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I. Streitig ist, ob der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) Einkünfte aus einer
Tätigkeit bei der Internationalen
Sicherungsunterstützungstruppe in Afghanistan (International
Security Assistance Force - ISAF - ) der Besteuerung unterwerfen
durfte.
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Die verheirateten und zusammen zur
Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wohnen im Inland. Der Kläger war zunächst
Soldat im Dienst der Bundeswehr. Nach dem Ausscheiden aus dem
aktiven Dienst war er u.a. in den Jahren 2012 und 2013
(Streitjahre) als International Civilian Consultant (ICC) bei der
ISAF in Afghanistan tätig. Sein Gehalt für diese
Tätigkeit zahlte die Nordatlantikvertrags-Organisation
(NATO).
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In den Einkommensteuererklärungen
für die Streitjahre gaben die Kläger an, dass die von der
NATO gezahlten Gehälter „ausländische
Einkünfte ohne Progressionsvorbehalt“ darstellen
würden. Auf den Hinweis des FA, dass das gezahlte Gehalt nicht
steuerfrei sei, legten die Kläger ein Schreiben eines anderen
Finanzamts an einen anderen Steuerpflichtigen vor, in dem dieses
Amt unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des
rheinland-pfälzischen Ministeriums der Finanzen von der
Steuerfreiheit der Zahlungen ausgegangen war.
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Das FA folgte dem nicht und setzte die
Einkommensteuer für die Streitjahre unter Einbeziehung der
ausländischen Einkünfte fest.
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Im dagegen geführten
Einspruchsverfahren beriefen sich die Kläger erfolglos darauf,
dass die Problematik der steuerlichen Einordnung der Bezüge
seinerzeit beim Ministerium der Finanzen geklärt worden sei.
Es bestehe kein Grund, diese Feststellung in Zweifel zu
ziehen.
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Das anschließend angerufene
Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz wies die Klage ab (Urteil vom
30.07.2019 - 5 K 1077/17, EFG 2019, 1515 = SIS 19 12 75).
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Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision
rügen die Kläger die Verletzung sachlichen Rechts. Sie
beantragen, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die
Einkommensteuerbescheide vom 24.10.2013 für 2012 und vom
12.06.2015 für 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
15.12.2016 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des
Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um ... EUR in 2012
und um ... EUR in 2013 herabgesetzt werden.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Die Beteiligten haben auf mündliche
Verhandlung verzichtet.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat ohne Rechtsfehler dahin
erkannt, dass die Zahlungen der NATO in vollem Umfang der
Einkommensteuer unterliegen.
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1. Die Beteiligten ziehen zu Recht nicht in
Zweifel, dass die Vorinstanz die NATO-Zahlungen an den in den
Streitjahren in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland)
wohnhaften und damit unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen
Kläger (§ 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der in
den Streitjahren geltenden Fassung - EStG - ) als steuerpflichtigen
Arbeitslohn i.S. der §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 19 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG qualifiziert hat.
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2. Rechtsfehlerfrei ist das FG auch zu der
Feststellung gelangt, dass das aus den Vorschriften des EStG
resultierende Besteuerungsrecht im Streitfall nicht ausgeschlossen
oder beschränkt war. Völkerrechtliche Vereinbarungen
über die Besteuerung i.S. des § 2 Abs. 1 der
Abgabenordnung (AO) sind auf den Kläger und dessen
Tätigkeit für die ISAF aus verschiedenen Gründen
nicht anzuwenden.
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a) Ein Abkommen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung mit Afghanistan besteht nicht; ein solches
existierte auch nicht in den Streitjahren.
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b) Eine Steuerbefreiung ergibt sich auch nicht
aus dem sog. Ottawa-Abkommen.
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aa) Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung
über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an die
Nordatlantikvertrags-Organisation, die nationalen Vertreter, das
internationale Personal und die für die Organisation
tätigen Sachverständigen vom 30.05.1958 (BGBl II 1958,
117) finden die Bestimmungen des Abkommens über die Vorrechte
und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen
sinngemäß auf die NATO, die nationalen Vertreter, das
internationale Personal und die für die Organisation
tätigen Sachverständigen nach Maßgabe des von
Deutschland am 29.05.1956 unterzeichneten Übereinkommens
über den Status der Nordatlantikvertrags-Organisation, der
nationalen Vertreter und des internationalen Personals vom
20.09.1951 - Ottawa-Abkommen - (abgedruckt in BGBl II 1958, 118
ff.) Anwendung.
