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I. Streitig ist die
Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheids.
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Das Amtsgericht A eröffnete am
…2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
X GmbH (X) und bestellte den Kläger und Revisionskläger
(Kläger) zum Insolvenzverwalter. Das Finanzamt A (Finanzamt -
FA - ) meldete offene Umsatzsteuerforderungen aus der Zeit vor
Eröffnung des Insolvenzverfahrens unbestritten zur Tabelle
an.
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Mit seiner Umsatzsteuererklärung 2013
machte der Kläger für die X eine Steuerberichtigung nach
§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) für Entgelte in Höhe von
176.737,67 EUR geltend, die sich für vorinsolvenzrechtlich
erbrachte Leistungen wegen Zahlungsunfähigkeit der
Leistungsempfänger ergeben habe. Im Rahmen einer
Umsatzsteuersonderprüfung für das Jahr 2013 stellte das
FA fest, dass sich die uneinbringlichen Entgelte aus der Zeit vor
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf 173.108,33 EUR
beliefen.
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Die Steuerberichtigung blieb in dem
Bescheid über Umsatzsteuer für das Jahr 2013 vom
09.04.2015 zunächst unberücksichtigt. Auf den Einspruch
des Klägers, mit dem dieser sich auf das Urteil des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25.07.2012 - VII R 29/11 (BFHE 238, 307,
BStBl II 2013, 36 = SIS 12 28 19) berief, setzte das FA unter
Berücksichtigung der uneinbringlichen Forderungen mit
Änderungsbescheid vom 28.06.2017 eine Steuervergütung
für das Jahr 2013 in Höhe von 32.890,52 EUR unter der
Steuernummer der Insolvenzmasse fest.
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Diesem Bescheid war ein Schriftwechsel
zwischen dem Finanzministerium des Landes Rheinland-Pfalz (FM), dem
Landesamt für Steuern des Landes Rheinland-Pfalz (Landesamt)
und dem FA vorausgegangen. Mit Schreiben vom 10.06.2016 hatte das
Landesamt dem FM vorgeschlagen, in den Fällen wie dem
Streitfall entgegen dem Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen (BMF) vom 09.12.2011 (BStBl I 2011, 1273 = SIS 11 39 52)
die Grundsätze des BFH-Urteils vom 09.12.2010 - V R 22/10
(BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 = SIS 11 11 55) anzuwenden. Dem
widersprach das FM mit Schreiben vom 08.11.2016. Aufgrund der
ausdrücklichen Regelung im BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 1273
= SIS 11 39 52 könne eine Berücksichtigung der
BFH-Rechtsprechung nicht im Steuerfestsetzungsverfahren, sondern
nur im Erhebungsverfahren erfolgen. Im Streitfall wendete sich das
FA mit Schreiben vom 07.02.2017 an das Landesamt und trug vor, dass
für den Streitfall entscheidend sei, ob die Grundsätze
der Berichtigung aus Rechtsgründen mit allen Konsequenzen
angewendet werden oder nicht. Es bat um entsprechende Weisung.
Daraufhin verwies das Landesamt im Antwortschreiben vom 31.05.2017
auf die Weisung des FM vom 08.11.2016 und forderte das FA auf,
entsprechend der Rechtsprechung des BFH erst im Erhebungsverfahren
zu verfahren.
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Mit Umbuchungsmitteilung vom 28.06.2017
teilte die Beklagte und Revisionsbeklagte (Landesfinanzkasse - L -
) dem Kläger mit, dass sie 32.890,52 EUR und damit das
Guthaben aus der Umsatzsteuer 2013 von der Steuernummer der
Insolvenzmasse auf die Steuernummer der X vor Insolvenz für
eine Vorauszahlungsschuld Umsatzsteuer Mai 2010 umgebucht
habe.
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Der Kläger widersprach der Umbuchung
mit Schreiben vom 11.07.2017. L erließ daraufhin am
13.07.2017 einen Abrechnungsbescheid, in dem sie die
„Aufrechnung des Umsatzsteuerguthabens 2013 mit
Insolvenzforderungen“ damit begründete,
dass aus Rechtsgründen eine Uneinbringlichkeit von Leistungen
spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens
eingetreten sei, so dass der darauf entfallende Steuerbetrag
gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1
UStG im Jahr 2010 hätte berichtigt werden müssen. Der
Einspruch des Klägers blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung
vom 14.12.2017).
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Die dagegen erhobene Klage wies das
Finanzgericht (FG) mit seinem in EFG 2019, 1702 = SIS 19 14 39 veröffentlichten Urteil ab.
Es entschied, die von L vorgenommene Aufrechnung des
Umsatzsteuerguthabens aus der Umsatzsteuerfestsetzung für 2013
mit Umsatzsteuerschulden aus Mai 2010 sei rechtmäßig.
