1
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I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob eine körperschaft- und gewerbesteuerrechtliche Organschaft
zwischen der B-GmbH als Organgesellschaft und der Klägerin und
Revisionsbeklagten (Klägerin), einer AG, als
Organträgerin im Jahr 2015 (Streitjahr) anzuerkennen
ist.
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2
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Die A-GmbH, deren Wirtschaftsjahr dem
Kalenderjahr entsprach, gründete am …08.2014 unter
anderem die B-GmbH, deren Wirtschaftsjahr vom 01.09. bis 31.08.
lief. Am …02.2015 schloss die A-GmbH mit der B-GmbH einen
Ergebnisabführungsvertrag (EAV), der am …03.2015 in das
Handelsregister eingetragen wurde und rückwirkend ab dem
Beginn des Geschäftsjahres der B-GmbH galt. Gegenstand des
Unternehmens der B-GmbH war die Vercharterung eines
Seeschiffes.
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Am …05.2015 wurde die A-GmbH auf die
Klägerin verschmolzen. Verschmelzungsstichtag war nach dem
Verschmelzungsvertrag der 01.01.2015. Mit dem Verschmelzungsvertrag
vom …06.2017 wurde auch die B-GmbH auf die Klägerin
verschmolzen. Verschmelzungsstichtag war hier der
01.09.2017.
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Die B-GmbH ging in ihren
Steuererklärungen für das Streitjahr von einer
körperschaft- und gewerbesteuerrechtlichen Organschaft mit der
Klägerin als Organträgerin aus. Dem entsprechend
erklärte sie für die Körperschaftsteuer ein zu
versteuerndes Einkommen von 0 EUR und gab die Anlage OG ab.
Darüber hinaus beantragte sie, den Bestand des steuerlichen
Einlagekontos auf … EUR festzustellen.
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5
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Der Beklagte und Revisionskläger
(Finanzamt - FA - ) erkannte die Organschaft für das
Streitjahr nicht an und erließ gegenüber der B-GmbH
entsprechende Bescheide über Körperschaftsteuer,
über den Gewerbesteuermessbetrag sowie über die
gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27
Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 des
Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr
geltenden Fassung (KStG). Nach einer Außenprüfung
ergingen hierzu Änderungsbescheide, in denen die
Körperschaftsteuer auf … EUR und der
Gewerbesteuermessbetrag auf … EUR festgesetzt wurden. Der
Bestand des steuerlichen Einlagekontos wurde mit … EUR
festgestellt. Der wegen der Nichtanerkennung der Organschaft
eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
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6
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Die von der Klägerin als
Gesamtrechtsnachfolgerin der B-GmbH eingereichte Klage, die sich
mit Zustimmung des FA im Wege der Sprungklage auch gegen den
während des Klageverfahrens vom FA erlassenen Bescheid
über die Feststellung des Nichtbestehens einer Organschaft
zwischen der Klägerin und der B-GmbH für den Zeitraum
01.09.2014 bis 31.08.2015 richtete und von der Klägerin
insoweit sowohl als Organträgerin als auch als
Rechtsnachfolgerin der Organgesellschaft (B-GmbH) eingelegt wurde,
hatte dagegen teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Hamburg ging
in dem Urteil vom 04.09.2020 - 6 K 150/18 (EFG 2021, 55 = SIS 20 17 67) von dem Bestehen einer Organschaft aus und änderte den
festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag auf 0 EUR. Außerdem
verpflichtete es das FA, einen Bescheid über die gesonderte
und einheitliche Feststellung nach § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG zu
erlassen und für das Streitjahr das der Klägerin als
Organträgerin zuzurechnende Einkommen der B-GmbH mit …
EUR sowie die Minderabführungen aus organschaftlicher Zeit mit
… EUR festzustellen.
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Die Voraussetzungen einer
körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft nach § 14 Abs.
1 Satz 1 i.V.m. § 17 KStG seien erfüllt. Insbesondere
liege das Merkmal der finanziellen Eingliederung (§ 14 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 KStG) bereits ab dem 01.09.2014 vor. § 12 Abs. 3
des Umwandlungssteuergesetzes 2006 in der für das Streitjahr
geltenden Fassung (UmwStG) ordne bei einer Verschmelzung die
umfassende und vorbehaltlose Rechtsnachfolge in die steuerliche
Position des übertragenden Rechtsträgers an (sogenannte
Fußstapfentheorie). In der Folge sei der Klägerin die
finanzielle Eingliederung der B-GmbH in die A-GmbH ab dem
01.09.2014 zuzurechnen. Dass die A-GmbH nicht mit steuerlicher
Rückwirkung zum 01.09.2014, sondern nur mit steuerlicher
Rückwirkung zum 01.01.2015 auf die Klägerin verschmolzen
worden sei, stehe dem nicht entgegen. Nach dem Wortlaut des
Gesetzes komme es auch nicht zu einer Aufteilung des zuzurechnenden
Einkommens auf die A-GmbH und die Klägerin.
