Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate
Freiburg vom 26.03.2019 - 11 K 3207/17 = SIS 19 17 92 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Streitig ist, ob Pflegegelder für
die intensivpädagogische Betreuung mehrerer Jugendlicher durch
die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin)
steuerfreie Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der
Erziehung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren 2014 und 2015
jeweils maßgeblichen Fassung (EStG) sind.
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Die Klägerin ist staatlich anerkannte
Jugend- und Heimerzieherin. In den Streitjahren betreute sie
besonders traumatisierte Jugendliche, die in Pflegefamilien,
Heimen, Großeinrichtungen oder in geschlossenen Einrichtungen
keine Aufnahme mehr finden konnten und diese Formen der
Unterbringung, teilweise auch schon die geschlossene Psychiatrie,
bereits durchlaufen hatten, jeweils im Rahmen einer
intensivpädagogischen Betreuung i.S. des § 35 des Achten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Die Jugendlichen besuchten
keine Regelschulen, sondern wurden von der Klägerin unter
Nutzung von Unterlagen einer Fernschule beschult. Die Klägerin
firmierte nach außen als „…-Betreuungsstelle
…“ unter dem Namen
„…“.
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Im Streitjahr 2014 betreute die
Klägerin vier Jugendliche, im Streitjahr 2015 im Monat Mai
fünf Jugendliche, im Rest des Jahres vier Jugendliche.
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Zwischen der Klägerin und dem
Jugendwerk … (Jugendwerk), das als Träger der freien
Jugendhilfe an den … angebunden war, bestand ein
Kooperationsvertrag. Dessen Gegenstand war die Durchführung
von Hilfemaßnahmen im Rahmen der Jugendhilfe
„gemäß § 27 i.V.m. §§ 34, 35, 35a,
41 SGB VIII“ durch die Klägerin als
Betreuungsperson. Die Betreuungen waren auf der Grundlage
vereinbarter Qualitätsstandards und eines Hilfeplans „in
der Wohnung“ der Klägerin
durchzuführen. Der Klägerin oblagen u.a. die
eigenverantwortliche Durchführung der Maßnahmen und die
Gewährleistung eines gelingenden Alltags, die Mitwirkung bei
der Erstellung eines Hilfeplans für die einzelnen Jugendlichen
als Grundlage ihrer pädagogischen Aktivitäten vor Ort und
die schriftliche Dokumentation des Erziehungsprozesses samt
Berichterstattung darüber an das Jugendwerk.
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Der Betreuung der einzelnen Jugendlichen
lag zusätzlich jeweils ein Leistungs- und Honorarvertrag
zwischen dem Jugendwerk und der Klägerin zugrunde. Die
Klägerin verpflichtete sich zur Übernahme der Betreuung
und Unterbringung zur Erziehung des Jugendlichen
„gemäß § 27 i.V.m. §§ 34, 35, 35a
bzw. 41 SGB VIII“ auf Grundlage der im
Kooperationsvertrag vereinbarten Pflichten. Sie erhielt für
jeden Jugendlichen ein Erziehungshonorar in Gestalt eines
Tagessatzes (§ 5.1 i.V.m. Anlage 1 zum jeweiligen Leistungs-
und Honorarvertrag). Die Tagessätze lagen in den Streitjahren
für die einzelnen Jugendlichen zwischen 100,77 EUR und 101,03
EUR. In einzelnen Honorarverträgen wurde für die
Höhe des Erziehungshonorars auf die in den sog.
