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I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) wohnen in einem Einfamilienhaus, das in ihrem
hälftigen Miteigentum steht. Für das Streitjahr (2015)
wurden sie zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
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Das Dach des Hauses wurde durch Holzpfosten
getragen, welche sich im Laufe der Zeit verdrehten. Zudem bildeten
sich zahlreiche tiefe Risse in der Holzstruktur. Die schadhaften
Pfosten sollten von der Firma K durch Stahlstützen ersetzt
werden. K hielt eine statische Berechnung vor Ausführung der
Arbeiten für unbedingt erforderlich, die von der Firma M
durchgeführt wurde. Im Jahr 2016 wurden auf dieser Grundlage
die Holzpfosten durch K ausgetauscht.
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Für die statische Berechnung stellte M
den Klägern einen Betrag in Höhe von ... EUR in Rechnung,
wobei es sich ausschließlich um Arbeitskosten handelte.
Abgerechnet wurden eine Besprechung der Aufgabenstellung vor Ort,
das Erstellen der statischen Berechnung sowie Nebenkosten. Die
Kläger überwiesen M den Betrag im Streitjahr und
begehrten in ihrer Einkommensteuererklärung u.a. den Abzug
dieser Aufwendungen als Handwerkerleistungen gemäß
§ 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) gewährte die
Steuerermäßigung insoweit nicht. Nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhoben die Kläger Klage, der das
Finanzgericht (FG) mit den in EFG 2019, 1833 = SIS 19 16 01
veröffentlichten Gründen stattgab.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Das FA beantragt,
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den Gerichtsbescheid des FG
Baden-Württemberg vom 04.07.2019 - 1 K 1384/19 aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Steuerermäßigung
nach § 35a EStG war für die durch M in Rechnung
gestellten Aufwendungen nicht zu gewähren.
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1. Gemäß § 35a Abs. 3 Satz 1
EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche
Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von
Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und
Modernisierungsmaßnahmen um 20 % der Aufwendungen des
Steuerpflichtigen, höchstens um 1.200 EUR. Nach § 35a
Abs. 5 Satz 2 EStG gilt die Ermäßigung nur für
Arbeitskosten.
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Handwerkerleistungen sind einfache wie
qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig
davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende
Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und
Modernisierungsmaßnahmen handelt (Senatsurteil vom 21.02.2018
- VI R 18/16, BFHE 261, 42, BStBl II 2018, 641 = SIS 18 07 93, Rz
12). Begünstigt werden handwerkliche Tätigkeiten, die von
Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken
genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden (Senatsurteil vom
28.04.2020 - VI R 50/17, BFHE 273, 178 = SIS 21 15 90, Rz 12,
m.w.N.).
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2. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze
kommt eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG
für die von M in Rechnung gestellten statischen Berechnungen
nicht in Betracht.
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a) Ein Tragwerksplaner (sog. Statiker) ist
grundsätzlich nicht handwerklich tätig, sondern erbringt
Leistungen im Bereich der Planung und rechnerischen
Überprüfung von Bauwerken sowie der Beurteilung der
baulichen Gesamtsituation (vgl. z.B. Oberlandesgericht Köln,
Beschluss vom 31.05.2011 - I-24 U 164/10, NJW 2011, 2739). Dies
steht zwischen den Beteiligten auch nicht in Streit, so dass der
Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht.
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b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz
stellen die statischen Berechnungen auch nicht deshalb eine
Handwerkerleistung dar, weil diese für die im Jahr 2016 von K
erbrachten Leistungen - dem Austausch der schadhaften Pfosten -
unstreitig eine Handwerkerleistung - unerlässlich waren. Denn
die vom FG angenommene „sachliche Verzahnung“
der Leistungen von M mit den Handwerkerleistungen des K mag zwar in
der Sache zutreffen, führt aber nicht dazu, dass die Leistung
eines Statikers als anteilige Handwerkerleistung i.S. des §
35a EStG anzusehen ist.
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Vielmehr sind beide Leistungen jeweils
getrennt zu betrachten und hinsichtlich ihrer Eigenschaft als
„Handwerkerleistungen“ i.S. des § 35a Abs.
3 EStG zu beurteilen. Diese Betrachtungsweise entspricht im
Übrigen auch dem Rechtsgedanken der Senatsurteile vom
13.05.2020 - VI R 4/18 (BFHE 269, 272, BStBl II 2021, 669 = SIS 20 18 08) und VI R 7/18 = SIS 20 18 05. Danach ist für eine von
einem Unternehmer erbrachte Handwerkerleistung, die teilweise in
der Werkstatt des Handwerkers an einem Gegenstand des Haushalts
erbracht wird, nur insoweit die Steuerermäßigung nach
§ 35a EStG zu gewähren, als die Leistung tatsächlich
einen (unmittelbaren) räumlichen Zusammenhang mit dem Haushalt
aufweist, für den sie erbracht wird. Ist eine von einem
Unternehmer erbrachte Leistung hinsichtlich der Erfüllung der
Tatbestandsmerkmale des § 35a EStG ggf. aufzuteilen, so sind
erst recht zwei getrennte und von unterschiedlichen Unternehmern
erbrachte Leistungen jeweils für sich daraufhin zu
überprüfen, ob die Voraussetzungen einer
Steuerermäßigung nach § 35a EStG vorliegen.
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c) Dieser Beurteilung steht auch das
Senatsurteil vom 06.11.2014 - VI R
1/13 (BFHE 247, 424, BStBl II 2015, 481 = SIS 15 00 55) nicht entgegen.
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Dort hat der Senat entschieden, dass die
Erhebung des unter Umständen noch mangelfreien Istzustandes,
beispielsweise die Überprüfung der
Funktionsfähigkeit einer Anlage durch einen Handwerker, ebenso
Handwerkerleistung i.S. des § 35a Abs. 3 EStG sein kann wie
die Beseitigung eines bereits eingetretenen Schadens oder
vorbeugende Maßnahmen zur Schadensabwehr. Im Streitfall
unterhält M weder einen Handwerksbetrieb noch liegt eine
handwerkliche Leistung des M vor (vgl. unter II.2.a). Der
Zusammenhang mit der Handwerkerleistung des K im Jahr 2016 reicht
nicht aus, die statischen Berechnungen als Handwerkerleistung
einzustufen (vgl. unter II.2.b).
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d) Da es sich bei der Leistung des M bereits
nicht um eine Handwerkerleistung i.S. des § 35a Abs. 3 EStG
handelt, kann offenbleiben, ob und ggf. inwieweit die Leistung
„im Haushalt“ der Kläger erbracht
wurde.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 FGO.
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