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8
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Das FA macht mit der Revision die
Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und mangels
Spruchreife zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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11
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Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass die
gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 14 Abs. 5 Satz
1 KStG auch die Statusfrage des Bestehens oder Nichtbestehens einer
körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft nach § 14 KStG
erfasst und im Streitfall die Voraussetzung der finanziellen
Eingliederung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG
vorlag. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen aber
nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob im
Streitjahr sämtliche Voraussetzungen einer körperschaft-
und gewerbesteuerrechtlichen Organschaft zwischen der Klägerin
als Organträgerin und der B-GmbH als Organgesellschaft
erfüllt waren.
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12
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1. Nach § 179 Abs. 1 der Abgabenordnung
(AO) muss eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
ausdrücklich gesetzlich angeordnet sein. Dies ist darauf
zurückzuführen, dass abgestufte (mehrstufige)
Steuerverwaltungsverfahren, die von der Grundkonzeption des §
157 Abs. 2 AO abweichen, aufgrund des Grundsatzes der
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 des
Grundgesetzes - GG - ) einer besonderen gesetzlichen Regelung
bedürfen; die damit unverzichtbare Rechtsgrundlage für
ein mehrstufiges Verfahren kann nicht durch allgemeine
Zweckmäßigkeitserwägungen ersetzt werden (z.B.
Großer Senat des Bundesfinanzhofs - BFH -, Beschluss vom
11.04.2005 - GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679 = SIS 05 31 02; Senatsbeschluss vom 13.05.2013 - I R 39/11, BFHE 241, 1,
BStBl II 2016, 434 = SIS 13 18 00; BFH-Urteil vom 20.11.2018 - VIII
R 39/15, BFHE 263, 112, BStBl II 2019, 239 = SIS 18 22 41;
Senatsurteil vom 17.05.2023 - I R 42/19, juris = SIS 23 16 35. Sofern die gesonderte
Feststellung bestimmter materiell-rechtlich maßgebender
Rechengrößen nicht gesetzlich vorgesehen ist, muss
über diese Größen grundsätzlich unmittelbar
bei der Veranlagung des Steuerpflichtigen entschieden werden (vgl.
auch Senatsurteile vom 10.04.2019 - I R 15/16, BFHE 265, 56, BStBl
II 2022, 266 = SIS 19 13 25; vom 17.05.2023 - I R 42/19, juris =
SIS 23 16 35).
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a) Für die
körperschaftsteuerrechtliche Organschaft sieht § 14 Abs.
5 Satz 1 KStG vor, dass das dem Organträger zuzurechnende
Einkommen und damit zusammenhängende andere
Besteuerungsgrundlagen gegenüber dem Organträger und der
Organgesellschaft gesondert und einheitlich festzustellen sind.
Diese Feststellungen sind nach § 14 Abs. 5 Satz 2 KStG
für die Besteuerung des Einkommens des Organträgers und
der Organgesellschaft bindend. Nach § 34 Abs. 9 Nr. 9 KStG
i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der
Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom
20.02.2013 (BGBl I 2013, 285, BStBl I 2013, 188) gelten diese
Vorschriften erstmalig für nach dem 31.12.2013 beginnende
Feststellungszeiträume und damit auch im Streitjahr.
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b) Die vom FG tenorierten Feststellungen sind
von dem Gesetzesbefehl des § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG erfasst.
Dies gilt insbesondere für die Feststellungen, dass das der
Klägerin als Organträgerin zuzurechnende Einkommen der
B-GmbH im Streitjahr … EUR und die Minderabführungen
der B-GmbH aus organschaftlicher Zeit … EUR betragen.
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aa) Die gesonderte Feststellung des der
Klägerin als Organträgerin zuzurechnenden Einkommens ist
in § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG (ausdrücklich)
angeführt.
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bb) Zusätzlich ordnet § 14 Abs. 5
Satz 1 KStG die Feststellung „damit zusammenhängende(r)
andere(r) Besteuerungsgrundlagen“ an. Hiervon
wird auch die vom FG geforderte Feststellung der
Minderabführungen aus organschaftlicher Zeit nach § 14
Abs. 4 KStG erfasst (so auch Dötsch in
Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer,
§ 14 KStG Rz 1141; Brandis/Heuermann/Krumm, § 14 KStG Rz
304; Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 529c;
Dötsch/Pung, DB 2013, 305, 313; Brühl, GmbHR 2021, 166,
168; Drüen, Der Konzern 2013, 433, 440; a.A. Frotscher in
Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz 938;
kritisch auch Brink in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl.,
§ 14 Rz 682o). Dies folgt schon aus der Verknüpfung der
Minderabführungen mit dem Bestand des steuerlichen
Einlagekontos in § 27 Abs. 6 KStG.
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cc) Auch der zwischen den Beteiligten allein
streitige Status des Bestehens oder Nichtbestehens einer
Organschaft ist - zumindest „incidenter“
(so Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die
Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz 1142; Frotscher in
Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz 926 und
932) - Gegenstand der in § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG angeordneten
Feststellung der „damit“ (Feststellung
des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens)
„zusammenhängende(n) andere(n)
Besteuerungsgrundlagen“ (vgl. auch Kolbe in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 372;
Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG,
2. Aufl., § 14 Rz 795; Dötsch/Pung, DB 2013, 305, 313;
ähnlich Rödder, Die Unternehmensbesteuerung - Ubg - 2012,
717, 723 und Teiche, DStR 2013, 2197,
2200[“faktisch“]; a.A.
