12
|
Das FG gab der Klage mit Urteil vom
27.11.2018 - 1 K 488/17 (EFG 2019, 664 = SIS 19 03 21) statt. Die
angegriffenen Verwaltungsakte und die Einspruchsentscheidung seien
aufzuheben und das FA zu verpflichten, eine
Körperschaftsteuerveranlagung 2008 entsprechend der
eingereichten Steuererklärung durchzuführen, einen
Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2007 unter
Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus 2008 in
Höhe von 9.xxx EUR zu erlassen und den verbleibenden
Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008
festzustellen. Die Festsetzungsfrist für die
Körperschaftsteuer des Jahres 2008 sei nicht abgelaufen, weil
der Antrag vom 18.12.2015 deren Ablauf gemäß § 171
Abs. 3 AO gehemmt habe.
|
|
|
13
|
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Es macht geltend, der Ablauf der
Festsetzungsfrist sei nicht durch einen Antrag i.S. von § 171
Abs. 3 AO gehemmt worden; denn in Anlehnung an die Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Buchst. a AO sei zu fordern, dass in dem Antrag i.S. des § 171
Abs. 3 AO das verfolgte Änderungsbegehren seinem sachlichen
Gehalt nach zumindest in groben Zügen genannt werden
müsse. Davon gehe auch das FG Baden-Württemberg in seinem
Urteil vom 14.12.2007 - 7 K 256/04 (EFG 2008, 756 = SIS 08 15 65)
aus. Im Antrag müsse der zu berücksichtigende
Lebenssachverhalt so konkret dargelegt werden, dass für die
Behörde erkennbar werde, worauf der Steuerpflichtige seinen
Antrag stütze. Bloße Angaben zu
betragsmäßigen Auswirkungen seien nicht ausreichend. Ein
Antrag auf Schätzung eines bestimmten Verlusts ohne weitere
sachverhaltsbezogene Darlegungen (z.B. Einreichung eines
Jahresabschlusses) sei kein wirksamer Antrag i.S. des § 171
Abs. 3 AO. Das FA müsse durch den Antrag in die Lage versetzt
werden, über ihn dem Grunde nach entscheiden zu können,
woran es vorliegend fehle. Sollte man einen isolierten Antrag,
einen Verlust in einer bestimmten Höhe zu
berücksichtigen, für eine Ablaufhemmung nach § 171
Abs. 3 AO ausreichen lassen, würde eine vollständige
Steuererklärung schlechter gestellt als der Antrag des
Klägers.
|
|
|
14
|
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
15
|
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
16
|
Er bringt vor, der Senat sei
gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
an die Auslegung des Antrags durch das FG gebunden. Die
Rechtsprechung zu § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sei
auf § 171 Abs. 3 AO nicht übertragbar. Der Zweck der
Vorschriften sei nicht identisch. Die Auffassung des FA, es sei ein
Jahresabschluss erforderlich gewesen, gehe fehl, weil dann auch die
Steuererklärung eingereicht werden könne. Das vom FA
angeführte Urteil des FG Baden-Württemberg betreffe einen
anderen Sachverhalt. Soweit der BFH mit seiner Rechtsprechung
pflichtwidrig handelnde Bürger nicht besser stellen wolle, sei
der Kläger kein pflichtwidrig handelnder Bürger.
|
|
|
17
|
Im Revisionsverfahren wurde das
Insolvenzverfahren zunächst durch Beschluss des
Insolvenzgerichts vom 28.05.2019 (ohne Vorbehalt der
Nachtragsverteilung) aufgehoben, dann aber durch Beschluss vom
13.06.2019 die Nachtragsverteilung angeordnet. Die
Durchführung der Nachtragsverteilung wurde dem Kläger
übertragen. Der Kläger hat mit Schreiben vom 23.07.2019
mitgeteilt, dass das Verfahren fortzusetzen ist. Nach dem Schluss
der mündlichen Verhandlung hat der Kläger am 24.09.2020
noch einen Schriftsatz eingereicht.
|
|
|
18
|
II. Das Verfahren ist
antragsgemäß mit dem Kläger als Revisionsbeklagten
fortzusetzen; er ist für den Streitgegenstand weiterhin
prozessführungsbefugt.
|
|
|
19
|
1. Zwar entfällt mit Beendigung des
Insolvenzverfahrens neben der Verwaltungs- und
Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters zugleich seine
Prozessführungsbefugnis, und zwar auch dann, wenn er Adressat
der angefochtenen Bescheide war, die Gegenstand des Verfahrens
sind; wird jedoch eine Nachtragsverteilung (§ 203 der
Insolvenzordnung - InsO - ) angeordnet, bleibt der
Insolvenzverwalter u.a. ausnahmsweise befugt, anhängige
Prozesse fortzusetzen, mit denen die der Nachtragsverteilung
vorbehaltenen Masseaktiva realisiert werden sollen (vgl.
