Zur Passivierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt: Eine Rangrücktrittserklärung, die die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen und Einnahmen, sondern auch aus "sonstigem freien Vermögen" vorsieht, löst selbst dann weder handels- noch steuerbilanziell ein Passivierungsverbot aus, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit aus der Sicht des Bilanzstichtages nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen, und eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens voraussichtlich nicht eintreten wird. - Urt.; BFH 19.8.2020, XI R 32/18; SIS 20 19 05
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Münster vom 13.09.2018 - 10 K 504/15 K,G,F
= SIS 18 18 43 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Das Rubrum des Urteils des Finanzgerichts
Münster vom 13.09.2018 - 10 K 504/15 K,G,F wird dahingehend
berichtigt, dass die „… GmbH, X-Straße …,
Z“ Klägerin des Rechtsstreits ist.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
A.
Die konzernangehörige Klägerin
und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hatte ihre
operative Geschäftstätigkeit mindestens seit dem Jahr
2006 mit Ausnahme der Anmietung und Weitervermietung ihres
Betriebsgeländes eingestellt und diese nach eigenen Angaben
erst im Jahr 2017 wieder aufgenommen. Alleingesellschafterin ist
die … GmbH (B). Die Klägerin, die ihren Gewinn durch
Betriebsvermögensvergleich ermittelt, hatte im Jahr 2008
(Streitjahr) ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 01.10. bis 30.09.
Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens firmierte die
Klägerin um und verlegte ihren Sitz von Y nach Z.
Das Aktivvermögen der Klägerin zu
den Bilanzstichtagen 30.09.2008, 30.09.2009, 31.12.2009 und
31.12.2010 bestand aus einer (Dritt-)Forderung, die durch eine
Grundschuld besichert war, sowie aus dem Kassen- und
Bankbestand.
Am 21.09.2007 verzichtete B gegenüber
der Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt eine bilanzielle
Überschuldung in Höhe von … EUR aufwies, auf
Forderungen in Höhe von … EUR und gab zugleich eine
Rangrücktrittserklärung ab:
„Zur Abwendung der Überschuldung
bei Ihrer Gesellschaft werden wir mit unseren Forderungen aus
gewährten Tagesgeldern und laufenden Kontokorrent bis zu einer
Höhe von maximal … EUR hinter die Forderungen aller
anderen gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger, die
eine solche Rangrücktrittserklärung nicht abgegeben
haben, in der Weise zurücktreten, dass die Forderungen nur aus
sonst entstehenden Jahresüberschüssen, einem
Liquidationsüberschuss oder aus einem die sonstigen
Verbindlichkeiten der Gesellschaft übersteigenden freien
Vermögen zu bedienen sind. Diese Erklärung erlischt
automatisch mit dem Zeitpunkt, zu dem der Tatbestand der
Überschuldung aufgehoben ist, oder eine andere Gesellschaft
die Forderungen übernimmt und darauf ihrerseits einen
entsprechenden Rangrücktritt erklärt.“
Am 26.09.2008 verzichtete B gegenüber
der Klägerin erneut auf einen Teil der Forderungen (nunmehr:
… EUR). Die Klägerin buchte die Forderungen, auf die B
verzichtet hatte, jeweils gewinnerhöhend aus.