Brandis/Heuermann/Krumm, § 14 KStG Rz 305; Drüen in
Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2. Aufl., Rz 4.34; Drüen,
Der Konzern 2013, 433, 446 ff.; kritisch auch Brink in
Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 682f; Neumann
in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 529d
[“erhebliche Zweifel“]).
Denn ohne das Bestehen einer Organschaft kann kein dem
Organträger zuzurechnendes Einkommen festgestellt werden. Die
Statusfeststellung ist als Vorbedingung für die Feststellung
des zuzurechnenden Einkommens die stärkste Form „damit
zusammenhängender
Besteuerungsgrundlagen“. Die Einbeziehung der
Statusfeststellung in § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG widerspricht
deshalb nicht dem Grundsatz gesetzlicher Feststellungsklarheit und
damit auch nicht dem Gebot der Gesetzmäßigkeit der
Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG sowie dem Gebot effektiven
Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG (a.A. Drüen in
Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2. Aufl., Rz 4.34).
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Für dieses Ergebnis spricht auch der
Wille des Gesetzgebers. Denn nach der Begründung des
Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 17/10774, S. 20) sollte § 14 Abs. 5
KStG auch die grundlegende Feststellung umfassen, dass eine
steuerlich anzuerkennende Organschaft vorliegt. Außerdem
gehört im Rahmen des vergleichbar formulierten § 180 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO („im Zusammenhang stehende andere
Besteuerungsgrundlagen“) die vergleichbare
Situation des Bestehens einer Mitunternehmerschaft ebenfalls zu den
möglichen Feststellungen (z.B. BFH-Urteil vom 20.08.2015 - IV
R 12/12, BFH/NV 2016, 412 = SIS 16 02 61).
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Dem steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt
des Erlasses des Feststellungsbescheids insbesondere die
Voraussetzung der tatsächlichen Durchführung des EAV noch
nicht abschließend beurteilt werden kann (so aber Neumann in
Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 529d). Dieser Umstand ist zwar
zutreffend beschrieben, gilt aber gleichermaßen, wenn
hierüber in einem Körperschaftsteuerbescheid entschieden
wird. Für den Fall einer Änderung der Beurteilung
einzelner Tatbestandsmerkmale kommt es allein auf die Systematik
der verfahrensrechtlichen Änderungsvorschriften an.
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2. Auf dieser Grundlage hat das FG zutreffend
entschieden, dass die Klage zulässig ist, soweit sie auf den
Erlass eines Feststellungsbescheids nach § 14 Abs. 5 Satz 1
KStG und gegen den Gewerbesteuermessbescheid gerichtet war.
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a) Die Sachurteilsvoraussetzungen für die
Klage auf Erlass einer gesonderten und einheitlichen Feststellung
gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG lagen vor.
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aa) Zutreffende Klageart ist die von der
Klägerin erhobene Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1
Variante 2 FGO). Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage
gegen die Ablehnung einer gesonderten und einheitlichen
Feststellung durch negativen Feststellungsbescheid. Jedenfalls
dann, wenn - wie im Streitfall - der erstmalige Erlass eines
positiven Feststellungsbescheids erreicht werden soll, ist
hierfür die Verpflichtungsklage einschlägig (z.B.
Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 40 Rz
59). Die in dem Klagebegehren enthaltene Aufhebung des negativen
Feststellungsbescheids wird von dieser Verpflichtungsklage umfasst
(Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 40 Rz
26, m.w.N.). Die Feststellungsklage ist gegenüber der
Verpflichtungsklage subsidiär (§ 41 Abs. 2 FGO).
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23
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bb) Die Klägerin ist zudem nach § 40
Abs. 2 FGO klagebefugt. Sie hat die Klage sowohl in ihrer Stellung
als mögliche Organträgerin als auch in ihrer Eigenschaft
als Rechtsnachfolgerin der möglichen Organgesellschaft
(B-GmbH) eingelegt. Sowohl Organträgerin als auch
Organgesellschaft sind Feststellungsbeteiligte des Verfahrens nach
§ 14 Abs. 5 KStG, die von der Bindungswirkung der gesonderten
und einheitlichen Feststellung betroffen sind; als solche sind sie
klagebefugt.
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24
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Die Rechtsprechung hat dies (auch) für
die Organgesellschaft schon ausdrücklich erkannt (BFH-Urteil
vom 01.07.2020 - XI R 20/18, BFHE 269, 525, BStBl II 2021, 296 =
SIS 20 21 32, m.w.N., Verfassungsbeschwerde eingelegt, Aktenzeichen
des Bundesverfassungsgerichts 2 BvR 926/21; bestätigt durch
BFH-Urteil vom 18.08.2021 - XI R 43/20, BFHE 274, 124 = SIS 22 02 78). Im Streitfall kommt
es auf den hierzu geführten Meinungsstreit aber im Ergebnis
nicht an, da sich die Klage gegen einen negativen
Feststellungsbescheid richtet, der zur Folge hat, dass die
Organgesellschaft ihr Einkommen selbst versteuern muss. Unter
diesen Umständen liegt in jedem Fall eine Beschwer vor
(einschränkend aber Brühl, DStR 2021, 313, 317 - der
dortige Verweis auf das Senatsurteil vom 30.01.2013 - I R 35/11,
BFHE 240, 304, BStBl II 2013, 560 [zu Bescheiden über die
Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos] = SIS 13 14 76 könnte allerdings die Unterschiede bei den
Feststellungsbeteiligten nicht ausreichend berücksichtigt
haben). Aus § 352 AO und § 48 FGO sind für den
Streitfall keine Einschränkungen erkennbar.