BFH-Urteile vom 06.07.2011 - II R 34/10, BFH/NV 2012, 10 = SIS 11 38 74, Rz 10 f.; vom 26.02.2014 - I R 12/14, BFH/NV 2014, 1544 =
SIS 14 24 49, Rz 14; vom 20.09.2016 - VII R 10/15, BFH/NV 2017, 442
= SIS 17 03 41, Rz 15 f.; BFH-Beschluss vom 26.02.2014 - I R 59/12,
BFHE 246, 27, BStBl II 2014, 1016 = SIS 14 22 37, Rz 9).
|
|
|
20
|
2. So liegt es hier.
|
|
|
21
|
a) Zwar war durch den Beschluss des
Insolvenzgerichts vom 28.05.2019, der keinen Vorbehalt der
Nachtragsverteilung enthielt, die Prozessführungsbefugnis des
Klägers zunächst entfallen. Mit der Aufhebung des
Insolvenzverfahrens ging außerdem zunächst die
Unterbrechung des Revisionsverfahrens einher (vgl. BFH-Urteil in
BFH/NV 2012, 10 = SIS 11 38 74, Rz 16).
|
|
|
22
|
b) Mit der Anordnung der
Nachtragsverteilung durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom
13.06.2019 trat allerdings eine erneute Insolvenzbeschlagnahme
für den darin genannten Gegenstand der Nachtragsverteilung ein
mit der Folge, dass insoweit nunmehr die Verwaltungs- und
Verfügungsbefugnis (wieder) beim Kläger als
(früherem) Insolvenzverwalter liegt (vgl. allgemein BFH-Urteil
vom 28.02.2012 - VII R 36/11, BFHE 236, 202, BStBl II 2012, 451 =
SIS 12 11 35, Rz 12; BFH-Beschluss vom 04.09.2008 - VII B 239/07,
BFH/NV 2009, 6 = SIS 08 43 52, unter II.1., Rz 8).
|
|
|
23
|
c) Der Beschluss des Insolvenzgerichts vom
13.06.2019, der als Gegenstand der Nachtragsverteilung
„mögliche Ansprüche bzgl. der Ablehnung der
Veranlagung 2008 (Verlustrücktrag 2007), FG Nürnberg,
Az.: 1 K 488/17“ nennt, ist dahin auszulegen, dass er auch
das - damals bereits anhängige - Revisionsverfahren XI R 1/19
umfasst. Ausgehend von dieser Auslegung ist der Beschluss
hinreichend bestimmt (vgl. zu den Anforderungen an die Bestimmtheit
des Beschlusses BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 442 = SIS 17 03 41, Rz
22 ff.). Insbesondere bestehen aufgrund der Angabe des
Aktenzeichens des FG keine Unsicherheiten bei der Identifizierung
der von der Nachtragsverteilung erfassten (möglichen)
Ansprüche.
|
|
|
24
|
d) Die Unterbrechung des
Revisionsverfahrens ist spätestens durch das
Fortsetzungsbegehren des Klägers im Schreiben vom 23.07.2019
beendet worden. Ob die Beendigung bereits durch den Beschluss des
Insolvenzgerichts vom 13.06.2019 eingetreten ist, bedarf keiner
Entscheidung.
|
|
|
25
|
III. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat zu Unrecht
angenommen, dass die Rechtsprechung des BFH zu § 172 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO auf § 171 Abs. 3 AO nicht
übertragbar sei. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.
Da eine Ablaufhemmung aufgrund anderer Vorschriften nicht
ersichtlich ist, ist die Sache spruchreif.
|
|
|
26
|
1. Zu Recht besteht zwischen den Beteiligten
kein Streit darüber, dass die Festsetzungsfrist für die
Körperschaftsteuer 2008 regulär am 31.12.2015 abgelaufen
ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs.
2 Satz 1 Nr. 1 AO).
|
|
|
27
|
2. Entgegen der Auffassung des FG ist der
Ablauf dieser Frist durch das Schreiben des Klägers vom
18.12.2015 allerdings nicht gemäß § 171 Abs. 3 AO
gehemmt worden.
|
|
|
28
|
a) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist
außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag
auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer
Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 AO
gestellt, so läuft gemäß § 171 Abs. 3 AO
i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 22.12.1999 (BGBl I
1999, 2601) die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor
über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist. Seit
dieser Gesetzesänderung regelt Abs. 3 nur noch - inhaltlich
unverändert (BRDrucks 475/99, S. 92 f.) - die Ablaufhemmung
für Anträge des Steuerpflichtigen außerhalb des
Einspruchs- oder Klageverfahrens.
|
|
|
29
|
aa) Die Regelung dient dem Schutz des
Steuerpflichtigen: Sie stellt sicher, dass der Erfolg eines einmal
gestellten Antrags nicht von der Arbeitsweise und -geschwindigkeit
der Behörde abhängt; eine antragsgemäße
Entscheidung soll nicht allein daran scheitern, dass die
Behörde die Prüfung des Antrags nicht innerhalb der nach
anderen Vorschriften zu bestimmenden Festsetzungsfrist
abschließt (vgl. BFH-Urteile vom 24.05.2006 - I R 9/05,
BFH/NV 2006, 2019 = SIS 06 41 20, und I R 93/05, BFHE 214, 7, BStBl
II 2007, 76 = SIS 06 40 88; vom 27.11.2013 - II R 57/11, BFHE 243,
313, BStBl II 2016, 506 = SIS 14 04 75, Rz 17).
