Auf die Revision des Klägers werden das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 31.10.2019 - 1 K 3448/17
E = SIS 19 19 83 und die
Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 19.10.2017 aufgehoben.
Die Einkommensteuer wird unter Abänderung
des Einkommensteuerbescheids des Beklagten vom 17.05.2015 auf den
Betrag festgesetzt, der sich bei einem Ansatz von Einkünften
aus Gewerbebetrieb (steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn
gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes) von
… EUR ergibt.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten
übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
3
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Am 24.12.2013 hatte der Kläger mit
seiner Mutter einen Leihvertrag über die Nutzung der ihm
gehörenden Liegenschaft in Z (Inland, A-Str. 87) geschlossen
und am 24.02.2014 einen weiteren Leihvertrag über die
Liegenschaft in Z (B-Str. 2) mit seinen beiden minderjährigen
Kindern, die bei Abschluss des Leihvertrages von ihrer Mutter, der
ehemaligen Lebensgefährtin des Klägers, vertreten wurden
(diese Liegenschaft wurde später - mit Vertrag vom 29.09.2015
mit Wirkung zum 31.12.2015 - unentgeltlich auf seinen Sohn
übertragen).
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Am 04.06.2014 schloss der Kläger mit
der T GmbH eine Vereinbarung über die Abfindung einer
Pensionszusage durch Einmalzahlung in Höhe von … EUR.
Seine Geschäftsanteile an der N GmbH und an der T GmbH
veräußerte der Kläger mit notariellem Vertrag vom
20.10.2014 an PT mit Wirkung zum 01.01.2014 (Kaufpreis Beteiligung
N GmbH: … EUR; T GmbH: … EUR).
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5
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Mit Schreiben vom 29.12.2015 reichte der
Kläger seine Einkommensteuererklärung für das Jahr
2014 (Streitjahr) nach den Maßgaben beschränkter
Steuerpflicht i.S. des § 1 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes
in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) ein. In
einem gesonderten Anschreiben vom selben Tag erläuterte er,
dass seine unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des
Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) zum
31.12.2013 beendet worden sei. Dabei gehe es aber nur um eine
vorübergehende Abwesenheit i.S. des § 6 Abs. 3 des
Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen in der
für das Streitjahr geltenden Fassung (Außensteuergesetz
- AStG - ), da er ab dem 01.01.2016 seinen Wohnsitz wieder nach
Deutschland verlegen werde. Tatsächlich war der Kläger ab
dem 01.01.2016 unter der Anschrift „Z, B-Str.
2“ gemeldet; zum 19.12.2016 meldete er sich
aus Deutschland in die VAE ab, zum 01.08.2017 meldete er den
Rückzug aus den VAE nach Deutschland unter der Anschrift
„Z, B-Str. 2“ an.
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6
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) sah hingegen für das Streitjahr die
Voraussetzungen unbeschränkter Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1
Satz 1 EStG) als erfüllt an; auf dieser Grundlage fehlende
Anlagen zur Steuererklärung wurden vom Kläger mit
Schreiben vom 01.06.2016 nachgereicht. In der Steuererklärung
wurden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem
Objekt C-Str. 1 in Y - Inland - (./. … EUR) erklärt
(„vorweggenommene Werbungskosten“:
Schuldzinsen, Grundbesitzabgaben und Aufwendungen für
Zeitungsannoncen). Bei diesem Objekt handelt es sich um ein
unbebautes Grundstück, das im Jahr 2013 vom Kläger
erworben und anschließend von ihm mit drei Reihenhäusern
bebaut worden war (Fertigstellung am 01.06.2015, Vermietung seit
dem 01.07.2015, 01.08.2015 bzw. 01.09.2015). Nach den
Rechnungsbelegen zu den Zeitungsannoncen bezog sich der
Anzeigentext auf eine Veräußerung der Häuser
(Rubrik „VK RH/DHH“).