Rahmenverträgen nach § 78f SGB VIII festgelegten
Sätze für Regelleistungen und für
konzeptionsbedingte Leistungen für Einrichtungen i.S. des
§ 78a Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII Bezug genommen. Ferner wurde der
Klägerin ein Teil des Sachaufwands tageweise ersetzt. Dies
betraf Aufwendungen für die Verköstigung, kosmetische und
persönliche Bedürfnisse des jeweiligen Jugendlichen, den
hauswirtschaftlichen Bedarf sowie einen Mietanteil. Der
Sachkostenersatz war am Sozialhilfesatz orientiert und betrug in
den Streitjahren zwischen 21,22 EUR und 21,48 EUR pro Tag für
jeden Jugendlichen. Bei einer Abwesenheit des Jugendlichen von mehr
als drei Tagen erhielt die Klägerin 75 % des Honorars und des
Sachkostenersatzes (§ 5.3 des jeweiligen Leistungs- und
Honorarvertrags). Darüber hinaus wurden an die Klägerin
die jeweils nach Alter gestaffelten Sätze für das dem
Jugendlichen zustehende Taschen- und Kleidergeld ausgezahlt (§
5.2 i.V.m. Anlage 2 zum Leistungs- und Honorarvertrag).
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Die Betreuung und Unterbringung der
Jugendlichen fand auf einem von der Klägerin im Jahr 2012
erworbenen Grundstück samt Gebäude (einem ehemaligen
Gasthof) statt. Das Gebäude bestand in den Streitjahren aus
drei abgeschlossenen Wohnungen (Nrn. 1 bis 3) im Ober- und im
Dachgeschoss sowie im Erdgeschoss aus einem Gemeinschafts- und
Aufenthaltsraum, einem Freizeit- und Fitnessraum, einer
Gemeinschaftsküche und Toiletten. In den Streitjahren bewohnte
die Klägerin die Wohnung Nr. 1 (79,59 qm) in der Mitte des
Gebäudes selbst, in der großen Wohnung Nr. 2 im Ober-
und Dachgeschoss (150,89 qm) wohnten ihre beiden erwachsenen
Söhne mit Freundinnen und in der Wohnung Nr. 3 (66,89 qm) die
betreuten Jugendlichen. Die Jugendlichen verfügten in dieser
Wohnung jeweils über Einzelzimmer, zudem hatte die Wohnung ein
eigenes Bad. In den Streitjahren war ein Jugendlicher in dem zur
Wohnung Nr. 2 gehörenden Dachgeschoss untergebracht, weil die
Wohnung Nr. 3 nur drei Einzelzimmer hatte. Zur Wohnung der
Klägerin (Nr. 1) hatten die Jugendlichen insoweit Zutritt, als
die Klägerin dort für sie jederzeit ansprechbar war. In
der Wohnung der Klägerin wurde jedoch nicht gemeinsam gekocht
und gelebt. Die Zubereitung und Einnahme der Mahlzeiten fand in der
Gemeinschaftsküche und im Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss (26
qm) statt, die Jugendlichen konnten zur Zubereitung kleinerer
Mahlzeiten auch die Küche in ihrer Wohnung nutzen. Die
gemeinsamen Aktivitäten wie der Schulunterricht und
Freizeitaktivitäten fanden im Gemeinschafts- und
Aufenthaltsraum im Erdgeschoss (45 qm) statt. Zudem stand für
den Sport ein Fitnessraum (21 qm) zur Verfügung.
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In den Streitjahren beschäftigte die
Klägerin insgesamt vier Personen. Hierzu gehörten einer
ihrer Söhne und dessen Freundin, die bei der Klägerin zur
Ausbildung als Erzieher beschäftigt waren. Zudem arbeiteten
für die Klägerin noch ein angehender Erzieher, der sein
Anerkennungsjahr absolvierte, und eine ausgebildete erzieherische
Fachkraft im Rahmen einer Teilzeitstelle.
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Die Klägerin erteilte dem Jugendwerk
für jeden der Jugendlichen monatliche Rechnungen über die
Erziehungshonorare und den Sachkostenersatz. Die Summe der für
alle vier Jugendlichen zusammen gezahlten Erziehungshonorare (ohne
den Sachkostenersatz) belief sich monatlich durchschnittlich auf
12.120 EUR (rund 404 EUR pro Tag für durchschnittlich 30 Tage
im Monat). Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurde
der Aufwand der Klägerin für Sachkosten und die
Personalkosten (37.133,31 EUR für das Streitjahr 2014 und
34.344,41 EUR für das Streitjahr 2015) nicht in voller
Höhe durch den Sachkostenersatz gedeckt.
