazu von weiteren Ausführungen ab.
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2. Das FG ist davon ausgegangen, dass §
8b Abs. 4 KStG nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
Der Senat teilt diese Ansicht; er kann dabei offen lassen, ob sich
§ 8b KStG als finanz- und wirtschaftspolitische Lenkungsnorm
(in diese Richtung Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG
- vom 12.10.2010 - 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 = SIS 10 36 57, Rz
61) oder aber als Fiskalzwecknorm darstellt, denn jedenfalls sind
die an Letztere zu stellenden strengeren verfassungsrechtlichen
Anforderungen erfüllt.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des
BVerfG hat der Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts bei der
Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des
Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl.
BVerfG-Beschlüsse vom 21.06.2006 - 2 BvL 2/99, BVerfGE 116,
164 = SIS 06 33 60; vom 09.12.2008 - 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210 =
SIS 08 43 42; vom 04.02.2009 - 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1 = SIS 09 16 45; in BVerfGE 127, 224 = SIS 10 36 57). Die grundsätzliche
Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an
die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als
rechtlich gleich qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng
miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der
Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen
Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit.
Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener
steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden,
Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich
hoch zu besteuern (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 116, 164 = SIS 06 33 60; in BVerfGE 122, 210 = SIS 08 43 42). Die für die
Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche
finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der einfache
Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip
(BVerfG-Beschluss in BVerfGE 122, 210 = SIS 08 43 42). Die
Grundsätze der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
und damit das objektive Nettoprinzip gelten gleichermaßen im
Bereich der Körperschaftsteuer (BVerfG-Beschluss in BVerfGE
127, 224 = SIS 10 36 57). Bei der Ausgestaltung des
steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene
Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der
Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen
folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen
Grundes (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 116, 164 = SIS 06 33 60;
in BVerfGE 123, 1 = SIS 09 16 45). Als besondere sachliche
Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung
und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen
erkennt das BVerfG in ständiger Rechtsprechung neben
außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszwecken auch
Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an (vgl.
BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 123, 1 = SIS 09 16 45; in BVerfGE
122, 210 = SIS 08 43 42). Außerdem steht dem Gesetzgeber die
Möglichkeit offen, neue Regelungen im Rahmen eines Prinzipien-
oder Systemwechsels einzuführen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE
122, 210 = SIS 08 43 42). Der rein fiskalische Zweck staatlicher
Einnahmenerhöhung ist zwar nicht als besonderer sachlicher
Grund in diesem Sinne anzuerkennen (vgl. BVerfG-Beschlüsse in
BVerfGE 116, 164 = SIS 06 33 60; in BVerfGE 122, 210 = SIS 08 43 42; vom 29.03.2017 - 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106 = SIS 17 08 86),
allerdings ist ein qualifizierter Fiskalzweck, bei dem neben die
Einnahmeerzielung etwa das Ziel der Verstetigung der
Staatseinnahmen durch Dämpfung der Steuerauswirkungen
konjunktureller Schwankungen tritt, als besonderer sachlicher
Rechtfertigungsgrund anzuerkennen (vgl. Senatsbeschluss vom
14.10.2015 - I R 20/15, BFHE 252, 44, BStBl II 2017, 1240 = SIS 16 01 39, m.w.N.).
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b) Nach der Überzeugung des erkennenden
Senats genügt § 8b Abs. 4 KStG den vorgenannten
Maßstäben.
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aa) Der Gerichtshof der Europäischen
Union (EuGH) hatte durch Urteil Kommission/ Deutschland vom
20.10.2011 - C-284/09 (EU:C:2011:670, Slg. 2011, I-9879 = SIS 11 34 05) entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland)
gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 Abs. 1 des Vertrags zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des
Vertrags von Nizza zur Änderung des Vertrags über die
Europäische Union, der Verträge zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit
zusammenhängender Rechtsakte - EG - (Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - 2002, Nr. C 325, 1),
jetzt Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur
Änderung des Vertrags über die Europäische Union und
des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
(Amtsblatt der Europäischen Union - ABlEU - 2008, Nr. C 115,
47) verstoßen hat, indem sie für den Fall, dass die in
Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Mutter-Tochter-Richtlinie (Richtlinie
90/435/EWG des Rates vom 23.07.1990 über das gemeinsame
Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener
Mitgliedstaaten, ABlEG 1990, Nr. L 225, 6, Nr. L 266, 20, 1997 Nr.