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7
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Mit notariellen Urkunden vom 10.03.2016
übertrug der Kläger seine Geschäftsanteile an der S
GmbH, der B GmbH und der J GmbH mit Wirkung zum 01.01.2016
unentgeltlich auf seinen Bruder PL. In § 5 der jeweiligen
Urkunde war vorgesehen, dass alle Gewinnvorträge aus Vorjahren
und der noch zu ermittelnde Gewinn des Jahres 2015 dem Abtretenden
zustehen sollten und von diesem entnommen werden konnten. Die
Gesellschafterversammlung der K GmbH beschloss die Auflösung
der Gesellschaft (Eintragung am 04.01.2016 in das Handelsregister).
Am 10.03.2016 beschloss die Gesellschafterversammlung u.a. die
Fortsetzung der Gesellschaft und die Änderung der Firma in
„G N GmbH“. Einzige Gesellschafterin der
G N GmbH ist nach der Gesellschafterliste die SL Stiftung, auf die
der Geschäftsanteil des Klägers mit Abtretungsvertrag vom
06.02.2018 übertragen wurde. Gesellschafterin der L GmbH ist
nach der Gesellschafterliste neben OH, SI und TC ebenfalls die SL
Stiftung, auf die der Geschäftsanteil mit Abtretungsvertrag
vom 06.02.2018 übertragen wurde.
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8
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Telefonisch teilte der
Prozessbevollmächtigte des Klägers dem FA mit
(Telefonvermerk am 10.10.2016), dass sich der Kläger in 2016
in der Weise in Deutschland aufhalte, dass er als unbeschränkt
steuerpflichtig anzusehen sei (Wohnsitzverlegung). In 2016 werde
die Abwicklung seines Vermögens betrieben, damit der Wohnsitz
(nach derzeitiger Planung) zum 01.01.2017 wieder nach X (und dann
dauerhaft) verlegt werden könne.
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Der Kläger legte gegenüber dem FA
ergänzend dar, dass die Abmeldung unter Aufgabe des Wohnsitzes
im Inland zum 01.03.2014 und die Registrierung im Zuzugsstaat (VAE)
zum 04.03.2014 erfolgt sei. Vom 01.03.2014 bis zum 31.12.2015 habe
in X der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen gelegen. Die Wohnung
in Z (B-Str. 2) sei im Zeitraum vom 01.03.2014 bis zum 31.12.2015
im Rahmen eines Leihvertrages unentgeltlich an die Mutter seiner
Kinder überlassen worden. In der Zeit vom 03.03.2016 bis
Dezember 2016 sei er nach Deutschland zurückgekehrt und unter
der Anschrift in Z (B-Str. 2) in Deutschland wohnhaft, wobei der
Wohnsitz/gewöhnliche Aufenthalt im Ausland nicht
vollständig aufgegeben worden sei. Der Kläger reichte
außerdem eine Kopie seiner „Residence
Permit“ (Aufenthaltsgenehmigung) aus den VAE
ein mit einem Ausstellungsdatum 03.03.2016; diese Genehmigung
trägt den Hinweis, dass sie ungültig werde, wenn sich der
Träger mehr als sechs Monate außerhalb der VAE
aufhalte.
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10
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Später trug der Kläger vor, dass
er keinen Schlüssel zu der Wohnung in Z (B-Str. 2), die er
seinen Kindern überlassen habe, gehabt habe. Die Wohnung sei
von seinen Kindern, der Mutter seiner Kinder und deren
Lebensgefährten genutzt worden. Er habe sich im Jahr 2016 nur
postalisch an der B-Str. 2 angemeldet. Seit März 2014 habe er
bei Besuchen in Deutschland ausschließlich in Hotels gewohnt.
Sein Leben finde in X statt. Er sei Mitglied im … Golf Club
und gehe täglich essen, in die Clubs und in die Oper; auch die
medizinische Versorgung finde in X statt. Er bestreite seinen
Lebensunterhalt aus seinem Vermögen. Der Kläger
fügte mehrere Hotelrechnungen für den Zeitraum vom
16.03.2014 bis 10.09.2016 bei, aus denen sich ein Aufenthalt in
Deutschland von insgesamt 41 Tagen ergab.
