24
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Hinzu treten für die
Berücksichtigung von Beeinträchtigungen, die auf der
Denkmaleigenschaft beruhen, entsprechende Denkmalerlasse der
Länder.
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25
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cc) Der BFH hat die den gleichlautenden
Erlassen in BStBl I 1993, 528 = SIS 93 21 52 zugrundeliegende
Schätzungsmethode für die Ermittlung des gemeinen Werts
von bebauten Grundstücken auf der Grundlage des Bodenwerts,
des Gebäudewerts und des Werts der Außenanlagen nicht
beanstandet (BFH-Urteil in BFHE 187, 99, BStBl II 1999, 51 = SIS 99 04 89; ebenso BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1626 = SIS 04 40 33,
für die parallel aufgebauten Erlasse in BStBl I 1993, 467 =
SIS 93 20 91, und ebenso BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 29 = SIS 06 02 37, für beide Erlasse). Er hat ferner einen Erlass des
Thüringer Finanzministeriums „Einheitsbewertung von
Grundbesitz, hier: Grundbesitz, der unter Denkmalschutz
steht“ vom 22.12.1994 für eine sachgerechte
Schätzungsgrundlage erachtet (BFH-Urteil in BFHE 225, 482,
BStBl II 2009, 983 = SIS 09 30 56).
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dd) Der BFH hält an dieser
Einschätzung fest. Die unter II.1.b bb genannten Erlasse wie
auch der hier angewandte sächsische Denkmalerlass setzen den
von § 10 Abs. 1 BewG DDR erteilten generellen
Schätzungsauftrag in zulässiger Weise im Interesse der
Einheitlichkeit und Praktikabilität um. Es ist nicht nur
vertretbar, sondern im Regelfall geboten, diese auch anzuwenden.
Abweichungen kommen nur unter engen Voraussetzungen in Betracht, da
andernfalls die Verwaltungsvorschriften ihrer Aufgabe nicht
nachkommen könnten, eine möglichst
gleichmäßige Besteuerung sowie Rechtssicherheit zu
gewährleisten und die im allseitigen Interesse liegende
Praktikabilität des Bewertungsverfahrens sicherzustellen. Sie
sind daher nur möglich, wenn der sich ergebende
Grundstückswert außerhalb jeder noch vertretbaren
Toleranz liegt. Es besteht ein Korridor zulässiger Werte (so
ausdrücklich für den vorbezeichneten Thüringer
Denkmalerlass vom 22.12.1994 BFH-Urteil in BFHE 225, 482, BStBl II
2009, 983 = SIS 09 30 56).
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ee) Zur Umsetzung der Erlasse unter II.1.b bb
gehört vor der folgerichtigen Umsetzung des jeweiligen
Erlasses auch die Beurteilung der Frage, welcher der in Frage
kommenden Erlasse anzuwenden ist. Dazu ist die Zuordnung des
Grundstücks zu einer der typisierten Gebäudegruppen
erforderlich. Wie weit diese Qualifikation revisionsgerichtlich
überprüfbar ist, kann im Streitfall dahinstehen.
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c) Die mangels Jahresrohmieten oder
vergleichbarer Verkaufsfälle gebotene Schätzung mittels
Anwendung der Erlasse durch das FA und das FG lässt jedenfalls
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin erkennen.
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aa) Soweit sie die Qualifikation als
Großmarkt i.S. der Erlasse in BStBl I 1993, 528 = SIS 93 21 52 betrifft, ist eine günstigere Einstufung nicht
möglich.
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30
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aaa) Nach den Erlassen in BStBl I 1993, 528 =
SIS 93 21 52 i.d.F. der Änderung durch die Erlasse in BStBl I
2011, 283 = SIS 11 13 67, Tz. 2.2 sind (Groß-)Markt- und
Messehallen regelmäßig eingeschossige Gebäude bzw.
Gebäudeteile mit integriertem Lager-, Büro- und
Sozialteil. Ihre übliche Geschosshöhe liegt bei ca. 8 m.
Die hallenartigen Gebäude bzw. Gebäudeteile sind meist
mit kleinen Fahrzeugen (Gabelstapler u. ä.) befahrbar. Sie
dienen in erster Linie dem Einkauf von Großverbrauchern, zum
Beispiel aus der Gastronomie sowie gewerblichen
Wiederverkäufern.
