Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Köln vom 09.04.2019 - 15 K 2965/16 = SIS 20 20 26 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die
Kläger zu tragen.
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I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2014) zur
Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Die Schwester der
Klägerin lebte zu Beginn des Streitjahres gemeinsam mit ihrem
Ehemann und ihrer Tochter in der Ukraine.
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Im April 2014 unterzeichnete der
Kläger eine Verpflichtungserklärung gemäß §
68 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG).
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Daraufhin reisten die Schwester der
Klägerin sowie deren Ehemann und Tochter im Streitjahr
(zunächst zu Besuchszwecken mit einem sog. Schengen-Visum) in
die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ein. Die Kläger
nahmen die Familie in C auf. Sie stellten ihr Wohnräume zur
Verfügung und übernahmen die Aufwendungen für
Lebensmittel, Versicherungen, Rechtsanwalt (wegen Aufenthaltstitel)
und Sprachkurse. Später im Streitjahr erhielten die
aufgenommenen Personen den Aufenthaltsstatus „Aussetzung der
Abschiebung“ (= Duldung) gemäß § 60a
AufenthG.
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In ihrer Einkommensteuerklärung
für das Streitjahr machten die Kläger einen Betrag von
insgesamt 15.827 EUR als außergewöhnliche Belastungen
geltend, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -
FA - ) bei der Einkommensteuerfestsetzung nicht
berücksichtigte.
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Den hiergegen eingelegten Einspruch wies
das FA als unbegründet zurück.
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Der daraufhin erhobenen Klage, mit der die
Kläger geltend machten, dass jedenfalls Unterhaltsaufwendungen
in Höhe von 5.000 EUR (für Wohnung, Lebensmittel und
Versicherungen) steuerlich zu berücksichtigen seien, gab
das Finanzgericht (FG) statt (EFG 2020, 1133 = SIS 20 20 26).
Unterhaltsleistungen, die aufgrund einer Verpflichtung
gemäß § 68 AufenthG an Schwester, Schwager und
Nichte geleistet worden seien, entstünden aus sittlichen
Gründen zwangsläufig und seien nach § 33 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) als außergewöhnliche
Belastungen abziehbar, falls sich das Land, in das die
Unterstützten andernfalls abgeschoben würden, im
Kriegszustand befinde. Der Berücksichtigung nach § 33
EStG stehe § 33a Abs. 4 EStG nicht entgegen. Denn danach sei
die Anwendung von § 33 EStG nur ausgeschlossen, wenn
Aufwendungen für den Unterhalt einer gesetzlich
unterhaltsberechtigten Person geltend gemacht würden.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt sinngemäß,
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das Urteil des FG Köln vom 09.04.2019
- 15 K 2965/16 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat die von den
Klägern geltend gemachten Aufwendungen zu Unrecht
steuermindernd berücksichtigt.
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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen
Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige
Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten
gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird
auf Antrag die Einkommensteuer - unter weiteren Voraussetzungen -
dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.354 EUR
im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen
werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr
geltenden Fassung).
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a) Die von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG
vorausgesetzte gesetzliche Unterhaltsberechtigung richtet sich nach
dem Zivilrecht. Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind damit
diejenigen Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige nach
dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unterhaltsverpflichtet ist.
Dies sind nach § 1601 BGB Verwandte in gerader Linie i.S. des
§ 1589 Satz 1 BGB, wie z.B. Kinder, Enkel, Eltern und
Großeltern, nicht hingegen Verwandte in der Seitenlinie
(Senatsurteil vom 05.05.2010 - VI R 29/09, BFHE 230, 12, BStBl II
2011, 116 = SIS 10 23 01, Rz 10, m.w.N.).
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b) Der gesetzlich unterhaltsberechtigten
Person gleichgestellt ist eine Person, wenn bei ihr zum Unterhalt
bestimmte inländische öffentliche Mittel mit
Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen
gekürzt werden (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG).