|
|
|
30
|
bb) Zugleich soll die Vorschrift
sicherstellen, dass u.a. Anträge auf Steuerfestsetzung nicht
durch Ablauf der regulären Festsetzungsfrist gegenstandslos
werden, sondern unabhängig von der Dauer der Bearbeitungszeit
einer Sachentscheidung durch die Verwaltung zugänglich bleiben
(BFH-Urteil vom 23.03.1993 - VII R 38/92, BFHE 171, 10, BStBl II
1993, 581 = SIS 93 14 59, unter II.a, Rz 33; Banniza in
Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 171 AO Rz 24).
|
|
|
31
|
b) Bei der Auslegung des § 171 Abs. 3 AO
ist die Gesetzessystematik der §§ 169 ff. AO zu beachten.
Muss der Steuerpflichtige eine Steuererklärung abgeben, sieht
das Gesetz keine Ablaufhemmung, wohl aber eine Anlaufhemmung
(§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) vor. Der Steuerpflichtige
handelt, indem er eine Steuer- oder Feststellungserklärung
abgibt; wer dies innerhalb der Frist unterlässt, muss an sich
den damit verbundenen Nachteil, dass ggf. kein Bescheid mehr
ergeht, tragen (vgl. BFH-Urteil vom 22.01.2013 - IX R 1/12, BFHE
239, 385, BStBl II 2013, 663 = SIS 13 07 91, Rz 12). Dann bietet
die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a AO dem Steuerpflichtigen
Schutz gegen den Ablauf der Festsetzungsfrist: Dazu muss er (ggf.
mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen) innerhalb der Frist
eine Steuererklärung einreichen und danach, wenn seiner
Steuererklärung vom FA nicht gefolgt wird, ggf. einen
(Untätigkeits-)Einspruch einlegen (vgl. BFH-Urteile vom
29.06.2011 - IX R 38/10, BFHE 233, 326, BStBl II 2011, 963 = SIS 11 25 87, Rz 24; in BFHE 239, 385, BStBl II 2013, 663 = SIS 13 07 91,
Rz 14).
|
|
|
32
|
c) Aufgrund dieser Erwägungen verlangt
die Rechtsprechung des BFH für eine Ablaufhemmung nach §
171 Abs. 3 AO zunächst, dass der Steuerpflichtige vor Ablauf
der Festsetzungsfrist bei der für ihn zuständigen
Behörde (vgl. BFH-Urteil vom 13.02.2020 - VI R 37/17 = SIS 20 07 03, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, DStR 2020,
1434 = SIS 20 07 03, Rz 23) einen Antrag gestellt hat (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 243, 313, BStBl II 2016, 506 = SIS 14 04 75, Rz
18), aus dem sich zweifelsfrei ergibt, inwieweit eine
Steuerfestsetzung begehrt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 18.08.2015 -
VII R 5/14, BFH/NV 2016, 74 = SIS 15 28 62, Rz 18). Eine ggf.
vorgeschriebene Form ist einzuhalten (vgl. BFH-Urteil vom
01.07.2008 - VII R 37/07, BFH/NV 2008, 2062 = SIS 08 41 66, unter
II.2., Rz 11, 14).
|
|
|
33
|
aa) Zur weiteren Konkretisierung des
Antragserfordernisses ist der BFH zunächst einhellig davon
ausgegangen, dass als „Antrag“ i.S. des §
171 Abs. 3 AO a.F. nur solche Willensbekundungen zu verstehen sind,
die ein Tätigwerden der Finanzbehörden außerhalb
des infolge der Amtsmaxime ohnehin gebotenen Verwaltungshandelns
auslösen sollen (vgl. BFH-Urteile vom 18.06.1991 - VIII R
54/89, BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124 = SIS 92 02 48, unter 1.,
Rz 14; vom 11.05.1995 - V R 136/93, BFH/NV 1996, 1, unter II.1.b,
Rz 14). Auch wenn sich in dieser Hinsicht - nun zu § 171 Abs.
3 AO n.F. - die Rechtsprechung fortentwickelt haben könnte (s.
einerseits BFH-Urteile in BFHE 214, 7, BStBl II 2007, 76 = SIS 06 40 88, unter II.4.c bb aaa, Rz 33; vom 24.06.2008 - IX R 64/06,
BFH/NV 2008, 1676 = SIS 08 35 89, unter II.2.c bb, Rz 30;
andererseits BFH-Urteile vom 28.08.2014 - V R 8/14, BFHE 247, 21,
BStBl II 2015, 3 = SIS 14 28 06, Rz 10; vom 12.08.2015 - I R 63/14,
BFH/NV 2016, 161 = SIS 16 00 20, Rz 24; vom 20.01.2016 - VI R
14/15, BFHE 252, 396, BStBl II 2016, 380 = SIS 16 05 75, Rz 15; vom
30.03.2017 - VI R 43/15, BFHE 257, 333, BStBl II 2017, 1046 = SIS 17 08 44, Rz 27), hat der BFH aber daran festgehalten, dass eine
Steuererklärung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 165, 445, BStBl II
1992, 124 = SIS 92 02 48; in BFH/NV 2006, 2019 = SIS 06 41 20,
unter II.2.e c bbb cccc, Rz 38; in BFHE 214, 7, BStBl II 2007, 76 =
SIS 06 40 88, unter II.4.c bb ccc, Rz 35; ebenso der
Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 171 AO Tz. 2) oder
eine Feststellungserklärung (vgl. BFH-Urteil vom 10.07.2008 -
IX R 90/07, BFHE 222, 32, BStBl II 2009, 816 = SIS 08 42 97, unter
II.2.b, Rz 14) grundsätzlich keine Anträge i.S. des
§ 171 Abs. 3 AO sind, und zwar auch dann nicht, wenn sie zur
Auszahlung eines Überschusses (Steuervergütung,
„Erstattung“) führen sollen (vgl.