Nach einer Außenprüfung gingen
die Prüfer davon aus, dass aufgrund der fehlenden operativen
Geschäftstätigkeit sowie der - mit Ausnahme der
besicherten Forderung (ca. … EUR) - Vermögenslosigkeit
der Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
nicht mit einer Rückzahlung der Verbindlichkeiten
gegenüber B zu rechnen sei. Die Klägerin sei durch die
bestehende Verpflichtung wirtschaftlich nicht belastet. Die
Prüfer schlugen vor, die Verbindlichkeiten gegenüber B
zum 30.09.2008 bis auf einen Betrag in Höhe des freien
Vermögens, das sie auf … EUR schätzten, in
Höhe von … EUR gewinnerhöhend aufzulösen. Eine
verdeckte Einlage sei mit … EUR zu bewerten.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) schloss sich den Prüfungsfeststellungen an
und erließ unter dem 11.07.2014, 22.07.2014 bzw. 29.07.2014
Änderungsbescheide zur Körperschaftsteuer 2008,
gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur
Körperschaftsteuer auf den 31.12.2008, gesonderten
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den
31.12.2008 sowie zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags
2008.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren
(Einspruchsentscheidung vom 21.01.2015) gab das Finanzgericht (FG)
Münster der Klage mit Urteil vom 13.09.2018 - 10 K 504/15
K,G,F = SIS 18 18 43, das in EFG 2018, 2010 = SIS 18 18 43
veröffentlicht ist, statt.
Bei Rangrücktrittsvereinbarungen, bei
denen die Schulden auch aus dem sonstigen freien Vermögen zu
bedienen seien, entfalle die aktuelle wirtschaftliche Belastung des
Schuldners nicht. Die betreffenden Verbindlichkeiten seien zu
passivieren; das Passivierungsverbot i.S. des § 5 Abs. 2a des
Einkommensteuergesetzes (EStG) greife in diesen Fällen nicht
ein. Auf das wirtschaftliche Unvermögen des Schuldners komme
es nicht an.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
Auch wenn die Klägerin nach der
Rangrücktrittserklärung verpflichtet gewesen sei,
„die Verbindlichkeiten aus freiem Vermögen“ zu
tilgen, sei diese Verpflichtung angesichts der wirtschaftlichen
Lage der Klägerin ohne wirtschaftlichen Gehalt und laufe leer;
der Verweis auf das freie Vermögen sei - wie es auch in der
Literatur vertreten werde (Weber-Grellet, BB 2015, 2667) - sinnlos
und widersprüchlich. Es habe zum Bilanzstichtag 30.09.2008
außerdem nicht festgestanden, ob - wie es das FG rein
hypothetisch für möglich gehalten habe - B künftig
eine Einlage leisten werde. Jedenfalls stelle die Möglichkeit,
künftig entstehendes freies Vermögen zur Tilgung von
Verbindlichkeiten verwenden zu müssen, keine gegenwärtige
wirtschaftliche Belastung dar. Es würde dem Gesetzeszweck des
§ 5 Abs. 2a EStG jede Grundlage entziehen, wenn die pauschale
Einbeziehung des sonstigen freien Vermögens in eine
Rangrücktrittserklärung zur Passivierung führen
würde.
Außerdem habe - wie das FA in der
mündlichen Verhandlung mit Bezug auf das Urteil des
Bundesgerichtshofs (BGH) vom 05.03.2015 - IX ZR 133/14 (BGHZ 204,
231, DStR 2015, 767 = SIS 15 30 43) ferner vorgebracht hat - die
Zahlung auf eine nachträglich mit einer
Rangrücktrittsvereinbarung versehene Verbindlichkeit
(Schuldänderungsvereinbarung) keinen Rechtsgrund; es handele
sich mithin um eine Leistung auf eine
„Nichtschuld“.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Sie macht im Kern geltend, dass der
Bundesfinanzhof (BFH) in seinen Urteilen vom 10.08.2016 - I R 25/15
(BFHE 256, 409, BStBl II 2017, 670 = SIS 17 06 47) sowie vom
28.09.2016 - II R 64/14 (BFHE 255, 90, BStBl II 2017, 104 = SIS 16 24 81) bereits entschieden habe, dass im Falle eines
Rangrücktritts die Verbindlichkeiten weiter zu passivieren
seien, wenn die Tilgung auch aus sonstigem freien Vermögen zu
erfolgen habe. Es komme hierbei nicht darauf an, ob freies
Vermögen bei der Rangrücktrittserklärung
tatsächlich vorhanden sei. Die wirtschaftliche Belastung sei
bei § 5 Abs. 2a EStG - wie sich aus der Begründung des
Gesetzentwurfs (BTDrucks 14/2070, S. 17) ergebe - nicht
maßgeblich; vielmehr sei allein auf den rechtlichen Gehalt
der Vereinbarung abzustellen.