L 16, 98, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2011/96/EU des
Rates vom 30.11.2011, ABlEU 2011, Nr. L 345, 8) vorgesehene
Mindestbeteiligung der Muttergesellschaft am Kapital der
Tochtergesellschaft nicht erreicht ist, Dividenden, die an
Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten
ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren
Besteuerung unterwarf als Dividenden, die an Gesellschaften mit
Sitz in Deutschland ausgeschüttet wurden. Zugleich hatte der
EuGH auf einen Verstoß gegen Art. 40 des Abkommens über
den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen vom 02.05.1992,
ABlEG 1994, Nr. L 1, 3) erkannt, soweit Dividenden, die an
Gesellschaften mit Sitz in Island oder in Norwegen
ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren
Besteuerung unterworfen werden als Dividenden, die an
Gesellschaften mit Sitz in Deutschland ausgeschüttet
werden.
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bb) Der deutsche Gesetzgeber hat auf dieses
Urteil wie folgt reagiert:
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aaa) Während der ursprüngliche
Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 17/11314, S. 3)
lediglich eine Änderung des § 32 KStG durch Anfügung
eines Abs. 5 vorsah, wonach die vom angesprochenen EuGH-Urteil
betroffenen gebietsfremden EU-/EWR-Körperschaften bei
Vorliegen der übrigen Voraussetzungen vollständig von der
Kapitalertragsteuer entlastet werden sollten, nahm der Bundesrat
(BRDrucks 736/1/12, S. 2) dazu in der Weise Stellung, dass die vom
EuGH gerügte Ungleichbehandlung zwar dadurch beseitigt werden
könne, dass nunmehr auch Auslandsdividenden von der
Körperschaftsteuer freigestellt würden. EU-rechtlich
zulässig sei aber ebenso die - vom Bundesrat bereits in seiner
Stellungnahme zum Jahressteuergesetz 2013 - JStG 2013 - (BRDrucks
302/1/12, S. 76 f.) angeregte - steueraufkommensschonende Aufhebung
der Steuerbefreiung für Streubesitzdividenden (Beteiligungen
von weniger als 10 %), die von inländischen
Körperschaften und ausländischen Körperschaften mit
einer inländischen Betriebsstätte bezogen würden,
sowie für entsprechende Veräußerungsgewinne.
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bbb) In seiner Stellungnahme zum JStG 2013 hat
der Bundesrat hierzu erläutert, dass angesichts der
Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung für die
öffentlichen Haushalte nur die 2. Alternative sinnvoll sei.
Dadurch entstünden keine Nachteile für die
Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ausländischen
Investoren. Denn durch die Gewährung der Steuerfreiheit auch
für ausländische Gesellschaften würden nicht die
Unternehmen bzw. die ausländischen Investoren begünstigt,
sondern in erster Linie die ausländischen Fisci, die
zukünftig die in Deutschland einbehaltene Kapitalertragsteuer
nicht mehr als Quellensteuer anrechnen müssten. Weiterhin hat
der Bundesrat ausgeführt, dass mit der Einführung einer
Steuerpflicht für die Streubesitzdividenden und
Veräußerungsgewinne sich Deutschland im Übrigen den
internationalen Gepflogenheiten annähere. Nahezu alle Staaten
in Europa gewährten die Steuerfreiheit für Dividenden und
Veräußerungsgewinne nur bei Überschreiten einer
Mindestbeteiligungsquote. Viele Staaten würden zusätzlich
Mindesthaltefristen für die Beteiligungen kennen. Mit der
beabsichtigten Änderung führe Deutschland somit seine
überaus großzügige Befreiungsregel auf das
international übliche Maß zurück (BRDrucks
302/1/12, S. 76 f.).
