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I. Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist Reiter und betrieb in den
Jahren 2007 bis 2012 (Streitjahre) einen „Ausbildungsstall
für Turnierpferde“. Im Betrieb des Klägers wurden
die ihm zur Verfügung gestellten Pferde professionell
untergestellt und gepflegt, ausgebildet und auf Turnieren im In-
und Ausland eingesetzt. Mit den im Inland ansässigen
Eigentümern der Pferde schloss der Kläger jeweils
„Überlassungsverträge“, nach denen diese ihre
Pferde dem Kläger „zur Verfügung stellten“.
Der jeweilige Eigentümer verzichtete auf jegliches
Weisungsrecht betreffend Training und Einsatz der Pferde. Weiter
wurde vereinbart, dass der Eigentümer die Kosten für den
Unterhalt, Turnier- und Transportkosten, Hufschmied und Tierarzt
der Pferde zu tragen hatte, während der Kläger die auf
ihn als Reiter entfallenden Kosten für den Turniereinsatz
(Fahrt-, Flug- und Hotelkosten, Spesen) zu übernehmen hatte.
Da Gewinngelder bei Pferdeturnieren allein dem Eigentümer der
Pferde zustanden, wurde weiter vereinbart, dass der Kläger 50
% aller Geld- und Sachpreise, die er für den Eigentümer
mit dessen Pferden gewinnt, erhalten sollte. Dabei trat der
jeweilige Eigentümer seine zukünftigen Ansprüche
gegen den jeweiligen Turnierveranstalter auf Auszahlung der Preise
und auf Übertragung des Eigentums an Sachpreisen bereits mit
dem Überlassungsvertrag zur Hälfte an den Kläger ab.
Der Kläger war berechtigt, Zahlungsansprüche des
Eigentümers mit Gegenforderungen zu verrechnen.
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2
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Der Kläger setzte auf in- und
ausländischen Turnieren sowohl eigene als auch fremde Pferde
ein. Die auf den Turnieren mit fremden Pferden erlangten Gewinne
verrechnete der Kläger mit Pensionskosten, Kosten für
Tierarzt, Arzneimittel, Hufschmied, Turnierkosten und weiteren
Kosten entsprechend den Vereinbarungen mit den
Pferdeeigentümern.
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3
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Im Rahmen einer Außenprüfung
ging der Prüfer davon aus, dass die inländischen und
ausländischen Turniererlöse mit fremden Pferden dem
Regelsteuersatz unterliegen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) erließ daraufhin nach § 164 der
Abgabenordnung geänderte Umsatzsteuerbescheide vom 08.10.2015
und hob jeweils den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Mit
Einspruchsentscheidung vom 06.07.2017 wies das FA die
Einsprüche des Klägers als unbegründet
zurück.
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Auch die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte
im Hauptstreitpunkt keinen Erfolg. Unter Bezugnahme auf das zu Art.
2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL) ergangene Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union (EuGH) Baštová vom 10.11.2016 -
C-432/15 (EU:C:2016:855 = SIS 16 23 84) und auf die Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Umsatzsteuergesetz (UStG) entschied
das FG in dem in EFG 2021, 500 = SIS 19 17 67 veröffentlichten
Urteil, dass die Preisgelder für die Teilnahme an
inländischen und ausländischen Turnieren mit fremden
Pferden ein Entgelt für dem Regelsteuersatz unterliegende
Leistungen seien. Der Kläger habe auf der Grundlage der mit
den Pferdeeigentümern geschlossenen Verträge eine
einheitliche Leistung
erbracht, die die
Unterbringung, das Training der Pferde und die Turnierteilnahme
umfasst habe. Für dieses Leistungsbündel habe er vom
Eigentümer des jeweiligen Pferdes zum einen Kostenersatz
für Unterhalt, Turnier- und Transportkosten, Hufschmied und
Tierarzt und zum anderen eine Beteiligung an den
Turniererlösen erhalten. Somit habe er seine Leistung auch
gegen Abtretung eines Teils der - den Pferdeeigentümern
zustehenden - Preisgelder erbracht. Es gehe hier um die
gegenüber dem Leistungsverhältnis zwischen dem
Pferdeeigentümer und dem Turnierveranstalter
eigenständige Leistungsbeziehung zwischen dem Kläger und
dem jeweiligen Pferdeeigentümer. Der Kläger habe keine
eigenen, unmittelbaren Ansprüche gegenüber den
Turnierveranstaltern erlangt. Er habe die Hälfte der
Turniergewinne vielmehr nur aufgrund eines eigenen
Leistungsaustauschverhältnisses zwischen ihm und dem
Pferdeeigentümer behalten dürfen.