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11
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Das FA war der Auffassung, dass die
Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 AStG für ein Entfallen der
Wegzugsbesteuerung nicht erfüllt seien. Es ermittelte die
gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG zu besteuernden
fiktiven Veräußerungsgewinne i.S. des § 17 EStG,
wobei es die gemeinen Werte der im Zeitpunkt des Wegzugs gehaltenen
GmbH-Beteiligungen nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren
gemäß §§ 199 ff. des Bewertungsgesetzes
ermittelte. Steuerpflichtige Veräußerungsgewinne i.S.
des § 17 EStG:
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Firma
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Anschaffungs-kosten
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Gemeiner Wert
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Fiktiver V-Gewinn
(Nach Anwendung § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG und § 17
Abs. 3 EStG)
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S GmbH
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… EUR
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… EUR
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… EUR
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B GmbH
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… EUR
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… EUR
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… EUR
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K GmbH
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(nunmehr:
G N GmbH)
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… EUR
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… EUR
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… EUR
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J GmbH
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… EUR
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… EUR
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… EUR
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L GmbH
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… EUR
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… EUR
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… EUR
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14
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Der Kläger rügt die Verletzung
materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil und den
Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung
insoweit aufzuheben, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb
i.S. des § 17 EStG um … EUR niedriger anzusetzen sind
und damit … EUR betragen, dass negative Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung in Höhe von … EUR aus dem
Objekt in Y berücksichtigt werden, und dass die festzusetzende
Einkommensteuer 2014 folglich ... EUR beträgt.
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15
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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16
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II. Die Revision ist teilweise begründet;
das FG hat rechtsfehlerhaft dahin erkannt, dass im Streitfall die
Voraussetzungen für eine Rückausnahme zur
Wegzugsbesteuerung nicht erfüllt sind (s. zu 1.), es hat aber
ohne Rechtsfehler den Ansatz von negativen Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung abgelehnt (s. zu 2.). Das angefochtene
Urteil und die Einspruchsentscheidung sind daher aufzuheben. Der
zugrunde liegende Steuerbescheid ist abzuändern und die
Einkommensteuer ist nach Maßgabe der Entscheidungsgründe
vom FA zu berechnen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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17
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1. Der Ansatz von Einkünften des
Klägers aus Gewerbebetrieb (§ 6 Abs. 1 AStG i.V.m. §
17 EStG) infolge des Entfallens der unbeschränkten
Steuerpflicht jedenfalls im Streitjahr (Wegzug des Klägers
nach X/VAE) in Höhe von … EUR (Beteiligungen des
Klägers an der S GmbH, der B GmbH, der G N GmbH, der J GmbH
und der L GmbH) ist rechtsfehlerhaft; denn es liegt nur eine
„vorübergehende Abwesenheit“
vor, die „nachträglich“ -
aber im Streitfall schon im Rahmen der Steuerfestsetzung des
Streitjahres - den Besteuerungstatbestand ausschließt (§
6 Abs. 3 Satz 1 AStG).
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18
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a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG
gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der
Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer
Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der
letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar
oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war.
Veräußerungsgewinn ist dabei grundsätzlich der
Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der
Veräußerungskosten die Anschaffungskosten
übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach § 6 Abs.
1 Satz 1 AStG ist bei einer natürlichen Person, die insgesamt
mindestens zehn Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt
steuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht
durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts
endet, auf Anteile i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG im
Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht
§ 17 EStG auch ohne Veräußerung anzuwenden, wenn im
Übrigen für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die
Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. An Stelle des
Veräußerungspreises (§ 17 Abs. 2 EStG) tritt bei
Anwendbarkeit des § 6 AStG der gemeine Wert der Anteile in dem
nach § 6 Abs. 1 Satz 1 oder 2 AStG maßgebenden Zeitpunkt
(§ 6 Abs. 1 Satz 4 AStG).
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19
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b) Unter den Beteiligten besteht zu Recht kein
Streit darüber, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des §
6 Abs. 1 Satz 1 AStG erfüllt sind. Der Kläger war
innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Wegzug in die VAE am
Kapital der genannten Gesellschaften unmittelbar zu mindestens 1 %
beteiligt. Vor dem Wegzug war er auch für mindestens zehn
Jahre im Inland unbeschränkt steuerpflichtig.