B.
Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
I. Das Urteil des FG ist, wie im Tenor
erkannt, zu berichtigen.
1. Das FG hat im Rubrum seiner Entscheidung
nicht aufgenommen, dass die Klägerin mit Eintragung in das
Handelsregister vom ...2017 - mithin im Verlauf des
erstinstanzlichen Verfahrens - ihre Firma geändert und ihren
Sitz von Y nach Z verlegt hat. Damit liegt eine offenbare
Unrichtigkeit vor.
2. Gemäß § 107 FGO sind
offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu
berichtigen. Als Berichtigungsgegenstand erfasst § 107 FGO
alle Bestandteile des Urteils, auch das Rubrum und die darin
enthaltenen Bezeichnungen (vgl. z.B. zur Bezeichnung des
Streitgegenstands BFH-Beschluss vom 08.01.2010 - V B 99/09, BFH/NV
2010, 911 = SIS 10 12 30, Rz 21; BFH-Urteil vom 19.12.2019 - III R
39/17, BFHE 267, 415, BStBl II 2020, 397 = SIS 20 05 01, Rz
28).
3. Der Senat ist im Rahmen des
Revisionsverfahrens für diese Berichtigung zuständig
(vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 267, 415, BStBl II 2020, 397 = SIS 20 05 01, Rz 29, m.w.N.).
II. Das FG hat ohne Rechtsfehler dahin
erkannt, dass die ertragswirksame Auflösung der
Verbindlichkeiten ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Denn eine
Rangrücktrittserklärung, die die Erfüllung der
Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen und
Einnahmen, sondern auch aus „sonstigem freien
Vermögen“ vorsieht, löst selbst dann weder
handels- noch steuerbilanziell ein Passivierungsverbot aus, wenn
der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen
Geschäftstätigkeit aus der Sicht des Bilanzstichtages
nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen, und eine
tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens
voraussichtlich nicht eintreten wird. Das wirtschaftliche
Unvermögen des Schuldners ist unerheblich; vielmehr kommt es
allein auf den rechtlichen Gehalt der Durchsetzungssperre an.
1. Die Rangrücktrittsvereinbarung vom
21.09.2007 steht aus handelsbilanzieller Sicht einer weiteren
Passivierung der gegenüber B zum Bilanzstichtag 30.09.2008
bestehenden Verbindlichkeiten nicht entgegen.
a) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz
1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin in ihren
Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den
handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger
Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Ist eine Verbindlichkeit
nach handelsbilanziellen Grundsätzen zu bilanzieren, gilt
dieses Passivierungsgebot mithin auch für die Steuerbilanz.
Nur wenn eine steuerrechtliche Spezialregelung - wie etwa § 5
Abs. 2a EStG - weitere oder abweichende Kriterien für die
Passivierung für Steuerzwecke aufstellt (dazu unter B.II.2.),
kann es zu einer abweichenden Behandlung in der Steuerbilanz
kommen.
aa) Die handelsrechtlichen GoB ergeben sich
insbesondere aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Dritten
Buchs „Vorschriften für alle Kaufleute“ der
§§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB), wobei ein
Passivierungsgebot für Verbindlichkeiten aus §§ 246
Abs. 1 Satz 3, 247 Abs. 1, 253 Abs. 1 Satz 2, 266 Abs. 3 HGB folgt
(vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.07.2019 - XI R 53/17, BFHE 265, 249,
BStBl II 2019, 803 = SIS 19 15 21, Rz 17).
bb) Nach § 247 Abs. 1 HGB sind in der
Handelsbilanz Schulden zu passivieren, wenn der Unternehmer zu
einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an
einen Dritten verpflichtet ist, die vom Gläubiger erzwungen
werden kann und die am zu beurteilenden Bilanzstichtag eine
gegenwärtige wirtschaftliche Belastung darstellt (vgl.