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Die gemäß § 4 Abs. 3 EStG
ermittelten Jahresgewinne der Klägerin betrugen im Streitjahr
2014 69.662 EUR und im Streitjahr 2015 (nach Abzug von
Betriebsausgaben für einen Investitionsabzugsbetrag in
Höhe von 28.000 EUR) 42.456 EUR.
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Die Klägerin behandelte die
Vergütungen aus der erzieherischen Tätigkeit in ihren
Gewinnermittlungen und Einkommensteuererklärungen für die
Streitjahre zunächst als steuerpflichtige Betriebseinnahmen
aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1
EStG).
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) folgte dem in den Einkommensteuerbescheiden
für die Streitjahre (jeweils vom 30.08.2016). Hiergegen erhob
die Klägerin Einspruch und machte geltend, die Einnahmen aus
der erzieherischen Tätigkeit seien steuerfreie Beihilfen zur
unmittelbaren Förderung der Erziehung gemäß §
3 Nr. 11 Satz 1 EStG. Das FA wies die Einsprüche als
unbegründet zurück.
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Die anschließend erhobene Klage hatte
keinen Erfolg. Die Begründung des FG ist in EFG 2019, 1969 =
SIS 19 17 92 mitgeteilt.
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Bundesrechts. Das FG habe
zu Unrecht verneint, dass die Voraussetzungen einer
gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG steuerfreien Beihilfe
zur unmittelbaren Förderung der Erziehung erfüllt seien.
Die Klägerin habe die Jugendlichen im Rahmen einer
Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII in ihren
Haushalt aufgenommen und dort intensivpädagogisch betreut. Da
sie weniger als sechs Jugendliche gleichzeitig betreut habe, sei
ohne weitere Prüfung davon auszugehen, dass die Pflegegelder
steuerfreie Beihilfen seien.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des FG Baden-Württemberg
vom 26.03.2019 - 11 K 3207/17 aufzuheben und unter Abänderung
der Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 jeweils vom 30.08.2016
in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.11.2017 die
Einkommensteuer auf 0 EUR herabzusetzen.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
an die Klägerin gezahlten Pflegegelder in den Streitjahren
keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der
Erziehung gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind.
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a) Gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1
EStG sind u.a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln
steuerfrei, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die
Erziehung unmittelbar zu fördern. Ersetzen die
Pflegegeldzahlungen den sachlichen und zeitlichen Aufwand der
Pflegeeltern nicht und ist dies auch nicht beabsichtigt, sind sie
als steuerfreie Beihilfe i.S. des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG
anzusehen (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
14.07.2020 - VIII R 27/18, BFHE 270, 113, BStBl II 2021, 672 = SIS 20 15 56, Rz 19; vom 05.11.2014 - VIII R 29/11, BFHE 249, 1, BStBl
II 2017, 432 = SIS 15 11 09; vom 28.06.1984 - IV R 49/83, BFHE 141,
154, BStBl II 1984, 571 = SIS 84 15 01). Am Charakter einer
Beihilfe i.S. des § 3 Nr. 11 EStG fehlt es hingegen, wenn die
Pflegegelder für Erziehungsleistungen gezahlt werden, die im
Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts erbracht werden
(vgl. BFH-Urteile in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432 = SIS 15 11 09; vom 05.11.2014 - VIII R 27/11, BFH/NV 2015, 960 = SIS 15 13 38,
und VIII R 9/12, BFH/NV 2015, 967 = SIS 15 13 40, jeweils m.w.N.;
vom 17.05.1990 - IV R 14/87, BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018 =
SIS 90 22 03).