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bbb) Nach den Feststellungen des FG waren die
streitgegenständlichen Hallen ursprünglich als
Großmarkthalle konzipiert und wurden bis 1995 auch so
genutzt. Seit 1996 ist dies jedoch durchgehend nicht mehr der Fall.
Die Nutzung einer Halle (auch) als Flohmarkt ist einem
Großmarkt nur entfernt vergleichbar.
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ccc) Ob allein die ursprüngliche
Zweckbestimmung des Gebäudes maßgebend ist, wie das FA
und das FG meinen, ist zweifelhaft, kann aber dahinstehen.
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33
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Der BFH hatte zwar anlässlich der
Bewertung eines SB-Autoteilefachmarktes mit Werkstatt entschieden,
dass es für die Gebäudeart weder auf die konkrete Nutzung
am Bewertungsstichtag noch auf eine mögliche zukünftige
andere Nutzung des Gebäudes, sondern auf die aus
Gebäudeart und -ausstattung folgende Zweckbestimmung des
Gebäudes ankomme (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 29 = SIS 06 02 37). Es handelte sich allerdings in zweierlei Hinsicht um einen
Sonderfall. Zum einen betraf die Entscheidung einen Neubau (Baujahr
nach 1996, vgl. hierzu das vorgehende Urteil des Thüringer FG
vom 11.07.2002 - II 430/02, EFG 2004, 392 = SIS 04 03 70), für
den sich die Frage einer Zweckbestimmung zu dem lange zurück
liegenden Hauptfeststellungszeitpunkt 1935 nicht stellte. Zum
anderen barg die Nutzungsfrage insofern atypische Probleme, als die
konstruktionsbedingte Multifunktionalität des Gebäudes
einen leichten, schnellen Wechsel der Nutzungsart
ermöglichte.
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Der Klägerin ist insofern zuzustimmen,
als die gleichlautenden Ländererlasse durchgehend nicht auf
eine ursprüngliche Zweckbestimmung des jeweiligen
Gebäudes, sondern auf das aktuell vorhandene Gebäude
abstellen und dieses definieren. Inwieweit eine Verallgemeinerung
der in dem Urteil in BFH/NV 2006, 29 = SIS 06 02 37 aufgestellten
Grundsätze dem widerspräche, bedarf im Streitfall keiner
Beantwortung, da eine abweichende Qualifikation der Hallen etwa
nach der aktuellen Nutzung und Zweckbestimmung zum
Bewertungsstichtag 01.01.2012 für die Klägerin nicht
günstiger wäre.
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ddd) Ein - niedriger zu bewertendes -
Lagerhausgrundstück nach Maßgabe der Erlasse in BStBl I
1993, 467 = SIS 93 20 91, worauf sich die Klägerin beruft,
liegt nicht vor. Nach der dortigen Tz. 2 handelt es sich um
Grundstücke mit regelmäßig hallenartigen
Baukörpern, die vorwiegend zur Lagerung und zum Umschlag von
Waren genutzt werden. Hierzu rechnen auch Auslieferungslager,
Umschlagschuppen und Lagergebäude, die von Handels- und
Speditionsunternehmen genutzt werden, sowie Kühlhäuser.
Die Nutzung als Eissporthalle, für Konzerte und
Flohmärkte, bei denen sämtlich die Nutzung durch eine
Vielzahl von Besuchern zu Freizeitzwecken im Vordergrund steht, hat
mit einem in dem Erlass definierten Lagerhausgrundstück nichts
zu tun.