BFH-Urteile vom 30.11.2011 - I R 100/10, BFHE 235, 476, BStBl II
2012, 332 = SIS 12 06 17, Rz 11, m.w.N.; vom 15.04.2015 - I R
44/14, BFHE 249, 493, BStBl II 2015, 769 = SIS 15 14 96, Rz 8; in
BFHE 255, 90, BStBl II 2017, 104 = SIS 16 24 81, Rz 16). Dies gilt
nach dem aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG folgenden sog.
Maßgeblichkeitsgrundsatz auch für Zwecke der
Steuerbilanz (vgl. BFH-Urteile in BFHE 249, 493, BStBl II 2015, 769
= SIS 15 14 96, Rz 8; in BFHE 255, 90, BStBl II 2017, 104 = SIS 16 24 81, Rz 16).
cc) Keine wirtschaftliche Belastung stellt
eine Verbindlichkeit dar, die mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfüllt werden muss. Für
diese Annahme genügt es indes nicht, dass der Schuldner
überschuldet ist (vgl. BFH-Urteile vom 01.03.2005 - VIII R
5/03, BFH/NV 2005, 1523 = SIS 05 36 84, unter II.B.2.a bb; in BFHE
255, 90, BStBl II 2017, 104 = SIS 16 24 81, Rz 17). Allein die
Vermögenslosigkeit des Schuldners führt nicht dazu, dass
eine rechtlich bestehende Verpflichtung aus dem handels- oder
steuerrechtlichen Abschluss auszubuchen ist (vgl. BFH-Urteile in
BFHE 249, 493, BStBl II 2015, 769 = SIS 15 14 96, Rz 9; in BFHE
255, 90, BStBl II 2017, 104 = SIS 16 24 81, Rz 17). Dies entspricht
auch der Rechtsauffassung der Verwaltung (vgl. Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 08.09.2006, BStBl I
2006, 497 = SIS 06 37 39; Oberfinanzdirektion - OFD - Frankfurt
a.M., Verfügungen vom 30.06.2017, GmbHR 2017, 1176, und vom
03.08.2018, DStR 2019, 560).
b) Danach sind die Voraussetzungen für
die handelsbilanzielle Passivierung der streitgegenständlichen
Verbindlichkeiten nicht entfallen. Eine erfolgswirksame
Auflösung dieser Verbindlichkeit kommt nicht in Betracht.
aa) Die den Streitfall betreffenden
Forderungen der B gegenüber der Klägerin hatten am
Bilanzstichtag weiterhin Bestand.
(1) Nach der Rechtsprechung des BGH bildet die
nachträgliche Übereinkunft eines Rangrücktritts
einen verfügenden Schuldänderungsvertrag i.S. des §
311 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), wenn der Zweck einer
Rangrücktrittsvereinbarung darin liegt, dass - wie hier - die
betreffende Forderung zur Vermeidung einer Insolvenz nicht in der
Überschuldungsbilanz erscheint (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 204,
231, DStR 2015, 767 = SIS 15 30 43, Rz 32). Aufgrund des
Schuldänderungsvertrages wird die Forderung mit dinglicher
Kraft inhaltlich dahin umgewandelt, dass sie - bezogen auf den
Überschuldungsstatus - nicht mehr zu passivieren ist. Die
Forderung bildet im Verhältnis zu den übrigen
Gläubigern haftendes Kapital und darf deshalb nicht an den
Forderungsinhaber ausbezahlt werden. Damit wird der Forderung
vereinbarungsgemäß eine nachrangige Stellung zugewiesen,
die eine Befriedigung nur aus freiem, nicht zur Schuldendeckung
benötigtem Vermögen der Gesellschaft gestattet. Durch die
Vereinbarung wird zwar die Rangfolge, nicht aber der Bestand der
Forderung geändert, so dass auch etwaige Sicherungsrechte
nicht berührt werden (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 204, 231, DStR
2015, 767 = SIS 15 30 43, Rz 32, m.w.N.). Die betreffende
Verbindlichkeit bleibt mithin rechtlich bestehen und wird nur in
ihrem Rang verändert; der Rangrücktritt stellt damit
keinen Forderungsverzicht dar, der Gläubiger bleibt Inhaber
der Forderung (vgl. z.B. Schmidt, Der Konzern 2017, 86, 88 ff.).