BFH-Urteile in BFH/NV 1996, 1, unter II.1.b aa, Rz 14; vom
18.02.2009 - V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876 = SIS 09 16 37, unter II.4.b bb, Rz 43; in BFHE 247, 21, BStBl II 2015, 3 =
SIS 14 28 06, Rz 10). Anders ist es nur dort, wo - abweichend vom
Streitfall - eine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung
nicht besteht und ihr daher ein doppelter Zweck zukommt (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 252, 396, BStBl II 2016, 380 = SIS 16 05 75, Rz
15, 17, bei Antragsveranlagung; in BFHE 257, 333, BStBl II 2017,
1046 = SIS 17 08 44, Rz 31; s. zur Abgrenzung auch Teller, HFR
2017, 611, 615).
|
|
|
34
|
bb) Ziel dieser einschränkenden Auslegung
des Begriffs „Antrag“ i.S. des § 171 Abs. 3
AO ist die Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen, die eine Steuer-
oder Feststellungserklärung innerhalb der Festsetzungs- oder
Feststellungsfrist abgeben, mit den Steuerpflichtigen, die dies
unterlassen haben (vgl. BFH-Urteile in BFHE 165, 445, BStBl II
1992, 124 = SIS 92 02 48, unter 1., Rz 15; in BFHE 239, 385, BStBl
II 2013, 663 = SIS 13 07 91, Rz 16).
|
|
|
35
|
cc) Ist innerhalb der Festsetzungsfrist kein
Antrag eingegangen, ist der Anspruch aus dem
Steuerschuldverhältnis erloschen; Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand ist nicht möglich (vgl. BFH-Urteil vom
24.01.2008 - VII R 3/07, BFHE 220, 214, BStBl II 2008, 462 = SIS 08 15 08, unter II.2.b, Rz 15). Dasselbe gilt, wenn sich das Ziel des
Steuerpflichtigen nicht durch Auslegung des eingereichten
Schreibens ermitteln lässt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 74
= SIS 15 28 62, Rz 18, unter Verweis auf das - zu § 172 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 AO ergangene - Senatsurteil vom 27.10.1993 - XI R
17/93, BFHE 172, 493, BStBl II 1994, 439 = SIS 94 04 52).
|
|
|
36
|
dd) Ob und mit welcher Reichweite ein Antrag
i.S. von § 171 Abs. 3 AO vorliegt, hat das FG im Wege der
Auslegung (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) als
Tatsacheninstanz zu ermitteln (z.B. BFH-Urteil vom 15.05.2013 - IX
R 5/11, BFHE 241, 310, BStBl II 2014, 143 = SIS 13 23 19, Rz 22,
m.w.N.).
|
|
|
37
|
d) Diese Rechtsprechung entwickelt der
erkennende Senat dahin gehend fort, dass sich auch in Fällen
des § 171 Abs. 3 AO, in denen der Steuerpflichtige zur
Einreichung einer Steuererklärung gesetzlich verpflichtet ist,
das von ihm verfolgte Begehren seinem sachlichen Gehalt nach
zumindest in groben Zügen bereits aus dem fristgerecht
gestellten Antrag selbst ergeben muss, so dass Angaben zur rein
betragsmäßigen Auswirkung auf die Steuerfestsetzung
für die Bestimmtheit des Antrags für sich genommen nicht
ausreichend sind.
|
|
|
38
|
aa) Im Bereich der „schlichten
Änderung“ (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
AO) versteht der BFH das dort geltende Antragserfordernis dahin
gehend, dass sich auch das vom Steuerpflichtigen verfolgte
Änderungsbegehren seinem sachlichen Gehalt nach zumindest in
groben Zügen bereits aus dem fristgerecht gestellten Antrag
auf „schlichte“ Änderung selbst ergeben
muss, so dass Angaben zur rein betragsmäßigen Auswirkung
der Änderung auf die Steuerfestsetzung für die
Bestimmtheit des Antrags für sich genommen nicht ausreichend
sind (grundlegend BFH-Urteil vom 20.12.2006 - X R 30/05, BFHE 216,
31, BStBl II 2007, 503 = SIS 07 11 13, unter II.3., Rz 13, 14 ff.,
23 ff.; s.a. BFH-Urteile vom 25.09.2013 - VIII R 46/11, juris = SIS 13 35 15, Rz 26; vom 18.09.2014 - VI R 80/13, BFHE 247, 111, BStBl
II 2015, 115 = SIS 14 30 35, Rz 22; BFH-Beschluss vom 22.05.2019 -
XI R 17/18, BFHE 264, 399, BStBl II 2019, 647 = SIS 19 11 73, Rz 26
f.).