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bb) Nach Art. 19 Satz 1 des Ottawa-Abkommens
sind die Bediensteten der Organisation i.S. des Art. 17 von Steuern
auf die ihnen von der Organisation in ihrer Eigenschaft als deren
Bedienstete gezahlten Gehälter und sonstigen Dienstbezüge
befreit. Art. 17 des Ottawa-Abkommens wiederum sieht vor, dass die
Gruppen von Bediensteten, auf die (u.a.) Art. 19 des
Ottawa-Abkommens Anwendung findet, Gegenstand einer Vereinbarung
zwischen dem Vorsitzenden der Stellvertreter im Rat und jedem
beteiligten Mitgliedstaat ist. Über die Durchführung von
Teil IV - u.a. Art. 17 - des Ottawa-Abkommens haben die NATO und
Deutschland am 30.11.1961 eine Vereinbarung geschlossen (abgedruckt
in BGBl II 1962, 114 ff.), die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der - in
Ergänzung zur Verordnung vom 30.05.1958 - erlassenen
Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und
Befreiungen an internationale Bedienstete der
Nordatlantikvertrags-Organisation vom 29.03.1962 (BGBl II 1962,
113) für die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an
Bedienstete der NATO maßgebend ist und deren Art. 1 zufolge
die Gruppen von Bediensteten der NATO und der nachgeordneten
Stellen der NATO, auf welche u.a. Art. 19 des Ottawa-Abkommens in
Deutschland Anwendung findet, die Besoldungsgruppen A, B und C der
NATO-Personalbestimmungen umfassen, wenn die entsprechenden
Bediensteten ihren Dienstort auf dem Hoheitsgebiet der
Bundesrepublik Deutschland haben.
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Diese Voraussetzungen erfüllt der
Kläger im Streitfall ersichtlich nicht, da er nach den
finanzgerichtlichen Feststellungen seinen Dienst im streitigen
Zeitraum in Afghanistan ausübte. Hiernach kann es dahinstehen,
wie das Verhältnis zwischen dem Kläger, der NATO und der
ISAF im Einzelnen zu qualifizieren ist.
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cc) Auch die Voraussetzungen des Art. 19
Sätze 2 ff. des Ottawa-Abkommens erfüllt der Kläger
nicht. Hierzu wäre u.a. erforderlich, dass er seine
Dienstbezüge aus deutschen Mitteln nach einem von Deutschland
festgesetzten Tarif bezogen hat, was nach den tatsächlichen
Feststellungen des FG nicht der Fall ist. Der Kläger erhielt
seine Zahlungen von der NATO.
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c) Sonstige auf internationaler Vereinbarung
basierende Befreiungstatbestände sind ebenfalls nicht
erfüllt.
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aa) Art. X des Abkommens zwischen den Parteien
des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer
Truppen vom 19.06.1951 (NATO-Truppenstatut) - NATOTrStat - (BGBl II
1961, 1190) spricht zwar die Besteuerung an, regelt aber nur die
Verhältnisse Entsandter einer NATO-Vertragspartei im
Hoheitsgebiet einer anderen NATO-Vertragspartei (sog.
Aufnahmestaat, vgl. Art. I NATOTrStat) und ist daher bei einer
Tätigkeit in Afghanistan ebenso wenig einschlägig wie das
Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des
Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen
hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten
ausländischen Truppen vom 03.08.1959 (BGBl II 1961, 1183,
1218), das nach dessen Art. 1 die Rechte und Pflichten bestimmter
NATO-Staaten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland regelt.
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bb) Eine Steuerbefreiung aus dem sog.