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In dem hiergegen vom Kläger
eingeleiteten Revisionsverfahren ist nur noch die Frage streitig,
ob der Kläger gegenüber den Pferdeeigentümern
Leistungen erbracht hat, die durch die hälftige
Preisgeldabtretung als Entgelt vergütet wurden.
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II. 1. Rechtlicher Rahmen
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a) Unionsrecht
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Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL lautet:
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“Bei allen Umsätzen wird die
Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die
Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands
oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des
Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen
Kostenelemente unmittelbar belastet hat.“
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Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL
bestimmt:
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“Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende
Umsätze: (...)
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c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger
als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt;
(...)“
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Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL lautet:
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“Als ‘Steuerpflichtiger’
gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von
ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.
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Als ‘wirtschaftliche
Tätigkeit’ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers,
Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der
Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien
Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche
Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen
oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen
Erzielung von Einnahmen.“
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In Art. 73 MwStSystRL heißt es:
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“Bei der Lieferung von Gegenständen
und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen,
umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der
Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder
Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber
oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält
oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem
Preis dieser Umsätze zusammenhängenden
Subventionen.“
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b) Nationales Recht
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Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen
der Umsatzsteuer die folgenden Umsätze:
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“die Lieferungen und sonstigen
Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen
seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt
nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder
behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach
gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt“
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§ 10 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 UStG
lauteten in den Streitjahren:
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“Der Umsatz wird bei Lieferungen und
sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem
innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem
Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der
Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten,
jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Zum Entgelt gehört
auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem
Unternehmer für die Leistung gewährt.“
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§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) lautet:
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“Der Bundesfinanzhof ist an die in dem
angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen
gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen
zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht
sind.“
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2. Bisherige Rechtsprechung
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a) EuGH-Rechtsprechung
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Der EuGH hat in seinem Urteil Baštová
(EU:C:2016:855 = SIS 16 23 84, Randziffer - Rz - 40) dem nationalen
Gericht geantwortet, „dass die Überlassung eines
Pferdes durch seinen Eigentümer, der mehrwertsteuerpflichtig
ist, an den Veranstalter eines Pferderennens zwecks Teilnahme des
Pferdes an diesem Rennen keine gegen Entgelt erbrachte
Dienstleistung darstellt, wenn für sie weder ein Antrittsgeld
noch eine andere unmittelbare Vergütung gezahlt wird und nur
die Eigentümer der Pferde mit einer erfolgreichen Platzierung
in dem Rennen ein - sei es auch ein im Voraus festgelegtes -
Preisgeld erhalten. Die Überlassung eines Pferdes stellt
dagegen eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung dar, wenn der
Veranstalter für sie eine von der Platzierung des Pferdes in
dem Rennen unabhängige Vergütung zahlt.“
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Der EuGH hat sich damit zu drei
Fallgestaltungen geäußert, bei denen Tätigkeiten
entweder „mit der Zahlung der Anmeldegebühr und des
Startgeldes“ (Fall 1, EuGH-Urteil Rz 35), mit einem
Preisgeld (Fall 2, EuGH-Urteil Rz 36 folgende - ff. - ) oder
„in Form eines Antrittsgeldes“ (Fall 3,
EuGH-Urteil Rz 39) vergütet werden. Der EuGH hat seine
Entscheidung hierzu mit drei Erwägungen begründet.
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Nach Rz 35 des EuGH-Urteils kann die
tatsächliche Gegenleistung für die Teilnahme eines
Pferdes an einem Pferderennen als sogenannte (sog.)