Dies ist auch hier der Fall.
(2) Wird die mit einem Rangrücktritt
versehene Forderung von dem Schuldner trotz Insolvenzreife
beglichen, steht ihm nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB ein
Rückforderungsanspruch gegen den Gläubiger zu (vgl.
BGH-Urteil in BGHZ 204, 231, DStR 2015, 767 = SIS 15 30 43, Rz 33)
und ein Insolvenzverwalter kann die Zahlung anfechten (BGH-Urteil
in BGHZ 204, 231, DStR 2015, 767 = SIS 15 30 43, Rz 46 ff.). Dies
betrifft den rechtlichen Bestand der Forderung indes nicht und
lässt daher nicht den Schluss zu, dass - wie das FA meint -
die vom Rangrücktritt erfassten Forderungen keinen rechtlichen
Bestand mehr hätten und es sich insoweit um eine nicht zu
passivierende „Nichtschuld“ handeln
würde.
bb) Die Klägerin war am Bilanzstichtag zu
einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung der B
gegenüber verpflichtet, die nach Maßgabe der getroffenen
Schuldänderungsvereinbarung vom Gläubiger erzwungen
werden konnte. Eine Tilgungsmöglichkeit für die
Verbindlichkeiten bestand, soweit die Forderungen u.a.
„aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten der
Gesellschaft übersteigenden freien Vermögen“ zu
bedienen waren.
cc) Die wirtschaftliche Belastung der
Klägerin war am Bilanzstichtag ebenso wenig entfallen.
(1) Das rechtliche Bestehen einer
Verbindlichkeit bewirkt im Regelfall eine wirtschaftliche Belastung
und rechtfertigt somit eine Passivierung der Verbindlichkeit. Es
lässt darauf schließen, dass der Gläubiger sein
Forderungsrecht geltend machen wird und das Vermögen somit
durch bevorstehende Zahlungen belastet ist. Besteht die Forderung
rechtlich fort und ist der Gläubiger weiterhin zur
Geltendmachung der Forderung entschlossen, hat sich die
Vermögenslage des Schuldners nicht verbessert (vgl. Kahlert in
Brünkmans/Thole, Handbuch Insolvenzplan, 2. Aufl.,
Steuerfolgen von Sanierungsmaßnahmen, Rz 145). Die mit einem
Rangrücktritt versehenen Verbindlichkeiten sind weiterhin -
nachrangige - Verbindlichkeiten, die den Vermögensrechten der
Gesellschafter vorgehen und damit fortbestehende Verbindlichkeiten
(vgl. auch Briese, DStR 2017, 799, 803, m.w.N.). Anders als bei
einem vollständigen oder teilweisen Forderungsverzicht
führt der Rangrücktritt nicht dazu, dass die betreffende
Verbindlichkeit erlischt oder sich im Bestand mindert.