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cc) Dass kein Vorverfahren im Sinne des §
44 FGO durchgeführt wurde, ist unerheblich, da die
Voraussetzungen einer Sprungklage nach § 45 FGO erfüllt
sind. Das FA hat innerhalb eines Monats nach Zustellung der
Klageschrift einer Sprungklage zugestimmt.
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b) Auch die Sachurteilsvoraussetzungen
für die Klage gegen den Bescheid über den
Gewerbesteuermessbetrag lagen vor.
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Insbesondere ist diese Klage nicht nach §
42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 AO unzulässig, da der Bescheid
über den Gewerbesteuermessbetrag im Verhältnis zu dem
Feststellungsbescheid nach § 14 Abs. 5 KStG kein Folgebescheid
ist (Brühl, GmbHR 2021, 166, 168; Teiche, DStR 2013, 2197,
2201). Vielmehr wird der Gewerbesteuermessbetrag in einem
eigenständigen Verfahren ermittelt (vgl. auch Kolbe in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 368;
Drüen, Der Konzern 2013, 433, 437; jeweils m.w.N.). Auch
§ 35b des Gewerbesteuergesetzes in der für das Streitjahr
geltenden Fassung (GewStG) führt nicht dazu, dass ein
Verhältnis von bindendem Grundlagenbescheid und Folgebescheid
besteht (z.B. Kontny in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann,
GewStG, 2. Aufl., § 35b Rz 8, m.w.N.). Eine faktische
Grundlagenfunktion (vgl. BFH-Beschluss vom 31.05.2010 - X B 163/09,
BFH/NV 2010, 2082 = SIS 10 32 33, Selder in Glanegger/Güroff,
GewStG, 10. Aufl., § 35b Rz 3, m.w.N.) reicht hierfür
nicht aus.
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In der Folge ist auch die Statusfrage für
die Gewerbesteuer allein im Rahmen des Bescheids über den
Gewerbesteuermessbetrag zu entscheiden (Drüen in Prinz/Witt,
Steuerliche Organschaft, 2. Aufl., Rz 4.57). Über die Frage,
ob das FG im angefochtenen Urteil anstelle der Verpflichtung des FA
zur Null-Festsetzung die Aufhebung des Bescheids über den
Gewerbesteuermessbetrag hätte aussprechen müssen (so
Brühl, GmbHR 2021, 166, 168), muss in einem Revisionsverfahren
des FA nicht entschieden werden.
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3. Verpflichtet sich eine Europäische
Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf
Aktien mit Geschäftsleitung im Inland und Sitz in einem Mitgliedstaat der
Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des
EWR-Abkommens (Organgesellschaft) durch einen
Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 des
Aktiengesetzes, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes
gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist das Einkommen der
Organgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen dem Träger
des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen (§ 14 Abs. 1
Satz 1 KStG). Zu diesen Voraussetzungen gehört unter anderem,
dass der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf
Jahre abgeschlossen ist und während seiner gesamten
Geltungsdauer durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
Satz 1 KStG). Darüber hinaus muss der Organträger an der
Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an
ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt sein, dass ihm
die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der
Organgesellschaft zusteht (finanzielle Eingliederung im Sinne des
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG). Die Beteiligung an der
Organgesellschaft muss zudem ununterbrochen während der
gesamten Dauer der Organschaft einer inländischen
Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO des Organträgers
zuzuordnen sein (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG).
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Sofern sich eine andere als die in § 14
Abs. 1 Satz 1 KStG bezeichnete Kapitalgesellschaft mit
Geschäftsleitung im Inland und Sitz in einem Mitgliedstaat der
Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des
EWR-Abkommens (und damit auch eine inländische GmbH) wirksam
verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen im
Sinne des § 14 KStG abzuführen, gelten nach § 17
Abs. 1 Satz 1 KStG die §§ 14 bis 16 KStG entsprechend.
Darüber hinaus sind die zusätzlichen Voraussetzungen des
§ 17 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 KStG zu
berücksichtigen.
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31
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Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft
im Sinne der § 14 oder § 17 KStG, gilt sie
gewerbesteuerrechtlich als Betriebsstätte des
Organträgers (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG).
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4. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass
zwischen der Klägerin (als Organträgerin) und der B-GmbH
(als Organgesellschaft) für das Streitjahr die Voraussetzung
der finanziellen Eingliederung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG)
schon vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Klägerin
(01.09.2014) an erfüllt war.
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33
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a) Der Senat hat bereits in seinen Urteilen
vom 28.07.2010 - I R
89/09 (BFHE 230, 408, BStBl II 2011, 528 = SIS 10 33 13) und I R
111/09 (BFH/NV 2011, 67 = SIS 10 39 95) zu den Auswirkungen
umwandlungssteuerrechtlicher Vorgänge auf das
Tatbestandsmerkmal der finanziellen Eingliederung im Sinne des
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG erkannt und für den Fall
der Einbringung einer Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft
nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 entscheidend auf die
Anwendung von § 12 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 und
§ 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995 abgestellt. Aus diesen
Vorschriften folge, dass die übernehmende Körperschaft
umfassend und vorbehaltlos in die steuerliche Rechtsstellung der
übertragenden Körperschaft eintrete (sogenannte
Fußstapfentheorie). Dies gelte auch für die
körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsvoraussetzungen.