„Überlassung eines Pferdes“ durch seinen
Eigentümer an den Veranstalter eines Pferderennens nicht die
vom Rennveranstalter erbrachte Dienstleistung sein, die darin
besteht, dem Eigentümer die Teilnahme seines Pferdes an dem
Rennen zu gewähren. Der EuGH begründet dies zum einen
damit, dass die Gewährung der Teilnahme am Pferderennen durch
die Zahlung von Anmeldegebühr und Startgeld vergütet
wird, womit sich der EuGH auch zu Fall 1 äußert. Zum
anderen ist die mögliche Wertsteigerung des Pferdes aufgrund
einer zum Beispiel (z.B.) guten Platzierung schwierig zu beziffern
und ungewiss.
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Zu Fall 2 führt der EuGH in Rz 36 ff.
seines Urteils „zweitens“ aus, dass nicht davon
auszugehen ist, dass für die Überlassung des Pferdes eine
tatsächliche Gegenleistung vorliegt, wenn der Eigentümer
nur bei einer erfolgreichen Platzierung im Rennen ein Preisgeld
erhält. Denn das Preisgeld wird nicht für die
Überlassung des Pferdes, sondern für die Erzielung eines
bestimmten Wettbewerbsergebnisses, die erfolgreiche Platzierung des
Pferdes, gezahlt und unterliegt damit gewissen Unwägbarkeiten.
Zudem steht die Einstufung der Überlassung als
steuerpflichtiger Umsatz in Abhängigkeit von dem Ergebnis, das
das Pferd in dem Rennen erzielt, im Widerspruch zur
EuGH-Rechtsprechung. Nach dieser hat der Begriff
„Dienstleistung“ objektiven Charakter und ist
unabhängig von Zweck und Ergebnis der Umsätze
anwendbar.
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Zu Fall 3 äußert sich der EuGH in
Rz 39 seines Urteils. Danach ist es „drittens“
anders nur bei der Zahlung eines platzierungsunabhängigen
Antrittsgeldes für die Überlassung des Pferdes.
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b) Folgerechtsprechung des BFH
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Mit der Vergütung durch ein Preisgeld
(Fall 2) hat sich der BFH im Nachgang zum Urteil Baštová
(EU:C:2016:855 = SIS 16 23 84) zu zwei Fallgruppen
geäußert. Der BFH hat sich dabei zum einen dem EuGH
für den Fall der Zahlung eines Preisgeldes im Verhältnis
von Turnierveranstalter zum Pferdeeigentümer angeschlossen
(BFH-Urteil vom 02.08.2018 - V R 21/16, Sammlung der Entscheidungen
des Bundesfinanzhofs - BFHE - 262, 548, Bundessteuerblatt II 2019,
339 = SIS 18 18 63).
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Zum anderen hat der BFH mit Urteil vom
10.06.2020 - XI R 25/18 (BFHE 270, 181 = SIS 20 15 09, Rz 45) die
Beurteilung des Urteils Baštová (EU:C:2016:855 = SIS 16 23 84) zum Verhältnis des Turnierveranstalters zum
Pferdeeigentümer auf das Verhältnis zwischen dem
Pferdeeigentümer und dem Inhaber eines Ausbildungsstalls
für Turnierpferde übertragen, wenn der
Pferdeeigentümer Preisgelder zur Hälfte an den Inhaber
des Ausbildungsstalls für Turnierpferde abtritt:
„Jedenfalls auf Fälle der vorliegenden Art, in dem
der Leistende [= Inhaber des Ausbildungsstalls für
Turnierpferde] selbst an dem Wettbewerb teilnimmt und einen Anteil
an dem Preisgeld, das für das von ihm selbst erzielte
Wettbewerbsergebnis an einen Dritten [= Pferdeeigentümer]
gezahlt wird, von dem Dritten erhält, gelten die
Ausführungen des EuGH aus den unter II.2.e genannten
Gründen [= Wiedergabe des EuGH-Urteils Baštová,
EU:C:2016:855 = SIS 16 23 84, Rz 37 bis 40] entsprechend (anderer
Ansicht - a.A. - Urteil des FG Münster vom 19.09.2019 - 5 K 2510/18 U, juris = SIS 19 17 67, Rz 52). Die Zahlung wird auch in diesem
Fall für das Wettbewerbsergebnis des Leistenden gezahlt,
obwohl die Zahlung rechtlich durch einen Dritten, der das Preisgeld
vom Veranstalter erhalten hat, und nicht vom Veranstalter selbst
erfolgt. Das Preisgeld ist keine Zahlung für andere (ggf.