Schließlich hat die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes
und des gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers im März
2014 zur Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht des
Klägers geführt. Ob es mit Blick auf die
abkommensrechtliche Lage (tatbestandliche Voraussetzungen einer
Ansässigkeit in den VAE) zu einer Beschränkung des
inländischen Besteuerungsrechts gekommen ist (s. dazu - unter
Hinweis auf Art. 13 Abs. 5 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Unterabs.
i des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den
Vereinigten Arabischen Emiraten zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der
Steuern vom Einkommen vom 01.07.2010, BGBl II 2011, 540, BStBl I
2011, 943 [DBA-VAE] - Häck, IStR 2020, 118, 119; derselbe in
Hummel/Kaminski, Neue Herausforderungen im Internationalen
Steuerrecht, 2022, S. 1, 5; Hörnicke/Quilitzsch,
Internationale Steuer-Rundschau - ISR - 2020, 152, 155; s.a. Weiss,
ISR 2020, 15, 17), ist ohne Bedeutung (s. dazu allgemein
Senatsurteil vom 08.12.2021 - I R 30/19, BFHE 275, 331, BStBl II
2022, 763 = SIS 22 08 66).
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20
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c) Der Steueranspruch auf der Grundlage der
sog. Wegzugsbesteuerung ist aber mit Blick auf den (schon im Rahmen
der Veranlagung des Streitjahres bekannt gewordenen) Wiedereintritt
der unbeschränkten Steuerpflicht im Jahr 2016
„nachträglich“ (und mit
Wirkung auf das Streitjahr) entfallen; es liegt eine sog.
vorübergehende Abwesenheit des Klägers (§ 6 Abs. 3
Satz 1 AStG – sog. Rückkehrerregelung) vor.
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21
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aa) Beruht die Beendigung der
unbeschränkten Steuerpflicht auf vorübergehender
Abwesenheit und wird der Steuerpflichtige innerhalb von fünf
Jahren seit Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht wieder
unbeschränkt steuerpflichtig, entfällt der Steueranspruch
nach § 6 Abs. 1 AStG, soweit die Kapitalgesellschaftsanteile
in der Zwischenzeit nicht veräußert und die
Tatbestände des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 3 AStG nicht
erfüllt worden sind und der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der
Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nicht nach
einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) als in
einem ausländischen Staat ansässig gilt.
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bb) Die Beteiligten streiten sich auf der
Grundlage der Feststellungen des FG zu den für den Tatbestand
des § 9 der Abgabenordnung maßgebenden Umständen
(„gewöhnlicher Aufenthalt“)
zu Recht nicht darüber, dass diese
„Rückausnahme“ insoweit
erfüllt ist, als der Kläger innerhalb von fünf
Jahren seit Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht wieder
unbeschränkt steuerpflichtig geworden ist (hier: im Jahr
2016), die (abgesehen von der im Streitjahr veräußerten
Beteiligung) Kapitalgesellschaftsanteile in der Zwischenzeit nicht
veräußert und die Tatbestände des § 6 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 oder 3 AStG nicht erfüllt worden sind, und
schließlich der Kläger im Zeitpunkt der Begründung
der unbeschränkten Steuerpflicht nicht nach einem DBA (hier:
DBA-VAE) als in einem ausländischen Staat (hier: VAE)
ansässig gilt.
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cc) Die Beendigung der unbeschränkten
Steuerpflicht des Klägers im Streitjahr beruhte - auf der
Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen im angefochtenen
Urteil, ohne dass es auf den weitergehenden Sachvortrag des
Klägers im Revisionsverfahren ankäme - auf
„vorübergehender
Abwesenheit“.