Deshalb sei es ausreichend, wenn ab dem Beginn des
Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft eine finanzielle
Eingliederung zunächst zum übertragenden
Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden
Rechtsträger bestehe. Ob die finanzielle Eingliederung
rechtlicher oder rein tatsächlicher Natur ist und ob dieses
Merkmal von der umwandlungssteuerlichen Rückwirkung nach
§ 20 Abs. 7 und Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 UmwStG
1995 erfasst wird, blieb in diesen Urteilen offen.
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34
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b) Der Senat hält an dieser
Rechtsprechung fest. Sie ist auf den Streitfall übertragbar,
obwohl hier - abweichend zu den Sachverhalten, die den Urteilen vom
28.07.2010 - I R 89/09 (BFHE 230, 408, BStBl II 2011, 528 = SIS 10 33 13) und I R 111/09 (BFH/NV 2011, 67 = SIS 10 39 95) zugrunde
lagen - der Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft
(01.09.2014) nicht mit dem umwandlungssteuerlichen
Übertragungsstichtag (01.01.2015) zusammenfällt. Denn der
übernehmende Rechtsträger tritt hinsichtlich der
finanziellen Eingliederung auch dann nach § 12 Abs. 3 i.V.m.
§ 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG in die Rechtsstellung des
übertragenden Rechtsträgers ein, wenn der
umwandlungssteuerliche Übertragungsstichtag nicht auf den
Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft
zurückbezogen wird.
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35
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aa) Der Umstand, dass die Fragen, ob die
finanzielle Eingliederung rechtlicher oder rein tatsächlicher
Natur ist und ob dieses Merkmal von der umwandlungssteuerlichen
Rückwirkung nach § 20 Abs. 7 und Abs. 8 Satz 1 i.V.m.
§ 2 Abs. 1 UmwStG 1995 erfasst wird, in den Senatsurteilen vom
28.07.2010 - I R 89/09 (BFHE 230, 408, BStBl II 2011, 528 = SIS 10 33 13) und I R 111/09 (BFH/NV 2011, 67 = SIS 10 39 95) offen
bleiben konnten, hat bereits deutlich gemacht, dass allein die
umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge nach § 12 Abs. 3 i.V.m.
§ 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG zur finanziellen Eingliederung in den
übernehmenden Rechtsträger (Organträger) führen
kann und nicht zusätzlich die Voraussetzungen einer
umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung auf den Beginn des
Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft vorliegen müssen. Die
Rechtsinstitute der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge und der
umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung stehen gleichberechtigt
nebeneinander; sie können den gleichen Zeitraum betreffen,
müssen es aber nicht. Dies entspricht im Ergebnis auch der
ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur (Brink in
Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 206 f.;
Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die
Körperschaftsteuer, UmwStG Anhang 1 Rz 22a; Frotscher in
Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz 949;
Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3.
Aufl., Anhang 4 „Umwandlungen und
Organschaft“, Rz 44 f.; Kolbe in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 116;
Brandis/Heuermann/Krumm, § 14 KStG Rz 294; Neumann in Gosch,
KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 158a und 523; Rödder/Liekenbrock
in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz
224; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl,
Umwandlungsgesetz/Umwandlungssteuergesetz, 9. Aufl., § 12
UmwStG Rz 84; Wisniewski in Haritz/Menner/Bilitewski,
Umwandlungssteuergesetz, 5. Aufl., § 12 Rz 90; Beinert/M. Marx
in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2. Aufl., Rz 12.65;
Brühl, DStR 2021, 313, 315; Hierstetter in Prinz/Witt,
Steuerliche Organschaft, 2. Aufl., Rz 20.42; Klauck, Der
Steuerberater 2023, 161, 164 ff.; Prinz/Solowjeff, DB 2023, 1433,
1438 f.; Pichler, Die ertragsteuerliche Organschaft im
Umwandlungssteuerrecht, 2015, S. 195 ff.; Rödder, DStR 2011,
1053, 1054; Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 1, 11; Walter,
GmbHR 2020, 1098, 1100; Walter, GmbHR 2021, 226, 228; wohl auch
Schießl in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 12 UmwStG
Rz 468.0.1). Für die Gegenauffassung der Finanzverwaltung
(Bundesministerium der Finanzen - BMF -, Schreiben vom 11.11.2011,
BStBl I 2011, 1314 = SIS 11 41 63, Rz Org.02 Satz 2 und 02.03; vgl.
auch van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3.
Aufl., § 2 Rz 60) sind im Wortlaut des § 12 Abs. 3 i.V.m.
§ 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG und im Zweck dieser Regelungen keine
Anhaltspunkte erkennbar.