Insbesondere stehe das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr.
1 der Insolvenzordnung (InsO) nicht entgegen. Denn L sei nicht erst
nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur
Insolvenzmasse schuldig geworden. Die Forderungen der X seien mit
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtlich uneinbringlich
geworden. Der Rückforderungsanspruch hinsichtlich der
Umsatzsteuer sei daher spätestens in dem Moment vor der
Insolvenzeröffnung verwirklicht worden. Auf die formelle
Steuerfestsetzung komme es nicht an.
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Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts. Er trägt vor, dass
hinsichtlich der Aufrechnungslage im Falle der Insolvenz die
Vorschriften der §§ 95, 96 InsO zu beachten seien.
Insbesondere greife das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr.
1 InsO ein. Für die Beurteilung, ob das Aufrechnungsverbot
eingreife, sei im Erhebungsverfahren die formelle Steuerfestsetzung
maßgeblich. Dies gelte auch hinsichtlich der zeitlichen
Zuordnung eines Steuererstattungsanspruchs aus einer Berichtigung
nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG. Auf eine Betrachtung nach
dem materiellen Recht komme es nicht an. Diese Rechtsprechung stehe
im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung, wonach die im
Festsetzungsverfahren vorgenommene Steuerfestsetzung für das
Erhebungsverfahren vorgreiflich und bindend sei. Deshalb sei L den
Erstattungsanspruch erst nach der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden.
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Der Kläger beantragt
sinngemäß,
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unter Aufhebung der Vorentscheidung den
Abrechnungsbescheid vom 13.07.2017 und die Einspruchsentscheidung
vom 14.12.2017 aufzuheben.
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L beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Sie trägt vor, nach der Rechtsprechung
des BFH werde spätestens mit der Insolvenzeröffnung die
Forderung für den Unternehmer uneinbringlich. Auf die
Steuerfestsetzung komme es nicht an. Sie sei für die
Begründetheit der steuerlichen Forderung nicht maßgebend
. Es komme für die Frage der Anwendung des § 96 Abs. 1
Nr. 1 InsO allein darauf an, ob in diesem Zeitpunkt die
materiell-rechtlichen Voraussetzungen vorlagen. Der Zeitpunkt, wann
der Steueranspruch geltend gemacht werde, sei unerheblich.
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II. Die Revision des Klägers ist
begründet und führt unter Aufhebung der Entscheidung der
Vorinstanz zur Klagestattgabe (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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1. Die Klage ist als Anfechtungsklage, die an
sich auf Änderung des Abrechnungsbescheids gerichtet ist,
zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 18.08.2020 - VII R 39/19, BFH/NV
2021, 329 = SIS 20 20 45, Rz 22 f.), wobei es nach den
Verhältnissen des Streitfalls ausnahmsweise ausreicht, dass
der Abrechnungsbescheid, der das Erlöschen der Forderung
festgestellt hat, aufgehoben wird (vgl. auch Alber in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 218 AO Rz 125), da L in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, dass
die Zulässigkeit der Aufrechnung der einzige Streitpunkt sei
und entsprechend dem Urteil des Senats verfahren werde.
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2. In der Sache hat das FG gegen § 96
Abs. 1 Nr. 1 InsO verstoßen. Die Vorentscheidung ist deshalb
aufzuheben.
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a) Nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine
Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst
nach der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig
geworden ist.
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Ob ein Insolvenzgläubiger vor oder nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens i.S. des § 96 Abs. 1
Nr. 1 InsO etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, bestimmt
sich bei Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen danach,
ob sämtliche materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen
für die Entstehung dieses Anspruchs im Zeitpunkt der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits erfüllt waren
(ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 238,
307, BStBl II 2013, 36 = SIS 12 28 19, Rz 17; vom 18.08.2015 - VII
R 29/14, BFH/NV 2016, 87 = SIS 15 28 66, Rz 16; vom 08.11.2016 -
VII R 34/15, BFHE 256, 6, BStBl II 2017, 496 = SIS 16 28 23; vom
12.06.2018 - VII R 19/16, BFHE 261, 463, BStBl II 2020, 717 = SIS 18 12 25, Rz 13; vom 15.01.2019 - VII R 23/17, BFHE 263, 305, BStBl
II 2019, 329 = SIS 19 01 83, Rz 12; vom 15.10.2019 - VII R 31/17,
BFHE 266, 121 = SIS 20 01 40, Rz 18; vom 18.02.2020 - VII R 39/18,
BFHE 268, 391 = SIS 20 10 33, Rz 27; BFH-Beschlüsse vom
26.08.2021 - V R 38/20, BFH/NV 2022, 146 = SIS 21 19 28, Rz 18, und
vom 25.04.2018 - VII R 18/16, BFH/NV 2018, 1289 = SIS 18 16 85).