|
|
|
39
|
(1) Der BFH hat diese Auffassung damit
begründet, dass eine dem § 367 Abs. 2 Satz 1 AO
vergleichbare Vorschrift für das Verfahren bei einem Antrag
auf „schlichte“ Änderung fehle und dieser
nur eine punktuelle Korrektur ermögliche (vgl. BFH-Urteile vom
07.07.2004 - XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911 = SIS 04 35 25, unter II.3.c, Rz 20; vom 04.05.2011 - I R 67/10, BFH/NV
2012, 6 = SIS 11 38 73, Rz 27). Die Finanzbehörde habe zu
prüfen, ob sie dem Begehren des Antragstellers „der
Sache nach“ entsprechen kann. Um diese Aufgabe
erfüllen zu können, müsse für die Behörde
erkennbar sein, auf welche sachverhaltsbezogenen Korrekturpunkte
der Antrag ziele. Die bloß betragsmäßige Benennung
eines Änderungsrahmens ohne Angabe eines gegenüber den
bisherigen Besteuerungsgrundlagen abweichenden Lebenssachverhalts
ermögliche der Behörde dies gerade nicht.
|
|
|
40
|
(2) An die Konkretisierung des Antrags auf
„schlichte“ Änderung sind allerdings keine
strengeren Anforderungen zu stellen als an die Bezeichnung des
Gegenstands des Klagebegehrens in Schätzungsfällen (vgl.
BFH-Beschluss in BFHE 264, 399, BStBl II 2019, 647 = SIS 19 11 73,
Rz 37).
|
|
|
41
|
(3) Die Prüfung, ob der Antrag in diesem
Sinne hinreichend konkretisiert ist, obliegt dem FG; der BFH ist an
dessen tatsächliche Würdigung gemäß § 118
Abs. 2 FGO gebunden, wenn sie verfahrensrechtlich einwandfrei
zustande gekommen und aufgrund der festgestellten Tatsachen
möglich ist, die Grundsätze der Auslegung von
Willenserklärungen beachtet sowie weder gegen Denkgesetze noch
gegen Erfahrungssätze verstößt (vgl. BFH-Beschluss
in BFHE 264, 399, BStBl II 2019, 647 = SIS 19 11 73, Rz 28,
m.w.N.).
|
|
|
42
|
bb) Die Frage, ob diese Rechtsprechung auf den
Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO übertragbar ist, ist
bisher umstritten.
|
|
|
43
|
(1) Während die Vorentscheidung in Rz 63
f. (juris) diese Frage verneint hat, haben das FG
Baden-Württemberg (Urteil in EFG 2008, 756 = SIS 08 15 65, Rz
27, rkr.), das FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 03.05.2007 - 13 K
1095/02, EFG 2009, 964 = SIS 09 11 50, Rz 34) und das FG Hamburg
(Urteil vom 12.02.2010 - 4 K 243/08, juris = SIS 10 14 23, Rz 52,
rkr.) abweichend entschieden. Das Niedersächsische FG (Urteil
vom 13.09.2012 - 15 K 249/11, EFG 2012, 2290 = SIS 13 00 19, Rz 18,
rkr.) und das FG Nürnberg (Urteil vom 08.07.2015 - 3 K
1339/14, juris = SIS 15 25 15, Rz 36, rkr.) haben es für einen
Antrag auf Gewährung von Kindergeld für erforderlich
gehalten, dass im Antrag das/die Kind(er) anzugeben ist/sind,
für das/die Kindergeld beantragt wird. Auch ihnen genügt
damit eine betragsmäßige Angabe nicht.
|
|
|
44
|
(2) In der Literatur wird teilweise eine
Übertragbarkeit der Rechtsprechung angenommen (so
ausdrücklich Paetsch in Gosch, AO § 171 Rz 24; Drüen
in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz 13; Witt/Kersten, AO-eKommentar,
§ 171 Rz 6; wohl auch Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 28,
32; Klein/Rüsken, AO, 15. Aufl., § 171 Rz 12; offen
Günther, Der AO-Steuerberater 2020, 61, 62) und der
Vorentscheidung widersprochen (vgl. Drüen in Tipke/Kruse,
§ 171 AO Rz 13; Wackerbeck in EFG 2019, 664, 668; BeckOK
AO/Fink, 13. Ed. [01.07.2020] AO § 171 Rz 79a). Geltend
gemacht wird, dass ansonsten ein Steuerpflichtiger, der trotz
bestehender Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung
innerhalb der Festsetzungsfrist zunächst lediglich einen
Antrag auf Steuerfestsetzung nach § 171 Abs. 3 AO stelle,
besser gestellt werde.
|
|
|
45
|
cc) Der Senat folgt der zuletzt
angeführten Auffassung. Will ein zur Einreichung einer
Steuererklärung verpflichteter Steuerpflichtiger einen Antrag
i.S. des § 171 Abs. 3 AO stellen, muss er daher Angaben
machen, deren Erklärungswert über die Ankündigung
einer Steuererklärung mit einem bestimmten Gesamtbetrag der
Einkünfte hinausgeht.
|
|
|
46
|
(1) Eine Übertragung der Grundsätze
des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO auf § 171 Abs.