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24
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aaa) Dieses im Gesetzeswortlaut mit der
Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in Bezug gesetzte
Merkmal wird nach Auffassung der Finanzverwaltung und Teilen der
Literatur im Sinne einer „subjektiven
Theorie“ dahin gedeutet, dass bei Wegzug
der Wille des Steuerpflichtigen zur Rückkehr und damit der
Wille, wieder unbeschränkt steuerpflichtig zu werden, bestehen
muss, und dass dies glaubhaft zu machen ist (Bundesministerium der
Finanzen, Schreiben vom 14.05.2004 [sog. Anwendungserlass zum
AStG], BStBl I 2004, Sondernummer 1, 3 = SIS 04 21 57, Tz. 6.4.1; Hellwig, DStZ 1976,
4; Gropp in Lademann, AStG, 2. Aufl., § 6 Rz 67;
Euchner/Schmidt in Haun/Kahle/Goebel/Reiser,
Außensteuergesetz, § 6 Rz 372; wohl auch
Schienke-Ohletz/Kühn in Micker/Pohl/Oppel, Kompendium
Internationales Steuerrecht, 2022, Rz 4217; Peters, EFG 2020, 19,
23; dieselbe, DB 2020, 256; Lauer, Gesellschafts- und
Wirtschaftsrecht 2020, 41; Beinert/Oertel, Steuerberater-Jahrbuch -
StbJb - 2020/2021, 139, 147 f. [Oertel]). Nur auf diese Weise
erhalte der erste Satzteil des § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG (und der
dortige zweite Satzteil mit der Verbindung
„und“) einen Sinn; im
Übrigen werde in § 6 Abs. 3 Satz 2 AStG in Fällen
von mehr als fünfjähriger Abwesenheit eine
„fortbestehende“
Rückkehrabsicht verlangt. Demgegenüber wird in der
Literatur auch im Sinne einer „objektiven
Theorie“ ein Rückkehrwille als
Tatbestandserfordernis abgelehnt, da das Merkmal der
„vorübergehenden
Abwesenheit“ allein das gesetzgeberische
Motiv für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung benenne, ohne
dass dies als absichtsbegründete eigentliche
Tatbestandsvoraussetzung verstanden werden könne (z.B. Kraft
in Kraft, Außensteuergesetz, 2. Aufl., § 6 Rz 435;
Beinert/Oertel, StbJb 2020/2021, 139, 147 f. [Beinert]), bzw. es
wird im Sinne einer „(eingeschränkten) objektiven
Theorie“ die Auffassung vertreten, dass
auch unter Berücksichtigung einer Rückkehrabsicht die
„fristgemäße
Rückkehr“ des Steuerpflichtigen
für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung zumindest in den
Fällen ausreicht, in denen die Rückkehr innerhalb von
fünf Jahren (Situation in § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG) erfolgt
(s. ausführlich Häck in
Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht,
§ 6 AStG Rz 442 [Altkommentierung]; derselbe, IStR 2020, 118,
119 f.; derselbe in Hummel/Kaminski, a.a.O., S. 1, 6; s.a.
Brandis/Heuermann/Pohl, § 6 AStG a.F. Rz 73 a.E.; Hecht in
Fuhrmann, Außensteuergesetz, 3. Aufl., § 6 Rz 39;
Müller-Gosoge in Haase, AStG/DBA, 3. Aufl., § 6 AStG Rz
142; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 4.
Aufl., Rz 6.430; Wilke in eKommentar, § 6 AStG Rz 60;
Hörnicke/Quilitzsch, ISR 2020, 152, 155; Weber-Grellet, DStR
2007, Beihefter zu Heft 39, 43; wohl auch Strunk/Kaminski in
Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 6 AStG Rz 172; Weiss,
ISR 2020, 15, 17; Escher/Grzella, BB 2020, 540, 542).
Begründet wird diese Sichtweise auch mit
Praktikabilitätserwägungen und den Schwierigkeiten bei
der Feststellung der Absichten des Steuerpflichtigen.
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25
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bbb) Der Senat folgt der zuletzt
angeführten Auslegung. Auch wenn man aus dem durch einen
bestimmten Zeitrahmen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 AStG: 5 Jahre)
konkretisierten Tatbestandsmerkmal der „lediglich
vorübergehenden Abwesenheit“ das
Erfordernis einer Rückkehrabsicht ableitet, gibt der Wortlaut
zum Zeitpunkt der entsprechenden Willensbildung keine Auskunft.