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Seit der durch das BFH-Urteil in BFHE 238,
307, BStBl II 2013, 36 = SIS 12 28 19 geänderten
Rechtsprechung ist bei Steuervergütungsfestsetzungen (§
168 Satz 2 der Abgabenordnung - AO - ), die auf einem
Steuerberichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1
Satz 1 UStG beruhen, entscheidend, „wann der
materiell-rechtliche
Berichtigungstatbestand“ verwirklicht
wird. Bei einem derartigen Vergütungsanspruch aufgrund von
Uneinbringlichkeit kommt es daher darauf an, ob die
Uneinbringlichkeit vor oder nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens eingetreten ist. Erst mit der
Uneinbringlichkeit sind die materiell-rechtlichen
Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung eines darauf
beruhenden Berichtigungsanspruchs, der zu einer
Steuervergütung führen kann, erfüllt. Der Zeitpunkt
der Abgabe der Steueranmeldung oder des Erlasses eines
Steuerbescheides, in dem der Berichtigungsfall erfasst wird, ist
unerheblich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 238, 307, BStBl II 2013, 36 =
SIS 12 28 19, Rz 17).
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b) Danach ist die Aufrechnung entgegen dem
Urteil des FG unzulässig.
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aa) Im Streitfall bezieht sich der
Berichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und Abs. 1
Satz 1 UStG auf Entgelte für steuerpflichtige Leistungen, die
die X vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr
Vermögen erbracht hatte. Diese Entgelte wurden nach
ständiger BFH-Rechtsprechung bereits mit und dabei eine
juristische Sekunde vor der Verfahrenseröffnung aus
Rechtsgründen uneinbringlich (BFH-Urteile in BFHE 232, 301,
BStBl II 2011, 996 = SIS 11 11 55, Rz 30; vom 24.11.2011 - V R
13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298 = SIS 11 39 41, Rz 51 ff.;
vom 08.03.2012 - V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl II 2012, 466 = SIS 12 07 83, Rz 18; vom 24.09.2014 - V R 48/13, BFHE 247, 460, BStBl
II 2015, 506 = SIS 14 32 16, Rz 27, und vom 27.09.2018 - V R 45/16,
BFHE 262, 214, BStBl II 2019, 356 = SIS 18 16 76, Rz 13). Da ein
derart bereits uneinbringlich gewordenes Entgelt nicht nochmals
uneinbringlich werden kann, kommt es auf nach der
Insolvenzeröffnung eintretende (tatsächliche)
Zahlungsausfälle in Bezug auf die gegen die
Leistungsempfänger des Insolvenzschuldners gerichteten
Entgeltforderungen nicht an.
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bb) Die vorliegend bereits mit der
Insolvenzeröffnung eingetretene Uneinbringlichkeit hatte das
FA an sich zutreffend erkannt. Es sah sich aber aufgrund der
Weisungen des FM und des Landesamts daran gehindert, nach der
bereits damals bekannten BFH-Rechtsprechung von einer
Uneinbringlichkeit im Zeitpunkt der Eröffnung des
(vorläufigen) Insolvenzverfahrens auszugehen.
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Daher hat das FA im Umsatzsteuerbescheid 2013
vom 28.06.2017 der Steuerfestsetzung einen - im Hinblick auf die
mit der Insolvenzeröffnung bereits eingetretene
Uneinbringlichkeit - nicht bestehenden Berichtigungsanspruch
zugrunde gelegt, indem es entgegen der eigenen Rechtsauffassung
angenommen hat, dass nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1
Satz 1 UStG der Steuerbetrag für steuerpflichtige
Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen sei, weil sich
eine Uneinbringlichkeit vorinsolvenzrechtlicher Entgelte erst aus
der Zahlungsunfähigkeit der Leistungsempfänger ergeben
habe.
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Da für einen nach dem materiellen Recht
von vornherein nicht existenten Anspruch keine
materiell-rechtlichen Entstehungsvoraussetzungen bestehen, kann es
hierfür auch keinen „materiellen
Rechtsgrund“ geben. Es ist entgegen dem
FG-Urteil auch nicht möglich, den Rechtsgrund für einen
bei der Steuerfestsetzung 2013 berücksichtigten
Berichtigungsanspruch in dem bereits mit der
Insolvenzeröffnung in 2010 entstandenen Berichtigungsanspruch
zu sehen. Hiergegen spricht bereits, dass es sich um zwei in ihren
Voraussetzungen völlig unterschiedliche Ansprüche
handelt. So kommt es für den wohl in 2010 tatsächlich
entstandenen Berichtigungsanspruch auf die Insolvenzeröffnung
über das Vermögen des Leistenden - oder im Fall der
vorherigen Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters
mit allgemeinen Zustimmungsvorbehalt auf diese Bestellung
(BFH-Urteil in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506 = SIS 14 32 16) -
an, während der vom FA festgesetzte Berichtigungsanspruch auf
Zahlungsausfälle und damit auf Umstände in der Person des
jeweiligen Leistungsempfängers abstellt.