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eee) Die Erlasse in BStBl I 1994, 480 = SIS 94 18 40 erlauben ebenfalls keine niedrigere Bewertung. Nach der
dortigen Tz. 2.25 sind sonstige Bauten, nämlich Gebäude,
die aufgrund ihrer Nutzung weder den vorstehenden noch den in
anderen gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden
der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern,
Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
angesprochenen Gebäudegruppen zugeordnet werden können,
zur Ermittlung des gemeinen Werts der Gebäudegruppe
zuzuordnen, die der tatsächlichen baulichen Gestaltung
wertmäßig am nächsten kommt. Wenn die Einstufung
als Großmarkthalle nicht angemessen sein sollte, stünden
nach Tz. 2 der Erlasse in BStBl I 1994, 480 = SIS 94 18 40 noch
„Ladengrundstücke, Verkaufsstände, Heime,
Privatschulen, Vereinshäuser, Badehäuser, Trinkhallen,
Gaststätten, Vergnügungsstätten, Saalbauten,
Lichtspielhäuser, Lichtspielzentren, Theater,
Hallenbäder, Sanatorien, Kliniken, Tennishallen, Reithallen,
Parkhäuser, Bootshäuser, Gewächshäuser,
Zelthallen und Textilbauten“ zur Verfügung. Von
diesen Gebäudegruppen sind die Hallen nach der aktuellen
Nutzung 2012, wenn überhaupt, den Saalbauten vergleichbar.
Saalbauten enthalten (Tz. 2.10) einen saalartigen Raum oder mehrere
solcher Räume, die für Tanz- bzw. Kulturveranstaltungen,
Versammlungszwecke und Ähnliches genutzt werden.
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Mit diesem Ansatz wäre die Bewertung aber
höher ausgefallen. Die Hallen weisen einen - nicht von der
Klägerin beanstandeten - Punktewert von 1,75 auf. Dieser Wert
ist - unter der Annahme, es handele sich um eine
Großmarkthalle - nach der Ausstattungstabelle I für die
Bestimmung der Ausstattungsgüte unter 4.2.2.4 der Erlasse in
BStBl I 1993, 528 = SIS 93 21 52 ermittelt und führt nach Tz.
4.2.2.2 zu dem für mittlere Ausstattungsgüte (Untergruppe
1,51 bis 2,00 Punkte) anzusetzenden Raummeterpreis von 14
DM/m³. Die Ausstattungstabelle I für die Bestimmung der
Ausstattungsgüte von Saalbauten nach Tz. 4.2.2.6 i.V.m. Tz.
4.2.3 i.V.m. Anlage 2 der Erlasse in BStBl I 1994, 480 = SIS 94 18 40 ist mit der Ausstattungstabelle I der Erlasse in BStBl I 1993,
528 = SIS 93 21 52 identisch. Das bedeutet, dass auch die
Einstufung als Saalbau zu einem Punktewert von 1,75 führt.
Damit aber betrüge nach Tz. 4.2.2.6 der Raummeterpreis
für Saalbauten bereits 16 DM/m³.
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fff) Eine Bewertung nach Maßgabe der
Erlasse in BStBl I 1995, 247 = SIS 95 11 46 als dem Verfall
preisgegebenes Gebäude ist nicht möglich. Nach dessen Tz.
2 müsste der Verfall so weit fortgeschritten sein, dass das
Gebäude nach objektiven Verhältnissen auf Dauer nicht
mehr benutzt werden kann. Daran fehlt es. Behebbare Baumängel
und Bauschäden sowie aufgestauter Reparaturbedarf reichen
nicht aus.
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bb) Gegen die rechnerisch folgerichtige
Anwendung der Erlasse in BStBl I 1993, 528 = SIS 93 21 52 hat die
Klägerin keine Einwände erhoben.
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cc) Der Abschlag nach dem Denkmalerlass ist
korrekt auf 10 % angesetzt.
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aaa) Für die denkmalschutzrechtlichen
Beschränkungen ermöglicht der Denkmalerlass im
Sachwertverfahren nach Tz. 2.2.1 für den Bodenwert sowie Tz.
2.2.4 für den Gebäudewert, jeweils i.V.m. Tz. 2.1.3.1 und
2.1.3.2, einen Abschlag von regelmäßig 5 %, wenn jedoch
nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht wird, dass die
denkmalschutzrechtlichen Beschränkungen im Falle einer
Veräußerung den Verkaufspreis in ungewöhnlichem
Maße mindern, von maximal 10 %. Insoweit hat der Bescheid vom
27.11.2017 die Möglichkeiten maximal ausgeschöpft.
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bbb) Weitere Abschläge ermöglicht
der Denkmalerlass nicht. Tz. 2.2.3 eröffnet dem Grunde nach
einen Abschlag wegen nicht behebbarer Baumängel und
Bauschäden, für deren Vorliegen aber nichts festgestellt
ist. Die Klägerin selbst beruft sich nicht auf bauliche
Defekte. Wenn sie auf die Erhaltungspflicht und das
Veränderungsverbot hinsichtlich der gesamten bestehenden
Bausubstanz und den hieraus ihres Erachtens folgenden Minderwert
hinweist, handelt es sich allein um denkmalschutzrechtliche
Beschränkungen.