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Die Anwendung der Fußstapfentheorie ist
dabei auch nicht auf diejenigen Fälle beschränkt, in
denen das Unternehmen der Organgesellschaft zuvor ein Teilbetrieb
des übertragenden Rechtsträgers war. Mit seinen
Ausführungen zur Teilbetriebseigenschaft als
„stärkste Form der Eingliederung“
hat der Senat in dem Urteil vom 28.07.2010 - I R 89/09 (BFHE 230,
408, BStBl II 2011, 528 = SIS 10 33 13) lediglich begründet,
weshalb die Fußstapfentheorie auch auf eine
Sachverhaltskonstellation ausgedehnt wurde, bei der die für
die finanzielle Eingliederung maßgebliche Beteiligung an der
Organgesellschaft erst durch eine rückwirkende Ausgliederung
entstanden war.
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bb) Das FA kann dem nicht mit Erfolg
entgegenhalten, dass die körperschaftsteuerrechtliche
Organschaft als systematische Durchbrechung des steuerrechtlichen
Subjektprinzips eine restriktive Auslegung zur Folge haben
müsse.
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Zwar folgt aus dem Ausnahmecharakter der
Organschaft eine grundsätzlich strenge Auslegung der
gesetzlichen Regelungen über die Voraussetzungen der
körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft (vgl. Senatsurteile
vom 02.11.2022 - I R 29/19, BFHE 278, 469, BStBl II 2023, 405 = SIS 23 02 29 und I R 37/19, BFHE 278, 480, BStBl II 2023, 409 = SIS 23 02 30; jeweils m.w.N.). In Umwandlungsfällen werden diese
Regelungen aber durch die umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften
ergänzt. Diese sehen in § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs.
2 Satz 3 UmwStG eine umfassende umwandlungssteuerliche
Rechtsnachfolge vor (zum Verhältnis von § 12 Abs. 3
UmwStG zu § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG vgl. auch Kahle/Liedgens,
DStZ 2023, 533, 542 f., m.w.N.). Selbst eine grundsätzlich
enge Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen kann nicht dazu
führen, diese umwandlungssteuerrechtlichen Sonderregelungen zu
negieren, zumal das Merkmal der finanziellen Eingliederung nicht
personengebunden ist, sondern der Mehrheitsbeteiligung an der
Organgesellschaft anhaftet, die mit der Umwandlung auf den
übernehmenden Rechtsträger übergeht. Aus Sicht der
Organgesellschaft ändert die Umwandlung auf der Ebene des
Organträgers nichts an der
„Eingliederung“ in ein anderes
Unternehmen.
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39
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Ein umfassendes Verständnis der
umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge führt auch nicht dazu,
dass die Regelungen zur umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung
obsolet werden. Dies zeigt sich schon daran, dass die
umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge nicht für
sämtliche Umwandlungen des Umwandlungssteuergesetzes Anwendung
findet (vgl. § 23 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 UmwStG).
Außerdem bleibt die umwandlungssteuerliche Rückbeziehung
insbesondere dann von Bedeutung, wenn es um die Zurechnung des
Einkommens geht, das die Organgesellschaft in einem bereits
abgeschlossenen Wirtschaftsjahr erzielt hat (vgl. hierzu Pichler,
Die ertragsteuerliche Organschaft im Umwandlungssteuerrecht, 2015,
S. 201 ff.).
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cc) Soweit das FA einwendet, dass ohne
Berücksichtigung des umwandlungssteuerlichen
Übertragungszeitpunkts eine zeitgleiche Zuordnung der
Beteiligung an der Organgesellschaft zu zwei verschiedenen
Konzernen möglich sei, ist dem entgegenzuhalten, dass der
Übergang der finanziellen Eingliederung im Wege der
umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge nicht mit einer
Verdoppelung des Zuordnungssubjekts gleichgesetzt werden kann.
Insbesondere bedeutet dies nicht, dass es entgegen der gesetzlichen
Systematik (Abführung des ganzen Gewinns an „ein
einziges anderes gewerbliches Unternehmen“)
auch zu einer Zurechnung desselben Gewinns der Organgesellschaft zu
zwei verschiedenen Organträgern kommen kann.
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Wird bei der Organgesellschaft zum
umwandlungssteuerlichen Übertragungsstichtag ein
Rumpfwirtschaftsjahr gebildet, ist nur der ab diesem Zeitpunkt
erzielte Gewinn an den neuen Organträger abzuführen und
diesem steuerlich zuzurechnen. Wird dagegen - wie im Streitfall -
kein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet, ist handelsrechtlich keine
Zwischenbilanz aufzustellen. Der zivilrechtliche Anspruch auf
Gewinnabführung richtet sich hier allein danach, wer am Ende
des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft nach dem
Gewinnabführungsvertrag anspruchsberechtigter Organträger
ist (vgl. auch Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 523;
BMF-Schreiben vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314 = SIS 11 41 63, Rz
Org.19 Satz 2). Auch das Steuerrecht knüpft in § 14 Abs.