3 AO ist grundsätzlich möglich; dies folgt schon daraus,
dass bereits der VII. Senat des BFH im Zusammenhang mit der
Auslegung eines solchen Antrags in Rz 18 des BFH-Urteils in BFH/NV
2016, 74 = SIS 15 28 62 auf die Rechtsprechung zu § 172 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO (d.h. das Senatsurteil in BFHE 172, 493,
BStBl II 1994, 439 = SIS 94 04 52) zurückgegriffen hat, um das
Ziel des Antrags des Steuerpflichtigen zu ermitteln.
|
|
|
47
|
(2) Für eine Übertragung der
Rechtsprechung in der hier zu beurteilenden Frage spricht
zunächst, dass auch einem vor Abgabe der Steuererklärung
eingereichten Schreiben - ebenso wie einem Begleitschreiben zu
einer Steuererklärung (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 241, 310,
BStBl II 2014, 143 = SIS 13 23 19) - grundsätzlich kein
über die (noch abzugebende) Erklärung hinausgehender
Erklärungswert zukommt, wenn der Steuerpflichtige mit dem
Schreiben im Ergebnis lediglich ankündigt, dass er
beabsichtigt, zukünftig eine Steuererklärung mit einem
bestimmten Gesamtbetrag der Einkünfte abgeben zu wollen. Es
besteht kein Grund, ein solches Schreiben, das eine
Steuerfestsetzung oder Verlustfeststellung zwar formal beantragt,
aber lediglich mitteilt, wie hoch die festzusetzende Steuer und der
Gesamtbetrag der Einkünfte seien, gegenüber einem
Begleitschreiben zu einer eingereichten Steuererklärung mit
denselben Angaben zu privilegieren.
|
|
|
48
|
(3) Diese Beurteilung führt zu einer
(nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich
gebotenen) Gleichbehandlung der zur Abgabe von
Steuererklärungen verpflichteten Steuerpflichtigen: Ein
Steuerpflichtiger, der innerhalb der Festsetzungsfrist
zunächst lediglich einen Antrag auf Steuerfestsetzung nach
§ 171 Abs. 3 AO stellt, dessen Erklärungswert nicht
über den der noch einzureichenden Steuererklärung
hinausgeht, wird dadurch nicht besser gestellt als ein
Steuerpflichtiger, der zusammen mit seinem Antrag nach § 171
Abs. 3 AO seine Steuererklärung abgibt.
|
|
|
49
|
(4) Andererseits ist der Senat nicht der
Auffassung, dass bei zur Abgabe einer Steuererklärung
verpflichteten Steuerpflichtigen ein Antrag nach § 171 Abs. 3
AO von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. ebenso für
Anträge nach Einreichung der Steuererklärung BFH-Urteil
in BFHE 239, 385, BStBl II 2013, 663 = SIS 13 07 91, Rz 19; a.A.
insoweit Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 28; Paetsch in Gosch, AO
§ 171 Rz 26). Auch bei ihnen darf - entsprechend dem
Gesetzeszweck des § 171 Abs. 3 AO - der Erfolg eines einmal
gestellten Antrags nicht von der Arbeitsweise und -geschwindigkeit
der Behörde abhängen und eine antragsgemäße
Entscheidung nicht allein daran scheitern, dass die Behörde
die Prüfung des Antrags nicht innerhalb der nach anderen
Vorschriften zu bestimmenden Festsetzungsfrist abschließt.
Der Wortlaut des § 171 Abs. 3 AO bietet für eine derart
einschränkende Auslegung einer zum Schutz der
Steuerpflichtigen geschaffenen Vorschrift keine hinreichende
Stütze.
|
|
|
50
|
(5) Allerdings greift der unter III.2.a aa und
soeben unter III.2.d cc (4) genannte Grundsatz, dass der Erfolg
oder Misserfolg des Antrags des Steuerpflichtigen nicht von der
Arbeitsweise und -geschwindigkeit der Behörde abhängen
darf, nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der
Festsetzungsfrist tatsächliche Angaben macht, die die
Behörde überhaupt in die Lage versetzen, das Begehren der
Sache nach zu bearbeiten. Unterlässt er dies, hängt der
Erfolg oder Misserfolg seines Antrags nicht von der Arbeitsweise
und -geschwindigkeit der Behörde ab, sondern ist durch seine
fehlenden Angaben veranlasst.