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ccc) Auch der Finanzausschuss empfahl dem
Bundesrat die Anrufung des Vermittlungsausschusses und führte
aus (BRDrucks 632/1/12, S. 32 f.), die beanstandeten Sachverhalte
beträfen Beteiligungen im Streubesitz ausländischer
Körperschaften. Bei Schachteldividenden an
EU-Körperschaften werde bereits nach der
Mutter-Tochter-Richtlinie in vollem Umfang vom
Kapitalertragsteuerabzug Abstand genommen. Auch soweit ein
Doppelbesteuerungsabkommen eine Quellensteuerfreistellung oder
–ermäßigung für Schachteldividenden vorsehe,
werde die Kapitalertragsteuer auf Antrag (voll oder teilweise)
durch das Bundeszentralamt für Steuern erstattet. Mit der
Aufhebung der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG für
Streubesitzdividenden (Beteiligungen von weniger als 10 %), die von
inländischen Körperschaften und ausländischen
Körperschaften mit einer inländischen Betriebsstätte
bezogen würden, werde die Dividendenbesteuerung für
inländische und ausländische Kapitalgesellschaften
angeglichen. Die Besteuerung erfolge für inländische
Kapitalgesellschaften und für ausländische
Kapitalgesellschaften mit inländischer Betriebsstätte im
Rahmen der Veranlagung und für ausländische
Kapitalgesellschaften ohne inländische Betriebsstätte
durch den abgeltenden Steuerabzug. Die unterschiedliche Behandlung
der Erträge von Beteiligungen, an denen der Anteilseigner zu
mindestens 10 % und denen, an denen er zu weniger als 10 %
beteiligt sei, sei dadurch gerechtfertigt, dass bei einer
Streubesitzbeteiligung die Beteiligung als Kapitalanlage angesehen
werde und häufig auch keine dauerhafte Beteiligung an der
Unternehmung angestrebt sei. Der Anteilseigner könne aufgrund
der Höhe seiner Beteiligung keinen unternehmerischen Einfluss
auf die Entscheidungen bei der Kapitalgesellschaft ausüben.
Bei einer Beteiligung von mindestens 10 % könne hingegen
regelmäßig ein betriebliches Engagement des
Anteilseigners unterstellt werden.
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ddd) Entsprechend den vorstehenden
Erwägungen zum JStG 2013 lehnte der Bundesrat den
Gesetzesentwurf der Bundesregierung in BTDrucks 17/11314, S. 3 ab
(BRDrucks 736/12). Bei den Beratungen des Vermittlungsausschusses
(BTDrucks 17/12465) ist sodann eine
„Kompromisslösung” (vgl.
Herlinghaus, FR 2013, 529, 531; Linn, IStR 2013, 235, 236;
Wiese/Lay, GmbHR 2013, 404, 406) gefunden worden, nach der - so die
jetzige Fassung des § 8b Abs. 4 KStG n.F. -
Streubesitzdividenden aus der Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1
KStG ausgenommen werden, während
Veräußerungsgewinne weiter steuerfrei bleiben. Die
zunächst im Rahmen der Protokollerklärung zum
Vermittlungsverfahren (BTPlPr 17/225, 28160C) erwogene Ausdehnung
des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG auf
Veräußerungsgewinne, die später dann in einen
Entwurf des Bundesministeriums der Finanzen zu einem
Investmentsteuerreformgesetz mündete (dazu Ritzer/Stangl,
Deutsches Steuerrecht - DStR - 2015, 2203 ff.), wurde nicht
umgesetzt.