1 Satz 1 KStG an den gesamten Gewinn nach dem handelsrechtlichen
Jahresabschluss zum Ende des Wirtschaftsjahres der
Organgesellschaft an, so dass - entgegen der Auffassung des FG -
keine Rechtsgrundlage für eine zeitanteilige unterjährige
Einkommenszurechnung besteht (Dötsch in
Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer,
UmwStG Anhang 1 Rz 22b; Walter, GmbHR 2021, 226, 228; vgl. auch
BFH-Urteil vom 28.02.2013 - IV R 50/09, BFHE 240, 270, BStBl II
2013, 494 = SIS 13 11 91 zum unterjährigen
Gesellschafterwechsel bei einer
Organträger-Personengesellschaft). Damit ist das Einkommen der
Organgesellschaft in vollem Umfang ausschließlich dem neuen
Organträger (der Klägerin) zuzurechnen.
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Die zivilrechtliche Notwendigkeit einer
Zwischenbilanz bei unterjähriger Beendigung oder
unterjährigem Beginn des EAV (vgl. hierzu Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 14.12.1987 - II ZR 170/87, BGHZ 103, 1;
Koch, Aktiengesetz, 17. Aufl., § 302 Rz 11) sowie die
steuerliche Rückwirkung der unterjährigen Beendigung
eines EAV aus wichtigem Grund (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2
und 3 KStG) führen zu keinem anderen Ergebnis. Bei der
Verschmelzung auf Ebene des Organträgers kommt es gerade nicht
zu einer unterjährigen Beendigung des EAV - vielmehr geht der
EAV aufgrund zivilrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge (§ 20 Abs.
1 des Umwandlungsgesetzes) auf den neuen Organträger über
(z.B. Winter in Schmitt/Hörtnagl,
Umwandlungsgesetz/Umwandlungssteuergesetz, 9. Aufl., § 20 UmwG
Rz 58).
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dd) Soweit kritisiert wird, die alleinige
Maßgeblichkeit der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge
führe zu Missbrauchs- und Gestaltungsmöglichkeiten
(insbesondere zur Nutzung von Verlusten entgegen § 12 Abs. 3
i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG und zur Übertragung von
Verlusten der Organgesellschaft im Rahmen des § 8c Abs. 1 Satz
1 und 5 KStG), weist der Senat darauf hin, dass das Gesetz auch an
anderen Stellen eine nachträgliche Rückbeziehung
körperschaftsteuerrechtlicher Organschaftsvoraussetzungen
zulässt. Insbesondere muss der Gewinnabführungsvertrag
nach § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG nicht vor Beginn des ersten
Organschaftsjahres abgeschlossen werden, sondern es reicht aus,
dass er bis zum Ende des ersten Organschaftsjahres zivilrechtlich
wirksam wird. Regelungen dieses Inhalts verdeutlichen, dass den
Rechtsfolgen einer Rückbeziehung nicht allgemein der Einwand
etwaiger Missbrauchs- oder Gestaltungsmöglichkeiten entgegen
gehalten werden kann.
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c) Schließlich kann sich das FA auch
nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich aus jüngeren
Senatsentscheidungen eine abweichende Rechtsauffassung ergebe.
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Dies betrifft zunächst das Senatsurteil
vom 10.05.2017 - I R 19/15 (BFHE 258, 344, BStBl II 2019, 81 = SIS 17 16 39). Dort ging es darum, dass die Anteile an der
Organgesellschaft erst zeitlich nach dem Beginn des
Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft, auf den es
gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG ankommt,
im Wege der Einzelrechtsnachfolge erworben worden waren. Deshalb
konnte eine nachfolgende umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge
gemäß § 12 Abs. 3 UmwStG nicht dazu führen,
dass die finanzielle Eingliederung schon ab dem Beginn des
Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft vorgelegen hat. Die
finanzielle Eingliederung lag auch beim übertragenden
Rechtsträger zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht vor. Der
übernehmende Rechtsträger kann aber nur in eine solche
Rechtsstellung eintreten, die der übertragende
Rechtsträger bereits inne hatte.
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Auch der Senatsbeschluss vom 05.11.2014 - I B
34/14 (BFH/NV 2015, 356 = SIS 15 01 49) führt zu keinen
gegenteiligen Erkenntnissen. Die Anwendung der
Fußstapfentheorie nach § 12 Abs. 3 UmwStG auf das
Tatbestandsmerkmal der finanziellen Eingliederung scheiterte dort
schon daran, dass es um eine Abspaltung zur Aufnahme auf Ebene der
Organgesellschaft ging. Deshalb sah der Senat keinen Anhaltspunkt,
dass § 12 Abs. 3 UmwStG auf Ebene des Organträgers dazu
führen könnte, gegenüber der neuen Organgesellschaft
die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung zu
erfüllen.