(2) Die Verbindlichkeit wäre nur dann
auszubuchen, falls eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit
gegen eine Inanspruchnahme spräche. Diese Voraussetzung ist
bei Vermögenslosigkeit indes nicht gegeben, so dass auch im
Überschuldungsfalle weiterhin Fremdkapital vorliegt. Mit
Rücksicht auf das Gebot des vollständigen
Vermögensausweises (§ 246 Abs. 1 HGB) führt allein
die Vermögenslosigkeit des Schuldners nicht dazu, eine
rechtlich bestehende Verpflichtung aus dem handels- oder
steuerrechtlichen Abschluss auszubuchen (vgl. Wacker in Festschrift
Gosch, 2016, S. 413, 416). Gleiches gilt für den Fall, dass -
wie hier - eine Rangrücktrittsvereinbarung die Verpflichtung
bestehen lässt, die Gesellschafterforderungen aus dem nach
Begleichung der vorrangigen Ansprüche verbleibenden sog.
freien Vermögen zu tilgen. Tragend ist mithin auch im Rahmen
dieser Beurteilung nicht das wirtschaftliche Unvermögen,
für die Schulden aufkommen zu können, sondern der
rechtliche Gehalt der vereinbarten Durchsetzungssperre (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 256, 409, BStBl II 2017, 670 = SIS 17 06 47, Rz
16). Anderenfalls würde ein unzutreffendes Bild von der
Vermögenslage des Schuldners vermittelt. Der Nichtausweis der
Verbindlichkeit würde gegen den Vorsichtsgrundsatz sowie das
Gebot des vollständigen Ausweises bestehender Risiken
verstoßen (vgl. BFH-Urteile vom 30.03.1993 - IV R 57/91, BFHE
170, 449, BStBl II 1993, 502 = SIS 93 12 19, unter 1.b dd; vom
20.10.2004 - I R 11/03, BFHE 207, 295, BStBl II 2005, 581 = SIS 05 08 25, unter II.2.b; in BFHE 255, 90, BStBl II 2017, 104 = SIS 16 24 81, Rz 21).
2. Die streitgegenständliche
Rangrücktrittsvereinbarung löst auch kein
steuerbilanzielles Passivierungsverbot (§ 5 Abs. 2a EStG)
aus.
a) In Abgrenzung zu den allgemeinen
Grundsätzen der Bilanzierung gewisser und ungewisser
Verbindlichkeiten sieht die Regelung des § 5 Abs. 2a EStG vor,
dass für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind,
soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen,
Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen sind,
wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.
aa) Das Passivierungsverbot des § 5 Abs.
2a EStG setzt dabei voraus, dass sich der Anspruch des
Gläubigers verabredungsgemäß nur auf künftiges
Vermögen des Schuldners - damit nicht: auf am Bilanzstichtag
vorhandenes Vermögen - bezieht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 235,
476, BStBl II 2012, 332 = SIS 12 06 17; vom 06.02.2013 - I R 62/11,
BFHE 240, 314, BStBl II 2013, 954 = SIS 13 14 56; in BFHE 265, 249,
BStBl II 2019, 803 = SIS 19 15 21). Unter Einnahmen oder Gewinnen
sind mithin künftige Vermögenswerte zu verstehen (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 249, 493, BStBl II 2015, 769 = SIS 15 14 96, Rz
9; in BFHE 255, 90, BStBl II 2017, 104 = SIS 16 24 81, Rz 18).
bb) Auch auf
Rangrücktrittsvereinbarungen, die zum Inhalt haben, dass die
Verbindlichkeiten nur aus künftigen Gewinnen oder einem
etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt werden
müssen, ist § 5 Abs. 2a EStG anwendbar (vgl. BFH-Urteile
in BFHE 249, 493, BStBl II 2015, 769 = SIS 15 14 96, Rz 10; in BFHE
255, 90, BStBl II 2017, 104 = SIS 16 24 81, Rz 19).