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b) Pflegegelder, die an die Betreiber von
Einrichtungen und sonstiger Formen betreuten Wohnens i.S. des
§ 34 SGB VIII gezahlt werden, sind keine steuerfreien
Beihilfen, weil typisierend davon auszugehen ist, dass sie die
Sachkosten in angemessenem Umfang ersetzen und die
Erziehungsleistungen vergüten (s. BFH-Urteil vom 23.09.1998 -
XI R 9/98, BFH/NV 1999, 600 = SIS 98 51 38, unter II.1. [Rz 21],
für Pflegesatzzahlungen an den Betreiber eines sog.
Kleinstheims; zustimmend Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen - BMF - vom 31.08.2021, BStBl I 2021, 1802 = SIS 21 14 12,
unter C.; vgl. auch § 78a Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b i.V.m. §
78c Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, nach denen Pflegeentgelte an
Heimbetreiber leistungsgerecht sein müssen).
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c) Eine steuerfreie Beihilfe kann hingegen
vorliegen, wenn ein einzelner Jugendlicher in den Haushalt der
Betreuungsperson zeitlich unbefristet aufgenommen und dort
intensivpädagogisch i.S. des § 35 SGB VIII betreut wird.
In diesem Fall entspricht das Pflegeverhältnis seinem Inhalt
und der Durchführung nach - unabhängig von der
sozialrechtlichen Qualifikation des Betreuungsverhältnisses
als intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung i.S. des
§ 35 SGB VIII - der Betreuung des Jugendlichen im Rahmen einer
nicht erwerbsmäßigen Vollzeitpflege i.S. des § 33
SGB VIII (BFH-Urteil in BFHE 270, 113, BStBl II 2021, 672 = SIS 20 15 56, Rz 25; BMF-Schreiben in BStBl I 2021, 1802 = SIS 21 14 12,
unter D.; zum Beihilfecharakter der Pflegegelder, die im Rahmen
einer Vollzeitpflege gezahlt werden, vgl. BFH-Urteil in BFHE 270,
113, BStBl II 2021, 672 = SIS 20 15 56, Rz 19, m.w.N., und
BMF-Schreiben in BStBl I 2021, 1802 = SIS 21 14 12, unter A.).
Werden mehrere Jugendliche zeitlich unbefristet in den Haushalt der
Betreuungsperson aufgenommen und dort intensivpädagogisch i.S.
des § 35 SGB VIII betreut, ist nach den Umständen des
Einzelfalls zu prüfen, ob die Anzahl der durch die
Pflegeperson betreuten Kinder bzw. Jugendlichen oder andere
Umstände für eine erwerbsmäßige Betreuung und
den Vergütungscharakter der gezahlten Pflegegelder sprechen
(BFH-Urteil in BFHE 270, 113, BStBl II 2021, 672 = SIS 20 15 56, Rz
25; BMF-Schreiben in BStBl I 2021, 1802 = SIS 21 14 12, unter D.;
vgl. auch § 78a Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c i.V.m. § 78c Abs.
2 Satz 1 SGB VIII). Die von der Rechtsprechung und der
Finanzverwaltung im Zusammenhang mit einer Vollzeitpflege
gemäß § 33 SGB VIII angewandte Vermutungsregel,
dass eine erwerbsmäßige Betreuung nicht vorliegt, wenn
nicht mehr als sechs Kinder gleichzeitig in den Haushalt der
Pflegeperson aufgenommen und betreut werden (vgl. BFH-Urteile in
BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432 = SIS 15 11 09; in BFH/NV 2015, 960
= SIS 15 13 38; in BFH/NV 2015, 967 = SIS 15 13 40; BFH-Beschluss
vom 10.12.2019 - VIII S 12/19 (AdV), BFH/NV 2020, 357 = SIS 20 01 98, m.w.N.; vgl. auch BMF-Schreiben in BStBl I 2021, 1802 = SIS 21 14 12, unter A.), greift in den Fällen der
intensivpädagogischen Betreuung mehrerer Jugendlicher, die
unbefristet in den Haushalt der Betreuungsperson aufgenommen
werden, daher nicht.