Denn der Gesetzestext führt erst in der Sondersituation des
§ 6 Abs. 3 Satz 2 AStG (einzelfallbezogene Verlängerung
der Rückausnahmemöglichkeit bei Glaubhaftmachung, dass
„(s)eine Absicht zur Rückkehr unverändert
fortbesteht“) im Zusammenhang mit der
begünstigenden Ausweitung der Belastungsausnahme eine solche
(Rückkehr-)Absicht (verbunden mit der Notwendigkeit einer
Glaubhaftmachung) ausdrücklich an; dabei ist auch der
Rückschluss, dass eine solche Absicht schon im Augenblick des
Wegzugs (und damit auch für die Situation des Satzes 1)
bestehen muss (Hinweis auf den Terminus
„unverändert“), nicht
ausreichend belastbar, da in Satz 2 ein Zeitbezug nur für den
Verlängerungszeitraum hergestellt ist (Häck, IStR 2020,
118, 119), so dass der Rückkehrwille durchaus auch im Laufe
des ersten 5-Jahres-Zeitraums gebildet worden sein kann (Häck,
a.a.O.). Jedenfalls legt der Formulierungsunterschied die
Interpretation nahe, dass der Umstand der tatsächlichen
(zeitgerechten) Rückkehr in der Grundsituation des Satzes 1
das Entfallen der Belastung (die
„Begünstigung“) auslöst
und damit das Beruhen der Rückkehr auf einer ursprünglich
bestehenden Rückkehrabsicht indiziert (so ausdrücklich
Schaumburg in Schaumburg, a.a.O., Rz 6.430; s.a.
Brandis/Heuermann/Pohl, § 6 AStG a.F. Rz 73 a.E.; Häck,
IStR 2020, 118, 119 f.). Nur auf diese Weise wird in
gesetzessystematischer Hinsicht eine notwendige Kongruenz zur
Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 3 AStG ermöglicht, nach der
im Fall des (steuerauslösenden) Erwerbs von Todes wegen nach
§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG die Besteuerung nachträglich
entfällt, wenn der Rechtsnachfolger des Steuerpflichtigen (der
Erwerber) innerhalb von fünf Jahren seit Entstehung des
Steueranspruchs unbeschränkt steuerpflichtig wird
(entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG) - der
Eintritt der unbeschränkten Steuerpflicht (und damit die
„Wiederverstrickung“ der stillen
Reserven) rechtfertigt das Entfallen des Steueranspruchs
unabhängig von einer
„Absicht“ des
Rechtsvorgängers (des Übertragenden – s.a.
Brandis/Heuermann/Pohl, § 6 AStG a.F. Rz 74). Im Sinne einer
Verhältnismäßigkeit des Besteuerungszugriffs wird
damit der (ohne einen klassischen Fall der Gewinnrealisierung
ausgelöste) Steueranspruch nach Absatz 1 wieder
zurückgenommen, wenn innerhalb eines abgrenzbaren Zeitraums
die nationale Realisierung des latenten Steueranspruchs (bei
tatsächlicher Realisierung der stillen Reserven) wieder
ermöglicht wird (s.a. Hörnicke/Quilitzsch, ISR 2020, 152,
155
[“Normzweckerfüllung“
bei einer Wiederverstrickung]), was sich auch der Regelung des
§ 6 Abs. 3 Satz 4 AStG (Stundungssituation) entnehmen
lässt (Häck, IStR 2020, 118, 120).
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26
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Es geht daher entgegen der Ansicht des FG bei
der Auslegung mitnichten darum, die Anwendung von Absatz 3
„für gescheiterte oder
‘abgebrochene’
Auswanderungen“ auszuschließen und
Absatz 3 nicht einen Zweck als
„’Reparaturvorschrift’
für steuerlich
‘missglückte’
Wegzüge“ zuzuweisen; vielmehr geht es
darum, angesichts des nicht abschließend klaren Wortlauts (s.
insoweit die abweichende Ausgangslage in der Fallsituation des
Senatsurteils in BFHE 275, 331, BStBl II 2022, 763 = SIS 22 08 66)
und der systematischen Zusammenhänge dem teleologischen
Leitprinzip der Regelung Geltung zu verschaffen, das auf die
Bewahrung des nationalen Besteuerungsrechts mit Blick auf die
stillen Reserven der Kapitalgesellschaftsbeteiligungen ausgerichtet
ist (s. ausdrücklich - wenn auch konkret auf die insoweit
[“nur vorübergehende
Abwesenheit“] wortlautidentische
Rückkehrerregelung des § 6 Abs. 3 AStG i.d.F. des
Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie -
ATAD-Umsetzungsgesetz - vom 25.06.2021, BGBl I 2021, 2035, BStBl I
2021, 874, bezogen - das
„Leitbild“ in BT-Drucks.