cc) Dagegen ist § 5 Abs. 2a EStG auf
Rangrücktrittsvereinbarungen nicht anwendbar, wenn die
Verbindlichkeit auch aus sonstigem Vermögen, dem sog. freien
Vermögen, zu tilgen ist (vgl. - auch zur Tilgung aus freiem
Vermögen bereits vor Einfügung des § 5 Abs. 2a EStG
- BFH-Urteile in BFHE 170, 449, BStBl II 1993, 502 = SIS 93 12 19,
Leitsatz. in BFHE 207, 295, BStBl II 2005, 581 = SIS 05 08 25,
unter II.2.b; in BFHE 235, 476, BStBl II 2012, 332 = SIS 12 06 17,
Rz 20; in BFHE 249, 493, BStBl II 2015, 769 = SIS 15 14 96, Rz 9;
in BFHE 255, 90, BStBl II 2017, 104 = SIS 16 24 81, Rz 21). Die
Verwaltung teilt diese Auffassung (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I
2006, 497 = SIS 06 37 39; OFD Frankfurt a.M., Verfügungen vom
30.06.2017, GmbHR 2017, 1176, und vom 03.08.2018, DStR 2019, 560).
Eine derartige Rangrücktrittsvereinbarung lässt auch
nicht darauf schließen, dass die Verbindlichkeit mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden
muss.
b) Das FG hat danach zu Recht dahin erkannt,
dass § 5 Abs. 2a EStG nicht zu einem Passivierungsverbot der
gegenüber B bestehenden Verbindlichkeiten führt. Etwas
anderes ergibt sich im Streitfall nicht daraus, dass freies
Vermögen mit Ausnahme einer Forderung am maßgeblichen
Bilanzstichtag weder vorhanden gewesen ist noch - wie das FA meint
- die konkrete Möglichkeit bestanden habe, freies
Vermögen zu schaffen. § 5 Abs. 2a EStG stellt nicht
darauf ab, ob freies Vermögen zum maßgeblichen
Bilanzstichtag bereits vorhanden ist oder künftig geschaffen
werden kann (vgl. ebenso Westpfahl/ Kresser, DB 2016, 33; Richter,
DStZ 2016, 621; Mayer/Wagner, DStR 2017, 2025; Wacker, DB 2017, 26;
ders. in Festschrift Gosch, a.a.O., S. 413, 419; Seppelt, BB 2019,
114; Reddig in Kirchhof, EStG, 19. Aufl., § 5 Rz 190;
Blümich/Krumm, § 5 EStG Rz 957d; Richter in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 EStG, Rz 1913; a.A. Weber-Grellet,
BB 2015, 2667; ders. in Schmidt, EStG, 39. Aufl., § 5 Rz 315
und 550 „Gesellschafterfinanzierung“;
Müller, BB 2016, 491; Oser, DStR 2017, 1889).
aa) Ein steuerrechtliches Passivierungsverbot
ist erst dann zu bejahen, wenn der Rangrücktritt nach
Maßgabe der Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2a
EStG in dem Sinne spezifiziert wird, dass die hiervon betroffenen
Verpflichtungen nur zu erfüllen sind, soweit künftig
Einnahmen oder Gewinne anfallen, und deshalb - so die Rechtsfolge
der Vorschrift - deren Passivierung daran gebunden ist, dass die
Einnahmen oder Gewinne angefallen sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE
256, 409, BStBl II 2017, 670 = SIS 17 06 47, Rz 15).
bb) Zwar ist den Anforderungen des § 5
Abs. 2a EStG nicht nur genügt, wenn der Rangrücktritt
eine Tilgung nur aus zukünftigen Jahresüberschüssen
oder Steuerbilanzgewinnen vorsieht. Auch eine im Zeitpunkt der
Überschuldung getroffene Abrede, nach der Forderungen aus
zukünftigen handelsrechtlichen Bilanzgewinnen zu begleichen
sind, löst das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG
aus (vgl. BFH-Urteil in BFHE 249, 493, BStBl II 2015, 769, 1 = SIS 15 14 96. Leitsatz). Den Umstand, dass in den Bilanzgewinn auch
Kapitalrücklagen eingehen können, hat der I. Senat des
BFH nicht nur wirtschaftlich, sondern - und vor allem - auch bei
rechtlicher Beurteilung der Abrede als unmaßgeblich erachtet,
weil solche Rücklagen vorrangig mit den Verlustvorträgen
zu verrechnen sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 256, 409, BStBl II
2017, 670 = SIS 17 06 47, Rz 16, m.w.N.). Diese Wertung beinhaltet
mithin eine rechtliche Gleichstellung mit Vereinbarungen, die nur
auf den handelsrechtlichen Jahresüberschuss abstellen.