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d) Nach diesen Vorgaben hat das FG im Ergebnis
zu Recht entschieden, dass die Pflegesatzzahlungen an die
Klägerin keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren
Förderung der Erziehung i.S. des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG
sind. Die Würdigung des FG, die Jugendlichen seien von der
Klägerin im Rahmen einer Heimunterbringung oder anderen Form
des sonstigen betreuten Wohnens gemäß § 34 i.V.m.
§ 35 SGB VIII erwerbsmäßig betreut worden, ist
nicht zu beanstanden.
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aa) Nach der übereinstimmenden Auffassung
der Beteiligten und des FG wurden die Jugendlichen von der
Klägerin jeweils intensivpädagogisch i.S. des § 35
SGB VIII betreut. Weiterer Ausführungen des Senats hierzu
bedarf es daher nicht.
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bb) Die Jugendlichen wurden in den
Streitjahren von der Klägerin im Rahmen einer Einrichtung i.S.
des § 34 SGB VIII betreut.
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Zwar sind Privathaushalte der Erzieher, in
denen dem Jugendlichen ein Zimmer überlassen wird, keine
Einrichtungen i.S. des § 34 SGB VIII (BFH-Urteil in BFHE 249,
1, BStBl II 2017, 432 = SIS 15 11 09, Rz 57, 58). Der Senat hat
aber im Urteil in BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432 = SIS 15 11 09 in
Rz 62 bereits angedeutet, dass in sog. Mischfällen trotz einer
familienähnlichen Betreuung auch von der Betreuung der Kinder
und Jugendlichen in einer Einrichtung i.S. des § 34 SGB VIII
auszugehen sein kann. Ein solcher Mischfall liegt angesichts der
räumlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen im
Streitfall vor. Umstände, die für eine stationäre
Betreuung der Jugendlichen in einer Einrichtung (Kleinstheim) oder
in einer Form des sonstigen betreuten Wohnens i.S. des § 34
SGB VIII sprechen (abgetrennte Wohnbereiche, Gemeinschafträume
und der Einsatz von Personal), sind neben weiteren Umständen
(der Zuweisung der Jugendlichen zur persönlichen Betreuung
durch die Klägerin und ihrer Unterbringung bei der
Klägerin) vorhanden, die für eine Betreuung der
Jugendlichen wie in einer Vollzeitpflegestelle gemäß
§ 33 Satz 2 SGB VIII sprechen. Die Würdigung, ob in
solchen Mischfällen der Schwerpunkt im Bereich der
Unterbringung nach § 34 SGB VIII liegt oder die Elemente einer
Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII überwiegen, ist unter
Einbeziehung sämtlicher Umstände des Einzelfalls
vorzunehmen und obliegt daher dem FG als Tatsacheninstanz (vgl. zu
den fließenden Grenzen zwischen den Anwendungsbereichen der
§§ 33, 34 SGB VIII und den Abgrenzungskriterien Urteile
des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24.10.2008 - 7 A
10444/08, Das Jugendamt - JAmt - 2009, 92; des Verwaltungsgerichts
Potsdam vom 25.08.2020 - 7 K 2354/18, juris, Rz 32; des
Schleswig-Holsteinischen FG vom 27.02.2019 - 2 K 8/19, EFG 2019,
766 = SIS 19 04 49, Rz 51, 57, 58, sowie aus der Kommentarliteratur
Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 33 Rz 17b; Jung/Kador,
SGB VIII, § 33 Rz 45, § 34 Rz 8, 9; Wapler in
Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl., § 33 Rz 75, 76, und
Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und
Familienrecht e.V. vom 12.01.2021 - SN_2020_1321 Bn, JAmt 2021, 91,
92).