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Aus dem Senatsurteil vom 16.04.2014 - I R
44/13 (BFHE 245, 248, BStBl II 2015, 303 = SIS 14 16 44) lassen
sich schließlich ebenfalls keine abweichenden Schlüsse
ziehen. Zwar hat der Senat zum gewerbesteuerrechtlichen
Schachtelprivileg nach § 9 Nr. 2a Satz 1 des
Gewerbesteuergesetzes 2009 (GewStG 2009) entschieden, dass für
das dortige stichtagsbezogene Beteiligungserfordernis (Beteiligung
von mindestens 15 % zu Beginn des Erhebungszeitraums) weder §
4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG noch § 12 Abs. 3 UmwStG anwendbar
seien. Maßgebend war hierfür aber die Abgrenzung
zwischen rein stichtagsbezogenen Beteiligungserfordernissen und
solchen, für die es auf einen Zeitraum ankommt. Die
finanzielle Eingliederung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1
KStG muss aber ununterbrochen vom Beginn des Wirtschaftsjahres der
Organgesellschaft an vorliegen und ist deshalb - abweichend zum
Beteiligungserfordernis nach § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG 2009 -
gerade nicht stichtags-, sondern zeitraumbezogen. Soweit im
Senatsurteil vom 10.05.2017 - I R 51/15 (BFHE 258, 351, BStBl II
2018, 30 = SIS 17 16 40) auch bei der finanziellen Eingliederung
nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG von einer
zeitpunktbezogenen Regelung gesprochen wird, diente dies lediglich
der Abgrenzung zu Merkmalen, die nicht nur bezogen auf den Zeitraum
des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft, sondern bezogen auf
die Laufzeit des Gewinnabführungsvertrags vorliegen
müssen.
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5. Ungeachtet des Umstands, dass zwischen den
Beteiligten mit Blick auf die von ihnen erörterten weiteren
Voraussetzungen einer körperschaft- und
gewerbesteuerrechtlichen Organschaft kein Streit besteht und der
Senat insoweit von Ausführungen absehen kann, ist die Sache
nicht spruchreif, da das FG keine tatsächlichen Feststellungen
zur Zuordnung der Beteiligung an der Organgesellschaft zu einer
inländischen Betriebsstätte des Organträgers
getroffen hat (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG). Daher
ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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a) Insbesondere fehlen jegliche
Feststellungen, ob die A-GmbH und die Klägerin nur
inländische oder auch ausländische Betriebsstätten
hatten und welcher Betriebsstätte die Beteiligung an der
B-GmbH im Streitjahr zuzuordnen war (vgl. auch Brühl, DStR
2021, 313, 317 zum Urteil des Hessischen FG vom 14.05.2020 - 4 K
412/19, EFG 2020, 1344 = SIS 20 14 20 - nachgehend Senatsurteil vom
11.07.2023 - I R 21/20, zur amtlichen Veröffentlichung
bestimmt). Aufgrund der typischerweise international ausgerichteten
Geschäftstätigkeit der Vercharterung von Seeschiffen kann
ohne diese Feststellungen nicht abschließend entschieden
werden, ob die Voraussetzungen einer körperschaft- und
gewerbesteuerrechtlichen Organschaft vollständig erfüllt
waren. Dem FG wird daher aufgegeben, die entsprechenden
Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
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b) Zum weiteren Verlauf des Verfahrens wird
auf Folgendes hingewiesen:
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aa) Das Merkmal der Zuordnung der Beteiligung
an der Organgesellschaft zu einer inländischen
Betriebsstätte des Organträgers (§ 14 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 Satz 4 KStG) kann - wie die finanzielle Eingliederung -
Gegenstand einer umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge nach
§ 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG sein
(Brink in
Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 233u;
Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3.
Aufl., Anh. 4 Rz 41; Brandis/Heuermann/Krumm, § 14 KStG Rz
294a; Rödder/Liekenbrock in
Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 301
und 303; Brühl/Weiss, Ubg 2020, 715, 718 f.; Rödder
in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder [Hrsg.], Nationale und
internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung,
Festschrift für Dietmar Gosch, 2016, S. 341, 345 ff.; im
Ergebnis auch Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz
159b).
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Zur Begründung nimmt der Senat
grundsätzlich auf die obigen Ausführungen zum Merkmal der
finanziellen Eingliederung Bezug. Hinzu kommt, dass die
Besitzzeitanrechnung nach § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG
ausdrücklich an die Dauer der Zugehörigkeit eines
Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen anknüpft und
insoweit eine Anrechnung des Zeitraums der Zugehörigkeit zum
Betriebsvermögen des übertragenden Rechtsträgers
beim übernehmenden Rechtsträger vorsieht. Davon wird auch
das Merkmal des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG erfasst,
auch wenn hier nicht nur die Zugehörigkeit der Beteiligung an
der Organgesellschaft zum Betriebsvermögen des
übertragenden Rechtsträgers maßgeblich ist, sondern
zusätzlich die Zuordnung der Beteiligung zu einer
inländischen Betriebsstätte.
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bb) Durch die Verschmelzung der
Organgesellschaft (B-GmbH) auf die neue Organträgerin
(Klägerin) im Jahr 2017 ist während der
Mindestvertragslaufzeit des EAV eine sogenannte Konfusion
eingetreten. Dadurch ist der EAV vor Ablauf der
Mindestvertragslaufzeit des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1
KStG erloschen. Das FG ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass
dies in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
Satz 2 KStG unschädlich war. Die Konfusion stellt einen
wichtigen Grund für die Nichteinhaltung der
Mindestvertragslaufzeit dar (BMF-Schreiben vom 11.11.2011, BStBl I
2011, 1314 = SIS 11 41 63, Rz Org.04 Satz 2; Kolbe in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 214 f.;
Brandis/Heuermann/Krumm, § 14 KStG Rz 164; Neumann in Gosch,
KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 278; Brühl, GmbHR 2021, 166,
167).
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6. Die Kostenentscheidung wird dem FG
übertragen (§ 143 Abs. 2 FGO).
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