|
|
|
51
|
Dieser Gedanke kommt in der zu § 172 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO ergangenen Rechtsprechung ebenfalls zum
Ausdruck (s. unter III.2.d aa (1)): Ein bezifferter Antrag des
Steuerpflichtigen - im Streitfall ausgehend von einem Gesamtbetrag
der Einkünfte von -1 Mio. EUR die Körperschaftsteuer auf
0 EUR festzusetzen und einen vortragsfähigen Gewerbeverlust in
Höhe von 1 Mio. EUR festzustellen - kann vom FA nur dann in
der Sache bearbeitet werden, wenn der Steuerpflichtige
tatsächliche Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen macht. Dies
gilt bei § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO (der beim
Gewerbesteuermessbetrag 2008 vom FA herangezogen wurde) und bei
§ 171 Abs. 3 AO in gleicher Weise.
|
|
|
52
|
(6) Zugleich entspricht der bei § 172
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO vom BFH gewählte Ansatz, vom
Steuerpflichtigen zur Substantiierung seines Antrags vor Abgabe der
Steuererklärung Angaben zu verlangen, die in
Schätzungsfällen zur Bezeichnung des Gegenstands des
Klagebegehrens notwendig sind (s. unter III.2.d aa (2)), dem
wirtschaftlichen Gehalt des Antrags i.S. des § 171 Abs. 3 AO,
mit dem ein zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichteter
Steuerpflichtiger eine bestimmte Steuerfestsetzung beantragt, ohne
die Steuererklärung gleichzeitig beim FA einzureichen oder
zuvor beim FA eingereicht zu haben: Im Ergebnis beantragt er damit
beim FA, es möge aufgrund der Nichtabgabe der
Steuererklärung die Steuer gemäß § 162 Abs. 1
Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 AO mit den vom Steuerpflichtigen
geschätzten Besteuerungsgrundlagen festsetzen. Soweit dem
Steuerpflichtigen - wie im Streitfall - wegen fehlender Unterlagen
genaue Angaben (noch) nicht möglich sind, muss er nach
Auffassung des Senats zur Konkretisierung seines Antrags
gegenüber dem FA eine substantiierte eigene Schätzung
anhand der ihm zugänglichen Erkenntnisquellen vornehmen (vgl.
zu diesem Erfordernis in Schätzungsfällen gegenüber
dem Gericht die BFH-Beschlüsse vom 31.07.2007 - VIII B 41/05,
BFH/NV 2007, 2304 = SIS 08 01 26, unter a, Rz 6; vom 14.08.2013 -
III B 13/13, BFH/NV 2013, 1795 = SIS 13 28 10, Rz 11; vom
22.09.2015 - I B 61/15, BFH/NV 2016, 414 = SIS 16 02 62, Rz 8; vom
23.06.2017 - X B 11/17, BFH/NV 2017, 1440 = SIS 17 18 70, Rz 14),
und zwar gemäß § 171 Abs. 3 AO vor Ablauf der
Festsetzungsfrist. Der Rechtsschutz des Steuerpflichtigen wird
dadurch - wie bei § 65 FGO - nicht unzumutbar
eingeschränkt, da sich der Umfang seiner
Substantiierungspflicht nach den ihm zugänglichen
Erkenntnisquellen richtet. Dies gilt auch im Streitfall, in dem
sich der Kläger als Insolvenzverwalter die zur Erstellung der
Steuererklärung erforderlichen Unterlagen nach seinen Angaben
erst bei Dritten beschaffen musste; Maßstab für das an
seinen Antrag zu richtende Erfordernis zur Substantiierung sind die
ihm am Tag des Antrags zugänglichen Erkenntnisquellen.
|
|
|
53
|
(7) Diese Beurteilung stellt außerdem
Fälle, in denen ein zur Abgabe von Steuererklärungen
verpflichteter Steuerpflichtiger eine bestimmte Steuerfestsetzung
beantragt, ohne die Steuererklärung beim FA einzureichen bzw.
eingereicht zu haben, im Ergebnis weitgehend mit den Fällen
gleich, in denen ein Steuerpflichtiger vor Ablauf der
Festsetzungsfrist eine Steuererklärung mit ganz oder teilweise
geschätzten Besteuerungsgrundlagen beim FA einreicht und
anschließend einen (ggf. Untätigkeits-)Einspruch
einlegt, falls das FA seiner Erklärung (ggf. i.S. des §
367 Abs. 1 Satz 2 AO ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes
binnen angemessener Frist) nicht folgt (s. dazu auch oben unter
III.2.b). Dies trägt daher ebenfalls zur weitgehenden
Gleichbehandlung aller zur Abgabe von Steuererklärungen
verpflichteten Steuerpflichtigen bei, auch wenn der Umfang der
Ablaufhemmung nach den § 171 Abs. 3 und Abs. 3a AO nicht
identisch ist.
|
|
|
54
|
e) Unter Anlegung dieser Maßstäbe
hat das FG zu Unrecht angenommen, dass der Antrag des Klägers
vom 18.12.2015 nach § 171 Abs. 3 AO zu einer Ablaufhemmung
geführt hat; die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.
|
|
|
55
|
aa) Da das FG im Rahmen der - nach den
Ausführungen unter III.2.c dd ihm obliegenden - Prüfung
und Auslegung des Schreibens vom 18.12.2015 von unzutreffenden
Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist der Senat an die
Würdigung des FG, das Schreiben enthalte einen Antrag i.S. des
§ 171 Abs. 3 AO, nicht gemäß § 118 Abs. 2 FGO
gebunden.