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cc) § 8b Abs. 4 KStG durchbricht im Sinne
einer nicht folgerichtigen Ausgestaltung die in § 8b Abs. 1
KStG zum Ausdruck kommende Grundentscheidung des Gesetzgebers, im
System des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens erwirtschaftete
Gewinne nur einmal bei der erwirtschaftenden Körperschaft mit
Körperschaftsteuer und erst bei der Ausschüttung an
natürliche Personen als Anteilseigner mit Einkommensteuer zu
besteuern und deswegen zur Vermeidung von Kumulations- oder
Kaskadeneffekten in Beteiligungsketten Bezüge innerhalb
gesellschaftlicher Beteiligungsstrukturen bei der Ermittlung des
Einkommens außer Ansatz zu lassen. Demgemäß wird
seit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens durch das
Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der
Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz) vom 23.10.2000 (BGBl
I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) die Steuerbelastung der
körperschaftlichen Gewinne durch die in § 8b Abs. 1 KStG
gewährte Steuerfreistellung typisierend gemindert. Dadurch
soll - dem Sinn und Zweck des Halbeinkünfteverfahrens
entsprechend - sichergestellt werden, dass die
Körperschaftsteuerbelastung auf die Ebene der operativen
Körperschaften beschränkt wird und Ausschüttungen
nur bei nicht korporierten Gesellschaften nach Maßgabe der
Milderungen in § 3 Nr. 40 EStG - und damit entsprechend einer
am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierten Gesamtbelastung -
besteuert werden (vgl. Herlinghaus in
Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8b Rz 4, m.w.N.). Die
in § 8b Abs. 1 KStG verankerte Steuerfreistellung wird
allerdings durch die Ausnahme des § 8b Abs. 4 KStG für
sog. Streubesitzdividenden (Desens, DStR 2013, Beihefter zu Heft 4,
S. 13; Wiese/Lay, GmbHR 2013, 404; Grefe, DStZ 2013, 573, 581;
Förster/Lang, Steuerberater-Jahrbuch 2013/2014, 103, 110;
Kotten/Heinemann, DStR 2015, 1889, 1892; Blümich/Rengers,
§ 8b KStG Rz 116: „systemfremd“)
eingeschränkt und damit das der Herstellung einer
leistungsfähigkeitskonformen Gesamtbelastung dienende System
der Steuerfreistellung von Dividenden durchbrochen
(Kußmaul/Licht, Der Steuerberater - StB - 2016, 286, 287;
Gosch, KStG, 3. Aufl., § 8b Rz 287b; Herlinghaus in
Rödder/Herlinghaus/Neumann, a.a.O., § 8b Rz 5).
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21
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dd) Indessen ist diese Durchbrechung nach der
Überzeugung des Senats verfassungsrechtlich gerechtfertigt
(ebenso Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die
Körperschaftsteuer, § 8b KStG Rz 245; Neblung, EFG 2017,
1123; Melkonyan/Kudert, Die Unternehmensbesteuerung - Ubg - 2015,
132, 135; a.A. Hey, Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht - KSzW
- 2013, 353, 358; Anissimov/Stöber, DStZ 2013, 379, 381 f.;
Watermeyer in Hermann/Heuer/Raupach, § 8b KStG Rz 7; Schnitger
in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 8b Rz 528b; offen
gelassen bei Herlinghaus, FR 2013, 529, 533; Kußmaul/Licht,
StB 2016, 286, 288; Weiss, Ubg 2017, 671, 677).
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aaa) Der Gesetzgeber hat durch die
Einführung des § 8b Abs. 4 KStG erkennbar keinen
Prinzipien- bzw. Systemwechsel vorgenommen, der als solcher eine
Ausnahme vom Folgerichtigkeitsgebot rechtfertigen würde. Zwar
kann ein solcher Prinzipien- und Systemwechsel auch schrittweise
implementiert werden, wenn sich dies an einem umzusetzenden
Grundkonzept orientiert (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 122, 210
= SIS 08 43 42). Eine derartige Absicht hat der Gesetzgeber aber
nicht zum Ausdruck gebracht (Hey, KSzW 2013, 353, 357;
Kußmaul/Licht, StB 2016, 286, 288; Karrenbrock/Engelhardt,
Neue Wirtschaftsbriefe 2017, 3327). Die Ankündigung des
Gesetzgebers, im Rahmen der anstehenden Investmentsteuerreform die
Ausweitung der Steuerpflicht auf Veräußerungsgewinne aus
Streubesitz nochmals „ergebnisoffen
aufgreifen” zu wollen (BTPlPr 17/225,
28160C), lässt schon ihrer Formulierung nach nicht auf das
Vorhandensein eines planvollen Grundkonzepts schließen, zumal
die Ankündigung später nicht weiterverfolgt wurde (Hey,
KSzW 2013, 353, 357 f.; Kußmaul/Licht, StB 2016, 286,
288).