19/28652, S. 49, wonach nunmehr unter dem Gesichtspunkt von
„Flexibilität und Mobilität des
Steuerpflichtigen“ auch auf eine
Glaubhaftmachung einer Rückkehrabsicht verzichtet werden
soll).
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27
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Damit besteht kein Widerspruch zur
Entstehungsgeschichte der Regelung. Das FG hat zutreffend
angeführt, dass bereits in § 6 Abs. 4 AStG in der
Gesetzesfassung vom 08.09.1972 (BGBl I 1972, 1713, BStBl I 1972,
450) von der „vorübergehenden
Abwesenheit“ gesprochen wurde. Im Rahmen
der letzten Änderung des § 6 Abs. 1 bis 4 AStG durch das
Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur
Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur
Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom
07.12.2006 (BGBl I 2006, 2782, BStBl I 2007, 4) fand sich im
Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25.09.2006 (BT-Drucks.
16/2710, S. 21) für § 6 Abs. 3 AStG zunächst die
Formulierung, dass der Steueranspruch nach § 6 Abs. 1 AStG
entfallen solle, „Soweit das Besteuerungsrecht der
Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der
Veräußerung der Anteile wieder begründet
wird“. Im weiteren Verlauf des
Gesetzgebungsverfahrens sei allerdings die
„vorübergehende(n)
Abwesenheit“ nach Stellungnahme des
Bundesrates vom 22.09.2006 (BR-Drucks. 542/06, S. 11 f.) und auf
Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 08.11.2006
(BT-Drucks. 16/3315, S. 49) hin wieder in § 6 Abs. 3 AStG
aufgenommen worden (Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages vom
09.11.2006, BR-Drucks. 836/06, S. 20). Begründet wurde dies
damit, dass der Steueranspruch nur dann entfallen solle, wenn der
Steuerpflichtige nach beruflich bedingter vorübergehender
Abwesenheit innerhalb von fünf Jahren wieder unbeschränkt
steuerpflichtig werde (vgl. BR-Drucks. 542/06, S. 11 f., und
Bericht des Finanzausschusses vom 09.11.2006, BT-Drucks. 16/3316).
Die Schlussfolgerung des FG, dass nach der Vorstellung des
Gesetzgebers der „vorübergehende(n)
Abwesenheit“ als Tatbestandsmerkmal daher
nicht nur eine eigenständige Bedeutung neben dem der
(Wieder-)Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht
zukommen, sondern die Rückkehr auch auf einer bestimmten
subjektiven Motivlage beruhen sollte (auch wenn die
„beruflichen Gründe“ nicht
ausdrücklich Eingang in den Gesetzestext gefunden haben), ist
zwar ungeachtet der aus Satz 2 abzuleitenden Zweifel (dortiges
ausdrückliches Erfordernis der Glaubhaftmachung eines
Rückkehrwillens im Augenblick des
„Verlängerungsantrags“)
möglich, ist aber nicht zwingend und schließt
insbesondere die Würdigung der tatsächlichen
Rückkehr als Indiz für einen Rückkehrwillen
(Situation des Satzes 1) unter dem Gesichtspunkt der
Verhältnismäßigkeit des Besteuerungszugriffs nicht
aus.
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2. Im angefochtenen Urteil wurde der Ansatz
negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ohne
Rechtsfehler auf den Umstand fehlender
Einkünfteerzielungsabsicht gestützt.