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Dass das FG im Streitfall zu dem Ergebnis
gekommen ist, es überwögen die Umstände, die
für eine Unterbringung der Jugendlichen in einer Einrichtung
der Klägerin i.S. des § 34 SGB VIII sprechen, ist nicht
zu beanstanden. Die vom FG für seine Würdigung
herangezogenen und gewichteten Umstände, die Jugendlichen und
die Klägerin hätten innerhalb des Gebäudes in
abgetrennten Wohnungen mit eigenen Bädern gewohnt, für
die Zubereitung und Einnahme der Mahlzeiten sowie die
Freizeitaktivitäten seien die Gemeinschaftsküche und
-räume im Erdgeschoss genutzt worden und die Jugendlichen
seien maßgeblich durch das von der Klägerin angestellte
Personal mitbetreut worden, tragen den Schluss des FG, dass der
für die Betreuung der Jugendlichen in einer Einrichtung i.S.
des § 34 SGB VIII erforderliche sachliche und institutionelle
Rahmen gegeben war. Die weitere Würdigung des FG, trotz der
persönlichen Zuweisung der Jugendlichen zur Betreuung durch
die Klägerin, des unbestritten hohen persönlichen
Engagements der Klägerin und ihrer täglichen
Ansprechbarkeit für die Jugendlichen rund um die Uhr
könne angesichts der räumlichen Gegebenheiten der
Unterbringung und des Zusammenlebens sowie des Personaleinsatzes
nicht mehr von der Aufnahme und Betreuung der Jugendlichen im
Haushalt der Klägerin ausgegangen werden, ist möglich und
nachvollziehbar. Zudem hat das FG plausibel darauf abgestellt, die
Klägerin habe auch durch ihren Internetauftritt im
Außenverhältnis den Eindruck vermittelt, als dauerhafte
Einrichtung in Form einer Betreuungsstelle tätig zu sein.
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cc) Schon die Betreuung und Unterbringung der
Jugendlichen in einer Einrichtung spricht nach der typisierenden
Betrachtung der Rechtsprechung unabhängig von der
Betreuungsintensität für den Entgeltcharakter der
gezahlten Pflegegelder (s. unter II.1.b). Zudem sind aufgrund der
Anzahl der betreuten Jugendlichen und der weiteren
Rahmenbedingungen der Betreuung im Streitfall Umstände
vorhanden, die selbst bei Annahme einer intensivpädagogischen
Betreuung unter Aufnahme der Jugendlichen in den Haushalt der
Klägerin auf eine erwerbsmäßige Betreuung
schließen lassen (s. unter II.1.c). Das FG hat den
Vergütungscharakter der gezahlten Pflegegelder darüber
hinaus in nicht zu beanstandender Weise daraus abgeleitet, die
Bezugnahme auf die Regelungen in „§§ 34, 35 SGB
VIII“ und auf die Regelung des § 78f
SGB VIII in den zugrunde liegenden Betreuungsverträgen zeige,
dass der Klägerin leistungsgerechte Pflegegelder nach den sog.
landesrechtlichen Rahmenverträgen i.V.m. §§ 78f, 78b
Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gezahlt worden seien. Schließlich ist
es auch überzeugend, dass das FG den Vergütungscharakter
des Pflegegelds aus den in beiden Streitjahren (unter
Außerachtlassung der Betriebsausgaben für einen
Investitionsabzugsbetrag) erzielten Gewinnen in Höhe von
jeweils rund 70.000 EUR ableitet. Da die Sach- und Personalkosten
der Klägerin nicht durch den tageweisen Sachkostenersatz
gedeckt wurden, musste die Klägerin diese Aufwendungen durch
die für die Erziehung gezahlten Tagessätze
mitfinanzieren. Dass sie in beiden Streitjahren gleichwohl die
genannten Gewinne erzielt hat, spricht dafür, dass die
für die Erziehungsleistungen gezahlten Tagessätze
Vergütungscharakter hatten.
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2. Über die Höhe der Gewinne der
Klägerin, die bei Nichteingreifen der Steuerbefreiung
gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG in den Streitjahren
anzusetzen und der Besteuerung zu unterwerfen sind, besteht
zwischen den Beteiligten kein Streit.
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3. Der Senat entscheidet mit
Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
(§ 121 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).
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