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2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen sind die
von den Klägern geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen - wie
das FG zutreffend entschieden hat - nicht nach § 33a EStG zu
berücksichtigen.
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a) Es steht zwischen den Beteiligten nicht in
Streit, dass die
Schwester der
Klägerin sowie deren Ehemann und Tochter keinem der beiden
Kläger gegenüber im Streitjahr zivilrechtlich
unterhaltsberechtigt waren. Der Senat sieht deshalb insoweit von
weiteren Ausführungen ab.
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Die Schwester der Klägerin, deren Ehemann
und Tochter sind vorliegend auch nicht einer gesetzlich
unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt. Ihnen sind im
Streitfall keine zum Unterhalt bestimmten inländischen
öffentlichen Mittel mit Rücksicht auf etwaige
Unterhaltsleistungen des Klägers gekürzt worden. Denn ein
Ausländer ist ungeachtet einer Verpflichtungserklärung
berechtigt, öffentliche Leistungen wie insbesondere
Sozialleistungen nach den Vorschriften des
Asylbewerberleistungsgesetzes oder des Sozialgesetzbuches
Zwölftes Buch oder Zweites Buch in Anspruch zu nehmen, sofern
der Verpflichtete nicht oder nicht mehr für seinen
Lebensunterhalt aufkommt. Die Gewährung von Sozialleistungen
darf seitens der Behörde nicht wegen ihres
grundsätzlichen Nachrangs gegenüber anderen
Hilfsmöglichkeiten unter Hinweis auf die
Verpflichtungserklärung verweigert werden (Hailbronner in:
Hailbronner, Ausländerrecht, 5. Update Dezember 2021, §
68 AufenthG Rz 3, m.w.N.). Folglich kommt eine
Berücksichtigung der streitigen Unterhaltsleistungen der
Kläger gemäß § 33a Abs. 1 EStG nicht in
Betracht.
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b) Entgegen der Auffassung der Kläger
folgt aus dem Umstand, dass der Kläger eine
Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben hat,
um der Schwester der
Klägerin sowie deren Ehemann und Tochter die Einreise nach
Deutschland zu ermöglichen, nichts anderes.
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Einen gesetzlichen (zivilrechtlichen)
Unterhaltsanspruch der vorgenannten Personen gegenüber den
Klägern vermag eine solche Verpflichtungserklärung nicht
zu begründen. Durch eine Verpflichtungserklärung nach
§ 68 AufenthG werden keine unmittelbaren Ansprüche des
Ausländers gegen den Verpflichteten begründet
(Hailbronner in: Hailbronner, a.a.O., § 68 AufenthG Rz 4,
m.w.N.). Der Anspruch nach § 68 AufenthG ist vielmehr als
öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der
Ausländerbehörde ausgestaltet (vgl. BT-Drucks. 11/6321,
S. 84).
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c) Die Unterhaltsleistungen der Kläger
sind schließlich auch nicht gemäß dem Schreiben
des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 27.05.2015 - IV C 4-S
2285/07/0003:006 (BStBl I 2015, 474 = SIS 15 11 50)
abzugsfähig. Danach können Aufwendungen für den
Unterhalt von Personen, die eine Aufenthalts- oder
Niederlassungserlaubnis nach § 23 AufenthG haben,
unabhängig von einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung nach
§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG berücksichtigt werden, wenn der
Steuerpflichtige eine Verpflichtungserklärung nach § 68
AufenthG abgegeben hat und sämtliche Kosten zur Bestreitung
des Unterhalts übernimmt.