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3. Die Sache ist spruchreif.
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a) Besteht für einen Vergütungsanspruch, den
das FA für einen Besteuerungszeitraum nach
Insolvenzeröffnung erstmals festsetzt, aufgrund der
Rechtswidrigkeit dieser Steuerfestsetzung kein materieller
Rechtsgrund, wird das FA diesen Vergütungsanspruch erst mit
der Festsetzung (und damit vorliegend nach der
Insolvenzeröffnung) zur Masse schuldig.
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Dies unterscheidet den Streitfall von einer
Erstattungsfestsetzung zugunsten des Steuerpflichtigen als
Korrektur einer vorherigen rechtswidrigen (oder anderweitig
überhöhten) Festsetzung, bei der dann auf den die
Erstattungsforderung begründenden Sachverhalt abzustellen sein
kann (vgl. zur
„Rechtsgrundlegung“ für eine
Erstattung von Einkommensteuer bereits mit der Leistung der
entsprechenden Vorauszahlungen BFH-Urteil vom 28.02.2012 - VII R
36/11, BFHE 236, 202, BStBl II 2012, 451 = SIS 12 11 35, Rz 10).
Maßgeblich für diese Differenzierung ist, dass die
Berichtigung nach § 17 UStG einen eigenständigen Anspruch
mit jeweils eigenen materiell-rechtlichen
Tatbestandsvoraussetzungen gewährt, an die sich besondere
Rechtsfolgen knüpfen, denen keine Rückwirkung zukommt,
was auf den Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO aufgrund
zu hoher oder materiell-rechtlich nicht geschuldeter
Vorauszahlungen nicht zutrifft (BFH-Urteil in BFHE 266, 121 = SIS 20 01 40, Rz 22).
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Da es sich zudem vorliegend um eine
Steuerfestsetzung für einen Besteuerungszeitraum nach
Insolvenzeröffnung handelt, ist nicht zu entscheiden, ob
dasselbe für eine rechtswidrige
Steuervergütungsfestsetzung für einen Zeitraum vor
Insolvenzeröffnung gelten würde.
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b) Unerheblich ist, dass dem FM, dem Landesamt
und dem FA die Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung von
vornherein bekannt war und sie dabei davon ausgingen, im
Festsetzungsverfahren entgegen und im Erhebungsverfahren
entsprechend der BFH-Rechtsprechung zu entscheiden. Damit wurde
verkannt, dass es bei der Prüfung des insolvenzrechtlichen
Aufrechnungsverbots auf den festgesetzten Vergütungsanspruch
ankommt und dementsprechend dieser Prüfung kein anderer als
der festgesetzte Anspruch zugrunde zu legen ist.
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Dementsprechend ist auch ohne Bedeutung, dass
die Aufrechnung zulässig gewesen wäre, wenn das FA
entgegen seiner Weisungslage den Berichtigungsanspruch entsprechend
der BFH-Rechtsprechung für den Besteuerungszeitraum der
Insolvenzeröffnung (BFH-Urteil
vom 16.12.2008 - VII R 17/08, BFHE 224, 463, BStBl II 2010, 91 =
SIS 09 14 86, unter II.2.) im Rahmen
der Steuerberechnung für den vorinsolvenzrechtlichen
Unternehmensteil (BFH-Urteile in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298
= SIS 11 39 41, Rz 14, und in BFHE 262, 214, BStBl II 2019, 356 =
SIS 18 16 76, Rz 17) mit der Folge einer Vergütungsfestsetzung
für diesen Besteuerungszeitraum berücksichtigt
hätte. Derart hypothetische Betrachtungen sind weder im
Festsetzungs- noch im Erhebungsverfahren anzustellen. Hiergegen
spricht auch, dass dann eine vorrangige Verrechnung mit anderen
Besteuerungsgrundlagen dieses Besteuerungszeitraums im Rahmen der
vorinsolvenzrechtlichen Steuerberechnung vorzunehmen gewesen
wäre, was z.B. zur Minderung einer für diesen
Besteuerungszeitraum bestehenden Steuerforderung geführt
hätte.
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c) Ob der Berichtigungsanspruch bereits mit
der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit
Zustimmungsvorbehalt entstanden sein könnte (vgl. BFH-Urteil
in BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506 = SIS 14 32 16), ist für
die hier zu treffende Entscheidung unerheblich.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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