Darüber hinaus ist dem aber nicht zu entnehmen, dass allein
der dahingehende Zukunftsbezug einer Rangrücktrittsabrede,
freies Vermögen, das in Bezug auf den Streitfall zur Tilgung
der Forderungen heranzuziehen und künftig erst noch zu
erwirtschaften ist, das steuerrechtliche Passivierungsverbot des
§ 5 Abs. 2a EStG auslösen würde (vgl. auch
Blümich/Krumm, § 5 EStG Rz 957d).
cc) Aus § 5 Abs. 2a EStG ergibt sich
nicht, dass die Bezugnahme in einer Rangrücktrittsabrede auf
das die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigende
Vermögen die Pflicht des Schuldners, Verbindlichkeiten zu
passivieren, der Höhe nach auf den Umfang des im Zeitpunkt der
Erklärungsabgabe tatsächlich vorhandenen freien
Vermögens beschränken würde. Es reicht aus, dass auf
das „freie“ Vermögen Bezug genommen wird,
unabhängig davon, ob und in welcher Höhe dieses am zu
beurteilenden Bilanzstichtag tatsächlich vorhanden ist. Der
dahingehende Zukunftsbezug, dass das in Bezug genommene
Vermögen erst noch erwirtschaftet werden muss, wäre zwar
faktisch, nicht jedoch rechtlich gegeben. Dieser faktische
Zukunftsbezug ist jedoch irrelevant, da die reale
Erfüllungsfähigkeit für die Passivierung einer
Verbindlichkeit irrelevant ist; nur die rechtliche Verknüpfung
ist im Rahmen des § 5 Abs. 2a EStG maßgeblich.
dd) Dies dient auch der Rechtssicherheit; denn
zur Beantwortung der Frage, ob und inwieweit zum jeweiligen
Bilanzstichtag „sonstiges Vermögen“
tatsächlich vorhanden ist, wäre jeweils eine
Schattenliquidationsrechnung durchzuführen (vgl.
Blümich/Krumm, § 5 EStG Rz 957d). Im Übrigen zeigt
der Streitfall, dass allein die Einstellung der operativen
Tätigkeit nicht die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit
für den Wegfall der wirtschaftlichen Belastung bietet, da die
Klägerin ihre operative Tätigkeit nach mehr als zehn
Jahren wieder aufgenommen hat (vgl. insoweit auch Seppelt, BB 2019,
114).
ee) Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit
dem Gesetzeszweck des § 5 Abs. 2a EStG. Nur in Fällen, in
denen der Gläubiger ausschließlich Anspruch auf
künftige Einnahmen oder Gewinne des Schuldners hat, ist sein
Rückforderungsanspruch auf diese künftigen
Vermögenswerte beschränkt; das (übrige)
Vermögen des Schuldners am Bilanzstichtag ist hiervon
unberührt. Nur in diesen Fällen scheidet die
„Dokumentation“, ausgewiesenes Vermögen sei
durch diese Verpflichtung belastet, nach § 5 Abs. 2a EStG aus
(so BTDrucks 14/2070, S. 18). Den Gesetzesmaterialien ist
jedenfalls nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber in den
Regelungsbereich des § 5 Abs. 2a EStG auch Verbindlichkeiten
einbeziehen wollte, die nach der getroffenen
Rangrücktrittsabrede zwar auch aus sonstigem Vermögen
getilgt werden müssen, jedoch infolge des wirtschaftlichen
Unvermögens des Schuldners gegenwärtig nicht bedient
werden können.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.