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bbb) Auch die Erwägung des Gesetzgebers,
die Belastungsentscheidung sei zur Haushaltskonsolidierung
erforderlich, führt nach der Rechtsprechung des BVerfG
für sich genommen nicht zur verfassungsrechtlichen
Zulässigkeit des § 8b Abs. 4 KStG (vgl. Herlinghaus, FR
2013, 529, 533; Hey, KSzW 2013, 353, 357; Kußmaul/Licht, StB
2016, 286, 288).
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ccc) Indessen ist die Herstellung einer
europarechtskonformen Rechtslage zur Abgrenzung der
Besteuerungshoheiten der betroffenen Fisci als hinreichender
Rechtfertigungsgrund im Sinne eines qualifizierten Fiskalzwecks
anzusehen, auch wenn im Gesetzgebungsverfahren die Frage der
Haushaltskonsolidierung im Vordergrund gestanden haben mag (vgl.
auch Gosch in Rödder/Schönfeld, Aktuelle Steuerpolitik
und Gesetzgebung 2012, S. 40). Der Gesetzgeber hat sich insoweit
auf die Stellungnahme des Bundesrates zum JStG 2013 gestützt,
die Steuerbefreiung für Streubesitzdividenden auf das
EU-rechtliche Minimum zu begrenzen. Eine vollständige
Steuerfreistellung auch für Gesellschaften mit Sitz in anderen
EU-/EWR-Staaten wäre über die Vorgaben der
Mutter-Tochter-Richtlinie hinausgegangen. Die
Mutter-Tochter-Richtlinie verlangt lediglich bei einer
Mindestbeteiligung von 10 % eine Befreiung vom Steuerabzug an der
Quelle für von einer Tochtergesellschaft an ihre
Muttergesellschaft ausgeschüttete Gewinne, auch wenn damit
lediglich Mindestanforderungen formuliert sind, die die
Möglichkeit offen lassen, auch bei einer niedrigeren
Beteiligungsquote vom Steuerabzug an der Quelle abzusehen (vgl.
Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 8b
KStG Rz 465). Das FG hat insoweit zutreffend darauf abgestellt,
dass eine innerstaatliche Regelung mit einer vollständigen
Befreiung vom Steuerabzug unabhängig von der Beteiligungsquote
bei ausländischen Beteiligten häufig nicht deren
Steuerlast mindern, sondern lediglich dem Ansässigkeitsstaat
dieser Beteiligten die Anrechnung der in Deutschland einbehaltenen
Kapitalertragsteuer auf die dortige Steuer ersparen und damit auch
die Möglichkeit eines Quellensteuerabzugs entsprechend Art. 10
Abs. 2 des Musterabkommens der Organisation for Economic
Cooperation and Development (OECD-Musterabkommen - OECD-MustAbk - )
und entsprechender Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) obsolet machen
würde. Der Gesetzgeber hätte zwar mit einer
vollständigen Steuerfreistellung auch für
Anteilseignerkörperschaften mit Sitz in anderen
EU-/EWR-Staaten die zuvor in § 8b Abs. 1, Abs. 2 KStG zum
Ausdruck gekommene Grundentscheidung weiterführen und damit
den Anforderungen des EuGH entsprechen können. Dies würde
jedoch der Abgrenzung der Besteuerungsrechte sowohl nach
Maßgabe der Mutter-Tochter-Richtlinie als auch der Art. 10
Abs. 2 OECD-MustAbk entsprechenden Regelungen in den jeweils
einschlägigen DBA widerstreiten. Aus Sicht des Senats steht es
dem Gesetzgeber in einer solchen Situation frei, den beschriebenen
Zielkonflikt unter Einbeziehung von Streubesitzdividenden in die
Steuerpflicht aufzulösen.