|
|
|
56
|
bb) Die tatsächlichen Feststellungen des
FG reichen jedoch aus, um die erforderliche Prüfung durch den
erkennenden Senat selbst vorzunehmen. Eine Ablaufhemmung nach
§ 171 Abs. 3 AO ist nicht eingetreten. Das Schreiben vom
18.12.2015 enthält keinen Antrag i.S. des § 171 Abs. 3
AO; denn der Kläger hat dem FA in seinem Schreiben lediglich
mehrere Steuer-, Verlust- und Einkünftebeträge
mitgeteilt, aber nicht den sachlichen Gehalt seines Begehrens in
groben Zügen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der
Kläger zu den von ihm genannten Zahlen durch eine
substantiierte eigene Schätzung anhand der ihm damals
zugänglichen Erkenntnisquellen gelangt ist.
|
|
|
57
|
3. Zutreffend gehen beide Beteiligte und das
FG übereinstimmend davon aus, dass der Ablauf der
Festsetzungsfrist nicht nach § 171 Abs. 13 AO gehemmt ist.
|
|
|
58
|
a) Danach läuft zwar die
Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung
des Insolvenzverfahrens ab, soweit vor Ablauf der Festsetzungsfrist
eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren
angemeldet wird. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen
der GmbH wurde auch erst am 28.05.2019 beendet. Außerdem
wurde die Körperschaftsteuer 2008 vom FA nicht
festgesetzt.
|
|
|
59
|
b) Allerdings hat das FG festgestellt, dass
das FA eine Körperschaftsteuer 2008 nicht zur Tabelle
angemeldet hat. Fehlt es insoweit an einer Forderungsanmeldung des
FA, greift § 171 Abs. 13 AO nicht ein.
|
|
|
60
|
4. Die Sache ist zum Streitjahr 2008
spruchreif im Sinne der Abweisung der Klage. Da der Ablauf der
Festsetzungsfrist nicht nach den § 171 Abs. 3 oder 13 AO
gehemmt war und eine sonstige Ablaufhemmung nicht ersichtlich ist,
war die Festsetzungsfrist am 07.11.2016 bereits abgelaufen. Der
Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung für das Jahr
2008 sind daher rechtmäßig.
|
|
|
61
|
5. Die Revision wegen des Streitjahres 2007
ist folglich ebenfalls begründet; die Vorentscheidung ist auch
insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
62
|
a) Dabei pflichtet der Senat dem FG
zunächst darin bei, dass die Klageschrift vom 13.04.2007 dahin
gehend auszulegen ist, dass auch die Körperschaftsteuer 2007
Streitgegenstand ist.
|
|
|
63
|
aa) Dies ergibt sich nach Auffassung des
Senats schon daraus, dass der Kläger - wie sich aus S. 2 der
Klageschrift („wegen … 2. …“) ergibt
- gegen den Bescheid vom 24.11.2016, mit dem das FA den
Rücktrag des Verlusts nach 2007 abgelehnt hat, Klage erhoben
und dabei - gemäß der Sollvorschrift des § 65 Abs.
1 Satz 4 FGO - eine Abschrift (auch) dieses Bescheids (zusammen mit
der Einspruchsentscheidung vom 13.03.2017, mit der das FA den
Einspruch des Klägers auch insoweit als unbegründet
zurückgewiesen hat), übersandt hat.
|
|
|
64
|
bb) Auch hat der Kläger die Klage wegen
Körperschaftsteuer 2007 nicht zurückgenommen. Ein solcher
Erklärungswille kann dem Schreiben vom 04.07.2017 nicht
beigemessen werden.
|
|
|
65
|
b) Allerdings ist die Revision des FA auch
insoweit begründet. Die Klage ist jedenfalls unbegründet.
Zwar ist auch der Antrag auf Durchführung eines
Verlustrücktrags ein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO
(vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1676 = SIS 08 35 89, unter II.2.c
bb, Rz 30). Jedoch ist nach den Ausführungen unter III.1. bis
4. die Festsetzungsfrist für das Jahr 2008 am 31.12.2015
abgelaufen. Daher war auch der Ablauf der Festsetzungsfrist
für die Körperschaftsteuer 2007 nicht, wie das FG
angenommen hat, nach § 10d Abs. 1 Satz 4 EStG i.V.m. § 8
Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes über den 31.12.2015
hinaus gehemmt. Die Festsetzungsfrist für das Jahr 2007 war am
07.11.2016 ebenfalls abgelaufen. Der Ablehnungsbescheid und die
Einspruchsentscheidung sind daher auch für das Jahr 2007
rechtmäßig; die Klage wegen Körperschaftsteuer 2007
ist - unter Aufhebung der Vorentscheidung - abzuweisen.
|
|
|
66
|
6. Die Darlegungen und Rechtsausführungen
des Klägers im Schriftsatz vom 24.09.2020 bieten keinen
Anlass, die mündliche Verhandlung nach § 93 Abs. 3 Satz 2
FGO wiederzueröffnen.
|
|
|
67
|
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 FGO.
|