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aa) Dabei kann der Senat dahinstehen lassen,
ob es sich bei diesem BMF-Schreiben um eine - die Gerichte ohnehin
nicht bindende (Beschluss des Großen Senats des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.11.2016 - GrS 1/15, BFHE 255, 482,
BStBl II 2017, 393 = SIS 16 28 03, Rz 107) - Verwaltungsregelung
oder um eine allgemeine - in Ansehung des Beschlusses des
Großen Senats des BFH in BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393 =
SIS 16 28 03 - angesichts der klaren gesetzlichen Vorgaben in
§ 33a EStG gesetzeswidrige Billigkeitsmaßnahme
gemäß § 163 der Abgabenordnung handelt. Denn die
von den Klägern unterstützte Familie der Schwester der
Klägerin unterfällt schon nicht dem Anwendungsbereich des
vorgenannten BMF-Schreibens. Die Schwester der Klägerin, ihr
Ehemann und deren Tochter verfügten im Streitjahr nämlich
nicht über eine
Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 AufenthG
(Aufenthaltsgewährung durch die obersten Landesbehörden;
Aufnahme bei besonders gelagerten politischen Interessen;
Neuansiedlung von Schutzsuchenden), sondern zu Beginn ihres
Aufenthalts über ein Schengen-Visum und später
(lediglich) über eine Duldung gemäß § 60a
AufenthG (vorübergehende Aussetzung der Abschiebung).
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bb) Ungeachtet dessen würde die am
Aufenthaltsstatus ausgerichtete unterschiedliche steuerliche
Behandlung von Unterhaltszahlungen durch die Finanzbehörden,
anders als die Kläger meinen, keinen Verstoß gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes
(GG) begründen.
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Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber,
wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu
behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für
ungleiche Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz
ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und
Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den
Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer
strengeren Bindung an
Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (z.B.
Senatsbeschluss vom 15.11.2016 - VI R 4/15, BFHE 256, 86, BStBl II
2017, 228 = SIS 16 26 29, Rz 18, m.w.N.).
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Gemessen hieran ist die unterschiedliche
Behandlung von Unterhaltszahlungen an Unterhaltsempfänger, die
über eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23
AufenthG und solche, die (lediglich) über eine Duldung
gemäß § 60a AufenthG oder ein Schengen-Visum
verfügen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn es
handelt sich insoweit um unterschiedliche Sachverhalte.
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Im Übrigen begründet Art. 3 Abs. 1
GG im Falle einer steuerlichen Begünstigung für eine
Gruppe keinen Anspruch einer anderen Gruppe auf eine vergleichbare
steuerliche Entlastung (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts -
BVerfG- vom 20.04.2004 - 1 BvR 1748/99, 1 BvR 905/00, BVerfGE 110,
274 = SIS 04 28 99, und BVerfG-Beschluss vom 20.04.2004 - 1 BvR
610/00 = SIS 04 29 02).
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3. Eine Berücksichtigung der von den
Klägern geltend gemachten Aufwendungen nach § 33 EStG
kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dies gilt auch bei Annahme einer
sittlichen Verpflichtung der Kläger, die Schwester der
Klägerin sowie deren Ehemann und Tochter zu unterhalten. Denn
für die Fallgruppe der - wie im Streitfall - typischen
Unterhaltsaufwendungen (hier für Wohnung, Lebensmittel und
Versicherungen) enthält § 33a Abs. 4 EStG eine
abschließende Regelung, die einen Rückgriff auf §
33 EStG ausschließt (Senatsurteil vom 31.03.2021 - VI R 2/19,
BFHE 272, 226, BStBl II 2021, 572 = SIS 21 08 47, Rz 22, und
BFH-Urteil vom 23.10.2002 - III R
57/99, BFHE 201, 31, BStBl II 2003, 187 = SIS 03 10 91, unter II.3., m.w.N.).
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Diesen (letztgenannten) Rechtsgrundsätzen
entspricht die angefochtene Vorentscheidung nicht. Sie ist deshalb
aufzuheben und die Klage abzuweisen. Denn entgegen der Auffassung
des FG schließt § 33a EStG die Anwendung von § 33
EStG auch dann aus, wenn Aufwendungen für den Unterhalt einer
nicht gesetzlich unterhaltsberechtigten Person geltend gemacht
werden.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 FGO.
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