steuerbare) Leistungen des Leistenden. Es gehört daher auch
nicht zu deren Entgelt und fließt nicht in die
Bemessungsgrundlage anderer steuerbarer Leistungen ein.“
Zudem komme es nicht auf die Frage an, ob der Inhaber eines
Turnier- und Ausbildungsstalls für Pferde „an die
Pferdeeigentümer getrennte Leistungen erbracht“ habe
(BFH-Urteil in BFHE 270, 181 = SIS 20 15 09, Rz 1 und 46).
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3. Zur Auslegungsfrage
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a) Kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen
Entgelt und Leistung
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Im Streitfall steht dem Kläger bei einer
siegreichen Turnierteilnahme kein eigener Anspruch auf Preisgeld
gegen den Turnierveranstalter zu. Preisgeldberechtigt ist im
Verhältnis zum Turnierveranstalter nur der
Pferdeeigentümer. Daher erlangt der Kläger einen Anspruch
auf das Preisgeld nur insoweit, als der Pferdeeigentümer ihm
den Preisgeldanspruch abtritt, was im Streitfall jeweils zur
Hälfte im Rahmen der zwischen dem Kläger und dem
jeweiligen Pferdeeigentümer vorliegenden
Rechtsverhältnisse erfolgt ist.
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Nach dem BFH-Urteil in BFHE 270, 181 = SIS 20 15 09 (siehe - s. - oben II.2.b) könnte im Streitfall davon
auszugehen sein, dass die Beurteilung im Fall 2 des EuGH-Urteils
Baštová,
EU:C:2016:855 = SIS 16 23 84 (s. oben II.2.a) nicht nur die dort
unmittelbar entschiedene Fallgestaltung erfasst, dass der
Turnierveranstalter das Preisgeld an den Pferdeeigentümer
zahlt, sondern auch auf die demgegenüber eigenständige
Fallgestaltung zu übertragen ist, dass der
Pferdeeigentümer einen Teil dieses Preisgeldes dem Inhaber des
Ausbildungsstalls für Turnierpferde für dessen
einheitliche Leistung (Unterbringung, Training und Turnierteilnahme von
Pferden) zuwendet.
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Träfe dies zu, würde
möglicherweise ein Leistungsverhältnis zwischen dem
Turnierveranstalter und dem Pferdeeigentümer das davon zu
trennende Leistungsverhältnis zwischen dem Inhaber eines
Ausbildungsstalls für Turnierpferde und dem
Pferdeeigentümer insoweit verdrängen, als das
platzierungsabhängige Preisgeld kein Entgelt für die
Dienstleistung des Inhabers eines Ausbildungsstalls für
Turnierpferde an den Pferdeeigentümer sein kann, soweit der
Pferdeeigentümer das ihm aufgrund der Platzierung seines
Pferdes zustehende Preisgeld abtritt. Dann ließe ein anderes
Leistungsverhältnis den nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. c
MwStSystRL erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer
Dienstleistung und einem Entgelt in dem hier in Rede stehenden
Leistungsverhältnis insoweit entfallen.
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b) Preisgeldabtretung als
Leistungsentgelt
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Gleichwohl erscheint dem Senat eine
Übertragung der Beurteilung zum Preisgeld aus dem
Verhältnis zwischen Turnierveranstalter und
Pferdeeigentümer auf das Verhältnis von
Pferdeeigentümer und Inhaber des Ausbildungsstalls für
Turnierpferde zweifelhaft.