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43
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ccc) Die durch die Klägerin in Anspruch
genommenen §§ 82, 88 BewG sind nach § 129 Abs. 2
BewG auf die Einheitsbewertung im Beitrittsgebiet nicht anwendbar
(BFH-Urteil in BFHE 225, 482, BStBl II 2009, 983 = SIS 09 30 56,
unter II.1.c). Entsprechendes gilt für die vor Inkrafttreten
des Einigungsvertrags und damit nicht für das Beitrittsgebiet
geschaffenen gleichlautenden Ländererlasse betreffend
Einheitsbewertung von Grundbesitz, der unter Denkmalschutz steht
vom 21.10.1985 (BStBl I 1985, 648 = SIS 85 23 08), so dass nicht im
Einzelnen zu erörtern ist, ob sich hieraus im Ergebnis etwas
anderes ergäbe.
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dd) Der Einwand der Klägerin, der so
festgestellte Einheitswert sei verfassungswidrig
überhöht, führt nicht zum Erfolg.
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45
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aaa) Schon in der Sache ist eine grobe
Abweichung von dem tatsächlichen gemeinen Wert nicht
ersichtlich. Der Ankaufspreis war deutlich niedriger, der
Verkaufspreis aber höher. Zwar lag der Verkauf des
Grundstücks mehrere Jahre nach dem Bewertungsstichtag. Dass
zwischen dem Bewertungsstichtag und dem Verkauf nennenswerte
Wertentwicklungen zu verzeichnen gewesen wären, ist weder
festgestellt noch vorgetragen noch erkennbar. Aus der nach
Darstellung der Klägerin schlechten Ertragslage ist nichts
Abweichendes herzuleiten. Zunächst wäre es systemwidrig,
eine Bewertung nach dem Sachwertverfahren durch Elemente des
Ertragswerts zu korrigieren. Zudem belegen zwischenzeitlich
schwache Erträge keine grundsätzlich schwachen
Ertragsmöglichkeiten. Die auch durch Wahlrechte gestaltbare
steuerliche Gewinnermittlung ist nicht ohne Weiteres alleiniger
Maßstab des gemeinen Werts. Ebenso kann die beabsichtigte
Vermarktung darüber entscheiden, ob die konkrete Nutzung mehr
durch die aktuell erzielbaren Erträge oder mehr durch ein
Freihalten der Immobilie für die einem potentiellen
Käufer einzuräumenden Gestaltungsspielräume
geprägt ist.
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46
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bbb) Im Übrigen widerspräche eine
Berücksichtigung geminderter Erträge im Rahmen der
Einheitswertfeststellung, dort insbesondere bei Anwendung des
Sachwertverfahrens, dem Regelungskonzept des § 33 des
Grundsteuergesetzes in der für das Jahr 2012 geltenden Fassung
des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794 -
GrStG a.F. - ).
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47
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Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG a.F. wird
die Grundsteuer in Höhe von 25 % erlassen, wenn u.a. bei
bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des
Steuergegenstandes um mehr als 50 % gemindert ist und der
Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten
hat. Bei einer Minderung des normalen Rohertrags von 100 %
beläuft sich nach § 33 Abs. 1 Satz 2 GrStG a.F. der
Erlass auf 50 %. Der Gesetzgeber hat damit eine Regelung
geschaffen, um Härten aufgrund einer Diskrepanz zwischen dem
gesetzlich vorgegebenen Einheitswert und der realen Ertragslage im
Rahmen der Grundsteuer abzumildern.
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48
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Es griffe in dieses Gefüge ein, wenn
bereits bei der Feststellung des Einheitswerts eine nach den
Bewertungsregeln nicht zu berücksichtigende Ertragsminderung
in ähnlicher Weise berücksichtigt würde. Da dadurch
die Berücksichtigung der Ertragsminderung nach § 33 Abs.
1 GrStG a.F. tatbestandlich nicht ausgeschlossen wäre,
käme es bei der Grundsteuer zu einer doppelten
Begünstigung.