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Auch wenn in den Tatbestandsvoraussetzungen
des § 21 EStG der Umstand einer
Einkünfteerzielungsabsicht nicht ausdrücklich (wie in
§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG) genannt ist, setzt der Abzug von
Werbungskosten (bezogen auf das Streitjahr als sog. vorweggenommene
Werbungskosten) zur Ermittlung von Einkünften aus Vermietung
und Verpachtung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG) einen
Zusammenhang mit (evtl. erst später erzielten) besteuerbaren
Einnahmen voraus (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dass das FG bei der
Würdigung, ob im Zeitpunkt der Verausgabung der Beträge
(hier: Schuldzinsen, Grundbesitzabgaben und Inseratskosten) die
Absicht des Klägers bestand, die Bauobjekte nach
Fertigstellung zu vermieten, mit Blick auf den Inhalt der
Zeitungsinserate („VK“ als
Verkauf) für alle geltend gemachten Aufwendungen zu dem
Schluss gekommen ist, dass eine solche Absicht nicht bestand, ist
revisionsrechtlich - unter Berücksichtigung der dem Tatgericht
insoweit obliegenden Aufgabe (s. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH
- vom 28.10.2008 - IX R 1/07, BFHE 223, 186, BStBl II 2009, 848 =
SIS 08 42 95; BFH-Beschluss vom 21.06.2019 - IX B 27/19, BFH/NV
2019, 1112 = SIS 19 11 91) und den Maßgaben des § 118
Abs. 2 FGO zu tatrichterlichen Feststellungen und Würdigungen
- nicht zu beanstanden, da sie als jedenfalls möglich
erscheint und ein Verstoß gegen Denkgesetze und
Erfahrungssätze nicht ersichtlich ist. Diese
streitjahrbezogene Würdigung des FG zur Frage, ob ein
Veranlassungszusammenhang der geltend gemachten Abzugsposten zu der
Erzielung von (künftigen) steuerpflichtigen Einnahmen aus
Vermietung und Verpachtung besteht, musste auch nicht
zwangsläufig davon geprägt sein, dass es nach dem
Streitjahr nicht zu einem Verkauf der Objekte, sondern
tatsächlich zu einer Vermietung gekommen war. Dass neben der
Verkaufsabsicht bereits im Streitjahr eine Vermietungsabsicht
bestanden habe, wie der Kläger vorträgt, hat das FG nicht
festgestellt und auf dieser Grundlage zu Recht unter
Berücksichtigung der Feststellungslast zum Nachteil des
Klägers erkannt (s. zur Situation „indifferenter
Entschlusslage“ wegen alternativ erwogener
Veräußerung BFH-Urteil in BFHE 223, 186, BStBl II 2009,
848 = SIS 08 42 95; s.a. Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21
EStG Rz 211).
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3. Die Berechnung der festzusetzenden
Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 121 Satz 1
i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO). Der in der mündlichen
Verhandlung gestellte Revisionsantrag des Klägers, der den
Streitgegenstand bestimmt, entspricht dem im angefochtenen Urteil
(auf der Grundlage des entsprechenden Protokolls der
mündlichen Verhandlung i.S. des § 94 FGO)
angeführten Betragsrahmen; ein Antrag des Klägers im
finanzgerichtlichen Verfahren auf Protokollberichtigung (§ 94
FGO i.V.m. § 164 Abs. 1 der Zivilprozessordnung) oder
Tatbestandsberichtigung (§ 108 Abs. 1 FGO – dabei
umfasst der „Tatbestand“ des
Urteils auch die Anträge des § 105 Abs. 3 Satz 1 FGO, s.
BFH-Beschluss vom 12.01.2012 - II S 9/11 (PKH), BFH/NV 2012, 709 =
SIS 12 10 13) fehlt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136
Abs. 1 Satz 3 FGO; der Kläger unterliegt mit seinem Begehren
im Verhältnis zum gesamten Streitgegenstand nur zu einem
„geringen Teil“ (zu den
Wertmaßstäben der Rechtsprechung s. z.B. BFH-Urteile vom
21.04.2005 - V R 11/03, BFHE 211, 50, BStBl II 2007, 63 = SIS 05 47 50; vom 28.06.2017 - XI R 23/14, BFHE 258, 517 = SIS 17 15 39;
weitere Nachweise bei Brandis in Tipke/Kruse, § 136 FGO Rz
9).
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