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Diese Zweifel ergeben sich daraus, dass sich
dem EuGH-Urteil Baštová (EU:C:2016:855 = SIS 16 23 84) nicht mit hinreichender Klarheit entnehmen lässt, ob der
EuGH seine Beurteilung mit dem Fehlen eines Entgelts oder mit dem
Fehlen einer Leistung begründet. Ist der EuGH in seinem Urteil
Baštová (EU:C:2016:855) dahingehend zu verstehen, dass
das Fehlen einer Leistung maßgeblich ist, folgt hieraus
für die hier vorliegende Rechtssache, dass eine Dienstleistung
gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL zu
bejahen ist. Unter den Umständen des Streitfalls stellt die
hälftige Abtretung des platzierungsabhängigen Preisgeldes
von dem Pferdeeigentümer an den Inhaber des Ausbildungsstalls
für Turnierpferde eine Bedingung dar, von der der Inhaber des
Ausbildungsstalls für Turnierpferde die Bereitstellung seiner
Dienstleistung (Unterbringung, Training und Turnierteilnahme von
Pferden) abhängig macht, und die damit als solche den
erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Dienstleistung
aufweist (vergleiche - vgl. - in diesem Sinne auch EuGH-Urteil
First Choice Holidays vom 19.06.2003 - C-149/01, EU:C:2003:358 =
SIS 03 29 32, Rz 32 f.).
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Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu
berücksichtigen, dass sich der EuGH in Rz 35 des Urteils
Baštová (EU:C:2016:855 = SIS 16 23 84) mit der Frage
befasst, ob eine Dienstleistung vorliegt, die als Entgelt durch
eine andere Dienstleistung vergütet wird (vgl. zu derartigen
Fallgestaltungen beim sog. Tausch und ähnlichen Vorgängen
EuGH-Urteil Serebryannay vek vom 26.09.2013 - C-283/12,
EU:C:2013:599 = SIS 13 30 49, Rz 38 ff.). Der EuGH verneint dies.
Danach kann die tatsächliche Gegenleistung für die
Teilnahme eines Pferdes an einem Pferderennen als sog.
„Überlassung eines Pferdes“ durch seinen
Eigentümer an den Veranstalter eines Pferderennens
„erstens“ nicht die vom Rennveranstalter
erbrachte Dienstleistung sein, die darin besteht, dem
Eigentümer die Teilnahme seines Pferdes an dem Rennen zu
gewähren. Hieraus ergibt sich nach Auffassung des Senats
für die Beurteilung im Streitfall nichts.
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Die weitere Begründung in Rz 36 ff. des
Urteils Baštová (EU:C:2016:855 = SIS 16 23 84)
erscheint ambivalent. Der EuGH führt zum einen aus, dass
für die Überlassung des Pferdes keine tatsächliche
Gegenleistung vorliegt, wenn der Eigentümer nur bei einer
erfolgreichen Platzierung im Rennen ein Preisgeld erhält. Dies
deutet darauf hin, dass der EuGH auf das Fehlen eines Entgelts (als
Gegenleistung) abstellt.
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Der EuGH begründet dies dann aber zum
anderen damit, dass das Preisgeld nicht für die
Überlassung des Pferdes gezahlt wird, sondern für die
Erzielung eines bestimmten Wettbewerbsergebnisses, die erfolgreiche
Platzierung des Pferdes, und damit gewissen Unwägbarkeiten
unterliegt. Dies deutet darauf hin, dass auf das Fehlen einer
Dienstleistung abzustellen ist. Als Bestätigung hierfür
könnte angesehen werden, dass der EuGH sein Ergebnis weiter
damit begründet, dass die Einstufung der Überlassung als
steuerpflichtiger Umsatz in Abhängigkeit von dem Ergebnis, das
das Pferd in dem Rennen erzielt, im Widerspruch zur
EuGH-Rechtsprechung steht, nach der der Begriff
„Dienstleistung“ objektiven Charakter hat und
unabhängig von Zweck und Ergebnis der Umsätze anwendbar
ist (EuGH-Urteil Baštová, EU:C:2016:855 = SIS 16 23 84,
Rz 38).
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Damit liegen für den Senat Zweifel in
Bezug auf die Bedeutung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL in
seiner Auslegung durch das EuGH-Urteil Baštová
(EU:C:2016:855 = SIS 16 23 84) vor, die eine Vorlage an den EuGH
erforderlich machen.
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4. Zur Entscheidungserheblichkeit
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Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.
Aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen,
die mangels hiergegen gerichteter Revisionsrügen für das
hier vorliegende Revisionsverfahren bindend sind (§ 118 Abs. 2
FGO), steht fest, dass der Kläger als Inhaber eines
Ausbildungsstalls für Turnierpferde eine einheitliche Leistung
erbracht hat, die die Unterbringung und das Training der Pferde
sowie die Turnierteilnahme umfasst hat. Für dieses
Leistungsbündel habe er vom Eigentümer des jeweiligen
Pferdes zum einen Kostenersatz für Unterhalt, Turnier- und
Transportkosten, Hufschmied und Tierarzt und zum anderen eine
hälftige Beteiligung an den Turniererlösen erhalten.
Diese Würdigung entspricht den vom EuGH aufgestellten
Rechtsgrundsätzen zur Abgrenzung einer einheitlichen Leistung
zu einer Mehrheit von Leistungen (vgl. z.B. EuGH-Urteil KPC Herning
vom 04.09.2019 - C-71/18, EU:C:2019:660 = SIS 19 13 43, Rz 34
ff.).
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Ist das EuGH-Urteil Baštová
(EU:C:2016:855 = SIS 16 23 84) dahingehend zu verstehen, dass das
Fehlen eines Entgelts maßgeblich ist, könnte sich die
rechtliche Beurteilung durch das FG entsprechend dem BFH-Urteil in
BFHE 270, 181 = SIS 20 15 09 (s. oben II.2.b) als unzutreffend
erweisen. Auf die Revision des Klägers wäre das Urteil
des FG dann aufzuheben und der Klage stattzugeben.
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Kommt es demgegenüber nach Maßgabe
des EuGH-Urteils
Baštová (EU:C:2016:855 = SIS 16 23 84) auf das
Fehlen einer Leistung an, würde sich das Urteil des FG als
zutreffend erweisen, sodass die Revision des Klägers
unbegründet wäre. Denn im Gegensatz zum Urteil
Baštová (EU:C:2016:855) handelt es sich im Streitfall
nicht nur um eine Leistung, die nur für die Erzielung eines
bestimmten Wettbewerbsergebnisses, die erfolgreiche Platzierung des
Pferdes, gezahlt wird und damit gewissen Unwägbarkeiten
unterliegt. Stattdessen geht es im Streitfall um eine einheitliche
Gesamtleistung, bestehend aus Unterbringung, Training und
Turnierteilnahme von Pferden. Diese Leistung ist in ihrer
Gesamtheit frei von Unwägbarkeiten, da diese nur den
Teilbereich der Turnierteilnahme betreffen. Da eine einheitliche
Gesamtleistung vorliegt, erfolgt die hälftige
Preisgeldabtretung nicht für die Erzielung eines bestimmten
Wettbewerbsergebnisses, sondern für die von diesem Ergebnis
unabhängige Gesamtleistung (bestehend aus Unterbringung,
Training und Turnierteilnahme). Diese einheitliche Leistung hat der
Kläger unabhängig von den Wettbewerbsergebnissen
erbracht. Damit liegt eine Dienstleistung vor, die, wie vom EuGH
gefordert, objektiven Charakter hat. Auf den Umfang der
Preisgeldabtretung kommt es dabei auch aus Sicht des Senats nicht
an.
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Hierfür spricht auch die
Berücksichtigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen
Realität, die ein grundlegendes Kriterium für die
Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt
(EuGH-Urteile Budimex vom 02.05.2019 - C-224/18, EU:C:2019:347 =
SIS 19 06 00, Rz 27, und KrakVet Marek Batko vom 18.06.2020 -
C-276/18, EU:C:2020:485 = SIS 20 06 85, Rz 61). Danach ist davon
auszugehen, dass die hälftigen Preisgeldabtretungen die
Gesamtleistung des Klägers vergüten sollten und die
Parteien zudem davon ausgingen, dass nachhaltig Preisgelder erzielt
werden.
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5. Zur Rechtsgrundlage der Vorlage
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Die Einleitung des Vorabentscheidungsersuchens
an den EuGH beruht auf Art. 267 des Vertrages über die
Arbeitsweise der Europäischen Union.
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6. Zur Verfahrensaussetzung
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Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf
§ 121 Satz 1 in Verbindung mit § 74 FGO.
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