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49
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ccc) Da es auf die Ertragslage nicht ankam,
war das FG zu entsprechender Sachaufklärung nicht
verpflichtet. Die weiteren Voraussetzungen der Verfahrensrüge
bedürfen daher keiner Erörterung.
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50
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2. Trotz der verfassungsrechtlichen Bedenken
der Klägerin wendet der Senat § 129 BewG
einschließlich der in § 129 Abs. 2 BewG enthaltenen
Bezugnahmen an.
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a) Es ist unzutreffend, dass bereits der
Vorläufigkeitsvermerk dem Rechtsschutzanspruch der
Klägerin im Hinblick auf die Verfassungsfrage hätte
genügen können und das BVerfG mittlerweile die
Verfassungsfrage entschieden hätte.
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52
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aa) Der Bescheid, der Gegenstand des
FG-Urteils war, war mit dem Vorläufigkeitsvermerk versehen. Es
kommt nicht darauf an, ob die Einspruchsentscheidung selbst - und
nicht nur der beigefügte Änderungsbescheid - den Vermerk
hätte aufnehmen müssen. Zumindest der
Änderungsbescheid vom 27.11.2017, der nach § 68 Satz 1
FGO zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens geworden ist,
enthielt den Vermerk.
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53
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bb) Der Vorläufigkeitsvermerk ging jedoch
ins Leere, da es kein beim BVerfG anhängiges Verfahren gab,
das die Verfassungsmäßigkeit des im Streitfall
anwendbaren Rechts zum Gegenstand gehabt hätte, die
Verfassungsfrage mithin auch bisher nicht entschieden ist. Die bei
dem BVerfG anhängigen und mittlerweile durch Urteil in BVerfGE
148, 147 = SIS 18 04 71, BGBl I 2018, 531 entschiedenen Verfahren
betrafen ausschließlich das außerhalb des Artikels 3
des Einigungsvertrags genannte Gebiet. Das BVerfG hat
ausdrücklich die Normenkontrolle nicht auf die Bewertung von
Grundvermögen im Beitrittsgebiet erstreckt, da die dort
geltenden besonderen Bewertungsregeln eine eigenständige
verfassungsrechtliche Würdigung nach entsprechender
fachgerichtlicher Aufarbeitung der Sach- und Rechtslage
erforderlich gemacht hätten (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE
148, 147 = SIS 18 04 71, BGBl I 2018, 531, Tenor zu 1., Rz 81). Es
wäre unzulässig, die Weitergeltungsanordnung nunmehr
durch Auslegung auf § 129 BewG zu erstrecken (vgl. dazu
BVerfG-Beschluss vom 19.09.2019 - 1 BvR 2059/18, 1 BvR 1063/19,
Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung,
Wissenschaftsförderung 2019, 63, Rz 22).
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b) Der Senat ist jedoch nicht von der
Verfassungswidrigkeit der angewandten Normen des materiellen Rechts
überzeugt. Eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1
Satz 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 13 Nr. 11 des
Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) und § 80 BVerfGG
kommt daher nicht in Betracht.
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aa) Es ist schon nicht zweifelsfrei, ob die
Regeln für die Einheitsbewertung im Beitrittsgebiet
verfassungswidrig wären, wenn sie auf Dauer Geltung
beanspruchten (Verfassungskonformität zuletzt bejaht für
den Bewertungsstichtag 01.01.2002 durch BFH-Urteil in BFHE 225,
482, BStBl II 2009, 983 = SIS 09 30 56, unter II.1.d). Mit Urteil
in BVerfGE 148, 147 = SIS 18 04 71, BGBl I 2018, 531 hatte das
BVerfG die Wertverzerrungen beanstandet, die in der Zeitspanne von
1964 bis 2001 eingetreten waren. Bei einer Anknüpfung an die
Wertverhältnisse vom 01.01.1935 wird diese Zeitspanne
erheblich überschritten. Dies lässt entsprechend
größere Wertverzerrungen plausibel scheinen. Allerdings
hat der grundlegend andere wirtschaftliche und politische Rahmen im
Beitrittsgebiet bis 1990 auch andere Rahmenbedingungen für die
Immobilienwertentwicklung geschaffen. Hinzu tritt, dass § 129
BewG mit den in Bezug genommenen Vorschriften weitreichende
Schätzungsbefugnisse zur Feststellung des gemeinen Werts
gibt.