„Military Technical Agreement“ (MTA) vom
04.01.2002 (abrufbar unter https://undocs.org/S/2002/117) ergibt
sich im Streitfall schon deshalb nicht, weil die Vereinbarung
hinsichtlich der Mission in Afghanistan allein das Verhältnis
Afghanistans zur ISAF (vgl. Art. VIII MTA), nicht aber zu
Deutschland betrifft.
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Die in Art. II Nr. 1 MTA i.V.m. Annex A
Section 3 Nr. 8 formulierte Verpflichtung zur Steuerfreistellung
betrifft darüber hinaus ausdrücklich und
ausschließlich die Besteuerung durch die afghanische
Regierung („exempt from taxation by the Interim
Administration“). Der in Art. II Nr. 1 i.V.m. Annex A
Section 1 Nr. 1 MTA enthaltene Verweis auf das Übereinkommen
über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen
vom 13.02.1946 (BGBl II 1980, 943) bezieht sich nach seinem
Wortlaut allein auf dessen Art. VI („experts on mission
for the United Nations“), der aber bereits im
Ausgangspunkt keine steuerrechtlichen Fragen anspricht.
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cc) Aus den die Vereinten Nationen und ihre
Sonderorganisationen unmittelbar betreffenden Vereinbarungen
ergeben sich für den Kläger ebenfalls keine
Steuerbefreiungstatbestände. Die insoweit einschlägigen
Art. V Abschn. 18 Buchst. b des Übereinkommens über die
Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen vom
13.02.1946 und der darauf Bezug nehmende Art. VI § 19 Buchst.
b des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der
Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.1947 (BGBl II
1954, 640) sind nur auf Bedienstete der Organisation der Vereinten
Nationen, Beamte von Sonderorganisationen i.S. des Art. I § 1
Abs. 2 des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der
Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.1947 oder
Beamte solcher Organisationen, die gemäß Art. 57 und 63
der Charta der Vereinten Nationen (BGBl II 1973, 431) angeschlossen
sind, und von diesen gezahlte Gehälter und Bezüge
anwendbar (vgl. Art. I § 1 Abs. 2 des Abkommens über die
Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten
Nationen vom 21.11.1947). Mangels erforderlichen Abkommens nach
Art. 63 der Charta der Vereinten Nationen mit dem Wirtschafts- und
Sozialrat der Vereinten Nationen sind weder die NATO noch die ISAF
(noch die daran beteiligten Staaten) Sonderorganisationen der
Vereinten Nationen. Dass die ISAF durch die Resolution 1386 (2001)
des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 20.12.2001
gemäß den Regelungen in Kapitel VII der Charta der
Vereinten Nationen („Maßnahmen bei Bedrohung oder
Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“)
eingerichtet wurde (abrufbar unter https://undocs.org/S/RES/1386
(2001)), genügt demnach nicht. Die ISAF fällt im
Übrigen auch nicht unter die Auflistung der
Sonderorganisationen in Art. I § 1 Abs. 2 des Abkommens
über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen
der Vereinten Nationen vom 21.11.1947 und das dazu ergangene
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18.03.2013
(BStBl I 2013, 404 = SIS 13 11 39). Entgegen dem
(unsubstantiierten) Vortrag der Kläger besteht kein
Anhaltspunkt dafür, an der Richtigkeit und
Vollständigkeit der Auflistung der Sonderorganisationen im
BMF-Schreiben zu zweifeln.
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dd) An der nach diesen Darlegungen fehlenden
gesetzlichen Grundlage für eine Steuerbefreiung ändert
auch das vom Kläger vorgelegte
„Certificate“ vom 17.03.2013 nichts. Es handelt
sich hierbei um eine Art Arbeitgeberbescheinigung, die lediglich
auf das MTA verweist, welches aber für sich genommen als
Rechtsgrundlage für eine Befreiung von der deutschen
Einkommensteuer ausscheidet.
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3. Fehlt es aber an einer Rechtsgrundlage
für die von den Klägern reklamierte Steuerbefreiung,
lässt sich aus einer (einen anderen Steuerpflichtigen
betreffenden) behördlichen Sachbehandlung oder einer
ministeriellen Stellungnahme kein Rechtsanspruch
begründen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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Die Entscheidung ergeht im schriftlichen
Verfahren (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).
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