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25
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ddd) Dem kann nicht entgegengehalten werden,
dass eine systemkongruente Lösung auch die Einbeziehung von
Veräußerungsgewinnen aus Streubesitzbeteiligungen in die
Steuerpflicht erfordert hätte. Dass der Gesetzgeber darauf
verzichtet hat, auch Veräußerungsgewinne i.S. von §
8b Abs. 2 KStG einem vergleichbaren
„Streubesitzvorbehalt“ zu unterwerfen,
mag als inkonsequent angesehen werden, doch muss es auch insoweit
genügen, wenn der Gesetzgeber nur nach Maßgabe der
unionsrechtlichen Anforderungen in das Regelungsgefüge des
§ 8b KStG eingreift (Gosch, a.a.O., § 8b Rz 287b).
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3. Die vorstehenden Erwägungen gelten
entsprechend für § 9 Nr. 2a GewStG, der ebenfalls mit den
Vorgaben der Verfassung vereinbar ist.
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a) Der Senat hat bereits durch Beschluss vom
30.05.2014 - I R 12/13 (BFH/NV 2014, 1402 = SIS 14 21 37) dahin
erkannt, dass die durch das UntStRefG 2008 von zuvor 10 % auf 15 %
angehobene Mindestbeteiligungsquote mit den Vorgaben des
Verfassungsrechts vereinbar ist. Zwar haben offenbar auch dieser
Gesetzesänderung vor allem fiskalische und haushalterische
Erwägungen zugrunde gelegen (BTDrucks 16/5491, S. 23 f.),
gleichwohl vermag der Senat nicht zu erkennen, dass derartige
Erwägungen den Gesetzgeber daran hindern könnten, wie
geschehen zu verfahren.
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b) Dem steht - wie der Senat in seinem
Beschluss in BFH/NV 2014, 1402 = SIS 14 21 37 durch Verweis auf das
Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 31.01.2013 - 1 K 82/11
(EFG 2013, 538 = SIS 13 08 85) klargestellt hat - der Sinn und
Zweck des § 9 Nr. 2a GewStG nicht entgegen. Zwar besteht
dieser grundsätzlich darin, eine doppelte Besteuerung
ausgeschütteter Gewinne mit Gewerbesteuer sowohl beim
Anteilseigner als auch bei der Kapitalgesellschaft zu verhindern,
er besteht hingegen nicht darin, die einmalige Erhebung von
Gewerbesteuer auf Beteiligungseinkünfte zu vermeiden
(Senatsbeschluss vom 24.01.2012 - I B 34/11, BFH/NV 2012, 1175 =
SIS 12 16 05). Zwar hätte es bei letzterer Zielsetzung
möglicherweise nahe gelegen, die Kürzung um Gewinne aus
Anteilen an Kapitalgesellschaften ohne Rücksicht auf die
Höhe der Beteiligung zuzulassen (so etwa Roser in
Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 2a Rz 11). Der
Gesetzgeber hat sich aber anders entschieden und sich insoweit im
Rahmen des weiten Gestaltungsspielraums bewegt, der ihm bei der
Normierung eines Steuerbegünstigungstatbestandes, wie ihn das
Schachtelprivileg darstellt, zusteht. Die Bedenken gegen die
Konsequenz und Folgerichtigkeit erreichen jedenfalls nicht die
Höhe der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit (ebenso
Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 168; Roser in
Lenski/Steinberg, a.a.O., § 9 Nr. 2a Rz 13a; Güroff in
Glanegger/Güroff, GewStG, 9. Aufl., § 9 Nr. 2a Rz 4;
kritisch Bergmann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann,
GewStG, § 9 Nr. 2a Rz 12 f.).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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