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bb) Jedenfalls vermag sich der Senat keine
Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit dieser Vorschriften
zu bilden, weil sie mittlerweile nur noch befristet anwendbar sind.
Allein der Umstand, dass es sich um auslaufendes Recht handelt,
stünde zwar einer Normenkontrolle nicht entgegen (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 17.02.2016 - 1 BvL 8/10, BVerfGE 141, 143,
BGBl I 2016, 614, Rz 43). Die Vereinbarkeit einer Vorschrift mit
dem GG kann aber nicht losgelöst von ihrem zeitlichen
Geltungsanspruch beurteilt werden.
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57
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aaa) Stellt sich heraus, dass ein Gesetz
verfassungswidrig ist, ist der Gesetzgeber in der Pflicht,
korrigierend einzugreifen. Dies kann allerdings aus
tatsächlichen Gründen häufig nicht rückwirkend
geschehen. Daher erkennt das BVerfG Übergangsregelungen
ausdrücklich als verfassungskonform an, die eine für
verfassungswidrig erkannte Rechtslage in ein verfassungskonformes
System überführen sollen (vgl. etwa BVerfG-Beschluss vom
23.09.1992 - 1 BvL 15/85, 1 BvL 36/87, BVerfGE 87, 114, BGBl I
1993, 42, unter C., zu Übergangsregelungen des zuvor durch
BVerfG-Beschluss vom 12.06.1979 - 1 BvL 19/76, BVerfGE 52, 1
für verfassungswidrig erachteten Kleingartenrechts;
BVerfG-Beschlüsse vom 30.09.2015 - 2 BvR 1066/10, HFR 2016, 72
= SIS 15 29 14, Rz 33 bis 53, und vom 29.09.2015 - 2 BvR 2683/11,
BStBl II 2016, 310 = SIS 16 01 28, Rz 36 bis 47, zur Besteuerung
der Alterseinkünfte).
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bbb) Ebenso muss eine befristete Weitergeltung
eines eigentlich verfassungswidrigen Rechts für
verfassungskonform erachtet werden, wenn ein gleitender
Übergang der Natur der jeweiligen Normen nach nicht
möglich ist. Andernfalls käme eine
Weitergeltungsanordnung schon nicht in Betracht.
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59
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ccc) Die Regeln über die
Einheitsbewertung lassen sich weder kurzfristig ändern noch
sukzessiv anpassen. Die praktische Umsetzung eines neuen
Bewertungssystems ist ein verwaltungsintensiver Vorgang, der Zeit
erfordert, wenn nicht stattdessen erhebliche Vollzugsdefizite in
Kauf genommen werden sollen. Angenommen, das auslaufende Recht
über die Einheitsbewertung im Beitrittsgebiet wäre
verfassungswidrig, so wäre die Neuregelung als
Korrekturmaßnahme des Gesetzgebers aufzufassen. Wenn der
Gesetzgeber für das Beitrittsgebiet dieselbe Frist zur
Fortgeltung der bestehenden Regelungen vorgesehen hat, wie er dies
aufgrund der Vorgabe des BVerfG-Urteils in BVerfGE 148, 147 = SIS 18 04 71, BGBl I 2018, 531, Rz 169 bis 179 für die
Einheitsbewertung im sog. Altbundesgebiet getan hat, hat er damit
neue Gleichheitsverstöße vermieden. Vor diesem
Hintergrund hält der Senat das mittlerweile auslaufende Recht
über die Einheitsbewertung im Beitrittsgebiet nicht für
verfassungswidrig i.S. des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG.
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cc) Der Senat spricht dadurch keine
Weitergeltungsanordnung verfassungswidrigen Rechts aus. Die
Befugnis hierfür kommt, wie die Verwerfungskompetenz nach Art.
100 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 80 Abs. 1, 31, 35 BVerfGG, allein
dem BVerfG zu. Die vorangestellten Erwägungen stellen
lediglich materiell-rechtliche Folgerungen aus dem Auslaufen des
Rechts dar.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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4. Der Senat entscheidet nach § 121 Satz
1 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO im Einverständnis der
Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
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